Vier Fragen an … Thomas Nasswetter, Strategisches Marketing der Ritter Gruppe und Blogger

Thomas Nasswetter ist der strategische Marketingleiter der Ritter Gruppe und ein österreichischer Blogger auf dem Gebiet Erneuerbare Energiequellen und Umwelt. Er kann auf viele Jahre Erfahrung in der Branche zurückblicken und betreibt unter anderem einen Blog zum Thema. Auf dem durch die Ritter Gruppe betriebenen Energieblog ecoquent-positions.com will Thomas Nasswetter die Diskussionen über Solarthermie und den Heizungsmarkt in Deutschland anheizen und dabei allem auf die Sicht weiblicher Autoren setzen.

Thomas Nasswetter: "Jede neue Regierung wird sich mit dem EEG auseinandersetzen müssen. Immerhin hat es dieses Gesetz geschafft die Marktentwicklung im Bereich der Photovoltaik so nachhaltig zu beeinflussen, dass der Innovationsführer Deutschland nicht nur seine Vormachtstellung verloren hat, sondern gerade dabei ist auch noch den Industriestandort zu verlieren. Chapeau!"

Milk the Sun: Lieber Herr Nasswetter, die Liste derer, denen in den letzten Monaten und Jahren ein Ausbremsen der Energiewende vorgeworfen wurde, ist lang. Wie schätzen Sie die klimapolitischen Ergebnisse der letzten Legislaturperiode der schwarz-gelben Regierung ein, der nach Kanzlerin Merkel „erfolgreichsten Bundesregierung seit der Wiedervereinigung“?

Thomas Nasswetter: Die Energiewende auszurufen und mit deren Umsetzung zu beginnen, zeugt von großem Willen, Mut und Überzeugung. Über die Energiewende ist auch die Klimadiskussion in der Mitte der Bevölkerung angekommen. Auch das finde ich ausgezeichnet.

Das strategische und taktische Vorgehen der Regierung war dann nicht unbedingt immer von Weitsicht und wirklich langfristigem Denken beseelt und auch die Interessenabwägung bei machen Entscheidung war auch nicht immer glücklich gewählt. Immerhin sind die Fronten jetzt klarer erkennbar und die Klimadiskussion findet nicht mehr nur in Fachgremien, Lobbying Gruppen und bei NGOs statt sondern fließt immer mehr in die politischen Gestaltungsprozesse ein. Für mich ist die Klimabilanz der Bundesregierung also durchwachsen.

Milk the Sun: Unabhängig davon welche Partei nach dem 22.September in den Bundestag einziehen wird und unabhängig von der dann herrschenden Koalition, kommen auf die neue Bundesregierung viele wichtige und prägende energiepolitischen Entscheidungen zu. Was erwarten Sie sich von der Bundesregierung nach den Wahlen?

Thomas Nasswetter: Egal wer gewinnt und in welcher Konstellation die Macht verteilt wird, jede neue Regierung wird sich mit dem EEG auseinandersetzen müssen. Immerhin hat es dieses Gesetz geschafft die Marktentwicklung im Bereich der Photovoltaik so nachhaltig zu beeinflussen, dass der Innovationsführer Deutschland nicht nur seine Vormachtstellung verloren hat, sondern gerade dabei ist auch noch den Industriestandort zu verlieren. Chapeau!

Ich kann nur hoffen, dass die nächste Regierung die weltweite Technologieführerschaft im Bereich der Solarthermie nicht auch durch Untätigkeit oder unausgegorene Maßnahmen ins Abseits befördert. Gerade nach der Wahl muss die Politik auf das Beharrungsvermögen mancher langegedienter Bürokraten einwirken und sie dazu anhalten, das Thema Energie- und Flächeneffizienz endlich in den Marktanreizprogrammen entsprechend zu berücksichtigen. Sonst werden wir recht rasch ein Déjà Vu ähnlich wie bei der PV bei der Solarthermie erleben. Nur über eine Politik der wettbewerbsbelebenden Solarthermie Förderung, die Effizienz und Erträge stark berücksichtig, wird es gelingen, die weltweite solarthermische Innovationsführerschaft und damit mittelfristig den Standort Deutschland zu halten.

Milk the Sun: Derzeit herrscht eine große Verunsicherung innerhalb der Bevölkerung, wenn es um das Thema Erneuerbare Energien und die damit zusammenhängende Energiewende geht. Der einzelne erstickt in einem Schwall an Pro-und-Anti-Propaganda, was letztendlich lediglich Verunsicherung und Verwirrung zur Folge hat. Es gibt nur wenige Stimmen die zur Ordnung rufen und die Diskussion auf eine sachliche und logische Ebene zurückführen wollen. Wie ist ihr Vorschlag für ein konstruktiveres Vorgehen in diesen Fragen?

Thomas Nasswetter: Oftmals habe ich das Gefühl, es geht bei der Diskussion hauptsächlich um die Lufthoheit über den Stammtischen, als um eine Diskussion möglicher Lösungsansätze. Da es bei der Energiewende nur um Strom geht, war von Anfang an das Etikett falsch. Die Idee einer generellen Energiewende ist aber, schon aus volkswirtschaftlicher Sicht dringend auf den Weg zu bringen.

Allein daran kann man ermessen, wie wenig Politiker und leider auch ihre Berater vom Thema Energie verstehen oder vielleicht auch verstehen wollen. Energiepolitik war bisher, polemisch formuliert, Politik für Energieversorgungsunternehmen und ihre Großkunden, abseits der öffentlichen Meinung. Der Wärmemarkt oder das Thema Mobilität, die zusammen mehr als dreiviertel des Energiemarktes ausmachen, waren ebenfalls nicht Teil der Diskussion. Das EEG war eine Art Quotenbringer, der mehr und mehr außer Kontrolle geraten ist.

Der Paradigmenwechsel zur multivalenten Energieerzeugungsmix, zu lokal statt zentral und zu Effizienz statt Verbrauchswachstum hat die führenden Köpfe dieses Landes noch nicht erreicht. Hier steht uns aber, ob wir wollen oder nicht ein kompletter und sehr komplexer Strukturwandel bevor.

Um auf Ihre Frage zurückzukommen: Im Bereich der Energieversorgung, findet derzeit ausgelöst durch das EEG und die vielen neuen PV Anlagen eine Art von Demokratisierung, ähnlich einer Graswurzelbewegung statt. Auf Grund einer sich langsam anschleichenden latenten Energieknappheit wird über kurz oder lang jeder Bürger davon betroffen sein und daher mitreden wollen und müssen.

Dieser Ansatz der Demokratisierung muss nun genügen, dass die Auseinandersetzung mit dem komplexen Thema schließlich in die richtige Richtung führt. Es stehen derzeit und auch mittelfristig einfach zu viele Einzelinteressen im Raum, um eine schnelle saubere und flächendeckende Lösung zu erzielen. Ob der Vorschlag, die Diskussion auf die europäische Ebene zu verlagern, des Rätsels Lösung darstellt, würde ich bezweifelt. Es kann aber ein Ansatzpunkt sein, manche wichtigen Punkte auf den Weg zu bringen.

Ich bin langfristig aber optimistisch, auch wenn der Prozess in manchen Punkten für viele Bürger noch sehr schmerzhaft werden könnte.

Milk the Sun: Stéphane Hessel bezeichnete den Kampf für eine nachhaltige und feste Umweltpolitik als eine der Hauptaufgaben der Menschen im 21. Jahrhundert. Die Erkenntnisse der Wissenschaft und die Veränderungen des Klimas geben ihm Recht. Dennoch passiert verhältnismäßig wenig, obwohl es letztendlich um die Existenz der menschlichen Spezis geht. Wie ist ihr Standpunkt dazu, dass sich angesichts eines derart dringenden Themas noch immer in politischen und wirtschaftlichen Grabenkämpfen ergeben wird?

Thomas Nasswetter: Dringlichkeit ist immer relativ – Stéphane Hessel zeichnet da ja ein unglaublich dramatisches Bild. Deshalb eine Gegenfrage: Wäre die globale Beseitigung der Verteilungsungerechtigkeit nicht dringlicher, um endlich den Hunger in der Welt zu beseitigen?

Oder eine andere: Nehmen wir uns nicht auch einfach zu wichtig und glauben den Klimawandel wirklich durch einfache Maßnahmen nachhaltig positiv beeinflussen zu können? Wir können diese Frage allein schon auf Grund des derzeitigen Wissensstandes gar nicht klar beantworten. Die Antwort fällt sehr komplex aus.

Ohne Verhaltensänderungen von großen Teilen der Weltbevölkerung wird es, wenn überhaupt, nicht gehen. Dazu muss die Meinung, dass etwas gegen den Klimawandel getan werden muss, mehrheitsfähig werden. Wie das in undemokratische Systemen, wie wir sie in vielen Teilen der Welt finden, bedeutet, lässt sich schwer abschätzen und auch in demokratischen ist es nicht trivial.

So lautet also die entscheidende Frage: Wie können wir den Klimawandel besser kommunizieren, damit die Auswirkungen auch besser verstanden wird? Derzeit scheitern wir schon daran, die komplexen Zusammenhänge wirklich im notwendigen Maße zu verstehen und die Modelle realitätsnahe zu machen.

Was kann also überhaupt kommuniziert werden, um glaubwürdig zu sein? Mit dramatischen Appellen erreicht man dieses Ziel sicherlich nicht. Wir sind uns einfach viel zu wenig bewusst, wie stark wir mittlerweile im Grunde genommen schon betroffen sind.

Zwischenzeitlich werden wir uns also mit Grabenkämpfen arrangieren müssen und jeder von uns ist aufgefordert herauszufinden, was er persönlich in seinem direkten Umfeld bewirken kann. Das entscheidende Faktum ist aber letztendlich der Energiepreis, da bin ich wenig optimistisch. Steig dieser sehr schnell, wird auch Wahrnehmung und Umdenken beschleunigt, denn das spürt jeder am eigenen Leib.

 

Wir bedanken uns bei Herrn Nasswetter für das Interview.

 


Im Rahmen der Interviewreihe “Vier Fragen an …” stellt der Milk the Sun Blog bis zur Bundestagswahl am 22.September 30 Tage lang führenden Köpfe aus Wirtschaft, Politik und Medien vier Fragen zu den Erwartungen an die Energiepolitik Deutschlands der zurückliegenden und kommenden Jahre. Bisher interviewten wir Sebastian Bolay (DIHK), Heiko Schwarzburger (Photovoltaik), Corinna Lang (CleanEnergy Project), Patrick Jüttemann (klein-windkraftanlagen.com), Christian Leers (PV-Experte), Robert Schwarz (BTO Management Consulting), Lothar Lochmaier (Freier Journalist), Michael Richter (Sonneninvest AG), Kilian Rüfer (SUSTAINMENT), Udo Schuldt (Blogger), Thorsten Zoerner (Solution Architect), Prof. Dr. Eicke Weber (Fraunhofer ISE), Falko Bozicevic (GoingPublic Magazin), Carsten Körnig (Solarwirtschaft e.V.), Denis-Mariel Kühn (EGBB), Doreen Brumme (Freie Journalistin), Erhard Renz (sonnenfluesterer.de), Sabine Eva Rädisch (Autorin und Bloggerin), Bart Markus (Wellington Partners), Prof. Volkmar Liebig (avesco Financial Services AG), Dr. Tim Meyer (Grünstromwerk GmbH), Alexander Fehr (Fehrdeal & Energieblogger)

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