„Der Photovoltaik-Markt befindet sich in einer Phase der Neuorientierung“

„Der Photovoltaik-Markt befindet sich in einer Phase der Neuorientierung“

Der Photovoltaik-Markt steht vor großen Herausforderungen. Seit dem Solarboom gibt es neue Gesetze und Gegebenheiten, die sowohl Betreiber von Solaranlagen als auch die Solarwirtschaft zum Umdenken zwingen. Zum weiteren Gelingen der Energiewende ist vor allem die Aufklärung der Endkunden wichtig, meint Dr. Patrick Graichen, Direktor der Agora Energiewende. Im Interview liefert er uns Antworten zu den aktuellsten Themen.

 

Milk the Sun: Herr Dr. Graichen, wie bewerten Sie den Entwicklungsstand des Photovoltaik-Marktes und der Solarindustrie vor dem Hintergrund des neuen EEG, der verfehlten Zubauziele und der startenden Ausschreibungen für PV-Freiflächenanlagen?

Dr. Patrick Graichen: Der Photovoltaik-Markt befindet sich in einer Phase der Neuorientierung. Auf Basis des bisherigen Geschäftsmodells – der Verkauf von Strom gegen eine Einspeisevergütung ohne weitere Verantwortung – wird es immer schwieriger, Solarstromanlagen wirtschaftlich zu betreiben. Auf Basis von Eigenverbrauch ist das aber weiterhin ohne Weiteres möglich, daran ändert in den allermeisten Fällen auch die Einführung der EEG-Umlage auf den Eigenverbrauch nichts. Vielfach ist das aber bei den potenziellen Kunden unbekannt. Hier gibt es also eine Aufgabe für die Branche.

Bei großen Anlagen im Kraftwerksmaßstab sieht es anders aus: Hier tut sich zwar bislang nicht sehr viel, eine Studie, die das Fraunhofer Institut für Solare Energiesysteme für Agora Energiewende erstellt hat, zeigt aber, dass die Stromgestehungskosten in den kommenden Jahren äußerst attraktiv werden. Das muss natürlich genutzt werden. Die Ausschreibungen für Solarparks im Freiflächensegment könnten dabei zum Treiber werden.

 

„Man darf niemals aufhören, der Bevölkerung zu erklären, warum die Energiewende langfristig unglaubliche Chancen bietet.“

 

Milk the Sun: Laut „Deutschem Energiekompass“ sinkt die Akzeptanz der Bürger gegenüber der Energiewende immer weiter. Wie erklären Sie sich diesen Trend nach den Jahren des Solarbooms?

Dr. Patrick Graichen: Ein Blick in die Geschichte zeigt, dass bei den meisten gesellschaftlichen Großprojekten der Grad der Zufriedenheit in Wellen verläuft. Der von Ihnen erwähnte Energiekompass belegt das, er zeigt aber auch, dass fast 60 Prozent der Bevölkerung das Projekt Energiewende „gut“ oder sogar „sehr gut“ findet. Weitere 29 Prozent bewerten es immerhin noch mit „mäßig“. Nur eine Minderheit von gerade einmal 11 Prozent ist wirklich unzufrieden. Das sind immer noch ganz hervorragende Werte.

Klar ist aber auch, dass man niemals aufhören darf, der Bevölkerung zu erklären, warum die Energiewende langfristig unglaubliche Chancen bietet und auch kurzfristig mancherlei Nutzen mit sich bringt.

 

„In der Systemkompetenz sehe ich die eigentliche Chance der deutschen Industrie.“

 

Milk the Sun: Aktuell ist die deutsche Solarbranche stark getroffen von den Markteintritten chinesischer Unternehmen mit immer günstigeren Modulpreisen. Deutsche Qualitätshersteller erwirtschaften Verluste und streichen immer mehr Stellen. Kann sich dieser Trend in Zukunft noch einmal zum Positiven wenden – und was müssen deutsche Unternehmen tun bzw. was können deutsche Unternehmen von ausländischen Märkten lernen, um im internationalen Markt wieder relevant und konkurrenzfähig zu werden?

Dr. Patrick Graichen: Die chinesischen Unternehmen haben im Grunde da weitergemacht, wo die deutschen aufgehört haben: Sie haben die Photovoltaik zu einem wirklichen Massenprodukt gemacht. Das deutsche Geld aus der EEG-Umlage war da zwar ein großer Anreiz, allerdings haben auch die Chinesen selbst sehr große Summen in ihre Solarindustrie investiert. Davon kann wiederum Deutschland heute profitieren, weil erst dadurch die Module richtig günstig geworden sind.

Dass Europa sich über hohe Einfuhrzölle und Mindestpreise von den günstigen und vielfach qualitativ hochwertigen Modulen und Zellen abschneidet, ist kein Zustand, der dauerhaft bleiben sollte. Er schadet den hiesigen Unternehmen, die Kompetenzen im Systemgeschäft aufgebaut haben, die sie nun nur eingeschränkt nutzen können. In der Systemkompetenz – und damit meine ich nicht nur die Entwicklung von Solarkraftwerken, sondern auch von hybriden Anlagen bis hin zu ganzen Stromnetzen – sehe ich auch die eigentliche Chance der deutschen Industrie. Die Modulhersteller werden nicht nach Deutschland zurückkehren.

 

„Gemeinsam mit der Windenergie kann Photovoltaik schon in wenigen Jahren einen sehr großen Teil des deutschen Stroms liefern.“

 

Milk the Sun: Welche Entwicklung(en) sehen Sie für die Photovoltaik in Deutschland? Und wie schätzen Sie die Relevanz von Energiespeichern und dem Zusammenspiel aller erneuerbaren Energien in diesem Kontext ein?

Dr. Patrick Graichen: Unsere Studien haben gezeigt, dass das Potenzial für Photovoltaik in Deutschland ausgesprochen groß ist. Und zwar sowohl von der technischen Seite, als auch von der ökonomischen. Gemeinsam mit der Windenergie kann Photovoltaik schon in wenigen Jahren einen sehr großen Teil des deutschen Stroms liefern. Beide brauchen allerdings Backup-Kapazitäten für die Zeiten, in denen die Sonne nicht scheint oder nur wenig Wind weht. Dabei wird es sich zunächst noch um konventionelle Kraftwerke handeln, immer mehr aber auch um andere Flexibilitätsoptionen, wie zum Beispiel Speicher, Lastmanagement und den Netzausbau.

Wir danken Herrn Dr. Graichen für das Interview.

 

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Im Rahmen der Fortsetzung der Interviewreihe „Vier Fragen an …“ stellt der Milk the Sun-Blog führenden Köpfen aus Wirtschaft, Politik und Medien vier Fragen zu den Erwartungen an die nationale und internationale Energiepolitik, die Energiewende und  die Reform des EEGs.

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