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Sonderausschreibung: Koalition verständigt sich (mal wieder) am Klimaschutz vorbei

Sonderausschreibung: Koalition verständigt sich (mal wieder) am Klimaschutz vorbei

Lange haben SPD und Union gestritten, nun scheint eine Einigung erzielt. Im November soll das Kabinett über den Ökostrom-Ausbau entscheiden. Kein Wort verlieren beide Seiten darüber, dass bei einer Umsetzung des vorgelegten Eckpunkte-Papiers der Ausbau einmal mehr verzögert wird. Klimaschutz geht anders – ein Kommentar.

Der Ton wird rauer: SPD fordert CDU/CSU zu Sonderausschreibungen auf

Der Ton wird rauer: SPD fordert CDU/CSU zu Sonderausschreibungen auf

Der Streit um einen schnelleren Ausbau der erneuerbaren Energien spitzt sich zu. Die SPD droht, die geplante Reform des EEG platzen zu lassen, sollten die im Koalitionsvertrag vereinbarten Sonderausschreibungen nicht zeitnah gesetzlich verankert werden.

Kommentar zur Energiepolitik: Schwarz-Rot Unterwürfigkeit

Was waren das eigentlich für eigenartige Monate seit der Wahl? Diese Frage muss sich jeder Stellen, der die politischen Entwicklungen rund um die Große Koalition verfolgt hat. Da wurde gerungen und gekämpft, geschachert und debattiert. Interessant war das teilweise, enthüllend und ernüchternd auch. Viele Entwicklungen haben überrascht, so zum Beispiel die Stille und Kommentarlosigkeit mit der die CDU die kleineren Koalitionspartner in spe hat schalten und walten lassen. Der Sieger vom September wurde letztlich zum Verlierer der Verhandlungen. Ein Novum, aber verständlich bei einer Partei die Themen- und Inhaltslosigkeit zum Wahlkampfkonzept erhob.

Koalitionsverhandlungen: Wird die Energiewende durch die SPD zur Kohlewende?

Die Koalitionsverhandlungen zwischen SPD und CDU haben begonnen. Insgesamt 12 Arbeitskreise entscheiden über die Richtung einer möglichen schwarz-roten Regierung. Kohlebefürworterin Hannelore Kraft (SPD) arbeitet mit Bundesumweltminister Peter Altmaier zusammen in der Arbeitsgruppe Energie. Sie sollen die Richtung für die Energiepolitik der nächsten vier Jahre verhandeln. Klima- und Umweltaktivisten befürchten, dass die SPD die Energiewende zu einer Kohlewende umwandeln könnte. Derweil sorgt die Forderung des NRW Wirtschaftsminister beim grünen Koalitionspartner für Unmut.

Vier Fragen an … Şirvan Çakici, Unicon Energy Services

Şirvan Çakici ist geschäftsführendende Gesellschafterin der Unicon Energy Services GmbH. Das Unternehmen hat sich auf branchenspezifische Serviceleistungen rund um Solarprojekte im Energiesektor spezialisiert. Frau Çakici kann auf mehrjährige Berufserfahrungen in den Bereichen Politik und erneuerbare Energien zurückblicken.

Şirvan Çakici: "Politik stellt leider allzu oft weder Mensch noch Natur in den Vordergrund; Machtverhältnisse sind der entscheidende Faktor."

Milk the Sun: Liebe Frau Çakici, die Liste derer, denen in den letzten Monaten und Jahren ein Ausbremsen der Energiewende vorgeworfen wurde, ist lang. Wie schätzen Sie die klimapolitischen Ergebnisse der letzten Legislaturperiode der schwarz-gelben Regierung ein, der nach Kanzlerin Merkel „erfolgreichsten Bundesregierung seit der Wiedervereinigung“?

Şirvan Çakici: Nach der Katastrophe von Fukushima hatte die Bundesregierung, allen voran die Kanzlerin, eine deutliche Kehrtwendung ihrer ursprünglichen Energiepolitik angekündigt. Damit einhergehen sollte eigentlich die Förderung alternativer Energiegewinnung. Die Realität sieht jedoch anders aus: Die Solarbranche wurde derart isoliert, dass zahlreiche Arbeitsplätze bereits verloren gegangen sind und weitere verloren gehen werden. Wenn man die vergangenen Monate betrachtet, kann man also zumindest in diesem Zusammenhang kaum von einer Erfolgsgeschichte sprechen.

Bereits Röttgen und Rösler waren sich über die Vorgehensweise in Richtung Umstellung auf alternative Energien nicht ganz einig, ob Altmaier erfolgreicher ist, oder in einer etwaigen neuen Legislaturperiode sein wird, wage ich zu bezweifeln. Zusammenfassend kann man das Vorgehen der Bundesregierung zu Recht ambivalent nennen.

Milk the Sun: Unabhängig davon welche Partei nach dem 22.September in den Bundestag einziehen wird und unabhängig von der dann herrschenden Koalition, kommen auf die neue Bundesregierung viele wichtige und prägende energiepolitischen Entscheidungen zu. Was erwarten Sie sich von der Bundesregierung nach den Wahlen?

Şirvan Çakici: Wenn alles beim Alten bleibt, sehe ich ehrlich gesagt schwarz. Ich hoffe deshalb auf einen Regierungswechsel und wünsche mir eine rot/grüne Koalition. Ich bin überzeugt, energiepolitische Themen würden dann wieder einen größeren Stellenwert erhalten.

Die Lobby der Energieerzeuger würde mit einer Rot-Grünen Regierung auf Konfrontationskurs gehen und trotzig ihren Stiefel weiterfahren. Ich sehe hier keine großen Änderungen.

Trotzdem sollte der private Verbraucher entlastet und über Förderungen von den absehbaren Teuerungen der Energiekosten unterstützt werden.

Milk the Sun: Derzeit herrscht eine große Verunsicherung innerhalb der Bevölkerung, wenn es um das Thema Erneuerbare Energien und die damit zusammenhängende Energiewende geht. Der einzelne erstickt in einem Schwall an Pro-und-Anti-Propaganda, was letztendlich lediglich Verunsicherung und Verwirrung zur Folge hat. Es gibt nur wenige Stimmen die zur Ordnung rufen und die Diskussion auf eine sachliche und logische Ebene zurückführen wollen. Wie ist ihr Vorschlag für ein konstruktiveres Vorgehen in diesen Fragen?

Şirvan Çakici: Andere Branchen sind lobbytechnisch einfach stärker vertreten. Dementsprechend sind die Diskussionen in letzter Zeit auch geführt worden. Die Solarbranche muss sich insgesamt besser aufstellen und dafür sorgen, dass ihre Interessen in der Bundespolitik stärkere Beachtung finden. Dazu benötigt sie einflussreiche Fürsprecher mit den richtigen Kontakten. Diese sollten auch die Informationspolitik dringend verbessern und die Bevölkerung sachlich und logisch auf die langfristigen Vorteile der Solarenergie hinweisen.

Milk the Sun: Stéphane Hessel bezeichnete den Kampf für eine nachhaltige und feste Umweltpolitik als eine der Hauptaufgaben der Menschen im 21. Jahrhundert. Die Erkenntnisse der Wissenschaft und die Veränderungen des Klimas geben ihm Recht. Dennoch passiert verhältnismäßig wenig, obwohl es letztendlich um die Existenz der menschlichen Spezis geht. Wie ist ihr Standpunkt dazu, dass sich angesichts eines derart dringenden Themas noch immer in politischen und wirtschaftlichen Grabenkämpfen ergeben wird?

Şirvan Çakici: Neben den umweltpolitischen Aspekten wird meiner Ansicht nach außer Acht gelassen, dass es auch um Arbeitsplätze geht. Die Menschen, die durch falsche (energie)-politische Entscheidungen ihren Job verlieren, sollten ebenfalls Beachtung finden. Politik stellt leider allzu oft weder Mensch noch Natur in den Vordergrund; Machtverhältnisse sind der entscheidende Faktor. Leider hat es die Solarbranche bislang nicht geschafft, Befürworter für sich zu gewinnen.

 

Wir bedanken uns bei Frau Çakici für das Interview.

 


Im Rahmen der Interviewreihe “Vier Fragen an …” stellt der Milk the Sun Blog bis zur Bundestagswahl am 22.September 30 Tage lang führenden Köpfe aus Wirtschaft, Politik und Medien vier Fragen zu den Erwartungen an die Energiepolitik Deutschlands der zurückliegenden und kommenden Jahre. Bisher interviewten wir Sebastian Bolay (DIHK), Heiko Schwarzburger (Photovoltaik), Corinna Lang (CleanEnergy Project), Patrick Jüttemann (klein-windkraftanlagen.com), Christian Leers (PV-Experte), Robert Schwarz (BTO Management Consulting), Lothar Lochmaier (Freier Journalist), Michael Richter (Sonneninvest AG), Kilian Rüfer (SUSTAINMENT), Udo Schuldt (Blogger), Thorsten Zoerner (Solution Architect), Prof. Dr. Eicke Weber (Fraunhofer ISE), Falko Bozicevic (GoingPublic Magazin), Carsten Körnig (Solarwirtschaft e.V.), Denis-Mariel Kühn (EGBB), Doreen Brumme (Freie Journalistin), Erhard Renz (sonnenfluesterer.de), Sabine Eva Rädisch (Autorin und Bloggerin), Bart Markus (Wellington Partners), Prof. Volkmar Liebig (avesco Financial Services AG), Dr. Tim Meyer (Grünstromwerk GmbH), Alexander Fehr (Fehrdeal & Energieblogger), Thomas Nasswetter (Ritter Gruppe und Blogger), Dr. Stefan Dietrich (Windwärts Energie), Sylvia Pilarsky-Grosch (BWE), Holger Ruletzki (Parabel AG), Franz Alt (Journalist), Arne Horn (DZ-4), Dr. Bernd Köhler (Phoenix Solar), Björn-Lars Kuhn (Proteus Solutions & Energieblogger), Cornelia Daniel-Gruber (Journalistin und Bloggerin), Ove Petersen (GP Joule), Udo Möhrstedt (IBC Solar)

Vier Fragen an … Arne Horn, Vertriebsleiter bei DZ-4

Arne Horn ist einer der Köpfe hinter DZ-4, einem jungen Unternehmen aus Hamburg. DZ-4 sieht in der dezentralen Energieversorgung die Verfahrensweise der Zukunft und setzt es sich zum Ziel ihren Kunden eine private Energiewende zu ermöglichen. Arne Zorn organisiert den Vertrieb des DZ-4 Modells. Herr Horn kann auf 10 Jahre Erfahrung in der Solarbranche zurückblicken. Zuletzt arbeitete er als Vertriebsleiter in Südeuropa und Afrika bei LDK Solar.

Arne Horn: "Ich glaube nicht, dass die Energiewende in ihrer jetzigen Phase eine „Energiewende-von-oben“ sein wird. Vielmehr wird sie durch ganz viele kleine und lokale Initiativen vorangetrieben werden, die die Bürger selbst realisieren. Denn die technischen und ökonomischen Möglichkeiten haben wir heute bereits erreicht."

Milk the Sun: Lieber Herr Horn, die Liste derer, denen in den letzten Monaten und Jahren ein Ausbremsen der Energiewende vorgeworfen wurde, ist lang. Wie schätzen Sie die klimapolitischen Ergebnisse der letzten Legislaturperiode der schwarz-gelben Regierung ein, der nach Kanzlerin Merkel „erfolgreichsten Bundesregierung seit der Wiedervereinigung“?

Arne Horn: Die schwarz-gelbe Regierung hat meiner Meinung nach in den meisten klimapolitischen Fragen versagt. Die einzige Überraschung war natürlich die Kehrtwende beim Atomausstieg, die zwar sehr positiv für die Energiewende war, aber wegen der Schnelle des Umschwungs wenig Glaubwürdigkeit hatte.  Innerhalb von 12 Monaten hat die Bundesregierung ihre Meinung zur Atomkraft von einer Brückentechnologie hin zu einem Sicherheitsrisiko für unser Land geändert.

Als zweites Beispiel können wir den verpassten Netzausbau anbringen: 2009 wurde durch das Energieleitungsausbaugesetz die Ausbauziele von 1855km für die kommenden Jahre festgelegt. Stand heute sind laut der Bundesnetzagentur 268km gebaut. Und genau genommen sind es eigentlich noch weniger, da zum Zeitpunkt des Beschlusses bereits ca. 100km gebaut waren, die hier mit einberechnet sind. Da die Energiewende vorwiegend auch einen dezentralen Charakter hat, ist dies nicht ganz so dramatisch, wird leider jedoch als eine primäre Ausrede der Politik gegen einen weiteren Ausbau der Erneuerbaren verwendet.

Es ist schon traurig, dass nachweislich eine Mehrheit der Deutschen für die Energiewende ist, aber letztendlich kein Projekt in diesem Bereich wirklich vorangetrieben – geschweige denn finalisiert werden konnte. Vielmehr gibt es weitere zahlreiche Negativbeispiele: Die Solarbranche, eine der größten Zukunftsbranchen weltweit, wurde gerade durch sehr radikale Reformen des EEGs abgewürgt. Der Handel mit CO-2 Zertifikaten zu sinnvollen Preisen wird von Deutschland auf EU-Ebene konsequent blockiert.

Zum Schluss möchte ich dann doch noch einen positiven Aspekt der letzten Legislaturperiode hervorheben. Sie hat doch tatsächlich geschafft eine Förderung für dezentrale Batteriespeicher für PV-Anlagen auf die Beine zu stellen. Dabei ist jedoch der Weg dorthin bezeichnend, wie diese Regierung klimapolitische Aufgaben angegangen ist. Die Mittel für diese Förderung sollten aus dem Klimafonds bzw. Erlösen aus dem Verkauf von CO2-Zertifikaten stammen. Da dieser jedoch nicht richtig aufgesetzt wurde, fehlten die Einnahmen und die Förderung wäre beinahe gescheitert.

Milk the Sun: Unabhängig davon welche Partei nach dem 22.September in den Bundestag einziehen wird und unabhängig von der dann herrschenden Koalition, kommen auf die neue Bundesregierung viele wichtige und prägende energiepolitischen Entscheidungen zu. Was erwarten Sie von der Bundesregierung nach den Wahlen?

Arne Horn: Ich möchte an dieser Stelle eher von „wünschen“ als von „erwarten“ sprechen. Mein bescheidener Wunsch ist zunächst einmal, dass eine sachliche Diskussion geführt wird. Aufbauend darauf sollte eine wirklich konsequente nachhaltige Strategie zum Ausbau der Erneuerbaren Energien verfolgt werden, keine Lippenbekenntnisse wie es heute der Fall ist.

Welcher Fehler nicht noch einmal gemacht werden sollte, ist eine vorschnelle und übereilte Reform des EEGs allein mit dem Ziel, den Ausbau der Erneuerbaren Energien zu bremsen. Generell bin ich aber schon für eine sinnvolle Reform des Erneuerbaren Energien Gesetzes, die zum Beispiel die Befreiung der energieintensiven Industrie von der EEG-Umlage in Angriff nimmt. Auch das Paradoxon, dass sinkende Großhandelspreise zu einer höheren EEG-Umlage führen, muss aus meiner Sicht mit einem neuen Marktmodell überdacht werden. Wichtig ist an dieser Stellt auch, dass der Vorrang für Einspeisung erneuerbarer Energien erhalten bleibt.

Weiterhin ist eine unbürokratische Förderung von dezentralen Speichertechnologien unbedingt weiter voranzutreiben. Gleichzeitig sollten natürlich die alternden Netze an den richtigen Stellen modernisiert und eventuell ausgebaut werden.

Grade der letzte Punkt, aber auch die Reform des EEGs, erfordern eine starke zentrale Einheit, die mit mehr Kompetenzen ausgestattet ist als zum Beispiel die Bundesnetzagentur. Von daher erachte ich die Einrichtung eines Energieministeriums für die nächste Legislaturperiode als absolut notwendig, um die Energielandschaft in Deutschland wieder auf Kurs zu bringen.

Milk the Sun: Derzeit herrscht eine große Verunsicherung innerhalb der Bevölkerung, wenn es um das Thema Erneuerbare Energien und die damit zusammenhängende Energiewende geht. Der einzelne erstickt in einem Schwall an Pro-und-Anti-Propaganda, was letztendlich lediglich Verunsicherung und Verwirrung zur Folge hat. Es gibt nur wenige Stimmen die zur Ordnung rufen und die Diskussion auf eine sachliche und logische Ebene zurückführen wollen. Wie ist ihr Vorschlag für ein konstruktiveres Vorgehen in diesen Fragen?

Arne Horn: Sie beschreiben die Situation absolut korrekt: Die Energiewende – übrigens nicht gleichzusetzen mit dem Atomausstieg – ist das bedeutendste Projekt unserer und auch der nächsten Generation. Sie beeinflusst nicht nur ökologische, aber auch wirtschaftliche, soziale  und kulturelle Fragen. Deswegen beackern sehr viele Interessensgruppen dieses Feld und verursachen häufig einen regelrechten Stillstand in der Diskussion, anstatt am großen Ziel gemeinsam zu arbeiten. Dieser Zustand ist umso dramatischer, wenn man bedenkt, dass die Energiewende sogar dann noch eine Mammutaufgabe darstellt, selbst bei einer Übereinkunft dieser Gruppen.

Deshalb plädiere ich auch auf jeden Fall für die Einrichtung eines Energieministeriums, um von regulatorischer Seite mehr Kontinuität zu erzeugen. Damit sollte man zum einen die eben beschriebenen Aufgaben angehen und zum anderen aber auch die essentielle Aufgabe der sachlichen Aufklärung übernehmen. Der Bürger darf nicht mehr jeden zweiten Tag mit polemischen oder zumindest politisch gesteuerten Äußerungen der Interessensgruppen konfrontiert und manipuliert werden. Ich denke hier nur an die 1 Billion Euro Aussage von unserem Bundesumweltminister Herrn Altmaier.

Vielmehr sollte eine große, objektive Informationskampagne gestartet werden, um alle Aspekte der Energiewende – auch die herausfordernden – zu beleuchten. So eine Informationskampagne würde hoffentlich den Lobbygruppen beider Seiten den Wind aus den Segeln nehmen. Natürlich darf man hier nicht zu naiv die absolute Objektivität erwarten, aber ich denke, es wäre ein Schritt in die richtige Richtung.

Milk the Sun: Stéphane Hessel bezeichnete den Kampf für eine nachhaltige und feste Umweltpolitik als eine der Hauptaufgaben der Menschen im 21. Jahrhundert. Die Erkenntnisse der Wissenschaft und die Veränderungen des Klimas geben ihm Recht. Dennoch passiert verhältnismäßig wenig, obwohl es letztendlich um die Existenz der menschlichen Spezis geht. Wie ist ihr Standpunkt dazu, dass sich angesichts eines derart dringenden Themas noch immer in politischen und wirtschaftlichen Grabenkämpfen ergeben wird?

Arne Horn: Ich denke, es kann hier gar keinen anderen Standpunkt geben, als diese Situation als absolut fatal zu beschreiben. Es sei denn jemand hat ein gesteigertes Interesse am Erhalt der aktuellen Situation der Energielandschaft in Deutschland. Sie müssen bedenken, von den Entscheidungen der nächsten Jahre, werden wir noch lange etwas haben: Durch die zu hohe Anzahl von CO2 Zertifikaten auf dem Markt, ist der Betrieb und auch der Neubau von Kohlekraftwerken rentabel. Aus diesem Grund wird aktuell eher der Betrieb und auch Investition in solche klimaschädlichen Technologien – anstatt zum Beispiel effiziente Gaskraftwerke – gefördert. Falls sogar neue Kohlekraftwerke gebaut würden, sprechen wir hier wieder über eine Belastung für 2 Generationen.

Ich habe leider auch wenig Hoffnung, dass sich kurz- bis mittelfristig etwas an den politischen Grabenkämpfen ändern wird, auch wenn ich meine Vorstellung zu Ansätzen ja genannt habe.

Vielleicht erwarten wir hier aber auch etwas von der Politik und den steuernden Organen, dass Sie gar nicht erfüllen können. Nicht nur bei der Energiewende, sondern auch der Finanzkrise, den Hungerkrisen, genereller Ökologischer Zerstörung etc. erleben wir die Ohnmacht der Politik. Viele Themen sind einfach zu komplex, zu vernetzt und können einfach auch nicht mehr auflösbar erscheinen. An dieser Stelle stimmt mich jedoch ein Aspekt positiv, der auch mit einigen Ansätzen von Stéphane Hessel übereinstimmt. Denn er hat den Einzelnen immer dazu aufgerufen, für seine Rechte einzustehen und selber aktiv zu werden.

Und hier haben wir mit der Energiewende eine einmalige Chance im Gegensatz zu den meisten anderen globalen Problemen. Denn im Endeffekt kann jeder dezentral, vor Ort bei sich zu Hause zum Beispiel durch den Betrieb einer Photovoltaik Anlage etwas beitragen. Und durch den zusätzliche Installation eines stationären Batteriespeichers, kann er sich zu einem überwiegenden Teil unabhängig vom Strom aus dem öffentlichen Netz machen.

Ich glaube nicht, dass die Energiewende in ihrer jetzigen Phase eine „Energiewende-von-oben“ sein wird. Vielmehr wird sie durch ganz viele kleine und lokale Initiativen vorangetrieben werden, die die Bürger selbst realisieren. Denn die technischen und ökonomischen Möglichkeiten haben wir heute bereits erreicht.

 

Wir bedanken uns bei Herrn Horn für das Interview.

 


Im Rahmen der Interviewreihe “Vier Fragen an …” stellt der Milk the Sun Blog bis zur Bundestagswahl am 22.September 30 Tage lang führenden Köpfe aus Wirtschaft, Politik und Medien vier Fragen zu den Erwartungen an die Energiepolitik Deutschlands der zurückliegenden und kommenden Jahre. Bisher interviewten wir Sebastian Bolay (DIHK), Heiko Schwarzburger (Photovoltaik), Corinna Lang (CleanEnergy Project), Patrick Jüttemann (klein-windkraftanlagen.com), Christian Leers (PV-Experte), Robert Schwarz (BTO Management Consulting), Lothar Lochmaier (Freier Journalist), Michael Richter (Sonneninvest AG), Kilian Rüfer (SUSTAINMENT), Udo Schuldt (Blogger), Thorsten Zoerner (Solution Architect), Prof. Dr. Eicke Weber (Fraunhofer ISE), Falko Bozicevic (GoingPublic Magazin), Carsten Körnig (Solarwirtschaft e.V.), Denis-Mariel Kühn (EGBB), Doreen Brumme (Freie Journalistin), Erhard Renz (sonnenfluesterer.de), Sabine Eva Rädisch (Autorin und Bloggerin), Bart Markus (Wellington Partners), Prof. Volkmar Liebig (avesco Financial Services AG), Dr. Tim Meyer (Grünstromwerk GmbH), Alexander Fehr (Fehrdeal & Energieblogger), Thomas Nasswetter (Ritter Gruppe und Blogger), Dr. Stefan Dietrich (Windwärts Energie), Sylvia Pilarsky-Grosch (BWE), Holger Ruletzki (Parabel AG), Franz Alt (Journalist)

 

Vier Fragen an … Franz Alt, Journalist

Franz Alt ist einer von Deutschlands erfolgreichsten Journalisten in dem Bereich der Erneuerbaren Energien. Er studierte Politikwissenschaft, Geschichte, Philosophie und Theologie. Herr Alt moderierte über 20 Jahre das Politmagazin „Report“ und arbeitet bis 2003 für den SWF. Franz Alt trat 1988 aus der CDU aus und engagierte sich gegen das Projekt „Stuttgart 21“. Er unterhält unter anderem die Website www.sonnenseite.com, auf der er sich insbesondere zu umweltpolitischen Themen äußert. Sein neustes Buch heißt „Auf der Sonnenseite – warum uns die Energiewende zu  Gewinnern macht“ und ist im Piper Verlag als Taschenbuch erschienen.

Franz Alt: "Die Energiewende war ehrlich gemeint – vor allem von Bundeskanzlerin Merkel, aber von ihren Ministern Rösler und Altmaier stümperhaft ausgeführt."

Milk the Sun: Lieber Herr Alt, die Liste derer, denen in den letzten Monaten und Jahren ein Ausbremsen der Energiewende vorgeworfen wurde, ist lang. Wie schätzen Sie die klimapolitischen Ergebnisse der letzten Legislaturperiode der schwarz-gelben Regierung ein, der nach Kanzlerin Merkel „erfolgreichsten Bundesregierung seit der Wiedervereinigung“?

Franz Alt: Die Ergebnisse sind gemischt. Die Energiewende war ehrlich gemeint – vor allem von Bundeskanzlerin Merkel, aber von ihren Ministern Rösler und Altmaier stümperhaft ausgeführt. Die Bekundungen von Peter Altmaier zur „Strompreisbremse“ zeigen, dass er die entscheidenden langfristigen Kostenvorteile der Erneuerbaren Energiewende nicht verstanden hat: Sonne und Wind schicken keine Rechnung. Rösler und Altmaier denken nur an den nächsten Wahltermin und unterschlagen, dass es die Preise der alten Energieträger sind, die bald unbezahlbar werden. Und von den Folgekosten der bisherigen atomar-fossilen Energieversorgung reden sie gar nicht.

Milk the Sun: Unabhängig davon welche Partei nach dem 22.September in den Bundestag einziehen wird und unabhängig von der dann herrschenden Koalition, kommen auf die neue Bundesregierung viele wichtige und prägende energiepolitischen Entscheidungen zu. Was erwarten Sie sich von der Bundesregierung nach den Wahlen?

Franz Alt: Ein bisschen mehr Intelligenz als bisher. Die Speicher- und Netzprobleme sind lösbar, aber sie müssen endlich mit gutem Willen angepackt werden.

Ich erwarte, dass die neue Bundesregierung  nicht nur über die Probleme jammert, sondern endlich die strategischen Vorteile der Energiewende  begreift. Das sind ökologische, ökonomische, soziale und ethische Vorteile. Die Energiewende bietet der deutschen Volkswirtschaft schon deshalb riesige Exportchancen, weil wir bei Sonne, Wind, Biogas und bei Speichertechnologien weltweit Technologie-Führer sind. Die Energiewende kostet, das ist richtig, aber keine Energiewende kostet die Zukunft.

Milk the Sun: Derzeit herrscht eine große Verunsicherung innerhalb der Bevölkerung, wenn es um das Thema Erneuerbare Energien und die damit zusammenhängende Energiewende geht. Der einzelne erstickt in einem Schwall an Pro-und-Anti-Propaganda, was letztendlich lediglich Verunsicherung und Verwirrung zur Folge hat. Es gibt nur wenige Stimmen die zur Ordnung rufen und die Diskussion auf eine sachliche und logische Ebene zurückführen wollen. Wie ist ihr Vorschlag für ein konstruktiveres Vorgehen in diesen Fragen?

Franz Alt: Es geht nur über mehr Aufklärung. Es spricht für den nachhaltigen Bewusstseinswandel der Deutschen, dass sie trotz permanenter Verunsicherung durch führende FDP-Politiker und Vertreter des CDU-Wirtschaftsrats zu 82 % die Energiewende wollen. Mit diesem Pfund muss die neue Bundesregierung wuchern. Das Energiethema sollte das entscheidende Wahlkampfthema werden. Die Bürgerinnen und Bürger sind in diesen Fragen entschieden weiter als die jetzige Bundesregierung.

Milk the Sun: Stéphane Hessel bezeichnete den Kampf für eine nachhaltige und feste Umweltpolitik als eine der Hauptaufgaben der Menschen im 21. Jahrhundert. Die Erkenntnisse der Wissenschaft und die Veränderungen des Klimas geben ihm Recht. Dennoch passiert verhältnismäßig wenig, obwohl es letztendlich um die Existenz der menschlichen Spezis geht. Wie ist ihr Standpunkt dazu, dass sich angesichts eines derart dringenden Themas noch immer in politischen und wirtschaftlichen Grabenkämpfen ergeben wird?

Franz Alt: Angel Merkel geht noch weiter. Sie bezeichnet die Energie- und Klimafrage als die „Überlebensfrage der Menschheit“. In diesem Punkt stimme ich der Kanzlerin voll und ganz zu. Deshalb habe ich ihr auch mein neues Buch zu diesem Thema gewidmet.

 

Wir bedanken uns bei Herrn Alt für das Interview.

 


Im Rahmen der Interviewreihe “Vier Fragen an …” stellt der Milk the Sun Blog bis zur Bundestagswahl am 22.September 30 Tage lang führenden Köpfe aus Wirtschaft, Politik und Medien vier Fragen zu den Erwartungen an die Energiepolitik Deutschlands der zurückliegenden und kommenden Jahre. Bisher interviewten wir Sebastian Bolay (DIHK), Heiko Schwarzburger (Photovoltaik), Corinna Lang (CleanEnergy Project), Patrick Jüttemann (klein-windkraftanlagen.com), Christian Leers (PV-Experte), Robert Schwarz (BTO Management Consulting), Lothar Lochmaier (Freier Journalist), Michael Richter (Sonneninvest AG), Kilian Rüfer (SUSTAINMENT), Udo Schuldt (Blogger), Thorsten Zoerner (Solution Architect), Prof. Dr. Eicke Weber (Fraunhofer ISE), Falko Bozicevic (GoingPublic Magazin), Carsten Körnig (Solarwirtschaft e.V.), Denis-Mariel Kühn (EGBB), Doreen Brumme (Freie Journalistin), Erhard Renz (sonnenfluesterer.de), Sabine Eva Rädisch (Autorin und Bloggerin), Bart Markus (Wellington Partners), Prof. Volkmar Liebig (avesco Financial Services AG), Dr. Tim Meyer (Grünstromwerk GmbH), Alexander Fehr (Fehrdeal & Energieblogger), Thomas Nasswetter (Ritter Gruppe und Blogger), Dr. Stefan Dietrich (Windwärts Energie), Sylvia Pilarsky-Grosch (BWE), Holger Ruletzki (Parabel AG)

 

Hans-Josef Fell im Interview: „Die gezielten Diffamierungen, wirksamer Klimaschutz sei zu teuer und eine Belastung der Ökonomie, werden weltweit von den Managern der Klimakatastrophe gestreut.“

Hans-Josef Fell ist seit 2002 Sprecher der Bundestagsfraktion von Bündnis‘90/Die Grünen für Energiepolitik. Er gilt als eine der prägenden Kräfte hinter dem EEG. Mit Milk the Sun spricht Herr Fell über sein aktuelles Buch „Globale Abkühlung“, in dem er versucht den weltweit festgefahrenen Diskussionen um den Klimaschutz, durch die Ausführung neuer Strategien frisches Leben einzuhauchen. Im Interview formuliert Herr Fell unter anderem seine Überlegungen zu den Themen Klimawandel und Weltpolitik, äußert sich zur Zukunft und Gegenwart des EEG und zur Energiepolitik der schwarz-gelben Bundesregierung und erklärt die Belastung der Weltwirtschaft durch ihre Abhängigkeit von den fossilen Energieträgern.

Hans-Josef Fell Energiepolitischer Sprecher von Bündnis'90/Die Grünen.

Hans-Josef Fell will mit seinem neuen Buch

Milk the Sun: Herr Fell, können Sie Ihr Buch „Globale Abkühlung“ für die Leser unseres Blogs in wenigen Worten zusammenfassen?

Hans-Josef Fell: Ich will die weitere Aufheizung der Erdatmosphäre um 2-Grad Celsius nicht einfach achselzuckend akzeptieren. Vielmehr möchte ich mit „Globale Abkühlung“ aufzeigen, dass wir mit neuen Strategien und Maßnahmen die Welt sogar abkühlen können, was angesichts der heute schon verheerenden Schadensbilanz der Erderwärmung zwingend erforderlich ist.

Milk the Sun: In der Einführung Ihres Buches schreiben Sie, dass das EEG das bisher einzige wirksame Instrument für den Klimaschutz sei. Von Seiten Rainer Brüderles und Wirtschaftsminister Philipp Rösler wird derzeit von einem Neustart und von grundlegenden Reformen des EEG gesprochen. Würden Sie diesen Forderungen widersprechen?

Hans-Josef Fell: Wenn Rainer Brüderle und Philipp Rösler nur eine Reform fordern würden, die den weiteren Ausbau der Erneuerbaren Energien beschleunigt, könnte ich das unterstützten, schließlich gibt es auch für uns Grüne einige EEG-Stellschrauben die neu justiert werden müssen. Allerdings fordert die FDP doch keine Reform, sondern offen eine Ende des EEGs und des Ausbaus der Erneuerbaren Energien. Geleitet werden sie dabei von den Interessen der alten Energiewirtschaft – auf Kosten der zukünftigen Generationen. Stellen Sie sich mal vor, wir Grüne würden das gleiche wie die FDP nur in einem anderen Wirtschaftssektor fordern. Zum Beispiel einen Stopp für den Neubau von Autos, nur weil der Straßenausbau zu langsam ist, um die Staus zu beseitigen.  Was wäre dann in Deutschland los. Brüderle fordert aber offen den Ausbaustopp für Solaranlagen, weil angeblich der Netzausbau nicht mitkommt.

Milk the Sun: Können Sie an dieser Stelle noch einmal auf der Grundlage der Erkenntnisse aus ihrem Buch, die Vorteile des EEG aufführen?

Hans-Josef Fell: Das EEG ist das beste Beispiel für eine wirksame staatliche Regulation, ohne staatliche Subventionen aus dem Steueraufkommen, um erfolgreich private Geldströme in den Klimaschutz zu lenken. Millionenfach haben neue Akteure, von Privatleuten, Genossenschaften bis hin zu Landwirten in Erneuerbare Energien investiert und haben nun Einkommen und Renditen im Stromgeschäft, was bisher nur Konzernen möglich war. Gleichzeitig werden klimaschädliche Energien aus Kohle, Gas, Öl und auch Atomkraft aus dem Markt verdrängt. Das EEG hat Deutschland zum Technologieführer in der Welt gemacht und eine neue Wirtschaftsbranche mit inzwischen über 380 000 Arbeitsplätzen geschaffen.

Milk the Sun: Sie machen deutlich Herr Fell, dass Emissionseinsparungen und Emissionseffizienz für den Klimaschutz eine untergeordnete Rolle spielen. Wenn doch, wie Sie in ihrem Buch aufführen, solch bestechende Fakten für ihre Aussage vorliegen, warum wird von Seiten der FDP aber auch von einigen Stimmen aus der CDU und CSU eine Konzentration auf die Emissionsreduzierung gefordert? Handelt es sich dabei um Populismus oder Industriehörigkeit?

Hans-Josef Fell: Wenn Emissionseinsparung und Emissionseffizienz schnell zu Nullemissionen führen, dann sind sie schon die richtige Strategie. Viele fordern aber schwache Zwischenziele von 30 oder 80 % Emissionsminderung, um dann mit sogenannten Brückentechnologien aus dem fossilen Energiesystem letztendlich deren Nutzungsdauer zu verlängern. Union und FDP zünden viele Nebelkerzen um einen aktiven Klimaschutz und die Energiewende zu behindern. Dazu gehören auch Instrumente wie der nicht funktionierende Emissionshandel oder die von ihnen verkorkste Effizienzrichtlinie. Mit solchen politischen Manövern können Union und FDP in der Öffentlichkeit behaupten sie würden den Klimaschutz politisch angehen, während sie ihn in Wirklichkeit behindern, z.B. mit Forderungen nach einer niedrig-Kohlenstoffstrategie (Low Carbon), was nichts anderes als CCS- Kohlekraft, Frackinggas und Atomkraft bedeutet. Mit meinem Buch möchte ich auf die Nebelkerzen aufmerksam machen, um diese zu erkennen und sie als sogenanntes Greenwashing zu entlarven.

Milk the Sun: Sie machen falsche Prognosen und die Abhängigkeit der westlichen Wirtschaft vom Erdöl für die finanziellen Belastungen der Weltwirtschaft mitverantwortlich. Zum Beispiel schreiben Sie: „Die Abhängigkeit von Erdöl ist die Belastung für die Weltwirtschaft – und nicht die Umstellung auf Erneuerbare Energien.“ Können Sie das unseren Lesern genauer erklären?

Hans-Josef Fell: Die europäische Energieversorgung ist zu über 50 Prozent von fossilen und atomaren Energierohstoffimporten abhängig. Die europäische Energieimportrechnung für fossile Rohstoffe betrug alleine im  Jahre 2011 fast 500 Milliarden Euro. Damit waren die Rohstoffimporte Hauptursache für das Außenhandelsdefizit der EU-27 von fast 200 Milliarden Euro. Dieses Außenhandelsdefizit Europas wird dann versucht mit staatlichen Ausgaben, die zu einer hohen Staatsverschuldung führen, auszugleichen. Damit sind die hohen Rohstoffrechnungen die versteckte Ursache hinter der europäischen Wirtschaftskrise. Je höher die Preise für Energierohstoffe steigen, desto höher die Rohstoffimportrechnungen und desto höher die Belastungen von staatlichen wie privaten Haushalten. Die Sonne und der Wind schicken übrigens keine Rohstoffrechnung.

Milk the Sun: Sie bezeichnen das Fracking als „die neue Propaganda der Erdgas- und Erdölwirtschaft“. Wie schätzen Sie in dem Zusammenhang die Ratschläge ein, die EU-Kommissar Günther Oettinger kürzlich der jetzigen oder kommenden deutschen Bundesregierung machte, dass diese weniger auf das EEG, sondern mehr auf das Fracking setzen sollte? Ist Oettinger eine Marionette der Erdgas- und Erdölwirtschaft?

Hans-Josef Fell: Der CDU-Mann Oettinger steht klar für die  Interessen der fossilen und atomaren Energiewirtschaft und das ziemlich offen. Das war er schon als Ministerpräsident von Baden-Württemberg, wo er den Konzern EnBW auf klaren Atom- und Kohlekurs zusammen mit dem französischen Atomkonzern EDF brachte. Er macht keinen Hehl daraus, dass er das EEG abschaffen und den Ausbau der Erneuerbaren Energien abbremsen will. Denn ihm ist auch klar, dass die immer billiger werdenden Erneuerbaren Energien immer mehr die fossilen und atomaren Energien verdrängen. Fracking und CCS sind dabei aber nur Nebelkerzen, die von dem eigentlichen Dilemma ablenken sollen, dass die alten Energien ausgedient haben. So ignoriert er z.B. auch die kritischen Analysen der Energy Watch Group, die selbst dem Fracking Boom in den USA ein schnelles Ende in wenigen Jahren vorhersagt. Es ist ein großes Problem,  dass Herr Oettinger einen so wichtigen Posten in der Europäischen Union besetzt, weil er so  die Möglichkeiten des Klimaschutzes und der Energiewende in der EU blockiert.

Milk the Sun: Die Mehrheit der politischen und wirtschaftlichen Vertreter scheint nicht sonderlich daran interessiert zu sein, eine Kehrtwende in ihrem Denken vorzunehmen und eine verschärfte Klimapolitik anzustreben. Wie denken Sie, könnten Regierungen von der globalen Notwendigkeit des Klimaschutzes überzeugt werden? Immerhin steht das Überleben der menschlichen Spezis zur Debatte. Ist in Anbetracht dieser Umstände Zwang, nicht eine immer legitimer werdende Option? Oder setzen Sie ihre Hoffnungen eher darauf, dass Vorreiter tatsächlich Vorbilder werden könnten?

Hans-Josef Fell: Einen politischen Zwang braucht es nicht. Der Zwang wird ökonomisch kommen, wenn die Auswirkungen des Klimawandels immer drängender werden und die steigenden Kosten für immer knapper werdende fossile Rohstoffe den Menschen über den Kopf wachsen.  Vorreiter sind heute schon  Vorbilder, weil sie  zeigen, dass Klimaschutz keine Belastung, sondern sogar ein Wettbewerbsvorteil ist. Deutschlands Erneuerbaren Energiesektor ist dabei ein gutes Beispiel für funktionierenden Klimaschutz mit starker Wirtschaftsleistung. Fast 400 000 Arbeitsplätze in der Branche sprechen dafür, dass sich die Vorreiterrolle gelohnt hat. Es ist nur höchst bedenklich, dass die schwarz-gelbe Koalition diese Vorreiterrolle massiv unter Druck setzt. Industriepolitisch profitieren davon nur die Chinesen, die viel aus Deutschland gelernt haben und sich nun mit einem massiven Ausbau der Erneuerbare Energien anschicken, zum weltweiten Klimaschutzvorreiter und gleichzeitig zum Weltmarktführer der Erneuerbaren Energien zu werden.

Milk the Sun: Das Verhalten der Weltbevölkerung, der Industrievertreter und der politischen Repräsentanten in der Frage des Klimaschutzes ist zutiefst ambivalent. Wie erklären Sie sich die Schizophrenie, die die Debatte um die Klimapolitik bestimmt?

Hans-Josef Fell: Politik und politisches Handeln ist leider oft interessensgeleitet und ein aktiver Klimaschutz bedeutet ein politisches Umdenken: Weg von den klimaschädlichen fossilen und atomaren Ressourcen. Das gefällt nicht jedem und die Verquickung zwischen der alten Energiewirtschaft und der Politik ist in vielen Ländern sehr stark. Diese Verquickung aufzubrechen wird die Aufgabe in vielen Ländern der kommenden Jahre bestimmen. Dabei sind diese Verquickungen nicht immer frei von unlauteren Geschäften. Die Korruption durch die alte Energiewirtschaft ist dabei eines der schlimmsten Hemmnisse des Klimaschutzes. Das gilt nicht nur für Griechenland, wo die Korruption bekanntlich ja stark grassiert. So ist dort kürzlich der Chef des dortigen Energiekonzerns PPC wegen Korruption verhaftet worden. Er war es auch, der die Unterschrift unter den Kauf eines neuen Braunkohlekraftwerkes aus Deutschland geleistet hat, welches die Bundesregierung gar mit 700 Millionen Euro Hermesbürgschaften unterstützt. Welch ein Irrsinn angesichts der traumhaften griechischen Solar- und Windkraft Potentiale, die den Strom viel günstiger produzieren könnten, als die klimaschädliche Braunkohle.

Milk the Sun: Die Mehrheit der Fakten zum Thema Klimaschutz sind bereits bekannt. Sie erwähnen selber an einer Stelle, dass die von Ihnen angesprochenen Themen bereits seit Jahren Common Sense sind. Und dennoch geschieht auf dem Feld schon lange nur wenig. Können Sie umreißen, warum dies der Fall ist und warum es nicht mehr Druck von Seiten der Weltbevölkerung gibt?

Hans-Josef Fell: Immer mehr Teile der Weltbevölkerung erkennen zwar, dass der Klimawandel schon heute enorme Auswirkungen für ihre Leben bedeutet, zunehmende Extremwetter sind ja nur eine Konsequenz daraus. Und trotzdem der Klimawandel mittlerweile von den meisten anerkannt wird, bleiben die politischen Konsequenzen weiterhin aus. Vielfach ist das Wissen viel zu gering, dass Erneuerbare Energien oder auch biologische Landwirtschaft wichtige Maßnahmen gegen den Klimawandel sind. Doch viele dieser Klimaschutzlösungen werden von den Konzernen, die ihr Geschäft mit Klimagasemissionen machen, als Kostentreiber diffamiert, was vielfach sogar noch von Medienkampagnen unterstützt wird. In Deutschland gibt es dazu die Kampagne von ISNM, einer Lobbyorganisation der großen Industrie und Stromwirtschaft, die mit dem Slogan „Hilfe die Energiewende wird unbezahlbar“  massive Verunsicherung und Desinformationen in der Bevölkerung bewirkt. Die gezielten Diffamierungen, wirksamer Klimaschutz sei zu teuer und eine Belastung der Ökonomie, werden weltweit von den Managern der Klimakatastrophe gestreut, weshalb es politische Klimaschutzbewegungen, die ja meist von Graswurzelbewegungen kommen, so schwer haben.

Milk the Sun: Wie sehen im Hinblick auf die Low Carbon-Strategien ihre realpolitischen Konsequenzen aus? Wie wollen Sie mit den von Ihnen als Ablenkungsmanöver gekennzeichneten Scheinlösungen verfahren, wenn die Grünen an die Regierung gelangen sollten?

Hans-Josef Fell: Wir Grünen haben schon immer die Scheinlösungen als solche identifiziert und unsere Politik danach ausgerichtet. So werden wir uns dafür einsetzen, dass entsprechende Unterstützungen beendet werden und dies auch durchsetzen, soweit der Koalitionspartner mitzieht. So wird es beispielsweise mit einem Koalitionspartner SPD leichter sein, die von Schwarz-Gelb immer noch gewährten Hermesbürgschaften für den Export von Nukleartechnik endlich abzuschaffen. Die vielfältigen Unterstützungen für CCS endlich zu beenden, wird aber mit der gleichen SPD, wo noch viele an der alten Kohlepolitik festhalten, ungleich schwerer sein.

Milk the Sun: Wären Sie bereit sich dafür einzusetzen, wenn die Grünen Teil der neuen Bundesregierung sein sollten, dass Fragen, wie eben die drängenden der Klimapolitik, ohne Rücksicht auf hemmende Parteizugehörigkeiten zielorientiert angepackt werden?

Hans-Josef Fell: Meine ganze politische Historie ist geprägt vom klaren Einsatz für wirklich wirksamen Klimaschutz. Es gäbe ja sonst kein EEG, dessen Entwurf aus meiner Feder stammt und damit einem kompromisslosen Denken für den Klimaschutz entsprungen ist. Mein ganzer Einsatz wird auch zukünftig wieder dafür gelten. In grüner Regierungsverantwortung wird viel mehr erreichbar sein, als ohne. Ein Klimaschutzgesetz mit verbindlichen Klimaschutzvorgaben haben wir Grünen ja gerade schon in den Bundestag eingebracht. Wir können es uns nicht leisten den Klimaschutz um erneut vier Jahre zu verschieben. Durch die schwarz-gelbe Bundesregierung ist der Klimaschutz nicht nur brach gelegen, sondern musste auch erhebliche Rückschläge erleiden.

Milk the Sun: Sie sprechen in ihrem Buch auch zentrale Großprojekte wie Desertec an. Diese Großprojekte sollen die Energieversorgung durch Erneuerbare Energie für ganze Regionen mittels Supergrids sicherstellen. Sind solche Projekte, selbst wenn sie die Schwierigkeiten der Planung und des Baus überwinden, nicht fast unmöglich zu warten und anfällig für Attentate, Sabotage oder Monopolismus?

Hans-Josef Fell: Desertec oder ähnliche Projekte sind keine Allheilsbringer, jedoch können sie die Energieversorgung und die Wirtschaftskraft nicht nur in Europa, sondern auch vor Ort ökologisieren, deshalb unterstütze ich solche Projekte. Ein besonderes Beispiel wäre ein Ostasiatisches Supergrid von Australien bis in die Wüste Gobi. An einem solchen Supergrid wären eine Vielzahl der größten Städte der Welt aufgereiht und eine Bevölkerung von mehr als einer Milliarde Menschen relativ schnell mit Solar- und Windstrom versorgbar. Dezentrale Lösungen würden in diesen Megacities von Jakarta, über Singapore, Bankok, Kuala Lumpur bis Chongking, der größten Stadt der Welt viele Jahrzehnte dauern, was für den Klimaschutz viel zu lange wäre. Die Gefahren von Attentaten oder Sabotage ist um Größenordnungen geringer, wenn ich an die jetzt dort propagierten Lösungen, wie beispielsweise schwimmende Atomkraftwerke denke, was die indonesische Regierung ja vor hat. Auch sind es verschiedene Unternehmen, die in Projekte wie Desertec oder Ostasiensupergrid investieren, eine Monopolstellung kann ich da nicht erkennen. Trotzdem kann und wird die weltweite Energiewende nicht über zentrale Projekte alleine  organisiert werden, sondern vor allem durch dezentrale Projekte – die PV-Anlage auf dem Dach oder dem Windrad auf dem Feld –auch in Indonesien.

Milk the Sun: Halten Sie es wirklich für sinnvoll, die Einstellung von Kernforschungsförderung zu fordern? Sie bringen dies in Ihrem Kapitel über die Kernfusion zum Ausdruck und begründen diese Forderung damit, dass der Forschungsgegenstand nicht das Energieproblem des Westens in absehbarer Zeit lösen kann. Klingt das nicht ein wenig absolut?

Hans-Josef Fell: An der Kernfunsion forscht die Weltgemeinschaft  mit unzähligen Milliardenbeiträgen schon seit den 50er Jahren des letzten Jahrhundert. Bis heute ist keine Lösung abzusehen. Selbst die Kernfusionsforscher sagen, dass es vor 2050 keine Stromerzeugung aus Kernfusion geben wird. Bis dahin haben aber die Erneuerbaren Energien die Chance, die globale Energieversorgung vollständig zu übernehmen. Behindert wird diese schnelle Umstellung auf Erneuerbare Energien aber auch durch fehlende Forschungsmittel, die eben der Kernfusion sinnlos hinterhergeworfen werden. Seit etwa 60 Jahren wurden OECD-weit etwa 90 % aller öffentlichen Energieforschungsmittel für die beiden Nukleartechnologien ausgegeben – mit dem beschämenden Ergebnis, dass die Kernspaltung nur gut 2% der Weltenergienachfrage deckt und die Kenfusion gar nichts beiträgt und  auch zukünftig nichts beitragen wird. Aber genau diese Energieforschungsmittel fehlen in der Vergangenheit, genauso wie heute den Forschungen für Erneuerbare Energien und der Energieeinsparung. Trotzdem  haben sich die Erneuerbaren Energien in nur einem Bruchteil der Zeit und ohne die Milliardensummen enorm entwickelt. Wir brauchen also ganz einfach dieses Milliardengrab nicht mehr. Aber die Erneuerbare Energien brauchen die Forschungsgelder, die sinnlos für Kernfusion ausgegeben werden.

Milk the Sun: Stehen Sie eigentlich mit Herrn Altmaier in Verbindung und tauschen Sie sich mit ihm über Ihre Ideen aus?

Hans-Josef Fell: Natürlich ja. Ich bin immer bereit mit Kollegen aus anderen Parteien zu sprechen und Herr Altmaier gehört  auch dazu. Dass wir uns nicht immer einig sind, heißt ja nicht, dass wir nicht miteinander sprechen und diskutieren können.

 

Wir bedanken uns bei Herrn Fell für das Interview.

 

Weitere Interviews von Milk the Sun mit Hans-Josef Fell:
Hans-Josef Fell im Interview: „Verfehlte schwarz-gelbe Energiepolitik“

Weitere Interviews rund um die  Bundestageswahl 2013 wurden bisher unter anderem geführt mit: Caren Lay (DIE LINKE) und Rainer Erdel (FDP)

 


 

Für zwei Leser des Milk the Sun Blogs besteht jetzt die Möglichkeit Hans-Josef Fells Buch „Globale Abkühlung: Strategien gegen die Klimaschutzblockade –ökologisch, wirtschaftlich, erfolgreich“ zu gewinnen. Alles was getan werden muss, ist einen Kommentar an das Ende dieses Interviews zu posten, in dem deutlich gemacht wird, wie ihr zu den im Interview besprochenen Themen der Energiepolitik und des Klimaschutzes steht.

Aus allen Kommentaren, die unter dieses Interview verfasst wurden, zieht das Team des Milk the Sun Blogs die beiden Gewinner.

Teilnahmeschluss ist der 22.September 2013 um 23:59. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.

 


 

Teilnahmebedingungen

1. Veranstalter dieses Gewinnspiels ist die Milk the Sun GmbH. Teilnahmeberechtigt sind alle Personen ab 18 Jahren.

2. Mitarbeiter der Milk the Sun GmbH, aller beteiligten Partner-Unternehmen und Agenturen sowie deren Familienangehörige sind von der Teilnahme ausgeschlossen.

3. Die Gewinner werden aus allen vollständig ausgefüllten Einsendungen gezogen. Das Los entscheidet.

4. Es werden folgende Preise verlost: 2x je ein Exemplar des Buches „Globale Abkühlung: Strategien gegen die Klimaschutzblockade – ökologisch, wirtschaftlich, erfolgreich“ von Hans-Josef Fell.

5. Die Gewinner werden per E-Mail benachrichtigt. Kann einer von ihnen unter der von ihm/ihr angegebenen E-Mail-Adresse nicht erreicht werden, wird der Gewinn an den/die dann ersatzweise ermittelten Gewinner/in weitergegeben. Der Gewinn des/der ursprünglichen Gewinners/in verfällt.

6. Eine Gewinnausschüttung an Minderjährige findet nicht statt. Ist ein Gewinner unter 18 Jahre alt, muss dieser die unterschriebene Einverständniserklärung seiner Erziehungsberechtigten einholen, dass der Veranstalter ihm den Gewinn zusenden darf. Die Einverständniserklärung muss innerhalb von 7 Werktagen nach Gewinn-Benachrichtigung beim Veranstalter eintreffen. Sie kann sowohl eingescannt per Email an info@milkthesun.com als auch per Post an Milk the Sun GmbH, Chausseestraße 29, 10115 Berlin geschickt werden.

7. Eine Barauszahlung des Gewinns ist nicht möglich.

8. Die Redaktion behält sich vor unsachgemäße Kommentare nicht zu veröffentlichen.

9. Teilnahmeschluss ist der 22. September 2013, 23:59.

10. Für Datenverluste insbesondere im Wege der Datenübertragung und andere technische Defekte wird keine Haftung übernommen. Milk the Sun GmbH haftet nicht für die Verfügbarkeit der Website blog.milkthesun.com.

11. Es gilt das Recht der Bundesrepublik Deutschland. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.

12. Datenschutzerklärung: Mit Teilnahme erklärt sich der/die Teilnehmer/in damit einverstanden, dass die von ihm/ihr angegebenen Daten im Auftrag der Milk the Sun GmbH für die Dauer der Aktion gespeichert und weiterverarbeitet werden. Darüber hinaus werden die gespeicherten Daten nicht zu Werbezwecken genutzt. Sie werden nicht an unbefugte Dritte weitergegeben. In diesem Zusammenhang verweisen wir außerdem auf die Datenschutzerklärung von Milk the Sun.

 

Rainer Erdel im Interview: „Die Festlegung von Strompreisen durch die Politik darf kein Dauerzustand sein.“

Rainer Erdel ist seit Oktober 2009 für die FDP Mitglied im Deutschen Bundestag. Er ist ordentliches Mitglied der Ausschüsse für Ernährung, Landwirtschaft und Verbaucherschutz sowie des Ausschusses für Verteidigung. Mit Milk the Sun spricht der selbstständige Landwirt und Vorstandsvorsitzende des Biomasseheizkraftwerks Dietenhofen über die Energiepolitik der schwarz-gelben Bundesregierung, die Perspektive der FDP auf die drängenden Fragen der Energiewende und die Zukunft von Netzausbau, EEG und dem Strompreis für Erneuerbare Energien.

Rainer Erdel sieht die FDP Energiepolitisch auf dem richtigen Weg:

Milk the Sun: Lieber Herr Erdel, wie würden Sie die aktuelle Haltung der FDP zur Energiepolitik und zur Energiewende zusammenfassen?

Rainer Erdel: Die FDP will die Energiewende. Im Unterschied zu anderen Parteien behalten wir neben der Ökologie aber auch Bezahlbarkeit und Versorgungssicherheit im Auge. Die Energiewende wird mit Sicherheit eine der größten Herausforderungen der nächsten Legislaturperiode. Wir werden das EEG umfassend reformieren müssen und den Netzausbau weiter konsequent vorantreiben. Hier haben wir bereits wichtige Weichen richtig gestellt.

Milk the Sun: Die Liste derer, denen als Teil der aktuellen Bundesregierung ein Ausbremsen der Energiewende vorgeworfen wird, ist lang, sie reicht vom Bundesumweltminister Altmaier, über Bundeswirtschaftsminister Rösler bis zu ihrem parteieigenen Spitzenkandidaten Rainer Brüderle. Doch wie schätzen Sie die klimapolitischen Ergebnisse der letzten schwarz-gelben Legislaturperiode ein? Immerhin handelt es sich nach Kanzlerin Merkel um die „erfolgreichste Bundesregierung seit der Wiedervereinigung“. Trifft das aus Ihrer Sicht auch auf die Energiepolitik zu?

Rainer Erdel: Alle drei genannten haben gemeinsam, dass sie das Ziel der Energiewende mit dem nötigen volkswirtschaftlichen Pragmatismus angehen. Dies halte ich für richtig. Sicherlich könnte man den Anteil Erneuerbarer an der Stromproduktion schneller erhöhen, würde man massiv zusätzliche Mittel der Stromverbraucher als Subventionen verteilen. In diesem Zusammenhang darf ich auch an die absurden Vorwürfe erinnern, wir würden die Photovoltaik abwürgen. Unter keiner Bundesregierung wurde soviel Photovoltaik ausgebaut wie unter der schwarz-gelben Koalition. Wir haben es zudem geschafft, die Einspeisevergütung für Photovoltaik deutlich abzusenken, und dieser Technik so eine Zukunft zu geben. Denn klar ist auch: Hätten wir heute noch über 40 Cent Einspeisevergütung pro Kilowattstunde, müssten wir die Förderung für PV-Strom vollständig abschaffen.

Milk the Sun: Bundesumweltminister Altmaier hat sich für ein Auslaufen der Subventionen für Erneuerbare Energien ausgesprochen. Wie stehen Sie zu diesem Beschluss.

Rainer Erdel: Die Festlegung von Strompreisen durch die Politik darf kein Dauerzustand sein. Unser Ziel ist es, die Erneuerbaren an den Markt heranzuführen. Durch Direktvermarktung besteht auch die Möglichkeit einer Preisdifferenzierung zwischen Ökostrom und konventionellem Strom. Manch ein Verbraucher ist sicherlich bereit, da freiwillig ein paar Euro mehr zu zahlen. Gleichwohl wird das Ende aller Subventionen für Erneuerbare Energien sicherlich noch eine Weile dauern – nicht zuletzt da der Bestandsschutz von 20 Jahren für bestehende Anlagen natürlich gilt und von der FDP verteidigt werden wird.

Milk the Sun: Gerade für Einkommensschwache Haushalte ist der hohe Strompreis eine echte finanzielle Zusatzbelastung. Wie glauben Sie, kann diese Belastung aufgehoben werden? Da laut statistischem Bundesamt die wohlhabenderen Haushalte auch die größten Stromverbraucher sind, wären dann nicht zum Beispiel Subventionen für Einkommensschwache angebracht? Welche Alternativen sehen sie zur jetzigen Situation?

Rainer Erdel: Subventionen für den Bezug von teilweise subventioniertem Strom erscheinen mir wenig sinnvoll. Es muss stattdessen darum gehen die Energiepreise insgesamt bezahlbar zu halten. Dazu wollen wir das EEG umfassend reformieren. Bereits in dieser Legislatur haben wir zudem eine Markttransparenzstelle eingerichtet. Diese soll gegen den strukturellen Missbrauch von Marktmacht durch die großen Energiekonzerne vorgehen. Ein funktionierender Wettbewerb ist letztlich eine der Schlüsselvoraussetzungen für bezahlbaren Strom. Denkbar wäre zudem eine Absenkung der Stromsteuer.

Milk the Sun: Am 05. Juli einigten sich Bundeswirtschaftsminister Rösler und Bundesumweltminister Altmaier auf die Bürgerdividende. Die FAZ hat sie mit dem Aufruf zum Kauf von Schatzbriefen unter Wirtschaftsminister Karl Schiller und Finanzminister Franz Josef Strauß verglichen. Aus einigen Lagern wird die Bürgerdividende als eine hochspekulative Anleihe bezeichnet. Ist das linke Propaganda? Wie ist Ihre Position zur Bürgerdividende und wie viel Anreiz wird dadurch für die Bürger geschaffen am Netzausbau mitzuwirken?

Rainer Erdel: Ich habe die Idee der Bürgernetze, also der Beteiligung der Betroffenen an den Energienetzen von Anfang an unterstützt und habe meinen Anteil daran, dass diese Idee dabei ist, Realität zu werden. Wer Anwohner und Landwirte zum Anteilseigner macht, gewinnt Akzeptanz und Unterstützung vor Ort und beschleunigt damit den Netzausbau erheblich. Darüber hinaus bleibt so auch die Wertschöpfung durch die Leitungen in der Region und der gesellschaftliche Nutzen von Stromleitungen wird für die Bürger vor Ort greifbar. Die Renditen bei einer Beteiligung am Netz sind mit um die 5% attraktiv – klar ist aber natürlich auch, dass je nach Form der Beteiligung auch finanzielle Risiken bestehen. Über diese müssen potenzielle Anleger aufgeklärt werden, so dass sie sich frei entscheiden können, ob sie sich beteiligen wollen.

Milk the Sun: Der ambivalente Kompromiss im Handelsstreit zwischen der EU und China, insolvente deutsche PV-Firmen, der ständige Vorwurf an die Erneuerbaren Energien, sie würden Preistreiber sein, es klingt derzeit nicht gerade nach einer positiven Stimmung für Klimaschutz. Wie sieht diesbezüglich Ihre Prognose für die kommende Legislaturperiode aus? Kommt eine Reform, geht es wieder aufwärts, oder steht das Ende der Energiewende an und damit die vielbeschworene Rückkehr zur Atomenergie?

Rainer Erdel: Eine Rückkehr zur Atomenergie in Deutschland ist ausgeschlossen und ein „Ende“ der Energiewende ist geradezu abwegig. Die massiven staatlichen Subventionen für die chinesischen PV-Firmen haben massive Probleme der deutschen Hersteller verursacht. Immerhin führten die deutlich gesunkenen Modulpreise aber auch zu einem nie dagewesenen Zubau an neuen Anlagen in Deutschland. Gerade im Solarbereich konnten die Einspeisevergütungen sehr deutlich reduziert werden. Durch die Einführung des „atmenden Deckels“ haben wir hier zudem die Planungssicherheit für die Branche deutlich verbessert. Bei der anstehenden grundlegenden Reform des EEG wird es darum gehen, die Energiewende entschlossen voranzutreiben, ohne dabei das Ziel der Bezahlbarkeit von Energie zu gefährden. Wer glaubt er kann ohne Rücksicht auf die Kosten agieren, gefährdet mittel- und langfristig den wirtschaftlichen Wohlstand und die öffentliche Akzeptanz der Energiewende. So würde die Energiewende scheitern.

Milk the Sun: Am 12.Juli verkündeten Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler und FDP-Spitzenkandidat Rainer Brüderle, dass die FDP einen Neustart der Energiepolitik anstrebt. Im Fokus soll die CO2 Reduzierung stehen. Das EEG müsse schnell und grundlegend reformiert werden, so die Herren Rösler und Brüderle. Sie forderten „mehr Markt, weniger Planwirtschaft“. Empfinden Sie das aktuelle EEG tatsächlich als Planwirtschaft? Wie ist die Aussage von Herrn Brüderle und Herrn Rösler Ihrer Meinung nach aufzufassen?

Rainer Erdel: Das EEG hat es geschafft die Erneuerbaren Energien schnell und konsequent einzuführen und auch rasch zu ersten Kostensenkungen zu kommen. Es ist in der jetzigen Form allerdings ein untaugliches Instrument, wenn es darum geht große Mengen fluktuierender, erneuerbarer Energiequellen in ein Gesamtsystem zu integrieren. Bedarfsgerechte Stromproduktion bzw. Speicherung von Energie war kein Thema, solange die Erneuerbaren keine nennenswerten Anteile am Energiemix hatten. Dies ist heute anders. Wenn wir bedarfsgerechte Produktion und Verbrauch wollen, dann geht dies sinnvollerweise nur über marktwirtschaftliche Anreize. Starre Einspeisevergütungen pro Kilowattstunde – egal ob der Strom gerade gebraucht wird oder zu negativen Preisen ins Ausland abgegeben werden muss – haben daher ausgedient.

Milk the Sun: Der Netzausbau ist, sowohl aus logischer als auch aus realpolitischer Überlegung heraus, die nötige Konsequenz, um eine Versorgungssicherheit sicherzustellen und gleichzeitig die Möglichkeit einer Abwendung von den traditionellen Energien zu erwirken. – Was würden Sie auf diese Aussage erwidern?

Rainer Erdel: Die Aussage ist richtig, bedarf aber einer Ergänzung. Angesichts der hohen Kosten des Netzausbaus – materiell wie immateriell – sind alle Möglichkeiten, den Netzausbau auf das notwendige Minimum zu begrenzen, zu ergreifen. Dazu gehört unter anderem auch den Stromverbrauch möglichst intelligent zu steuern (Smart Grids) und vorhandene Regelenergiepotenziale, wie etwa bei Biogasanlagen zu heben.

Milk the Sun: Stéphane Hessel bezeichnete den Kampf für eine nachhaltige und feste Umweltpolitik als eine der Hauptaufgaben der Menschen im 21. Jahrhundert. Die Erkenntnisse der Wissenschaft und die Veränderungen des Klimas geben ihm Recht. Dennoch passiert verhältnismäßig wenig, obwohl es letztendlich um die Existenz der menschlichen Spezis geht. Wie ist ihr Standpunkt dazu, dass sich angesichts eines derart dringenden Themas noch immer in politischen und wirtschaftlichen Grabenkämpfen ergeben wird?

Rainer Erdel: Der These, dass „wenig passiert“, würde ich widersprechen. Richtig ist aber, dass auf globaler Ebene noch wesentlich mehr geschehen müsste. Das Problem ist, dass es weder ökonomisch noch ökologisch sinnvoll ist, als einzelner Staat zu weit „vorauszureiten“. Es wäre nichts gewonnen, wenn etwa die deutsche Industrie aufgrund unserer Klimaschutzpolitik massenhaft ins Ausland abwandert und dort zu niedrigeren Energiekosten aber bei höherem Verbrauch produziert. Die FDP hält deswegen am Ziel fest, den internationalen Emissionshandel voranzubringen und will diesen beispielsweise auf den Luftverkehr ausweiten. Internationale Klimaschutzabkommen müssen mit Nachdruck verfolgt und weiterentwickelt werden.

Milk the Sun: Bei wem sehen Sie die Hauptverantwortung für ein Gelingen einer Energiewende? Bei den Bürgern? Bei den Wählern? Bei den Parteien und Politikern? Bei den Vertretern der Industrie und Wirtschaft? Bei den Medien? Oder handelt es sich vielmehr um ein Zusammenwirken aller?

Rainer Erdel: Ein gesellschaftliches Großprojekt wie die Energiewende gelingt dann, wenn sich jede und jeder fragt was sie/er selbst zum Gelingen der Energiewende beitragen kann.

Milk the Sun: Eine letzte Frage zum Schluss. Worauf freuen Sie sich im nächsten halben Jahr politisch am Meisten?

Rainer Erdel: Viele große Projekte wurden in dieser Legislatur angeschoben, müssen aber in der nächsten Wahlperiode konsequent weiterverfolgt werden. Ich freue mich darauf das Thema Energiewende weiter voranzutreiben, aber auch etwa die Gemeinsame EU-Agrarpolitik auf nationaler Ebene umzusetzen und den Strukturreformprozess der Bundeswehr weiter zu begleiten.

 

Wir bedanken uns bei Herrn Erdel für das Interview.

 

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