Zinswende: Finanzierung nicht auf die lange Bank schieben
Die Niedrigzinsphase ist Geschichte. Dieser ökonomische Einschnitt trifft viele gewerbliche Photovoltaik-Projekte ins Mark, da diese meist auf Kreditfinanzierungen aufbauen. Die Zinswende fordert die Energiewende heraus. Während in der Branche nun Rückschlüsse gezogen und Vorbereitungen getroffen werden, ist eines bereits klar: Wer fremdfinanzierte PV-Anlagen betreibt oder PV-Projekte kaufen will, sollte sich schnellstmöglich gute Zinsen für seine Finanzierung sichern, bevor sich die Rahmnbedingungen weiter verschlechtern.
Wie kam es dazu? Begonnen hat alles in der Pandemie: Lieferkettenengpässe und eine gestiegene Nachfrage ließen die Inflation ansteigen, was zunächst für einen vorübergehenden Effekt gehalten worden war. Verfestigt hat sich der Abwärtstrend dann mit dem Krieg in der Ukraine und der daraus hervorgegangenen Energiekrise. Dazu kamen weltweit klimabedingte Missernten. Die steigenden Preise für Lebensmittel und Energie haben im August in Deutschland den Wertverfall des Geldes bereits auf 9,1 Prozent anschwellen lassen. Im Herbst rechnet Bundestagspräsident Nagel sogar mit 10 Prozent Inflation.
Die Europäische Zentralbank (EZB) jedoch akzeptiert nur eine Inflationsrate von 2 Prozent und steuert entgegen. So erhöhte sie im Juli ihren Leitzins für Geschäftsbanken (Hauptrefinanzierungssatz) um 0,5 Prozent. Mitte September kamen weitere 1,25 Prozent hinzu. Der EZB-Rat geht von der Notwendigkeit weiterer Zinssteigerungen aus, um die Nachfrage zu dämpfen und damit die Inflation zu bremsen – ein Ende dieser Fahnenstange ist nicht absehbar.
Dämpft die EZB damit auch die Nachfrage nach Finanzierungen für erneuerbare Energien? Genau dies wäre kontraproduktiv. Denn über einen raschen Ausbau erneuerbarer Energien können Energiepreise restabilisiert werden. Darum muss sich die Politik nun kümmern.
Für PV-Investor*innen ändert sich einiges: Künftig kann Eigenkapital nicht mehr beliebig mit billigen Krediten gehebelt werden. Die Finanzierungskosten steigen, was auf die Renditen, aber auch auf die Höhe des einzusetzen Eigenkapitals Einfluss haben kann.
Was ist für den Betrieb und Kauf von PV-Projekten nun wichtig?
Prüfen Sie die Kreditlaufzeiten Ihrer PV-Finanzierungen. Ist eine lange Zinsbindung – möglichst über die gesamte Kreditlaufzeit – vereinbart worden, müssen Sie nichts weiter tun.
Häufig aber wurden kürzere Zinsbindungen vereinbart, da in der Niedrigzinsphase viele auf weiter sinkende Zinsen hofften. So vereinbarten sie kurze Zinsbindungen, um die Finanzierungskosten künftig noch weiter senken zu können. Solche Entscheidungen fallen ihnen nun nach der Zinswende auf die Füße. Sollte in Ihrer PV-Finanzierung eine kurze Zinsbindung enthalten sein, sollten Sie Ihr PV-Projekt schnellstmöglich umfinanzieren. Dafür bieten wir Ihnen unsere Unterstützung an.
Wenn Sie den Verkauf eines PV-Projekts mit kurzer Zinsbindung planen, dann sollten Sie sich damit beeilen. Denn durch das Zinsrisiko dürfte der Verkaufswert des Assets früher oder später sinken.
Wenn Sie PV-Projekte kaufen wollen, dann sollten Sie sich auch hierfür schnell aktuelle Finanzierungskonditionen sichern. Auch wenn die Zinsen bereits gestiegen sind, erscheint ein weiterer Zinsanstieg mehr als wahrscheinlich, wenn man davon ausgeht, dass uns die hohe Inflation weiter erhalten bleibt.
Die Krux: Welche Zinsbindung wählen?
Mit der Zinswende muss bei der Zinsbindung von Finanzierungen umgedacht werden. In der Niedrigzinsphase früher galt es als klug, sich die niedrigen Zinsen so lange wie möglich zu sichern und sich etwas Spielraum für Sondertilgungen zu verschaffen. Auf welche Erwartung der Zinsentwicklung kann heute gesetzt werden? Wie lange Zinsen steigen und ab wann sie wieder fallen werden, kann niemand verlässlich prognostizieren.
Eine Möglichkeit, um mit dieser Ungewissheit umzugehen, ist eine gesplittete Finanzierung. Sie könnte aus einer Teilfinanzierung mit kürzerer Zinsbindung bestehen. Mit diesem Teil könnten ggf. die Vorteile eines rückläufigen Trends mitgenommen werden. Umgekehrt birgt der Teil mit kurzer Zinsbindung bei der Anschlussfinanzierung ein Zinsrisiko. Der zweite Teil der gesplitteten Finanzierung könnte durch eine lange Zinsbindung Stabilität in die Finanzierungsstruktur bringen. Diese können Sie sich natürlich auch für die Gesamtfinanzierung sichern, womit Sie sich bei einem Aufwärtstrend allerdings Optimierungsoptionen verbauen. Eine weitere Möglichkeit der Flexibilität bieten Darlehen mit variablen Zinssätzen, die nach oben „gedeckelt” (Zins-Cap) sind.
Bremst die Zinswende die Energiewende?
Aktuell ist die Nachfrage nach Investitionen in erneuerbare Energien sehr hoch. Durch steigende Zinsen wird der Markt höhere Renditen oder geringere Risiken erwarten. Insbesondere institutionelle Investoren überprüfen ihr Rendite-Risiko-Profil stetig und könnten zurückhaltender werden. Diese Entwicklung wird ein Stück weit durch die Nachfrage nach nachhaltigen Geldanlagen abgefedert, da erneuerbare Energien aus unterschiedlichen ethischen Gesichtspunkten als sehr sinnvoll gelten.
Wie kann die Branche darauf reagieren? Ihre Spielräume sind gering. Denn wie können bei steigenden Projektkosten – durch höhere Finanzierungskosten, den Fachkräftemangel und gestörte Lieferketten – die Rendite erhöht oder die Risiken minimiert werden? Installationsbetriebe und Hersteller müssen nicht auf Margen verzichten, da bei ihnen die Nachfrage ungebrochen hoch bleiben dürfte. Anders sieht es bei Projektierer*innen und EPCs aus. Diese müssen sich mittelfristig auf die Zinswende vorbereiten und Abstriche machen und/oder ihre Effizienz steigern. Denn je besser sie sich organisieren, desto geringer werden ihre Abstriche ausfallen.
Die Zinswende wird an der Energiewende nicht spurlos vorbeigehen. Um die Energiekosten kurzfristig und dauerhaft stabilisieren zu können, sind erneuerbare Energien aus drei Gründen von herausragender Bedeutung:
- Sie sind gemessen an an den Stromgestehungskosten die preiswerteste Energiequelle im Vergleich mit allen neu errichteten Energieerzeugungs-Technologien.
- Sie bieten eine strategische Unabhängigkeit von importierten Energieträgern wie Öl, Gas, Kohle und Kernbrennstäben. Die damit einhergehende Energiesouveränität schützt vor Preisschwankungen und bietet Versorgungssicherheit.
- Sie entlasten das Klima und dämpfen damit die massiven Bedrohungen der Klimakrise.
Die Energiewende würde gebremst werden, wenn Projektierer*innen oder EPCs Projekte fallen lassen würden – weil ihre Margen zu gering werden oder gar die Verkaufspreise nicht mehr die Projektkosten einspielen würden. Weder eine Verknappung des Projektangebots noch eine Dämpfung der Projektnachfrage führen zu dem anvisierten beschleunigten Ausbau erneuerbarer Energien. Diese Problematik hat der Bundesverband Solarwirtschaft (BSW) erkannt und forderte bereits für das EEG-Osterpaket einen Ausgleichsmechanismus an steigende Kapitalkosten.