Timon Gremmels im Interview: „Ich traue Schwarz-Gelb die Energiewende einfach nicht zu“

Timon Gremmels, seit November 2009 Mitglied im Hessischen Landtag, ist Umwelt- und Energiepolitischer Sprecher der SPD-Landtagsfraktion in Hessen. Wie er die Energiewende in Hessen sieht und welche Arbeit diesbezüglich auf die Entscheidungsträger Hessens und Deutschlands zukommt, erklärt er im Gespräch mit Milk the Sun.

Timon Gremmels: "Ich traue Schwarz-Gelb die Energiewende einfach nicht zu"

Milk the Sun: Sehr geehrter Herr Gremmels, die Erneuerbaren Energien nehmen einen immer größeren Stellenwert in der Energieproduktion Deutschlands ein. Wie ist der Status Quo der Energiewende in Hessen?

Gremmels: Beim Bundesländerranking der „Agentur für Erneuerbare Energie“ vom  Dezember 2012 ist Hessen zum dritten Mal in Folge Schlusslicht bei den Erneuerbaren Energien unter den Flächenländern geworden.  Auch nach dem Energiegipfel der Landesregierung, der nach der Atom-Katastrophe von Fukushima einberufen wurde, ist bisher nicht viel Konkretes umgesetzt worden. Die SPD-Landtagsfraktion hatte gefordert, die Kommunen verstärkt zu den Motoren der Energiewende zu machen. Leider erschweren Vorgaben in der Hessischen-Gemeinde-Ordnung, dass Städte und Gemeinden sich ausreichend wirtschaftlich betätigen und in die Energieerzeugung einsteigen können. Diese Hürden werden wir nach einem Wahlsieg bei der Landtagswahl im September beseitigen. Gleiches gilt auch für die Beteiligung von Kommunen an Windkraft im Staatsforst. Hier wollen wir, dass regionale Anbieter, die die Wertschöpfung  steigern, bei der Vergabe von Windkraftflächen bevorzugt werden, oder aber die Kommunen nach dem Vorbild von Rheinland-Pfalz mit bis zu 30 Prozent an den Pachteinnahmen beteiligt werden.

Milk the Sun: Im Norden Deutschlands werden verstärkt Windturbinen errichtet, der Osten und der Süden setzen viel auf Photovoltaik-Anlagen. Welche Formen der erneuerbaren Energiegewinnung sind für das Land Hessen am wichtigsten?

Gremmels: Die Energiewende gelingt nur, wenn wir auf einen Mix der Erneuerbaren Energien setzen. Wir brauchen Photovoltaik  genauso wie Biomasse und Windkraft mit ihren jeweils spezifischen Vorteilen. Für uns stehen die Erneuerbaren-Energie-Anlagen im Fokus, die geeignet sind, die regionale Wertschöpfung zu steigern. Die Energiewende ist nicht nur ein Thema der Ökologie, sondern vor allem auch eines der Ökonomie. Klar ist aber auch, die Windkraft im Binnenland ist die derzeit effizienteste Form der Strom-Erzeugung. Hessen ist bei der Windkraftnutzung bundesweites Schlusslicht. Hier haben wir den größten Nachholbedarf. Da Hessen ein sehr waldreiches Bundesland ist (42%), wird es künftig auch im Wald Windkraftanlagen geben.

Milk the Sun: Auch Fracking ist ein Thema in Hessen. BNK Petroleum wurde dort die Suche nach im Schiefergestein gebundenen Erdgases mittels Fracking vorerst eine Absage unterteilt, wofür sich auch die hessische SPD einsetzte. Warum?

Gremmels: Erst durch zwei Kleine Anfragen der SPD-Landtagsfraktion kam Ende 2011 zu Tage, dass die kanadische Firma BNK Petroleum in Nordhessen nach unkonventionellem Erdgas suchen will. Daraufhin haben wir eine umfangreiche Landtagsanhörung beantragt und diese im Oktober letzten Jahres durchgeführt. Auf Vorschlag von SPD und Grüne wurde vom Hessischen Landesamt für Umwelt und Geologie beauftragt, die Gutachten des Bundesumweltamts und des Landes Nordrhein-Westfalens  auf hessische Besonderheiten zu untersuchen. Darüber hinaus hat Frau Prof. Böhm von der Universität Marburg festgestellt, dass die einhelligen negativen Stellungnahmen der betroffen Kommunen dem überwiegend öffentlichen Interesse im Sinne des Bundesbergrechts entspricht. Die hessische Umweltministerin hat das Regierungspräsidium Darmstadt als zuständige Genehmigungsbehörde darauf angewiesen, diese beiden Gutachten im weiteren Genehmigungsprozess zu berücksichtigen. Wir gehen davon aus, dass die Aufsucherlaubnis nicht erteilt werden kann.  Unabhängig vom aktuellen Antrag lehnt die hessische SPD Fracking in ihrem Landtagswahlprogramm klar ab. Die möglichen hessischen Fördermengen stehen in keinem Verhältnis zu den Gefahren für Mensch und Umwelt. Gas wird aber weiterhin für den Energiemix gebraucht. Wir sehen in der Power-to-Gas Technologie die deutlich nachhaltigere und umweltfreundlichere Form der Gaserzeugung, die es zu unterstützen gilt.

Milk the Sun: Welche Potentiale bietet die Energie-Effizienz in Hessen? Welche Schritte sind Ihrer Meinung nach in Hessen diesbezüglich zu gehen?

Gremmels: Das Energie-Effizienz-Potential ist auch in Hessen immens. Zwar hatten sich alle Beteiligten des Hessischen Energiegipfels 2011 darauf verständigt, z.B. die Sanierungsrate auf 2,5 bis 3 Prozent anzuheben, allerdings hat die Landesregierung bisher kaum etwas getan, um dieses Ziel umzusetzen. Im Gegenteil: So lehnte die Schwarz-Gelbe Koalition beispielsweise den SPD-Gesetzentwurf für ein Erneuerbares-Energien-Wärmegesetz für den Gebäudebestand nach dem Vorbild von Baden-Württemberg ab. Auch die Möglichkeit, dass Städte und Gemeinden per kommunaler Satzung für ihre Gebietsköperschaften eigenständige Vorgaben machen – wie z.B. mit der Marburger-Solarsatzung – wurde durch CDU und FPD die landesrechtliche Grundlage genommen.

Milk the Sun: Die Landesregierung in Hessen wird derzeit von CDU und FDP gebildet. Wie sieht die SPD deren derzeitige Energiepolitik?

Gremmels: Die derzeitige Landesregierung hat kein Energiekonzept. Bis zur Atomkatastrophe waren CDU und FDP in Hessen führende Verfechter der Atomkraft und der Laufzeitverlängerung des ältesten deutschen AKWs in Biblis. Auch bei der Kohlekraft wollte die Regierungskoalition den Ausbau des E.ON Kohlekraftwerks Staudinger im dichtbesiedelten Rhein-Main-Gebiet. Zwar äußern die Regierungsparteien verbal den Willen, den Anteil der Erneuerbaren Energien auszubauen, bei der konkreten Umsetzung stehen sie aber nach wie vor auf der Bremse. So regelt das jüngst beschlossene Energie-Zukunfts-Gesetz der Regierung nur Informationskampagnen und Förderprogramme, im Unterschied zu unserem deutlich ambitionierteren Energie-Konjunkturgesetz mit verbindlichen Vorgaben. Auch ist der Landesentwicklungsplan, der die Grundlage für den Ausbau der Windkraft in Hessen regelt, bis heute noch nicht beschlossen. Der fehlende Wille der Regierung, offensiv für die Akzeptanz der Windkraft zu kämpfen, dokumentiert niemand besser als der zuständige Landesplanungsminister Florian Rentsch (FDP). Als Wiesbadener Kreisvorsitzender seiner Partei stachelte er mit Bildern brennender Windkraftanlagen die Menschen gegen Anlagen im Taunus auf.

Milk the Sun: 100% Erneuerbare bis 2050, dieses Ziel gibt das Hessische Umweltministerin aus. Ist das realistisch?

Gremmels: Das Ziel, Hessen bis spätestens 2050 rechnerisch vollständig mit Erneuerbaren Energien zu versorgen, ist Ergebnis des Hessischen Energiegipfels von 2011 und  inzwischen Konsens aller Landtagsfraktionen. Allerdings ist das ein Ziel in ferner Zukunft. Was fehlt, sind klare Zwischenziele, eine begleitende Evaluation sowie ein Masterplan für die Energiewende in Hessen. Diese Vorschläge von uns fanden keine Mehrheit. Leider beschränkt sich der Konsens nur auf den Strom- und Wärmebereich. Der gesamte Verkehrsbereich wurde von der Landesregierung ausgeklammert. Das ist ein Fehler, den wir nach einem Landtagswahlsieg korrigieren werden.

Milk the Sun: Welche Zeichen wünschen Sie sich von Bundespolitik für den Fortgang der Energiewende in Deutschland?

Gremmels: Ich traue Schwarz-Gelb die Energiewende einfach nicht zu. Peter Altmaier hat mit seiner sogenannten Strompreisbremse den Markt der Erneuerbaren Energien stark verunsichert und den Menschen Sand in die Augen gestreut. Nicht die steigenden Strompreise sind Haupttreiber der Energiekosten, sondern Öl und Benzin. Auch Altmaiers bis heute durch nichts belegte Horrorszenario der 1 Billion Euro, die die Energiewende in seinen Augen kosten werde, hat gezeigt, dass er als glaubwürdiger Kämpfer für die Energiewende ein Totalausfall ist. Für einen Erfolg müssen die Rot-Grünen Erfinder der Energiewende nach der Bundestagswahl wieder das Ruder in die Hand nehmen.

Wir bedanken uns bei Herrn Gremmels für das Gespräch.

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