Vier Fragen an… Jörg Heidjann, Geschäftsführer StromAuskunft.de

Vier Fragen an… Jörg Heidjann, Geschäftsführer StromAuskunft.de

Jörg Heidjann ist Gründer und Geschäftsführer des unabhängigen Fachportals StromAuskunft.de.  Das Verbraucherportal ist im Jahr 2005 gestartet und wird von zahlreichen Medien und Verbraucherzentralen empfohlen. Ziel des umfassenden und unabhängigen Stromportals ist es, mehr Transparenz in den Strommarkt zu bringen und damit einen aktiven Beitrag zur Aufklärung der Verbraucher zum Klimaschutz und zur Liberalisierung zu leisten. Im Jahr 2009 hat Jörg Heidjann die Social-Media-Kampagne „Die Klimaschützer“ aufgebaut, um möglichst viele Menschen für das Thema Klimaschutz zu sensibilisieren und damit einen effektiven und nachhaltigen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten. Seit dem Jahr 2014 ist er auch bei den Energiebloggern aktiv. 

 

Milk the Sun: Wirtschafts- und Energieminister Sigmar Gabriel hat jüngst den Gesetzesentwurf zur EEG-Novelle verabschiedet. Dieser besagt unter anderem, dass Energie-Selbstversorger stärker mit der Ökostrom-Umlage belastet werden und die Einspeisevergütung für Photovoltaik-Anlagen weiter sinkt. Auf der anderen Seite sollen aber weiterhin 1.600 stromintensive Industrie-Unternehmen von der EEG-Umlage befreit werden. Schaufelt die Regierung mit diesem Widerspruch selbst das Grab für die Energiewende?

 

Vier Fragen an

„Die Kernenergie ist gescheitert, die Kernfusion sowieso und Kohle, Öl und Gas sind endlich. Insofern ist die Energiewende ein absolutes Muss und in der Sache auf Dauer alternativlos.“

Jörg Heidjann: Die von Sigmar Gabriel initiierte Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetz mit der Einführung der sogenannten Sonnensteuer stößt auf massive Kritik und muss vor Inkrafttreten deutlich überarbeitet werden. Es kann und darf nicht sein, dass Energie-Selbstversorger bestraft werden und auf der anderen Seite großzügige Ausnahmen für stromintensive Industrie-Unternehmen gemacht werden. Insofern schaufelt die Regierung mit so einem Widerspruch das Grab für die deutsche Solarbranche und verliert viel Vertrauen bei der Bevölkerung.

 

Milk the Sun: Verbraucherschützer und die Solarbranche wollen gegen die Ökostrom-Reform der Bundesregierung vor dem Bundesverfassungsgericht klagen. Es gebe erhebliche Anhaltspunkte dafür, dass die geplante Abgabe für Supermärkte oder größere Privathaushalte, die sich selbst mit Solarstrom versorgen, gegen das Grundgesetz verstößt. Was hätte ein positives Urteil im Sinne der Ankläger für einen Effekt auf die Energiewende und die im internationalen Wettbewerb stehende Wirtschaft, die stromintensiven Industrie-Unternehmen?

 

Jörg Heidjann: Nach dem jüngsten Rechtsgutachten, das der Bundesverband Solarwirtschaft e.V gemeinsam mit der Verbrauchzentrale veröffentlicht hat, gibt es erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Pläne der Bundesregierung. Und das ist auch gut so, denn dadurch wird die Politik hoffentlich zu einem Einlenken bewegt, die geplante EEG -Novelle noch mal zu überarbeiten. Ein solches Signal wäre für die Solarwirtschaft in Deutschland wichtig! Für die stromintensiven Unternehmen muss im Hinblick auf die internationale Wettbewerbsfähigkeit auch eine Lösung gefunden werden. Das kann aber nicht auf Kosten der Energiewende geschehen – und da müssen die Kriterien für die Ausnahmen noch mal deutlich verschärft werden.

 

Milk the Sun: Deutschland droht, die hoch gesteckten Klimaziele der 40-prozentigen Reduzierung der Treibhausgase bis 2020 zu verfehlen. Bundesumweltministerin Barbara Hendricks plant nun  ein „Aktionsprogramm Klimaschutz 2020“. Ministerien und Wirtschaft sollen Maßnahmen vorstellen, um das Ziel doch noch erreichen zu können. Wie könnten solche Maßnahmen aussehen – und ist das Ziel überhaupt noch realisierbar?

 

Jörg Heidjann: Ich denke, es ist ohne weitere Maßnahmen nicht möglich, das 40% Ziel bis zum Jahr 2020 zu erreichen. Aktuell wird dem Klimaschutz in der Politik und auch in der Öffentlichkeit zu wenig Aufmerksamkeit gewidmet. Die Politik ist wahrscheinlich in den letzten Jahren zu sehr mit der Finanz – und aktuell mit der Ukraine Krise beschäftigt, so dass der Klimaschutz etwas in Vergessenheit gerät. Doch es darf keine Ausreden geben.

Um das 40% Ziel zu erreichen, müssen vor allem in den CO2 intensiven Bereichen wie Energieerzeugung, Verkehr, Haushalt und Landwirtschaft  Maßnahmen zur Reduktion des CO2 Ausstoßes getroffen werden. Der Emissionshandel muss dringend angepasst werden. Konkrete Maßnahmen wären z.B. das konsequente zurückfahren des Braunkohle Anteils an der Stromerzeugung, niedrigere Emissionsgrenzwerte für Neufahrzeuge, weitere Subventionierung der erneuerbaren Energien sowie die großflächige Einführung von Stromspeicher-Systemen.

 

Milk the Sun: Zuletzt bitten wir Sie um einen Ausblick in die Zukunft. Steht die Energiewende wirklich kurz vor dem Aus? Und kann es einen Mittelweg oder gar eine ganz andere Alternative geben, mit dem die Regierung sowohl die Bürger als auch stromintensive Industrie-Unternehmen zufriedenstellt und somit ein Fortbestehen der Energiewende möglich macht?

 

Jörg Heidjann: Ganz im Gegenteil, die Energiewende hat ja gerade erst begonnen. Irgendwann – auch wenn das noch ein längerer  Horizont ist – geht es mit Kohle, Öl und Gas zu Ende oder es wird schlichtweg zu teuer. Insofern stehen wir immer noch recht weit am Anfang, auch wenn der Anteil der erneuerbaren Energien bei uns in Deutschland gerade erst mit einer Ökstrom-Quote von 27% einen neuen Rekordwert bei der Stromerzeugung erreicht hat. Und diese Zahl wird sich weiter erhöhen. Vielleicht nicht ganz so schnell, wie viele von uns sich das wünschen, aber es wird kommen. Andere Alternativen sehe ich aus Gründen des Klimaschutzes aber auch aus Kostengründen nicht. Die Kernenergie ist gescheitert, die Kernfusion sowieso und Kohle, Öl und Gas sind endlich. Insofern ist die Energiewende ein absolutes Muss und in der Sache auf Dauer alternativlos.

Wir bedanken uns bei Herrn Heidjann für das Interview.

 

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Im Rahmen der Fortsetzung der Interviewreihe „Vier Fragen an …“ stellt der Milk the Sun-Blog führenden Köpfen aus Wirtschaft, Politik und Medien vier Fragen zu den Erwartungen an die nationale und internationale Energiepolitik, die Energiewende und  die Reform des EEGs.

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