Vier Fragen an … Denis-Mariel Kühn, Aufsichtsratsvorsitzender der Energiegenossenschaft Berlin-Brandenburg eG (EGBB)

Denis-Mariel Kühn ist der Aufsichtsratsvorsitzende der Energiegenossenschaft Berlin-Brandenburg eG (EGBB). Der diplomierte Kaufmann studierte an der Technischen Universität Dortmund. Er kann auf langjährige Erfahrungen im Bereich der Erneuerbaren Energien zurück blicken. Derzeit arbeitet er als Geschäftsführer bei der Green Energy World GmbH. Die EGBB hat das Ziel, eine dezentrale und bürgereigene Energieversorgung zu fördern. Die Energiegenossenschaft entstand aus einer Initiative der Berliner Unternehmensgruppe Corporate Energies Ende des Jahres 2012.

Denis-Mariel Kühn: "Die große Verunsicherung innerhalb der Bevölkerung wird vor allem durch Politiker geschürt, die im Wahlkampf um Stimmen kämpfen und durch die Medien, welche zum Teil in recht populistischer Manier das Thema Erneuerbare Energien aufgreifen. "

Milk the Sun: Lieber Herr Kühn, die Liste derer, denen in den letzten Monaten und Jahren ein Ausbremsen der Energiewende vorgeworfen wurde, ist lang. Wie schätzen Sie die klimapolitischen Ergebnisse der letzten Legislaturperiode der schwarz-gelben Regierung ein, der nach Kanzlerin Merkel „erfolgreichsten Bundesregierung seit der Wiedervereinigung“?

Denis Kühn: Insgesamt können wir in Deutschland mit Stolz auf eine sehr positive Entwicklung der Erneuerbaren Energien in Deutschland  schauen, welche immer noch beispielhaft ist weltweit. Ein Erfolgsfaktor war und ist sicherlich das EEG und eine weitestgehende Stabilität der langfristigen wirtschaftspolitischen Faktoren in diesem Zusammenhang. Was die schwarz-gelbe Regierung betrifft, gibt es einiges an negativen und fragwürdigen Ereignissen in dieser Zeit, welche das Interesse dieser Koalition an der Energiewende in Frage stellen. Letztlich war es genau diese Regierung, die Ende 2010 entgegen des vertraglichen Atomkonsens zum festgelegten Atomausstieg eine Laufzeitverlängerung in Abstimmung mit den Atomenergiekonzernen beschloss und diese Verlängerung nur auf Druck der Öffentlichkeit nach dem Atom-Unglück von Fukushima zurücknahm.

Die aktuelle Diskussion um die EEG-Umlage und steigende Strompreise ist auch auf die schwarz-gelbe Koalition zurückzuführen. Sie war es, die auf Wunsch der Energiewirtschaft in 2010 den Verkauf des EEG-Stroms über die Börse einführte.  Nun stehen wir vor der Situation, dass wir in einem Umverteilungsdilemma stehen. Großabnehmer von Strom und die Industrie zahlen immer weniger für ihren Strom, werden EEG-Umlage befreit, während die steigenden Umlagekosten aufgrund fallender Strombörsepreise durch den privaten Endkunden zu zahlen sind. Anfang dieses Jahres – im Wahljahr – hat die Regierungskoalition wieder massiv versucht gegen die Energiewende zu mobilisieren und das EEG durch Beschlüsse auszuhebeln, was später an den Bundesländern scheiterte. Insbesondere die öffentliche Art und Weise der Auseinandersetzung mit dem Thema durch die Regierung  war nachhaltig nicht positiv für die Erneuerbaren Energien. Hier muss sich der Umweltminister auch selber die Frage stellen, welche Interessen er in seinem Amt mit seinen Handlungen vertritt und tatsächlich zu vertreten hätte. Aktuell vertritt die FDP sogar den Standpunkt einer Aussetzung des EEG. Insgesamt fällt mein Fazit daher sehr durchwachsen aus.

Milk the Sun: Unabhängig davon welche Partei nach dem 22.September in den Bundestag einziehen wird und unabhängig von der dann herrschenden Koalition, kommen auf die neue Bundesregierung viele wichtige und prägende energiepolitischen Entscheidungen zu. Was erwarten Sie sich von der Bundesregierung nach den Wahlen?

Denis Kühn: Ganz wichtig wird sein, dass die Bundesregierung keinen „Schnellschuß“ landet. Das Thema EEG Umlage und steigende Stromkosten für Private Haushalte müssen angegangen werden. Insbesondere, um das insgesamt noch positive öffentliche Meinungsbild zur Energiewende nicht weiter zu belasten. Ich denke aber, dass die Lösung in diesem Zusammenhang primär in der konzeptionellen Korrektur der EEG-Umlage und deren Umverteiligungsmechanismus liegt und weniger im Grundsatz des EEG. Das EEG ist der Grundpfeiler zur Erreichung der angestrebten Energiewende hin zu einer sauberen Energieversorgung.

Milk the Sun: Derzeit herrscht eine große Verunsicherung innerhalb der Bevölkerung, wenn es um das Thema Erneuerbare Energien und die damit zusammenhängende Energiewende geht. Der einzelne erstickt in einem Schwall an Pro-und-Anti-Propaganda, was letztendlich lediglich Verunsicherung und Verwirrung zur Folge hat. Es gibt nur wenige Stimmen die zur Ordnung rufen und die Diskussion auf eine sachliche und logische Ebene zurückführen wollen. Wie ist ihr Vorschlag für ein konstruktiveres Vorgehen in diesen Fragen?

Denis Kühn: Wie schon gesagt, wird es Korrekturen geben müssen. Darin sind sich meines Erachtens alle Akteure einig.  Die große Verunsicherung innerhalb der Bevölkerung, von der Sie sprechen, wird vor allem durch Politiker geschürt, die im Wahlkampf um Stimmen kämpfen und durch die Medien, welche zum Teil in recht populistischer Manier das Thema Erneuerbare Energien aufgreifen. Insgesamt würde auch ich mir eine sachlichere, objektive und nicht einseitige Betrachtung in der Strompreisdebatte wünschen. Zu selten wird auf die tatsächlichen Kosten und Subventionen der Atom- und fossilen Energieträger eingegangen. Auf der anderen Seite gibt es aber einen sehr positiven Trend, dass sich Bürger immer stärker privat in die Erneuerbare Energien-Thematik einbringen, sei es durch die Errichtung eigener kleiner Energieanlagen oder das aktive Engagement in Energiegenossenschaften.

Milk the Sun: Stéphane Hessel bezeichnete den Kampf für eine nachhaltige und feste Umweltpolitik als eine der Hauptaufgaben der Menschen im 21. Jahrhundert. Die Erkenntnisse der Wissenschaft und die Veränderungen des Klimas geben ihm Recht. Dennoch passiert verhältnismäßig wenig, obwohl es letztendlich um die Existenz der menschlichen Spezis geht. Wie ist ihr Standpunkt dazu, dass sich angesichts eines derart dringenden Themas noch immer in politischen und wirtschaftlichen Grabenkämpfen ergeben wird?

Denis Kühn: Die Kräfte, welche gegen eine nachhaltige und feste Umweltpolitik mit einem grünen Energiekonzept agieren, entspringen in der Regel bestehenden Machverhältnissen. Die großen Energieversorger haben bis zum stetigen Ausbau der Erneuerbaren Energien, den Markt ohne Wettbewerb beherrscht. Ihre Position und die Nutzung ihrer fossilen und atomaren (enorm renditestarken) Energieanlagen versuchen sie mit aller Macht zu verteidigen. Auch Konzerne aus der Industrie haben häufig ein eher schwach ausgeprägtes Umweltbewusstsein. Diese Unternehmen zeichnet alle aus, dass sie finanziell sehr stark und einflussreich sind. Ihre Lobbyarbeit in Berlin wirkt hier sehr bewusst auf Politiker und Entscheidungsträger – so mein Empfinden. Deshalb ist es umso wichtiger, dass wir in möglich vielen Bereichen unserer Gesellschaft – wie der Energieversorgung – dezentrale Strukturen schaffen. Und wenn möglichst viele Bürger unmittelbar einbezogen sind, dann dürften wir es schaffen, dass zukünftig weg von den Grabenkämpfen hin zur Erreichung der geplanten Umweltziele erfolgreich gearbeitet wird.

 

Wir bedanken uns bei Herrn Kühn für das Interview.

 


 Im Rahmen der Interviewreihe “Vier Fragen an …” stellt der Milk the Sun Blog bis zur Bundestagswahl am 22.September 30 Tage lang führenden Köpfe aus Wirtschaft, Politik und Medien vier Fragen zu den Erwartungen an die Energiepolitik Deutschlands der zurückliegenden und kommenden Jahre. Bisher interviewten wir Sebastian Bolay (DIHK), Heiko Schwarzburger (Photovoltaik), Corinna Lang (CleanEnergy Project), Patrick Jüttemann (klein-windkraftanlagen.com), Christian Leers (PV-Experte), Robert Schwarz (BTO Management Consulting), Lothar Lochmaier (Freier Journalist), Michael Richter (Sonneninvest AG), Kilian Rüfer (SUSTAINMENT), Udo Schuldt (Blogger), Thorsten Zoerner (Solution Architect), Prof. Dr. Eicke Weber (Fraunhofer ISE), Falko Bozicevic (GoingPublic Magazin), Carsten Körnig (Solarwirtschaft e.V.)

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