Studie: Energiewende macht Russland-Gas verzichtbar
Russland droht der EU mit höheren Gaspreisen – das könnte vor allem Deutschland im Gas-Sektor treffen. Eine Diskussion kommt daher wieder auf: Kann Deutschland unabhängig vom Russland-Gas werden? Eine Studie des Fraunhofer Instituts für Windenergie und Energiesysteme beantwortet diese Frage mit „Ja!“ – nennt aber einen hohen Preis, den wir dafür zahlen müssten.
Aufgrund der angespannten Situation zwischen Russland und der Ukraine haben die 28 EU-Staaten umfassende Wirtschaftssanktionen gegen den Putin-Staat verhängt. Die Reaktionen ließen nicht lange auf sich warten – das russische Außenministerium konterte die Sanktionen mit unter Umständen steigenden Gaspreisen auf dem europäischen Energiemarkt. Diese Preiserhöhungen würden auch deutsche Verbraucher stark treffen. Knapp 40 Prozent des in Deutschland verbrauchten Erdgases wird aus Russland importiert. Eine im Juni veröffentlichte Studie des Fraunhofer Instituts für Windenergie und Energiesysteme zeigt auf, wie und bis wann Deutschland komplett unabhängig von russischem Gas sein könnte.
Ab 2030 unabhängig von Russland-Gas – Nettoinvestitionen von 300 Milliarden Euro nötig
Selbstverständlich könnte Deutschland durch eine noch höhere Verwendung von Braunkohle unabhängig vom Gas aus Russland werden. Doch das ist nicht der Sinn der Energiewende. Die Untersuchungen der Studie richten sich daher nur an Lösungsansätze, die durch den Einsatz Erneuerbarer Energien erfüllt werden können – und legen auch offen dar, mit was für einem preislichen Aufwand dieses Unterfangen belastet werden müsste.
Würde die Energiewende mit der aktuellen Geschwindigkeit voranschreiten, wäre Deutschland frühestens 2050 unabhängig von russischen Gasimporten. Eine forcierte Energiewende, wie sie die Forscher vorschlagen, würde dieses Ziel bereits 2030 realisierbar machen. Allerdings hätte diese erzwungene Energiewende ihren Preis: 300 Milliarden Euro netto. Ab dem Jahr 2028 würden die Einsparungen laut Studie erstmals die Investitionen übersteigen, bis 2050 hätte sich das Projekt mehr als rentiert.
Nachfolgend präsentieren wir Ihnen Lösungsansätze, die von den Forschern des Fraunhofer Instituts im Rahmen der Studie vorgeschlagen wurden.
Gebäudesanierung und Energieeffizienz
Die Erzeugung von Wärme nimmt in Deutschland am meisten Erdgas in Anspruch. Ganze 71 Prozent des importierten Erdgases dienen der Wärmeerzeugung. In diesem Sektor könnten daher die größten Ergebnisse hinsichtlich der Reduzierung des Erdgasimports erzielt werden. Dafür müssten aber wesentlich mehr Gebäude in wesentlich kürzerer Zeit saniert und aufgerüstet werden, als es bisher der Fall war und ist. Drei Prozent des Bestands müssten jährlich mit Wärmedämmung und Heiztechnik ausgestattet werden. Aktuell werden lediglich 0,8 Prozent des Bestands saniert. Möglich würde das nur durch spezielle Förderungen oder steuerliche Absetzbarkeit.
Einsparpotenzial bis 2025: 160 TWh
Einsparpotenzial bis 2037: 260 TWh
Nachrüstung von Wärmepumpen
Hier sehen die Experten das zweitgrößte Einsparpotenzial nach der Gebäudesanierung. Wärmepumpen benötigen zwar Strom – sie sind aber so effizient, dass sie sich bereits beim aktuellen Anteil Erneuerbarer Energien an der Stromproduktion lohnen. Je weiter der Anteil der Erneuerbaren Energien steigt, desto lohnenswerter werden auch Wärmepumpen.
Einsparpotenzial bis 2025: 75 TWh
Einsparpotenzial bis 2050: 150 TWh
Einsatz von Power-to-Heat
Mit Power-to-Heat wird Wärme durch Strom erzeugt. Das lohnt sich jedoch nur bei einem möglichst hohen Ökostrom-Anteil. In rund zehn Jahren könnte dieser Lösungsansatz aber eine beträchtliche Einsparung von Gas aus Russland mit sich bringen.
Einsparpotenzial bis 2025: 17 TWh
Einsparpotenzial langfristig: 67 TWh
Biomethan statt Erdgas
Die Ausbaupläne der Bundesregierung für Biogas aus dem Jahr 2007 lagen bei einer Stromproduktion von 108 TWh bis zum Jahr 2030. Aktuell liegt dieses Ziel jedoch weit abseits der damaligen Planungen. Eine konsequente Marschroute könnte mittelfristig aber zumindest den Rückgang der deutschen Erdgasförderung kompensieren. Dafür ist laut Forschern jedoch ein flächendeckender Anbau der Energiepflanzen Raps und Mais nötig. Prognosen zufolge ist das aber ohne eine Überdüngung möglich.
Quelle: Spiegel Online