Frühlingsgefühle – Stimmungsbild der Energiewendeblogger

Nach dem langen und oft auch grauen Winter ist endlich die Sonne wieder da – man könnte sagen, die Saison der Photovoltaik-Anlagen beginnt. Zeit für Milk the Sun, bei den Bloggern der Energiewende nachzufragen, welchen Eindruck sie von der aktuellen Lage der Energiewende haben, und was sich aus ihrer Sicht in den kommenden Wochen tun wird oder tun muss:

 

Claudia J. Gasmi, energiewendig.de: „Jetzt sind wir vom Winter gleich in den Sommer gepurzelt, doch ich möchte mich gar nicht beschweren. Vielmehr freue ich mich über die Sonne und genieße jeden hellen, wärmenden Strahl, der mich erreicht.

Ähnlich geht es mir mit den Fortschritten der Energiewende. Welche ich nicht nur in der sich rasant entwickelnden Technik zur Nutzung von alternativen Energiequellen sehe, sondern auch in der Art und Weise, wie und dass sie genutzt wird. Einzelne Häuser, große Wohnanlagen sogar ganze Stadtviertel und Gemeinden können sich bereits mit 100 Prozent erneuerbarer Energie versorgen. Das ist gut und wichtig. Für die Zukunft wünsche ich mir da auch mehr Einsatz in energieintensiven Betrieben, der Industrie und von Energieversorgern.

Hochgebracht hat mich allerdings in letzter Zeit das teilweise schon Miesmachen der Energiewende und noch mehr die Verunsicherung, die daraus entsteht. Als Verbraucherin fühle ich mich oft hin und her geschupst. Dabei wird mir aber auch wieder klar, wie wichtig es ist zu hinterfragen, sich zu informieren und abzuklären. Und in diesem Zusammenhang dann gute Quellen zu kennen. In meinem Blog befasse ich mich mit all den energiewendigen Themen, die mich bewegen und lege offen, wie, wo und was ich dazu herausfinde und denke.

 

©Caren Alt

Franz Alt, Sonnenseite.com, Autor des Buches „Auf der Sonnenseite – Warum uns die Energiewende zu Gewinnern macht“: Die Lage der Produzenten in der Solarbranche heute ähnelt der der Automobilwirtschaft in Deutschland vor 100 Jahren. Damals gab es circa 100 Autohersteller in Deutschland, nur wenige blieben übrig. Diese aber waren die ganz großen Gewinner.

Das Solarzeitalter wird kommen, weil die Sonne die größte, preiswerteste und umweltfreundlichste Energiequelle aller Zeiten ist. Das Geschrei um den „teuren“ Solarstrom wird immer lächerlicher werden. In zehn bis fünfzehn Jahren kostet auch in Deutschland die Kilowattstunde Solarstrom noch um die fünf Cent. Kurzfristig ist jede neue Technik teuer – aber die Sonnenenergie ist auf mittlere und erst recht auf lange Sicht unschlagbar preiswert, weil der Stoff nichts kostet. Sonne und Wind schicken uns keine Rechnung. Wer dies seinen Kunden vermittelt, macht gute Geschäfte.

Das Haupthindernis für eine rasche Energiewende ist fehlende Aufklärung über die Zusammenhänge Umwelt – Ökonomie und Sozialpolitik. Wer in Zusammenhängen zu denken vermag, der weiß: Solarpolitik ist Sozialpolitik. Je mehr sich diese Zusammenhänge herumsprechen, desto rascher gelingt uns die Energiewende.

Übrigens: Ein ausführliches Interview mit Franz Alt gibt es hier auch zu lesen.

 

Sascha Röber, erneuerbar.wordpress.com: „Zwei Aufgaben für die Energiewende: Der neoliberalen Presse kann man täglich entnehmen, welch wirtschaftlicher Unfug die Energiewende sei. Es sei doch früher alles viel besser gewesen: nur vier große Stromproduzenten, die mit Kohle und Atom billigen Strom erzeugt hätten. Warum also alles aufs Spiel setzen? Warum nicht das EEG endlich abschaffen und stattdessen den Kräften des „freien Marktes“ den Wettbewerb um die Erzeugungstechnologien überlassen? Und CO2-Zertifikate: Alles ein unisinniger Bürokratismus, der letztlich nur die Kosten des Stroms hochtreibe und letztlich nichts bringe. Ach ja: Und diese endlosen Klimadiskussionen… Vielleicht gibt’s den Klimawandel ja gar nicht…?

Die Energiewende ist in der entscheidenden Phase angekommen. FDP und CDU haben das EEG in den vergangenen Monaten sturmreif geschossen – und das zu einer Zeit, da die Erneuerbaren an Werktagen – mitten in der Woche also – bereits bis zu 50% des gesamten in Deutschland verbrauchten Stroms produzieren können. In Deutschland, der leistungsfähigsten Volkswirtschaft Europas! Die kommenden Wochen und Monate müssen all jene, die eine saubere Stromerzeugung als eine zentrale Überlebensfrage für kommende Generationen sehen, alles tun, um mit smarten und tragfähigen Lösungen die immer deutlicher zu Tage tretenden Paradoxien der derzeitigen Regelwerke zu entschärfen und die Energiewende durch neue Konzepte in greifbare wirtschaftliche Erfolge umzuwandeln. Im Kontext eines Marktdesigns, das mindestens eine Generation lang hält und den Erneuerbaren dabei den absoluten Vorrang einräumt, muss sich die Politik dramatisch ändern. Es gibt also genau zwei Aufgaben. Die erste: unglaublich viel Hirnschmalz in zukunftsfähige Lösungen stecken. Die zweite: Im September keinesfalls die FDP wählen.“

 

Andreas Kühl, energynet.de: Momentan stehen wir vor oder in einer wichtigen Phase der Energiewende. Ein Anteil von erneuerbarer Energien mit  25% an der Stromerzeugung ist bereits erreicht, bei schönem Wetter kann dieser Wert bereits 50% überschreiten. Das ist die positive Seite, die auch Mut machen sollte für den weiteren Weg.

Aber alles bisher erreichte führt zu zwei Konflikten. Einmal gibt es mit der günstigen Kohle, ein fossiler Energieträger, einen Wettbewerber auf dem Strommarkt, der für Überschüsse auf dem Strommarkt sorgt. Und zum anderen führt ein wachsender Anteil erneuerbaren Energien an der Strombörse zu niedrigeren Preisen, die aber wiederum für eine weitere Erhöhung der EEG-Umlage sorgen. Da sehe ich die aktuellen Konfliktfelder, die bearbeitet werden müssen. Durch die Bundestagswahl ist aber mit einem Stillstand zu rechnen oder eher mit einer Verschärfung der öffentlichen Diskussion.

Ich sehe eine Reform des Strommarktes als eine wichtige politische Aufgabe an, am Strommarkt muss berücksichtigt werden, dass bei günstigen Bedingungen schon die Hälfte des Stroms aus fluktuierenden erneuerbaren Energien stammen kann. Es kann auch nicht sein, dass für einige wenige Marktteilnehmer der Strom dadurch extrem günstig wird, während andere dafür teuer bezahlen müssen. Gleichzeitig muss die Reform des EEG damit einhergehen, dass die Lernkurve der erneuerbaren Energien berücksichtigt (Preissenkungen am Markt) und auch die Bedeutung der erneuerbaren Energien erfasst.

 

Robert Doelling, solarcontact.de: „Im Moment steht die konsequente Umsetzung der Energiewende auf der Kippe. Ausnahmeregelungen, eine unstete Förderpolitik und zerstrittene Regierungsparteien stiften zunehmenden Unmut in der Bevölkerung. Allen muss klar sein, dass die Energiewende nur mit einem grundsätzlichen Umdenken in der Energieerzeugung, -verteilung und -nutzung einhergehen kann. Das bedeutet aber auch, dass der Ausbau Erneuerbarer Energien und der Wärmeschutz im Neubau und Gebäudebestand immer auch soziale als auch wirtschaftliche Randbedingungen berücksichtigen muss. Änderungen im Energiewendefahrplan müssen daher jederzeit möglich sein. Ein Stopp oder Rückschritt dieses Prozesses muss jedoch in Hinblick auf die langfristigen Klimaschutzziele vermieden werden. Daher wünsche ich mir besonders in den kommenden Monaten, dass die Diskussion um die Energiewende wieder versachlicht wird und nicht als Wahlkampfspielball missbraucht wird.“

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