Agri-Photovoltaik: Trend oder Traum?

Agri-Photovoltaik: Trend oder Traum?

Doppelt ernten und weniger Flächen verbrauchen, Landwirtschaft und Photovoltaik auf ein und derselben Fläche betreiben: Dies verspricht das Trendthema Agri-Photovoltaik.

In Konflikten um Flächen und ob sie primär der Nahrungssicherheit, dem Klimaschutz oder dem Naturschutz dienen sollen, wird sie gerne als alternative Lösung vorgeschlagen. Was aber vermag die vermeintliche Wunderlösung wirklich zu leisten? Steckt Agri-PV in den Kinderschuhen und in Pilotphasen oder kann die Agri-Photovoltaik signifikant zur Entschärfung der Klimakrise beitragen, weil mit ihr der Ausbau erneuerbarer Energien beschleunigt werden kann?

In diesem Artikel fassen wir den Stand der Dinge zusammen und betrachten die Relevanz von Agri-Photovoltaik für Projektierer und Investoren. Einen guten Überblick über den Status Quo verschafft der Agri-Photovoltaik-Leitfaden des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme, aus dem viele der hier genannten Informationen stammen. Gleichermaßen aufschlussreich sind Ausschreibungsergebnisse der Bundesnetzagentur, an der im April 2022 erstmalig Agri-PV-Projekte eingereicht wurden.

Strategisch ist die Entschärfung oder gar Auflösung von Nutzungskonflikten in dicht besiedelten Industrieländern mit einem hohem Strombedarf wie Deutschland eindeutig von hoher Bedeutung. Denn für eine schnelle Energiewende wird viel Fläche benötigt, während der Stellenwert der Lebensmittelsicherheit nicht nachgelassen hat.

Was ist Agri-PV?

Agri-Photovoltaik gibt es in unterschiedlichen Formen, die allesamt Landbau und Photovoltaik auf einer Fläche kombinieren. Als Anbaukulturen eignen sich insbesondere Obst, Beeren, Gemüse und Wein, die mit weniger Licht gut auskommen. Möglich aber ist die Agri-Photovoltaik mit nahezu allen Anbaukulturen. Gegenüber einfach genutzten Flächen, reduzieren sich in der Kombination beiderlei Erträge. Die Minderernte sollte max. -15 Prozent betragen. Es gibt aber auch Synergieeffekte, die in diesem Artikel bei den Vorteilen für Landwirte beschrieben sind.

Die PV-Systeme werden entweder aufgeständert oder vertikel zwischen den Anbaureihen angebracht. Aufgeständerte Systeme gibt es in unterschiedlichen Ausführungen und Höhen, die typischerweise im Gartenbau etwa 2,5 m und im Ackerbau über 4 m in die Luft ragen.

Für Agri-PV-Systeme sind unterschiedliche Bezeichnungen im Umlauf, wie Agri-Photovoltaik, Agrovoltaik, Agri-PV, Agrar-PV oder Agro-PV. Die Idee für Agri-PV wurde bereits 1981 von Adolf Goetzberger und Armin Zastrow vom Fraunhofer ISE in der Zeitschrift der „Sonnenenergie” der Deutschen Gesellschaft für Sonnenenergie e.V. (DGS) der Öffentlichkeit vorgestellt.

Was kosten Agri-Photovoltaik-Systeme?

Die Stromgestehungskosten von Agri-PV-Systemen liegen laut dem Fraunhofer ISE zwischen 7 und 12 Eurocent pro kWh. Damit sind Agri-PV-Systeme mit anderen erneuerbaren Energiequellen wettbewerbsfähig. Ihre Kosten liegen zwischen großen gewerblich betriebenen PV-Anlagen und kleinen Dachanlagen (< 10 kWp). Im direkten Vergleich zu Freiflächen-PV-Anlagen sind sie jedoch etwa doppelt so teuer.

Die Investitions- und Betriebskosten für Agri-PV-Systeme variieren stark. Das Fraunhofer ISE nennt folgende Kostenunterschiede:

Kostenunterschiede Agri-PV und Freiflächen-PV [€ / kWp]

Agri-PV mit Ackerbau Agri-PV mit Gartenbau Agri-PV mit Dauer­grünland Freifläche ohne Land­wirtschaft

Fläche

1,3 € / kWp

1,6 € / kWp

2 € / kWp

Module

Höhere Preise bei geringen Bauhöhen zur Anpassung von Größe und Lichtdurchlässigkeit an Kulturen

Unter­konstruktion

372 € / kWp

243 – 306 € / kWp

97 bis 167 € / kWp

75 € / kWp

Umzäunung

entfällt höher

Standort­vor­bereitung und Installation

190 – 266 € / kWp

137 € / kWp

93 € / kWp

67 – 100 € / kWp

Flächen­pflege

entfällt höher

Reparatur und ggf. Reinigung

Höher, wenn in großer Höhe geringer

(Quelle: Fraunhofer ISE, 2022)

Vergleichbar mit Freiflächen-PV hingegen sind die Kosten für die Projektierung, Wechselrichter, elektrische Komponenten und den Netzanschluss.

Das Bayerische Technologie- und Förderzentrum im Kompetenzzentrum für Nachwachsende Rohstoffe (TFZ) gibt jedoch zu bedenken, dass die landwirtschaftlichen Deckungsbeiträge bei gängigen Marktfrüchten nur etwa ein bis vier Prozent der Gesamterlöse der Agri-PV ausmachen und damit bei der wirtschaftlichen Gesamtbetrachtung kaum ins Gewicht fallen würden. Bei gleichen Vergütungssätzen sei also auf ein und derselben Fläche die Freiflächen-Anlage im Normalfall wirtschaftlicher. Die Vergütungssätze sind jedoch nicht gleich. Bei den für Agri-PV besonders gut geeigneten Sonderkulturen aus dem Wein-, Obst- und Gemüsebau ist die Wertschöpfung pro Fläche höher als im Ackerbau. Anders herum betrachtet steckt in der Aussage des TFZ eine weitere Botschaft: Landwirte, die Agri-PV beitreiben, können spürbare Mehreinnahmen erzielen und für sich selbst prüfen, wann für sie der Anlagenbetrieb, die reine Landwirtschaft oder eine Flächenpacht attraktiver sind.

Förderung von Agri-PV: Weltweit und im EEG

Staatliche Förderprogramme gibt es in Japan seit 2013, in China seit ca. 2014, in Frankreich seit 2017, in den USA seit 2018 und in Korea seit etwa 2020. In Italien soll sich ein weiteres Förderprogramm in Vorbereitung befinden.

In Deutschland wird Agri-PV seit 2022 erstmalig über das EEG im Rahmen der sogenannten Innovationsausschreibungen über eine fixe EEG-Marktprämie gefördert. Aus den Ausschreibungsergebnissen lässt sich der Status von Agri-PV in Deutschland ablesen:

  • Zum ersten Gebotstermin haben 12 Agri-PV-Projekte mit einer Gesamtleistung von 16 MW einen Zuschlag erhalten.
  • Die mittlere Zuschlagsmenge lag bei 1,24 MW.
  • Alle Gebote hatten einen Zuschlag erhalten. Sie standen dabei im Wettbewerb mit anderen sogenannten besonderen Solaranlagen wie auf Gewässern und Parkplätzen.

Mit dem Osterpaket wird Agri-PV ab 2023 gemeinsam mit  Floating-PV und Parkplatz-PV in die Freiflächenausschreibungen integriert, was eine eine dauerhafte Perspektive bieten soll. Die höheren Kosten sollen im Wettbewerb bei bestimmten Agri-PV-Anlagen durch einen Bonus aufgefangen werden, der im Jahr 2023 1,2 Cent pro Kilowattstunde beträgt.

Neben den Stromerlösen erhalten landwirtschaftliche Betriebe ihre Zuschüsse aus der europäischen Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) weiterhin, sofern die landwirtschaftliche Nutzung durch die Agri-PV-Anlage um weniger als 15 Prozent reduziert wird.

Neben der Einspeisung des Stroms wirkt sich auch bei Agri-PV der Eigenverbrauch besonders positiv auf die Erträge des PV-Projektes aus, der beispielsweise für ein Kühlhaus oder andere landwirtschaftliche Anwendungen genutzt werden kann.

Agri-Photovoltaik ist in der Praxis angekommen

Weltweit sind nach Schätzungen der Fraunhofer Gesellschaft bereits 14 GWp Leistung installiert (Stand 2022). Der Nachweis einer technischen und wirtschaftlichen Machbarkeit ist in vielen Ländern bereits erbracht worden.

Pilotanlage in Heggelbach: Unter den in 5 Meter Höhe angebrachten Modulen wird Ackerbau betrieben.

Foto: © Fraunhofer ISE

In Deutschland wurden 2011 und 2013 in Weihenstephan und 2016 in Heggelbach erste Forschungsanlagen installiert. Darüber hinaus gibt es in Deutschland bereits einige Praxisanlagen. Jedoch bestehen in Deutschland noch Hürden für eine verbreitete Nutzung, die mit der erstmaligen EEG-Innovationsausschreibung im April 2022 und einer einheitlichen Normierung (DIN SPEC 91434:2021-05) reduziert worden sind.

Die Potenziale von Agri-PV erscheinen wiedersprüchlich: Laut der Bundesregierung sind 85 Prozent der landwirtschaftlichen Flächen für Agri-PV geeignet. Das Potenzial in Deutschland für hoch aufgeständerte Agri-PV (> 2,1 m) schätzt die Fraunhofer Gesellschaft auf rund 1,7 TWp, was mehr als dem 3-fachen des im Jahr 2020 in Deutschland verbrauchten Stroms entspricht. Dazu kommen noch Potenziale für vertikale Agri-PV-Anlagen und bodennahe Agri-PV-Anlagen (< 2,1 m).

Für wen eignen sich Agri-PV-Projekte?

In den meisten Fällen dürften Agri-Photovoltaik-Projekte eine interessante Option für Landwirte sein, die ihre Flächen doppelt beernten wollen. Es gibt ebenfalls bereits erste Agri-PV-Anlagen, die von einer Bürgerenergiegenossenschaft betrieben werden.

Grundsätzlich sind Agri-PV-Anlagen auch als Investitionsobjekt umsetzbar. Je größer die Anlagen werden, desto häufiger dürfte Fremdkapital infrage kommen. Dabei ist jedoch eine unternehmerische Zusammenarbeit mit den Landwirten selbst zweckmäßig, denn so besteht der bestmögliche Anreiz, die Ziele aus dem Tandem Landwirtschaft und Photovoltaik sinnvoll unter einen Hut zu bekommen. Anders herum können Projektierer zusätzliche Flächen erschließen. Aufgrund der Komplexität der Agri-PV-Systeme dürften für Landwirte externe Kooperationen sinnvoll sein. Anders herum werden Investoren nicht gleichzeitig Photovoltaik-Anlagen betreiben und Landwirtschaft dazulernen wollen.

Synergieeffekte für die Landwirtschaft

Neben dem Haupteffekt, auf dem Land sowohl Nahrung als auch Elektrizität zu ernten, bieten Agrar-PV weitere Vorteile:

  • Die Solarmodule eines Agri-PV-Systems bieten Schutz vor Hagel, Starkregen, Sonnenbrand und Frost und somit teilweise bestehende Hagelschutzsysteme oder Folientunnel ersetzen. Dies macht Anbausysteme wiederstandsfähiger gegenüber Klimafolgen.
  • Der Bewässerungsbedarf kann reduziert werden.
  • Manche Systemem können Regenwasser sammeln und speichern.
  • Durch den Stromverkauf können Landwirte ihre Einkommenstruktur diversifizieren.
  • Die Eigenstromnutzung senkt die Stromkosten landwirtschaftlicher Betriebe.

In Schwellen- und Entwicklungsländern ergeben sich durch Agri-Photovoltaik zusätzliche Synergien. Dort, wo die Sonneneinstrahlung besonders hoch ist, bieten die PV-Module nicht nur einen guten Sonnenschutz, sondern liefern auch den für die Trinkwasseraufbereitung nötigen Strom. Ein chinesisches Projekt am Rande der Wüste Gobi schützt zudem vor Wüstenbildung, was mit dem Fortschreiten der Erderwärmung ein bedeutsamer Zusatznutzen ist.

Agri-PV-Leitfaden des Fraunhofer ISE

Den forschungsbasierte Leitfaden finden Sie auf der Internetseite des Fraunhofer ISE. Darin finden Sie neben der Wirtschaftlichkeit umsetzungsrelevante Informationen zur Technik, Anbaukulturen, Rechtslage und Genehmigungsverfahren.

Fazit

Zweifelsfrei ist es sinnvoll, innovative Agri-PV-Systeme zu etablieren, um auf einer Fläche gleichzeitig für zwei menschliche Lebensgrundlagen zu sorgen: die Ernährung und ein belebbares Klima. Landwirte können sich zudem Synergien erschließen, um besser mit Klimafolgen umgehen zu können und sich zusätzliche Einnahmequellen zu erschliessen.

Für Projektierer und Investoren ist Agri-Photovoltaik relevant, da mit ihr zusätzliche Flächen erschlossen und damit Projekte generiert werden können. Sie machen sich damit selbst unabhängiger von den unterschiedlichen Flächenkulissen. Aufgrund der Nahrungsmittelkonkurrenz kann es bei der Errichtung von Solarparks auf vormals landwirtschaftlich genutzten Flächen durchaus zu neuen Einschränkungen kommen.

Die weltweit installierten 14 GWp Agri-PV machen grob 2 Prozent aller PV-Installationen aus. Um das Ausbautempo erneuerbarer Energien klimagerecht zu beschleunigen, bleiben PV-Dachanlagen in allen Größen, Solarparks auf unterschiedlichen Flächen und erneuerbare Energiequellen wie der Wind die Hauptströmungen der Energiewende. Gemessen am Gesamtstrombedarf kann Agri-PV nach heutigem Wissen einen signifikanten Beitrag leisten.

Auch wenn der Agri-PV ein großes Potenzial zur Konfliktlösung zugeschrieben wird, ist ihre Akzeptanz vor Ort kein Selbstläufer, da es sich um sichtbare Veränderungen des Landschaftsbildes handelt. Deshalb ist eine frühzeitige kommunale Einbindung von Bürgern vor Ort wichtig.

Bestehende Probleme der Landwirtschaft mit der Biodiversität werden durch Agri-PV nicht gelöst. Dies erfolgt eher durch Umstellungen auf Bio und zusätzliche Naturschutzflächen. Aber auch gut geplant und betriebene PV-Freiflächenanlagen können zum Schutz der Biodiversität beitragen.

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