Die zurückgehaltene EEG-Reform in Polen: Das Kaspar-Hauser-Projekt mit Erneuerbaren Energien

Die zurückgehaltene EEG-Reform in Polen: Das Kaspar-Hauser-Projekt mit Erneuerbaren Energien

Lange Zeit galt Polen als Land mit großem Potential für ein wirtschaftliches System basierend auf Erneuerbaren Energien. Förderungen sollten ein Fundament bilden, auf dem durch Ausschreibungen ein Wirtschaftskonstrukt aus Investitionen in und dem Ausbau von Erneuerbaren Energien errichtet werden sollte. So weit die Vision aus den Jahren 2012, 2013 und 2014. 2015 dann der Knall: Ein EEG wird verabschiedet mit Förderungen für kleine Anlagen. Mittlerweile schreiben wir das Jahr 2016 und das geschaffene Fundament wurde noch immer nicht bebaut. Jüngst wurden die Pläne hierfür sogar erneut verschoben – auf das zweite Halbjahr 2016. Womit ist diese Farce zu begründen, die einen ursprünglich zukunftsträchtigen Markt mit wirtschaftlichen Erfolgsaussichten nicht aus den Kinderschuhen lässt? Ein Erklärungsversuch.

 

„Das EEG-PL läutet einen Wandel in der polnischen Energiepolitik ein“, „in Polen findet eine Kehrtwende in der Energiepolitik statt“ und „neue Entwicklungsmöglichkeiten für die Photovoltaik in Polen“ titelten die Online-Medien mit Furore in die Welt, nachdem Polen das erste Erneuerbare Energien Gesetz in 2015 verabschiedete. Doch schnell wurde klar: „Die ewige Polka um das Erneuerbare Energie Gesetz“ birgt kein Vorankommen, so sei „Polens EEG noch kein Großer Wurf“. Die größte Kritik kommt allerdings aus eigenen Reihen – nämlich von Polens Außenminister Witold Waszczykowski. Er warnt gegenüber der BILD durch das grüne Vorhaben vor einer „Welt aus Radfahrern und Vegetariern, die nur noch auf erneuerbare Energien setzen“. Die Message ist klar: Erneuerbare Energien und eine grüne Marschroute sind bei der am 25. Oktober 2015 neu gewählten Regierung nicht mehr erwünscht. Eine Photovoltaik-Revolution in Polen steht noch in weiter Ferne, obwohl sie durchaus nötig ist.

 

Warum ein Paradigmenwechsel die einzige Möglichkeit ist:

Kein anderes Land in Europa ist so abhängig von Kohlestrom wie Polen. 88 Prozent der gesamten Stromproduktion des Landes basierten in 2015 auf Steinkohle. Lediglich 11 Prozent stammten von Erneuerbaren Energien. Den Großteil davon nehmen Windanlagen mit einer Größe von 4.000 Megawatt (MW) ein – die Photovoltaik-Kapazitäten belaufen sich lediglich auf marginale 39 MW.

„Polen besitzt 90 Prozent aller europäischen Kohlevorkommen, die uns noch für mindestens 200 Jahre reichen.“ -Andrzej Duda, Präsident.

 

Die Marschroute sollte also klar sein: Volle Fahrt voraus in Richtung Ausbau Erneuerbarer Energien. Das sieht auch die EU so. Bis 2020 soll Polen den Anteil Erneuerbarer Energien am gesamten Strommix auf 15 Prozent steigern, bis 2030 auf 20 Prozent. Nur so kann Polen an ein starkes Europa in Sachen grüner Energie anknüpfen. Das Erneuerbare Energien Gesetz sollte genau dafür die Weichen stellen, doch die neue Regierung sieht sich angegriffen und unter Druck gesetzt. Sie spielt nicht mit.

 

Gewissensbisse gegen Deutschland und Europa

Die nationalkonservative Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) ist sich sicher, bestimmte polnische Parteien hätten zuletzt versucht, die Polen zu einem anderen Lebensstil zu überreden, von dem Deutschland postuliere, er sei der richtige. Dazu zählt auch der Klimaschutz. Die PiS sträubt sich gegen die Annahme, der Klimawandel sei eine dringliche Aufgabe im Rahmen der umweltpolitischen Agenda. Bereits 2014 hatte ein PiS-Politiker Deutschland vorgeworfen, die Förderung von Wind und Sonne in Polen diene einzig und allein deutschen Wirtschaftsinteressen.

Gleichzeitig fordert Polen mehr Toleranz gegenüber der aktuellen politischen Situation im Land. Deutschland solle sich überlegen, ob es Polen nur als Pufferzone zu Russland und für die Lieferung billiger Arbeitskräfte brauche. Deutschlands „entscheidende Stimme im Chor Europas“ solle doch bitte dazu genutzt werden, innerpolitische Probleme in Polen zu lösen.

Es scheint, als sei die Energiewende in Polen ein Tabuthema. Ein Thema, welches aus unerfindlichen Gründen nicht mal mehr mit der Kneifzange angefasst wird. Ein Thema, welches als Zwang angesehen und deshalb ungern angegangen wird.

 

Polnische Provokation auf nationaler Ebene

Anstatt sich um das verabschiedete Gesetz zur Förderung Erneuerbarer Energien und die Pflichten gegenüber Europa zu kümmern, verfolgt die polnische Regierung andere Interessen. So hat die Regierung zu Beginn des Jahres im Eiltempo die von der konservativen Regierungspartei PiS in Auftrag gegebenen und stark umstrittene Reformvorhaben umgesetzt. Dazu zählt unter anderem und an vorderster Front ein Eingriff in das öffentlich-rechtliche Mediengesetz. Chefs der öffentlich-rechtlichen Sender können damit zu jeder Zeit von der Regierung benannt oder abberufen werden. Gleichzeitig schränkt eine Reform des Verfassungsgerichts die schützende Macht von Verfassungshütern immens ein. Seither steht Warschau unter strikter Beobachtung der EU. Die Erneuerbaren Energien geraten immer weiter ins Hintertreffen.

 

Ein Kaspar-Hauser-Projekt für Erneuerbaren Energien in Polen

Die Erneuerbaren Energien und deren Zukunft durchlaufen aktuell eine schwere Periode in Polen. Nicht nur, dass sie ihre als rosig angepriesene Aussichten nicht entfalten konnten. Es hat den Anschein, als wolle die polnische Regierung die Entwicklung einer Zukunftstechnologie zurückhalten. Sie von allen Seiten testen und begutachten, jedoch nicht massen- und salontauglich machen. Sie im Keim zu ersticken und durch nationale Provokationen zu verfremden, quasi zu verpönen und ein Objekt aus Abscheu und Mitleid zu kreieren. Ein Objekt, welches nicht lebensfähig ist durch die jahrelange Isolation und ohne jegliche Fortschritte vor sich hin vegetiert. Und das, obwohl die umgebene Nachbarschaft vorlebt, wie erfolgreich diese neue Technologie ist. Sowohl ethisch als auch umweltpolitisch und wirtschaftlich. Es stellt sich erneut die Frage: Welche Absichten stecken hinter dieser Zurückhaltung?

 

Welches Ziel verfolgt die polnische Regierung?

Fest steht: Polen ist abhängig von Kohlestrom und sitzt auf massenhaften Kohlereserven. Gepaart mit der von der Regierung geschürten und auf die Bevölkerung übertragenen Skepsis gegenüber der Notwendigkeit des Klimaschutzes bilden diese beiden Punkte einen starken Gegenpol zur Förderung Erneuerbarer Energien. Polens Präsident Andrzej Duda sieht aktuell keine Notwendigkeit zur Förderung, da sein Land gewissermaßen gefördert wird in Sachen Kohle. Bis 2030 kann Polen kostenfreie CO2-Zertifikate für seine Kohlekraftwerke beziehen. Darüber hinaus wird Polen im Kollektiv mit ärmeren EU-Ländern Förderungen aus Emmissionsfonds erhalten, um bestehende Kohlekraftwerke zu modernisieren.

 

„Polnische Energiewirtschaft beruht auf Kohle. Und so sollte es auch bleiben.“ – Andrzej Duda, Präsident

 

Statt also eine Abschaltung von umweltschädlichen Kohlekraftwerken zu forcieren, unterstützt die EU Polen gewissermaßen im weiteren Betrieb der Klimasünder. Es besteht aktuell also keine Notwendigkeit, Gelder und weitere Ressourcen an den Ausbau Erneuerbarer Energien zu verschwenden. Das schreibt sich vor allem die PiS auf die Fahne. Sie könnte sich als Ziel gesetzt haben, den bröckelnden Kohlesektor mit all den Fördergeldern zu modernisieren und für die Zukunft zu wappnen. Denn Kohle gibt es ja genug – und die soll laut Präsident Duda auch genutzt und ausgeschöpft werden.

 

Und dann wartet da noch die Atomenergie…

Polen ist Energiewende-Bremser Nummer 1 in Europa – und das wird sich auch so schnell nicht ändern. Denn neben der Verweigerung der Energiewende und der Modernisierung des Kohlesektors, liegt da noch die Atomkraft in der Pipeline. 2011 beschloss die polnische Regierung ein Kernenergieprogramm, in dessen Rahmen bis 2020 mindestens ein Atomkraftwerk errichtet werden soll. Eine Umfrage aus dem Jahr 2013 belegt zwar, dass sich 51 Prozent der Polen gegen den Bau von AKWs stellen. Doch positive Berichterstattungen nahezu aller Medien in Polen verschleierten die Folgen von Atomkatastrophen wie in Fukushima oder die Erfolge des Atomausstiegs in Deutschland. Ein vehementes Wehren gegen die Atompläne aus der Bevölkerung wird daher nicht erwartet. Freie Bahn also für die Regierung in Richtung Abgrund.

 

Konkrete Lösungsansätze fehlen…

Es sieht düster aus am ehemals kurz vor dem Erstrahlen stehenden EEG-Himmel in Polen. Sowohl Politik als auch Bevölkerung sehen keinerlei Notwendigkeit im Paradigmenwechsel hin zur Energiewende. Ganz im Gegenteil. Durch Förderungen seitens der EU hinsichtlich der Modernisierung von Kohlekraftwerken und die positive Berichterstattung fast aller Medien im Lande pro Atomenergie entfernt sich Polen immer weiter vom Trittbrett Erneuerbare Energien. Was bleibt sind Fragen.

Welche Mechanismen muss die EU in Gang setzen, um einen Richtungswechsel in der polnischen Regierung zu forcieren? Was muss passieren, damit auch das polnische Volk die Notwendigkeit des Klimaschutzes versteht und sich für diesen einsetzt?

Die Welt ist dabei, sich von Atomenergie und Kohlekraft zu verabschieden. Die Welt hat eingesehen – nicht zuletzt auf dem G7-Gipfel in Deutschland und im Rahmen der Klimakonferenz in Paris – dass der Klimawandel real und der gemeinsame Klimaschutz unausweichlich ist. Die Welt hat das Zeitalter der Dekarbonisierung eingeleitet, das noch in diesem Jahrhundert mit einem Erfolg beendet werden soll. Ziel sollte es daher sein, alle Staaten zum Mitmachen zu bewegen und in diese Richtung zu subventionieren. Investoren stehen in den Startlöchern, Märkte wollen erweitert werden und nicht zuletzt die Welt wartet auf eine nachhaltige Rettung. Polen muss endlich begreifen, dass es seine Zukunft nicht in Isolation verrotten lassen darf. Erneuerbare Energien sind die Zukunft – und das muss auch Polen begreifen. Lasst Kaspar Hauser nicht sterben.

 

Beitragsbild: Mopic/shutterstock

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