Vier Fragen an … Lothar Lochmaier, Freier Journalist

Lothar Lochmaier ist freier Fach- und Wirtschaftsjournalist. Bisher schrieb er für verschiedene große Printmedien und Onlineportale. Seine Spezialgebiete sind die Bereich IT, Energie sowie Managementthematiken. In der Kolumne „Stromzähler“, die von Herrn Lochmaier auf der Online-Seite des „Wallstreet Journal Deutschland“ unterhalten wird, schreibt er über die Aussichten und Stolpersteine der Energiewende. Lothar Lochmaier ist Autor des Buches „Die Bank sind wir“ – erschienen im Heise-Verlag. Lochmaier betreibt zudem das preisgekrönte Blog Social Banking 2.0 – der Kunde übernimmt die Regie. Kontakt über lochmaier(at)gmx.de.

Lothar Lochmaier: "Das Wesentliche ist nicht die Höhe einer Einspeisevergütung, sondern es hat sich längst eine selbst tragende Wirtschaftsdynamik aus der Energiewende entwickelt, die als Blaupause nicht nur in Deutschland ihre Wirkung entfaltet, sondern weltweit."

Lothar Lochmaier: Grundsätzlich plädiere ich für eine differenzierte Sichtweise, jenseits der gerade in Deutschland häufig ideologisch oder dogmatisch ausgerichteten Diskussionsstränge. Keine Partei oder Gruppe hat immer recht. Denn einerseits ist die Energiewende durch die schwarz-gelbe Regierung initiiert worden, andererseits gibt es natürlich viele Kräfte aus den alten Zirkeln und Wirtschaftsgruppen, die die Entwicklung aus gutem Grund bremsen möchten. Aber auch unter den Befürwortern schießen manche hier und da über das Ziel hinaus.

Aber: Das Glas ist definitiv halb voll statt leer. Ein Viertel des Stroms stammt ja immerhin bereits aus den regenerativen Quellen. Vieles ist vorangegangen, es passiert Spannendes, gerade jenseits der Diskussionen in den Massenmedien. Darauf richte ich persönlich meinen Blick, statt eine einseitige Schwarz-Weiß-Sichtweise in die eine oder andere Richtung zu verstärken. Dabei schaue ich insgesamt weniger auf die große Politik, sondern auf die innovativen Ansätze in den Unternehmen und Regionen. Denn dort wird letztlich entschieden, ob die technische Umsetzung vor Ort gelingt, auch ob es den lokalen Verantwortlichen gelingt, die Bürger mit ins Boot für eine dezentral gestaltete Energiewende zu holen.

Milk the Sun: Unabhängig davon welche Partei nach dem 22.September in den Bundestag einziehen wird und unabhängig von der dann herrschenden Koalition, kommen auf die neue Bundesregierung viele wichtige und prägende energiepolitischen Entscheidungen zu. Was erwarten Sie sich von der Bundesregierung nach den Wahlen?

Lothar Lochmaier: Auch in dieser Frage bewahre ich mir eine skeptische Distanz zur herrschenden Medienmeinung. Ich selbst betrachte das Thema, stärker aus der dezentralen und vor allem wirtschaftlich geprägten Innovationskultur. Dort spielt viel Musik, da gibt es eine große sozial-technologische Dynamik, viele neue Geschäftsmodelle entstehen. Mit welcher Partei nach dem 22. September manches realisiert wird, spielt dabei nicht die alles entscheidende Rolle. Denn dem Wandel wird sich keine Partei verschließen können.

Ich rechne ansonsten auf operativer Ebene natürlich damit, dass das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) etliche Marktanpassungen erhält. Manche davon sind notwendig, manche könnten auch kontraproduktiv ausfallen. Wir werden sehen. Aber noch einmal: Das Wesentliche ist nicht die Höhe einer Einspeisevergütung, sondern es hat sich längst eine selbst tragende Wirtschaftsdynamik aus der Energiewende entwickelt, die als Blaupause nicht nur in Deutschland ihre Wirkung entfaltet, sondern weltweit. Das Green Crowdfunding ist ein Beleg hierfür, wie die jüngere Generation die Möglichkeiten nutzt. Schließlich geht es um die vielleicht wichtigste neue Leitindustrie für das Ökozeitalter, nach einem spätestens seit der Finanzkrise aus der Mode gekommenen ungebremsten Wirtschaftswachstum. Jetzt zählt hoffentlich nach der Bundestagswahl auch über die Parteigrenzen hinaus mehr Qualität als Quantität. Darauf sollten wir alle hinarbeiten.

Milk the Sun: Derzeit herrscht eine große Verunsicherung innerhalb der Bevölkerung, wenn es um das Thema Erneuerbare Energien und die damit zusammenhängende Energiewende geht. Der einzelne erstickt in einem Schwall an Pro-und-Anti-Propaganda, was letztendlich lediglich Verunsicherung und Verwirrung zur Folge hat. Es gibt nur wenige Stimmen die zur Ordnung rufen und die Diskussion auf eine sachliche und logische Ebene zurückführen wollen. Wie ist ihr Vorschlag für ein konstruktiveres Vorgehen in diesen Fragen?

Lothar Lochmaier: Es verdienen und profitieren leider allzu viele Protagonisten im medialen Mainstream an und mit der allgemeinen Verunsicherung und Verwirrung. Deshalb hätte ich dazu erst einmal einen einfachen, aber vielleicht wirksamen Vorschlag: Bevor man redet und ein Urteil fällt, erst einmal zuhören und über die Argumente differenziert nachdenken, vor allem über den eigenen Gartenzaun hinaus. Dieser Vorschlag wird aber nicht jedem Besserwisser und an den medialen Nebelkerzen sich Bereichernden gefallen.

Aber auch hier gilt: Grundsätzlich steht die Energiewende in der Bevölkerung gar nicht in Frage, wogegen sich viele wehren, ist, dass sie zum sozialen Prellbock der hohen Strom- und Energiekosten werden. Hier sind alle Protagonisten aus den alten wie neuen Industrien gleichermaßen gefragt, damit die Akzeptanz nicht schwindet, sondern durch Transparenz und Kosteneffizienz weiter erhöht wird. Dass es eine ökologisch orientierte Energiepolitik nicht zum Nulltarif geben wird, ist darüber hinaus fast allen Bürgern klar, aber Ross und Reiter müssen im Einzelfall klar erkennbar sein.

Milk the Sun: Stéphane Hessel bezeichnete den Kampf für eine nachhaltige und feste Umweltpolitik als eine der Hauptaufgaben der Menschen im 21. Jahrhundert. Die Erkenntnisse der Wissenschaft und die Veränderungen des Klimas geben ihm Recht. Dennoch passiert verhältnismäßig wenig, obwohl es letztendlich um die Existenz der menschlichen Spezis geht. Wie ist ihr Standpunkt dazu, dass sich angesichts eines derart dringenden Themas noch immer in politischen und wirtschaftlichen Grabenkämpfen ergeben wird?

Lothar Lochmaier: Das systemische Dilemma unserer Evolutionsgeschichte liegt darin, dass der Mensch in der Regel erst dann im Zeitraffer zu lernen beginnt, wenn er gerade mit dem Kopf gegen die Wand gelaufen ist. Sprich, erst wenn etwas richtig schief läuft, so wie die Finanz- und Staatsschuldenkrise, zeichnet sich ein deutlicheres Umdenken ab. Nun arbeiten wir angesichts des Klimawandels mit geliehener Zeit, wir wissen nicht genau, wann die Sache für breite Bevölkerungskreise wirklich zu kippen beginnt und wir ganz persönlich davon betroffen sein werden. Bisher sitzt die Frisur noch in London und in Kalifornien, um im Bild eines Werbespots zu bleiben.

Eine vorausschauende Handlungsweise bleibt somit leider auf Minderheiten begrenzt und ich rechne nicht damit, dass wir hier weltweit, etwa in der Begrenzung des CO-2-Ausstoßes, rasch zu einem verbindlichen Konsens gelangen. Dazu sind die wirtschaftspolitischen Interessen zu unterschiedlich, nicht nur der führenden Industrienationen, sondern auch der aufstrebenden Schwellenländer, um eine Art ökologisch ausgerichtete Weltregierung auf vernünftigen und fair gestalteten Prinzipien im Einklang zwischen Gesellschaft, Umwelt und Wirtschaft kurzfristig in Reichweite gelangen zu lassen.

 

Wir bedanken uns bei Herrn Lochmaier für das Interview.

 


Im Rahmen der Interviewreihe “Vier Fragen an …” stellt der Milk the Sun Blog bis zur Bundestagswahl am 22.September 30 Tage lang führenden Köpfe aus Wirtschaft, Politik und Medien vier Fragen zu den Erwartungen an die Energiepolitik Deutschlands der zurückliegenden und kommenden Jahre. Bisher interviewten wir Sebastian Bolay (DIHK), Heiko Schwarzburger (Photovoltaik), Corinna Lang (CleanEnergy Project), Patrick Jüttemann (klein-windkraftanlagen.com), Christian Leers (PV-Experte), Robert Schwarz (BTO Management Consulting)

 

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