Vier Fragen an… Dr. Michael Fuhs, Chefredakteur des pv magazine Deutschland

Dr. Michael Fuhs leitet die Redaktion der pv magazine Group mit ihren deutsch-, englisch-, spanisch- und chinesischsprachigen Magazinen und Online-Portalen. Er ist außerdem Chefredakteur von pv magazine Deutschland. Zuvor war er für über vier Jahre Chefredakteur der photovoltaik, davor hat er unter anderem für die Süddeutsche Zeitung, den WDR und den Deutschlandfunk als Autor gearbeitet und in Physik promoviert. pv magazine Deutschland ist eines der führenden Fachmagazine der Branche und erscheint vierteljährlich mit Schwerpunktheften. Das Online-Portal und der tägliche Newsletter berichten tagesaktuell aus Handwerk, Industrie und Politik.

Dr. Michael Fuhs, Chefredakteur des pv magazine Deutschland

„Jetzt liegt die Bagatellgrenze bei zehn Kilowatt Leistung. Das bedeutet, dass gewerblicher Eigenverbrauch in der Regel belastet wird, weil dort die Anlagen sinnvollerweise größer sind. Damit bricht der Photovoltaik ein sehr sinnvolles Segment weg. Es ist übrigens Humbug, dass mit der EEG-Umlage auf Eigenverbrauch wirklich Kosten gespart werden.“ – Dr. Michael Fuhs

Milk the Sun: Lieber Herr Fuhs, nach der Bundestagswahl 2013, den zähen Koalitionsverhandlungen und der Regierungsbildung, wie bewerten Sie das Ergebnis im Gesamten? Wie sehen Ihre Erwartungen an die neue Bundesregierung und vor allem an den neuen Superminister Sigmar Gabriel aus?

Michael Fuhs: Ich wünsche mir, dass er ein offenes Ohr für die Argumente hat, die seinen derzeitigen Kurs infrage stellen. Es sieht ja so aus, dass er nicht als primäres Ziel den Ausbau der erneuerbaren Energien hat, sondern die Absicherung der Kohlekraftwerke von Eon und RWE. Erneuerbare haben einen Platz nur, solange sie diese Absicherung nicht gefährden. Daher setzt er sich dafür ein, den Ausbau der Erneuerbaren zu reduzieren, wie jetzt bei der Photovoltaik auf die 2,5 Gigawatt pro Jahr. Ich wünsche mir, dass der Klimaschutz und der volkswirtschaftliche Erfolg mehr im Vordergrund stehen als der einzelner Unternehmen und SPD regierter Kommunen. Bei der Regierungsbildung sah es ja noch so aus, als ob man hoffen könnte. Es steht zwar im Koalitionsvertrag, dass der Eigenverbrauch mit einer EEG-Umlage belastet werden soll. Doch es waren auch Bagatellgrenzen vorgesehen. Jetzt liegt die Bagatellgrenze bei zehn Kilowatt Leistung. Das bedeutet, dass gewerblicher Eigenverbrauch in der Regel belastet wird, weil dort die Anlagen sinnvollerweise größer sind. Damit bricht der Photovoltaik ein sehr sinnvolles Segment weg. Es ist übrigens Humbug, dass mit der EEG-Umlage auf Eigenverbrauch wirklich Kosten gespart werden. In unserer Septemberausgabe habe ich vorgerechnet, dass es im Jahr 2017 bei Prognosen für den Eigenverbrauch, den das vollkommen unverdächtige Marktforschungsinstitut Prognos abschätzt, nur 0,23 Cent pro Kilowattstunde spart, wenn man den gesamten Photovoltaik Eigenverbrauch belasten oder verhindern würde. Ums Geld kann es also nicht gehen, sondern eben um die Kohlekraftwerke.

Milk the Sun: Das EEG gilt als eine der wichtigsten Baustellen der Energiewende. Was würden Sie sich bei einer Reform des EEG wünschen, beziehungsweise welche Baustelle halten Sie für die Drängendste?

Michael Fuhs: Ich halte es für das Drängendste, sich über die Ziele klar zu werden. Will man erneuerbare Energien, weil man denkt, dass nur so der Klimaschutz geht, muss man sie auch ausbauen. Wie soll der Klimaschutz denn sonst gehen. Meistens werden als Szenarien die Leitstudien des Umweltministeriums herangezogen, die lange beim DLR in Stuttgart gemacht wurden. Die haben im Endausbau irgendwas um die 70 oder 80 Gigawatt Photovoltaik vorgesehen. Diese Studien hatten mal ihren guten Zweck, weil sie die Erneuerbaren insgesamt weitergebracht haben und vermutlich die ersten ihrer Art waren. Aber die Zahlen sind wissenschaftlich nicht haltbar. Es gab keine Optimierung der Zubaugröße der einzelnen Energieträger, sondern es wurde viel mit Annahmen gearbeitet. Und diese Zahlen fließen überall ein. In Studien der Agora Energiewende, die jetzt ja auch personell sehr nahe bei der Regierung ist, in die Netzausbaupläne, in die Szenarien des Umweltrates. Dabei gibt es inzwischen viel bessere Modelle. Das ISE hat ein Modell, bei dem alle Größen vom Computer optimiert wurden, und kommt zu dem Schluss, dass die Energiewende mit 150 bis 250 Gigawatt Photovoltaik am kostengünstigsten ist. Also, wenn man sich über das Ziel klar ist, kann man sich auch um die Finanzierung kümmern. Ob das dann per Einspeisevergütung, per Marktprämienmodell oder per Eigenverbrauch geschieht, der eben nicht mit Umlagen belastet wird, ist dann fast egal. Naja, wichtig ist noch, dass das Modell so gestaltet ist, dass es eine Bürger-Energiewende bleibt. Das ist bei dem Marktprämienmodell, dessen Sinn sich mir sowieso nicht erschließt, schwieriger.

Milk the Sun: Eine Studie der Deutschen Bank belegte erst kürzlich, dass die PV-Leistung bis 2015 weltweit enorm steigen solle und bereits 2014 mit einem Zubau von Anlagen von rund 56 Gigawatt Gesamtleistung zu rechnen sei. Der Zuwachs von PV soll weltweit extrem zunehmen. Wie realistisch schätzen Sie diese Prognose ein? Steht wirklich ein zweiter Goldrausch für die Photovoltaik bevor und wenn, wie wird Deutschland davon profitieren können?

Michael Fuhs: Der weltweite Zuwachs an Photovoltaik wird steigen. Da sind sich ja alle Analysten einig. Schon jetzt macht sich bemerkbar, dass die Produktionskapazitäten der Hersteller wieder besser ausgelastet sind und auch die Nachfrage im Maschinenbau steigt daher wieder leicht. In vielen Ländern ist es eine sehr billige Energie. Unrealistisch ist die Deutsche Bank Prognose also nicht. Für Süddeutschland rechnet das ISE in 2017 mit unter acht Cent pro Kilowattstunde Stromgestehungskosten. Das ist doch sensationell. Wenn sie jetzt wohin gehen, wo die Strahlung eineinhalb mal oder sogar doppelt so hoch ist, ist Photovoltaik doch unschlagbar billig. Das Potenzial, teuren Diesel für Dieselgeneratoren zu sparen, ist schon jetzt sehr groß. Das geht bei dem niedrigen Ausbau, den die Photovoltaik  in vielen Ländern erst hat, problemlos. Über Netzintegration wie bei uns muss man sich da noch nicht so viel Gedanken machen. Ob es ein Goldrausch wird, da bin ich skeptischer. Die Preise sind niedrig und die Hersteller arbeiten gar nicht oder nicht besonders profitabel. Deutsche Unternehmen können trotzdem davon profitieren. Allerdings sind die Signale der Unternehmen widersprüchlich. Wir berichten darüber in unserer Märzausgabe. Einfach sind die Auslandsmärkte nicht und viele deutsche Unternehmen haben ja nicht mehr viele Ressourcen, um in Vorleistung zu gehen. Je nachdem, was man anbietet, geht es unterschiedlich gut. EPCs können dort vermutlich relativ gut aktiv sein. Hersteller haben vermutlich zumindest mittelfristig ein Kostenproblem. Wobei es ja sehr gut geförderte Märkte wie in Japan gibt. Vielleicht ist das Kostenproblem da ja nicht so groß. Wie lange deutsche Planer gebraucht werden, weiß ich wiederum nicht. Irgendwann können es die Ingenieure in den entsprechenden Ländern selber. Der Innovationsdruck bleibt für die deutschen Unternehmen also erhalten.

Milk the Sun: Abschließend hätten wir von Ihnen gerne eine Prognose für das Jahr 2014. Wie wird der Markt für EE am Ende des Jahres in Deutschland und der Welt aussehen? Wer werden die Gewinner und Verlierer sein?

Michael Fuhs: Wir haben uns bei wichtigen Großhändlern, Herstellern und Installateuren umgehört. Die meisten schätzen den Zubau mit zwei bis drei Gigawatt geringer ein als Analysten. Die Unsicherheit ist aber groß. Von der Novelle hängt sehr viel ab. Dass die EEG-Umlage auf Eigenverbrauch gar nicht kommt, glaube ich zwar nicht. Ich habe aber noch die Hoffnung, dass es nicht bei dieser unsinnig niedrigen Bagatellgrenze bleibt. Wenn sie zum Beispiel bei einem Megawatt liegen würde, würden sich viele Anlagen auf Dächern von Gewerbebetrieben rechnen. Wie schon gesagt, es kostet auch nicht viel. Die frage ist, ob man eine schnelle Energiewende, eine langsame oder vielleicht sowieso nur eine Energiewende light will. Wenn die Bagatellgrenze wie jetzt vorgesehen kommt, stehen die Verlierer fest. Wirkliche Gewinner gibt es bei den Solarbetrieben übrigens gar keine. Allerdings können die Installateure, die nur das Segment unter zehn Kilowatt bedienen davon ausgehen, dass ihr Markt erst einmal noch erhalten bleibt.

Wir danken Herrn Fuhs für das Interview: 

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Im Rahmen der Fortsetzung der Interviewreihe „Vier Fragen an …“ stellt der milk the sun blog führenden Köpfen aus Wirtschaft, Politik und Medien vier Fragen zu den Erwartungen an die nationale und internationale Energiepolitik, die Energiewende und  die Reform des EEGs.

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