BGH erklärt spezielle Inbetriebnahmepraxis als unzulässig: Neubestimmung des Inbetriebnahmezeitpunkts von PV-Anlagen bis 31.03.2012 steht bevor
Der Bundesgerichtshof hat ein Urteil des Oberlandesgerichts Nürnberg bestätigt, welches den Inbetriebnahmezeitpunkt einiger Solaranlagen in bestimmten Fällen bis zum 31.März 2012 als unzulässig erklärt. Die Folgen könnten Rückzahlungen von zu hohen Einspeisevergütungen und damit sinkende Renditen für Betreiber von betroffenen Solaranlagen sein.
Betreibern von Photovoltaik-Anlagen, denen bis zum 31. März 2012 mit dem so genannten „Glühlampentest“ die Funktionstauglichkeit der Anlage und die zu diesem Zeitpunkt geltenden Einspeisevergütungen bestätigt wurden, müssen sich unter gewissen Umständen warm anziehen. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat am 04. November 2015 mit Az. VIII ZR 244/14 ein Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) Nürnberg (Az. 1 U 440/14) zum Inbetriebnahmezeitpunkt von PV-Anlagen bestätigt.
Die Rechtsprechung besagt, dass die technische Betriebsbereitschaft einer PV-Anlage erst nach der ortsfesten Installation anzunehmen ist. Technisch betriebsbereit sei eine Photovoltaik-Anlage demnach erst dann, wenn sie „grundsätzlich und dauerhaft Strom erzeugen könne“. Der „Glühlampentest“, der bisher zur Bestätigung der Inbetriebnahme ausreichte, verliert damit rückwirkend an Gültigkeit.
Die potentiellen Folgen für PV-Installationen bis zum 31. März 2012 können gravierend sein, denn Rückzahlungen und Neuberechnungen von zu hoch ausgefallenen Einspeisevergütungen haben einen immensen Einfluss auf die Rendite der getätigten Investments.
Was könnte dies in der Praxis bedeuten?
Für Anlagenbetreiber:
Es ist davon auszugehen, dass die Netzbetreiber stichtagsnah errichtete PV-Anlagen aus den Jahren 2011 und 2012 überprüfen und bei fehlerhaften Angaben ggf. die Erstattung von Überzahlungen aus der Einspeisevergütung verlangen werden.
Anlagenbetreiber sollten versuchen, sich gegenüber Lieferanten, Handwerkern, Generalunternehmern, aber auch Beratern schadlos zu halten, wenn diese einen bestimmten Zeitpunkt der Inbetriebnahme vertraglich zugesagt haben. Zuallererst heißt dies: Sachverhalt klären und Beweise sichern. Über einen Rechtsbeistand sollten verjährungsunterbrechende Maßnahmen ergriffen und Ansprüche geltend gemacht werden.
Aber auch gegenüber den finanzierenden Banken könnte es zu Problemen kommen, wenn diese feststellen, dass die finanzierte PV-Anlage, die als Sicherheit für die Kreditgewährung dient, weniger erlöst als ursprünglich angenommen. Dies könnte die Forderung zur Stellung zusätzlicher Sicherheiten oder gar die Beendigung des Kreditengagements zur Folge haben.
Für Generalunternehmer:
Da letztlich alle Beteiligten bemüht sein werden, etwaige Fehler beim Generalunternehmer zu finden, sollten diese sich ihrerseits bemühen, den Anspruchsumfang zu reduzieren. Dazu könnte ein Weg sein, ein Verschulden in Abrede zu stellen. Zu prüfen wäre, ob auch ein Rückgriff auf rechtliche Berater und deren Versicherungen möglich ist, wenn man auf die Spruchpraxis der Clearingstelle EEG vertraut hat.
Fazit:
Die Begründung des Urteils soll in 3-4 Wochen vorliegen. Es ist jedoch schon jetzt festzustellen, dass die fehlerhafte Annahme des Inbetriebnahmezeitpunktes der Super-GAU einer Photovoltaik-Anlage ist und nachhaltig das Vertrauen in PV-Investments beeinflussen wird.
Quelle 1: LEXEGESE, Quelle 2: LEXEGESE
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