Österreichs Solarpionierin Cornelia Daniel über „IKES“ und das „100.000 Dächer Programm“

Österreichs Solarpionierin Cornelia Daniel über „IKES“ und das „100.000 Dächer Programm“

Österreichs Umweltministerin Elisabeth Köstinger und Verkehrsminister Norbert Hofer haben einen Entwurf für eine integrierte Klima- und Energiestrategie (IKES) „#mission2030“ veröffentlicht, das ein 100.000 Dächer Programm für die Photovoltaik beinhaltet. Greenpeace äußerte sich kritisch, und auch Solarunternehmerin und Energiebloggerin Cornelia Daniel zeigte sich nicht komplett zufrieden, weshalb wir sie um eine Stellungnahme baten.

 

Ziel der #mission2030 ist eine hundertprozentige Stromversorgung Österreichs bis zum Jahr 2030. Dafür sollen sowohl Energieeinsparungen als auch der weitere Ausbau der Erneuerbaren sorgen. Dazu beinhaltet der IKES-Entwurf das 100.000 Dächer Programm. „Jedes Haus soll ein kleines Kraftwerk werden. Es muss möglich sein, dass jeder Häuslbauer den Strom, den er braucht, selbst herstellen kann“, erklärte Köstinger. Der Bundesverband Photovoltaic Austria begrüßte die Festlegung des Ziels auf das Jahr 2030 und zeigte sich vorsichtig optimistisch.

Der vorgelegte Entwurf spricht von Investitionsförderungen sowie dem Wegfall der gültigen Eigenstromsteuer. Zudem sollen bürokratische Hürden im Wohn- und Anlagenrecht beseitigt werden.
Greenpeace warf der Regierung in Bezug auf „#mission2030“ Totalversagen vor. Laut der Umweltorganisation fehlte es nicht nur an konkreten Zuständigkeiten und Zeitplänen, sondern auch an Finanzierungen – und die Vorschläge reichten nicht, um Österreich C02-neutral zu machen.

 

Im Gespräch: Was Cornelia Daniel zum IKES-Entwurf sagt

In ihrer ersten Reaktion zeigte sich auch die österreichische PV-Pionierin und Energiebloggerin Cornelia Daniel (tausendundeindach.at) teilweise auch enttäuscht, weswegen wir Sie in einem kurzen Interview um Ihre Stellungnahme zum aktuellen Entwurf und ihren Ideen baten:

 

Milk the Sun: Cornelia, deine erste Reaktion auf den Entwurf auf Twitter war: „Ich bin enttäuscht“. Was genau enttäuscht dich?

 

 

Wie gesagt, ich bin froh, dass überhaupt etwas passiert, der Stillstand der letzten Jahre war einfach fürchterlich. Aber für mich wirkt es, als hätte man dem Bereich Photovoltaik noch nicht die Aufmerksamkeit gegeben, die nötig ist, um die wirklich hohen Zubauzahlen (von 200 MWp/Jahr auf 1000 MWp/Jahr) zu erreichen. Mit diesem Paket kommen wir nun vielleicht auf 300 MWp, aber auf nicht mehr. Es ist nichts Neues dabei. Was mir vielleicht auch fehlt ist etwas mehr „Fleisch“ zum 100.000 Dächer Programm, das ich prinzipiell natürlich begrüße.

Zumindest hier würde ich mir einen Zeithorizont erwarten oder etwas mehr als nur der Name für eine Investförderungsmaßnahme. Das hätte Potenzial zu etwas richtig Genialem zu werden, das den Markt auch nachhaltig voranbringt. Ich hoffe, dass sie diese Chance nicht vorüberziehen lassen. Ich habe unser 1001-Dach Programm ja nicht zuletzt mit der Intention gestartet, dass auf unser privates 1001-Dach Programm ein 100.000 Dächer Programm wie im Deutschland der 90er Jahre folgt . Dass wir fast 20 Jahre hinten nach sind will ich hier jetzt nicht näher kommentieren, das sagt eh schon viel aus, aber besser spät als nie. Jedenfalls freue ich mich, dass mein Masterplan funktioniert hat ;-).

Das grundsätzliche Problem ist: Etwas mehr Investförderung hier und da reicht bei Weitem nicht aus um das exponentielle Wachstum einzuleiten. Die Abschaffung der Eigenstromsteuer ist das Mindeste und dazu bräuchte es auch so etwas wie einen Vertrauensbeweis oder Verfassungsschutz, damit die nächste Regierung das nicht wieder umdreht. Die Unsicherheit, die die vorherige Regierung in der Hinsicht in den Markt gebracht hat, ist mit keiner Förderung aufzuwiegen.

Die Kraftwerke laufen auf 30-50 Jahre und wenn man ständig Angst haben muss, dass der Finanzminister es sich wieder anders überlegt, wenn er das Geld braucht, dann wird auch nicht investiert. Ich persönlich würde mir für dieses „Verbrechen“ auch eine aufrichtige Entschuldigung der Regierung erwarten, aber ich merke, dass das Thema für mich hochsensibel und emotionalisiert ist, wie auch mein Artikel zur Sonnensteuer von damals zeigt , also werde ich es auch überleben wenn das nicht passiert. 🙂

 

Cornelia Daniel mit ihren beiden Kollegen Claus Baumgartner und Martin Lackner (v.l.) von tausendundeindach.at.

Cornelia Daniel mit ihren beiden Kollegen Claus Baumgartner und Martin Lackner (v.l.) von tausendundeindach.at.

Milk the Sun: Du hast auch bezüglich der Umsetzung der nicht sehr konkreten Maßnahmen Bedenken. Woher kommen diese Bedenken?

Wenn der Entwurf so bleibt, wie er ist, wird sich nicht viel ändern und der aktuelle moderate Wachstumspfad wird fortgesetzt. Dieser sieht im Moment so aus: Wir werden die nächsten 2 Jahre verbesserte Zubauzahlen haben, die aus der letztjährigen kleinen Ökostromovelle herrühren. Die Mittel wurden aufgestockt und so kommen wir von den lächerlichen 150 MWp auf ca. 200-250 MWp Zubau pro Jahr. Das ist schon mal nicht schlecht, aber weit entfernt von 500-1000 MWp/Jahr. Einige Energieversorger bauen mittlerweile auch schon ohne Förderung, weil sie nicht so knapp kalkulieren müssen wie private Investoren und anscheinend schon mehr über die zukünftigen Energiepreise wissen als unsereins. Da könnten also auch noch einige MWp dazukommen.

Diese Entwicklungen geschehen aber wie gesagt auch ohne eine neue Energiestrategie. Zudem ist die ganze Branche nach den vielen gescheiterten Anläufen für eine sinnvolle Energiestrategie vorsichtig geworden und kann vage 2030-Pläne nicht mehr hören, weil es eben keine Mechanismen gibt, die diese Ziele überprüfbar machen oder Zuständigkeiten, die dazu führen, dass sich wirklich jemand darum kümmert. Wir dürsten nach ersten konkreten Schritten in greifbarer Nähe Richtung 2020 und eben nicht Richtung 2030.

Bezüglich Zuständigkeiten gab es in der Regierung aber eine Entwicklung, die mich optimistisch stimmt. Die Energieabteilung wurde vom Wirtschaftsministerium ins Nachhaltigkeitsministerium verlegt und so ist zumindest eine der „Wir-sind-dafür-nicht-zuständig-Fallen“ entfernt.

 

Milk the Sun: Wie muss es aus deiner Sicht weitergehen, damit aus dem aktuellen Entwurf vielleicht doch ein deutlich positiverer Effekt für die erneuerbaren Energien und im speziellen für die Photovoltaik in Österreich entsteht, als bisher angenommen?

Wie gesagt finde ich es so schade, dass man den „Elfmeter Photovoltaik“ nicht als solchen erkennt und nichts Neues andenkt oder sich Erfolgsbeispiele aus anderen Ländern holt. Keine Technologie ist in der Gesellschaft anerkannter und was so viele immer noch nicht verstanden haben, keine Technologie produziert günstiger Energie als die Photovoltaik. Trotzdem braucht es geänderte Rahmenbedingungen, weil es im Moment keinen „Dringenden Anlassfall“ für Kraftwerksbetreiber gibt, da die Energiepreise so niedrig sind. Wann wenn nicht jetzt wäre also eine absolute Staatsoffensive auf vielen Ebenen angebracht? Ich denke da an Dinge wie:

Solarpflicht für alle öffentlichen Gebäude: Da würde man gleich zwei Fliegen mit einer Klatsche schlagen. Man würde nicht nur CO2 einsparen, sondern auch gleich alle Schikanen, die einem am Weg zur PV-Anlage in den Weg gelegt werden aus erster Hand erfahren. Die Beamten könnten dann gleich mit den anderen Beamten in ihrer Sprache sprechen und die Problembereiche sofort beseitigen. Nebenbei sichert man sich einen billigen Energiepreis, auch bei steigenden Strompreisen.

Sonderabschreibungen für PV-Anlagen: Die 20 Jahre Abschreibungsdauer einer PV-Anlage, die wir euch deutschen Nachbarn zu verdanken haben ;-), holen keinen Unternehmer vom Ofen hervor, da er dann einfach gleich den Strom weiter beim Energieversorger kaufen kann. Sonderabschreibungen von 1-3 Jahren würden ein ungeahntes Investitionsvolumen auslösen und das ohne Fördergeld zu verbrauchen. Ich könnte mir vorstellen, dass man zwischen Steuerbegünstigung oder Förderung wählen kann.

Staatsanleihe für PV-Ausbau: Allerorts heißt es, es gäbe so viel günstiges Geld, aber gerade bei der PV machen die Banken noch immer einen Aufstand durch unnötige Risikoaufschläge als handle es sich um ein Atomkraftwerk. Gerade für Contracting-Modelle ist günstiges Kapital der begrenzende Faktor, weshalb das derzeit nur Energieversorger anbieten können. Die Energiemilliarde für den Ausbau mit 1 % Verzinsung könnte ein weiterer Puzzlestein der Offensive sein.

Sehr wichtig und absolut unter dem Radar ist die Ausgestaltung der Netzentgelte und Abgaben. Wenn hier nicht verhindert wird, dass PV-feindliche Fixtarife eingeführt werden, stehen wir vor dem nächsten Stillstand Ende 2019. Die Netzbetreiber werden alles daran setzen, ihre Schäfchen ins Trockene zu bringen, auch wenn die PV darunter leidet. In der Vergangenheit wurden schon klammheimlich fixe Netzentgelte nach oben und Energiepreise nach unten geschraubt. Mir ist bewusst, dass jemand für die Netzinfrastruktur aufkommen muss, jedoch reden wir noch immer von einem aktuellen Photovoltaik-Stromanteil von 1 % und bevor wir nicht bei 20 % sind, sollte der variable Kostenanteil unbedingt höher sein, damit sich die Markkräfte entfalten und flexible Tarife auch wirklich zu einer Konsumentenverhaltensänderung führen können. Die daraus abgeleitete Maßnahme wäre also:

  • Höherer variabler Kostenanteil bei den gesamten Energiekosten, damit sich auch die Digitalisierung und smarte Systeme im Energiemarkt entfalten können.

Wichtig wäre allen voran, dass bis Ende des Jahres klar ist, wie es 2020 weitergeht. Wir leben erstmals seit 10 Jahren in dem Luxus zu wissen, wie der Markt 2019 aussieht und viele Unternehmen haben das Auf- und Ab der letzten Jahre nicht überlebt. Ein stabiler Markt braucht stabile Rahmenbedingungen und so muss eben spätestens Ende des Jahres klar sein, wo die Reise hingeht. Keine Regierung hatte bessere Voraussetzungen, dass das auch wirklich klappen könnte. Ich bleibe also trotz der ersten Enttäuschung zuversichtlich und werde meine Ideen einbringen, wenn das gewünscht ist. Was ich nicht möchte ist, wieder nutzloses Papier zu füllen, wie die letzten Jahre. Ich habe auch schon eine Interviewzusage der Bundesministerin für Nachhaltigkeit- und Tourismus, Elisabeth Köstinger, erhalten. Mal sehen was wir da noch hören.

 

Titelbild: Tony Gigov/Tausendundein Dach

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