Das 1,5-Grad-Ziel von Paris rückt in weite Ferne
Das Bundeskabinett hat am 8. Juni 2016 grünes Licht für die Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) gegeben. Das Tempo beim Ökostromausbau soll künftig verringert werden. Klimaschützer, Verbände der Erneuerbare-Energien-Branche, Bundesländern, Vertreter der mittelständischen Wirtschaft und die Wohnungswirtschaft kritisieren die Pläne scharf.
Die Eckpfeiler der EEG-Novelle waren schon im Vorfeld klar – nun wurden diese offiziell bestätigt. Der Ausbau regenerativer Energien wird gedrosselt. Noch im Sommer soll der Bundestag der frisch vorgelegten Gesetzesnovelle zustimmen. Den Plänen zufolge wird unter anderem der Ausbau der Windenergie eingeschränkt. Künftig soll der Zubau inklusive der Nachrüstung alter Anlagen nur noch 2.800 Megawatt pro Jahr umfassen. In den Jahren 2015 und 2014 lag der tatsächlich zugebaute Wert zwischen 3.500 und 4.700 Megawatt. Bei der Biomasse wurde eine Erhöhung des Ausbaudeckels von 100 auf 150 Megawatt pro Jahr in den nächsten drei Jahren vereinbart – zu wenig, um als regel- und speicherbarer Energieträger einen wichtigen Beitrag zum Energiesystem zu leisten.
Kleine Photovoltaikanlagen auf Dächern werden wie bisher mit einer Einspeisevergütung gefördert. Die Eigentümer müssen jedoch ab einer Größe von 10 Kilowatt installierter Leistung weiterhin einen Teil der EEG-Umlage für den selbst verbrauchten Solarstrom entrichten. Die Größe der Anlagen, die sich einer Ausschreibung stellen müssen, wird von 1.000 Kilowatt auf 750 Kilowatt gesenkt. Erstmals müssen dabei auch Dachanlagen an der Ausschreibung teilnehmen. Im Gegenzug sollen jährlich Photovoltaik-Anlagen mit einer Leistung von 600 Megawatt ausgeschrieben werden, nur 100 Megawatt mehr als bislang.
„Keine der im EEG geplanten Änderungen sind geeignet, das 1,5-Grad-Ziel von Paris zu erreichen.“
Die EEG-Reform bringt laut Dr. Carsten Tschamber vom Solar Cluster Baden-Württemberg gerade für die Photovoltaik mehr umständliche Regelungen und behindert die Energiewende. „Keine der im EEG geplanten Änderungen sind geeignet, das 1,5-Grad-Ziel von Paris zu erreichen. So werden wir nicht einmal die vom Gesetzgeber erwünschten, viel zu geringen 2.500 Megawatt Leistung pro Jahr realisieren.“ 2014 lag der Zubau gerade einmal bei 1.900 Megawatt, 2015 bei nur noch 1.500 Megawatt. „Um hier eine Verbesserung zu erreichen, muss als Erstes die Belastung des Eigenverbrauchs mit der EEG-Umlage abgeschafft werden. Zweitens verhindert die Bundesregierung derzeit die Belieferung von Mietern mit günstigem Solarstrom durch die willkürliche Unterscheidung zwischen Direktlieferung und Eigenverbrauch. Außerdem benötigen wir dringend mehr Flächen für große PV-Anlagen und ein einfacheres Ausschreibungsverfahren insbesondere für Bürgerenergiegenossenschaften“, so Tschamber weiter.
80 Prozent Sonnen- und Windstrom laut Netzbetreiber unproblematisch
Die Bundesregierung argumentiert, der Ausbau der Erneuerbaren gehe zu schnell und müsse deshalb gedeckelt werden. Sonst könne der Strom nicht in das Stromnetz integriert werden. Daher hält sie am Ziel eines Ökostrom-Anteils von maximal 45 Prozent bis 2025 fest. Fachleute widersprechen dem Stabilitätsargument jedoch deutlich. So sagte etwa Boris Schucht, Chef des Netzbetreibers 50Hertz, am 6. Juni 2016 dem Tagesspiegel, ein höherer Anteil sei kein Problem: „Wir sind auf dem richtigen Weg, um in der Lage sein zu können, in Zukunft 70 bis 80 Prozent erneuerbare Energien ohne zusätzliche Flexibilitätsoptionen integrieren zu können.“ Schucht weiß, wovon er redet. Sein Netzgebiet umfasst mit dem Nordosten etwa ein Drittel Deutschlands und hat bereits einen rechnerischen Anteil von 50 Prozent erneuerbaren Energien am Stromverbrauch.
Quelle: Solar Cluster BW
Titelbild: Stasique/shutterstock