Strompreisentwicklung bis 2035: Wie viel ist mein PV-Projekt wirklich wert?
Am Höhepunkt der Energiekrise im August 2022 waren die Großhandelspreise für Strom gegenüber dem Vorjahr um das Fünffache angestiegen. Parallel dazu stieg auch der Marktwert von Solarstrom. Der Preisanstieg hatte im Herbst 2021 begonnen und scheint sein Ende gefunden zu haben: Im Juni 2023 sind die Strompreise zurück auf das Niveau gesunken, auf dem sie im Sommer vor der Energiekrise waren.
Die langfristige Entwicklung von Strompreisen bis 2035 und darüber hinaus ist ausschlaggebend für die Rentabilität und den Wert von PV-Investments, wenn man mit Strompreisen kalkulieren möchte, die abseits der festen EEG-Vergütung zu erzielen sind. Die Strompreisentwicklung hängt von vielen Preisfaktoren ab, wie dem LNG-Gaspreis, dem Ausbautempo erneuerbarer Energien, dem Kohleausstieg, dem Elektrisierungsgrad des Wärme- und Mobilitätssektors oder regulatorischen Marktbedingungen. Dementsprechend kann sich das langfristige Preisniveau durchaus nach oben oder unten entwickeln.
Im Schatten der Energiekrise wird tendenziell gerne von hohen Strompreisen ausgegangen. So hält beispielsweise ein von der Tagesschau zitierter Professor im Jahr 2030 ein Preisniveau von 60–80 Cent pro Kilowattstunde für realistisch, sofern die Gaspreise erneut steigen und der Ausbau erneuerbarer Energien stockt. Ist einmal ein hohes Preissignal gesetzt, fällt es im Allgemeinen schwer, sich davon zu lösen. Immer nach dem Motto: “Es könnte doch sein.”
Mit welcher Strompreis-Prognose rechnen Sie?
Wir haben unterschiedliche Strompreis-Prognosen verglichen. Innerhalb der verschiedenen Strompreis-Prognosen werden unterschiedliche Szenarien simuliert.
Hierbei ist die Bandbreite häufig groß: So liegen die durchschnittlichen Baseload-Preise laut dem “EU Energy Outlook 2060“ im Jahr 2035 beispielsweise etwa 46 €/MWh auseinander. Würden die Spannungen zwischen EU und Russland andauern, läge dem Outlook zufolge der durchschnittliche Großhandelspreis in Europa bei etwa 107 €/MWh. Würde sich die Situation wieder entspannen, läge der Großhandelspreis im Jahr 2035 hingegen bei ungefähr 61 €/MWh. Im moderaten “Central”-Szenario des Energy Outlooks läge der Großhandelsstrompreis im Jahr 2035 bei 73 € pro Megawattstunden. Im Jahr 2021 lag der durchschnittliche Spotmarktpreis bei etwa 62 € pro Megawattstunde.
Dem “EU Energy Outlook 2060“ von Energy Brainpool und in der “Strompreisprognose vbw“ von Prognos liegen folgende Annahmen zugrunde:
“Central”-Szenario EU Energy Outlook 2060 (EU27, CH, NO & UK) | “Strompreisprognose vbw“ (Deutschland) |
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Erneuerbare Energien |
Deutlicher, stark dezentraler Ausbau: Bis 2050 stammen 76% der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien. 62% davon sind Wind- und Solarenergie. |
Der im EEG 2022 (Osterpaket) definierte Ausbaupfad für erneuerbare Energien wird erreicht. 2030 stammen 74% der Nettostromproduktion aus erneuerbaren Energien.
Bis 2040 entfallen ⅔ des Ausbaus auf Photovoltaik-Kapazitäten. |
Kohlekraftwerke | Die Produktion von Kohlestrom sinkt bis 2030 in Europa um 73% ab. 2050 ist sie um 92% gesunken. | Kohleausstieg bis 2030 abgeschlossen |
Vom Gas zum Wasserstoff |
LNG aus den USA wird zunächst die preissetzende Hauptimportquelle. Langfristig ersetzt grüner Wasserstoff fossiles Erdgas. Ab 2040 wird grüner Wasserstoff billiger als Gas. 2050 stammt 7% des Stroms aus flexiblen Gaskraftwerken, die mit grünem Wasserstoff befeuert werden. |
Gas Back-Up Kapazitäten werden zunächst mit LNG und nach 2028 zunehmend mit Wasserstoff betrieben. Unreguliert würde der Wasserstoffpreis den Strompreis nach oben treiben. |
Atomkraft | 11% des Stroms im Jahr 2050 in Europa. | Deutschlands Atomausstieg bleibt abgeschlossen. |
Elektrifizierung Mobilität- und Wärmesektor | Europas Stromnachfrage steigt bis 2060 um 71%. Bis dahin ist der Wärmesektor vollständig dekarbonisiert; die Mobilität erfolgt zu 95% elektrisch. | Deutschlands Stromverbrauch nimmt deutlich zu. Bis 2030 gibt es 16 Mio. batterieelektrische Fahrzeuge, 6,5 Mio. Wärmepumpen und eine Wasserstoffproduktion mit 37 TWh. |
Auf Basis dieser Annahmen und Studien kann von deutlich sinkenden Grosshandelspreisen für Strom ausgegangen werden – jedoch nur im Jahresdurchschnitt. Innerhalb der Jahre selbst nehmen die Preisschwankungen zu. Auch wenn die Preise sinken, kehren sie laut den Prognosen nicht auf das Niveau vor 2019/2020 zurück.
Wie entwickelt sich der Marktwert von PV-Strom?
Ausschlaggebend für den Wert von PV-Projekten sind die künftigen Marktwerte von Solarstrom. Beide Prognosen bieten hierzu aufschlussreiche Ergebnisse, die Sie der folgenden Grafik entnehmen können. Zudem sehen Sie dort mögliche EEG-Erlöse für PV-Anlagen, die 2023 ans Netz gehen.
Beide Prognosen zeigen, dass die Marktwerte für Solarstrom mittelfristig deutlich nach unten zeigen. Der orange dargestellte europäische Durschschnitt ist unscharf, da sich die Preise innerhalb der europäischen Einzelmärkte zwischen 40 und 60 Euro unterscheiden können.
Mehrerlöse mit PV-Projekten waren vor der Strompreisbremse in der geförderten Direktvermarktung immer dann möglich, wenn der PV-Marktwert oberhalb der möglichen Einspeisevergütungen lag. Dieses Prinzip kann sich nun dauerhaft ändern: Im März 2023 hat die EU-Kommission ihren Vorschlag für eine Reform des Strommarktdesigns vorgelegt. Der Entwurf enthält zweiseitige Differenzverträge (CfDs). Sollten diese rechtskräftig beschlossen werden, dann würden in der geförderten Direktvermarktung künftig alle Beträge oberhalb der EEG-Vergütung abgeschöpft werden und zugleich die Differenz zur Einspeisevergütung bezahlt werden.
Für langfristige Stromlieferverträge (PPAs) sieht der EU-Vorschlag nationale Garantiesysteme vor. Zudem sind Anreize für Investitionen in Energiespeicher und “Demand-Side-Response”-Lösungen vorgesehen. Bei Letzterem wird die Stromnutzung an das Stromangebot zu wirtschaftlich sinnvollen Zeitpunkten angepasst.
Um Erlöse zu erzielen, die über eine Einspeisevergütung hinausgehen, kommen neue Geschäftsmodelle infrage. So können bereits heute mithilfe von Hybridsystemen, bestehend aus PV und Speicher, Systemdienstleistungen vermarktet werden.
Entwicklung der Renditen von PV-Projekten
Neben den oben beschriebenen Erlösmöglichkeiten wirken sich drei weitere Treiber auf PV-Renditen aus: die Finanzierungskosten sowie die Investitions- als auch die laufenden Betriebskosten (CAPEX und OPEX).
Zu diesen erscheinen uns folgende Annahmen plausibel:
Die mit der Zinswende in die Höhe geschnellten Zinsen steigen weiterhin leicht. Sollten die Maßnahmen der europäischen Zentralbank ihre erhoffte Wirkung zeigen, stabilisiert sich die Inflationsrate. Damit würden sich die Zinssätze gegenüber der Niedrigzinsphase vermutlich auf einem deutlich höheren Niveau als 2021 einpendeln. Die hohen Finanzierungskosten verteuern nicht nur das Fremdkapital der Investitionen, sondern binden auch mehr Liquidität, da der durch die Banken geforderte Eigenkapitaleinsatz ebenfalls deutlich zunimmt.
Die Investitionskosten (CAPEX) für den Neubau von PV-Anlagen sinken derzeit leicht. Ein weitgehender Preisverfall erscheint aufgrund der hohen Nachfrage nach PV-Anlagen eher unwahrscheinlich.
Bei den laufenden Betriebskosten (OPEX) bleibt abzuwarten, wie sich diese weiterentwickeln. Preissenkende technische Innovationen stehen hierbei deutlich steigenden Personal- und Betriebsmittelkosten gegenüber.
Bei sinkenden Erlösen, geringen Kostensenkungspotenzialen und gleichzeitig hohen Finanzierungkosten kann von sinkenden Renditen neuer PV-Projekte ausgegangen werden. Zugleich dürfte das Angebot an PV-Projekten steigen. Zusätzliche Erlösmöglichkeiten durch netzdienliche Hybridanwendungen werden in diesem Zuge immer interessanter.
Fazit
Das Bauchgefühl, dass die Strompreise auf einem hohen Niveau verbleiben würden, erscheint angesichts der vorgestellten Prognosen trügerisch – sofern der Ausbau erneuerbarer Energien erfolgreich verläuft und wir von zukünftigen Preisausschlägen aufgrund internationaler Krisen absehen.
Erneuerbare Energien sind ein wesentlicher preissenkender Faktor, der zudem Energiepreise stabilisiert, da er eine strategische Unabhängigkeit von Importpreisen bietet. Dies und der Klimaschutz sprechen für einen konsequenten Ausbau erneuerbarer Energien.
Die langfristige Prognose von Strompreisen wirkt beim Kauf und Verkauf von PV-Projekten preisbildend. Investor*innen, die von hohen Strompreisen ausgehen, sind möglicherweise bereit, einen höheren Kaufpreis zu akzeptieren, als es Preisskepiker*innen sind.
Wer das EEG nicht als Basis für die Vergütung ansetzen will, muss sich unabhängig von den Prognosen eine eigene Preismeinung bilden, um Entscheidungen über den Kauf oder Verkauf von PV-Projekten zu treffen.
Den Ergebnissen der Studien und den EU-Plänen für das Marktdesign folgend, erscheint es uns plausibel, sich an konservativen EEG-Erlösen zu orientieren. Je länger der Trend sinkender Preise anhält, desto mehr werden sich geringere PV-Projektwerte durchsetzen.
Wie Sie den Wert von PV-Projekten im Detail ermitteln, erfahren Sie in folgendem Artikel.