Besonderheiten der Direktvermarktung: 6-Stunden-Regel und Eigenverbrauch

Besonderheiten der Direktvermarktung: 6-Stunden-Regel und Eigenverbrauch

Dienstleister nehmen Anlageneigentümern, die ihren Solarstrom direkt vermarkten, die meisten zusätzlich anfallenden Arbeiten ab. Dennoch sollten Betreiber einige Besonderheiten der Direktvermarktung kennen. Dazu gehören die „6-Stunden-Regel“ und der Umgang mit dem teilweisen Eigenverbrauch selbst erzeugten Stroms. Einen Überblick gibt dieser Gastbeitrag von Jan Knievel, Neas Energy.

 

Die erneuerbare Stromproduktion nimmt zu und im Zusammenhang damit auch die Zeiten, zu denen der Börsen-Strompreis negativ wird. Wer seinen Strom dann loswerden möchte, muss dafür bezahlen. Im Jahr 2014 gab es im Day-Ahead und im Intraday-Handel noch 36 Stunden mit negativen Strompreisen, im gesamten Jahr 2015 waren es bereits 75 Stunden.

Die wesentliche Ursache dieser paradoxen Situation besteht je nach Lesart darin, dass

  • zeitweise zu viel erneuerbarer Strom produziert wird oder darin,
  • dass die Betreiber konventioneller Kraftwerke nicht flexibel genug auf Angebot und Nachfrage reagieren und auch dann weiter Strom einspeisen, wenn der Bedarf eigentlich bereits gedeckt ist.

Wie auch immer die Frage nach der Ursache beantwortet wird: Derzeit möchte der Gesetzgeber, dass die erneuerbaren Energien zumindest einen Teil des Preisrisikos tragen. Zu diesem Zweck wurde im EEG 2014 die sogenannte „6-Stunden-Regel“ aufgenommen.

 

Wann kommt die 6-Stunden-Regel zum Tragen?

Die Regel besagt, dass Betreiber erneuerbarer Energieanlagen keine Direktvermarktungs-Marktprämie mehr erhalten, wenn die Börsenstrompreise über einen Zeitraum von mehr als 6 Stunden durchgehend negativ sind. Nicht vergütet wird in diesem Fall rückwirkend die gesamte Periode der negativen Preise. Vom Direktvermarkter erhält der Betreiber aber weiterhin den (Referenz-)Marktwert, also den durchschnittlichen Börsen-Stundenpreis des Vormonats, der auch als „durchschnittlicher Spotpreis“ bezeichnet wird.

Welche Folgen die 6-Stunden Regel tatsächlich für einen Betreiber hat, hängt allerdings von seiner individuellen Vereinbarung mit dem Direktvermarkter ab. Nicht alle Direktvermarkter wenden die Regel gegenüber „ihren“ Betreibern auch tatsächlich an.

Wann Strompreise als negativ gelten, wird im aktuellen Entwurf des Strommarktgesetzes neu definiert:

  • Einerseits muss dafür der Day-Ahead-Preis für die jeweiligen Stunden negativ sein, also der Preis, der am Vortag im Rahmen einer Auktion vereinbart wurde.
  • Zusätzlich werden die tatsächlich am Intradaymarkt erzielten Preise berücksichtigt: der „volumengewichtete Durchschnitt der Preise aller Transaktionen im kontinuierlichen untertägigen Handel am Spotmarkt“ muss ebenfalls negativ sein.

Mit dem ersten Punkt erhalten die Marktakteure die Möglichkeit, auf ein erwartetes Überangebot am Markt zu reagieren und – wenn möglich – zusätzlich Strom zu besonders günstigen Konditionen nachzufragen oder weniger Strom anzubieten. Durch die wachsende Nachfrage und das sinkende Angebot können wieder positive Preise erzielt werden.

Die zweite Regel sorgt dann dafür, dass der Mechanismus der 6-Stunden-Regelung unterbrochen wird, wenn die Anbieter und die Nachfrager erfolgreich auf die Preissignale reagiert haben und die Preise im kurzfristigen Handel wieder positiv geworden sind.

 

Für wen gilt die 6-Stunden-Regel?

Für Betreiber von Solaranlagen gilt die „6-Stunden-Regel“ nur dann, wenn ihre Anlage eine Leistung von mindestens 500 kWp hat und nach dem 1.1.2016 in Betrieb genommen wurde.

 

Welche Rolle spielt der Eigenverbrauch?

Rein technisch gesehen spricht nichts dagegen, dass der Betreiber einer PV-Anlage einen Teil seines Solarstroms selbst verbraucht und den verbleibenden Teil direkt an der Strombörse verkauft. Für den beauftragten Direktvermarkter ist das aber nicht unbedingt vorteilhaft.

Zum einen steigt das Prognoserisiko: Der Direktvermarkter versucht stets, wirklich nur so viel Strom an der Börse anzubieten, wie tatsächlich produziert wird. Je stärker die Prognose von der tatsächlichen Produktion abweicht, desto mehr Kosten für den Ausgleich fallen an. Deswegen muss jeder Direktvermarkter die Einspeiseleistungen des Folgetages möglichst genau prognostizieren. Das macht er auf Basis meteorologischer Vorhersagen. Manche Direktvermarkter gehen dafür so weit, eigene Meteorologen zu beschäftigen.

Kommt nun der Eigenverbrauch hinzu, reicht die Prognose der Anlagenleistung nicht mehr aus. Auch der Verbrauch muss zusätzlich gemessen und prognostiziert werden. Dieser hängt aber nicht nur vom Wetter ab, sondern auch vom Verhalten des Anlagenbetreibers. Daher werden Abweichungen wahrscheinlicher. Es entstehen also nicht nur Zusatzkosten für die Messung des Verbrauchs sondern auch für den zusätzlichen Ausgleich neuer Abweichungen.

Zum anderen sinkt die Strommenge, die verkauft werden kann und damit auch die Erlöse, während der Verwaltungsaufwand gleich bleibt. Das macht die Zusammenarbeit mit dem Anlagenbetreiber weniger attraktiv.

Betreiber, die parallel zur Direktvermarktung einen Teil des Stroms selbst verbrauchen möchten, sollten daher beim Direktvermarkter ihrer Wahl anfragen, ob er den Eigenverbrauch zulässt und welche Konditionen dabei gelten.

 

Passend zum Thema: Direktvermarktung von Solarstrom: Wie funktioniert das und wann lohnt es sich?

 

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Über Jan Knievel, Key-Account-Manager Renewables beim Energie-Handelshaus Neas Energy:

Jan Knievel ist Diplom Kaufmann, arbeitete mehrere Jahre als Unternehmensberater für Stadtwerke und Industriekunden und ist seit über 7 Jahren in der Energiewirtschaft tätig. Vor seiner Tätigkeit für Neas Energy war er für den Aufbau und die Leitung des Ökostromanbieters juwi Green Energy verantwortlich. Sein Fachgebiet ist der energiewirtschaftliche Groß- und Einzelhandel mit erneuerbarer und konventioneller Energie.

 

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