„Der Eigenverbrauch könnte zum Photovoltaik-Joker werden“
„Die Rekord-Zubauwerte bei der Photovoltaik in den Jahren 2010 bis 2012 haben in der Politik tiefe Spuren hinterlassen.“ Der Anfang vom Ende? Prof. Dr. Uwe Leprich, Leiter IZES Institut für ZukunftsEnergieSysteme GmbH, im Milk the Sun-Interview über die Energiewende, die aktuelle Energiepolitik und die Zukunft der Photovoltaik in Deutschland.
Herr Prof. Dr. Leprich, wie bewerten Sie den Entwicklungsstand des Photovoltaik-Marktes und der Solarindustrie vor dem Hintergrund des neuen EEG, der verfehlten Zubauziele und der startenden Ausschreibungen für PV-Freiflächenanlagen?
Prof. Dr. Leprich: Die Rekord-Zubauwerte bei der Photovoltaik in den Jahren 2010 bis 2012 haben in der Politik tiefe Spuren hinterlassen. Eine radikale Absenkung der Vergütungssätze hat die Installationszahlen abstürzen lassen und den jährlichen Zubau erstmals seit 2008 wieder unter die 2 GW-Grenze getrieben. Es ist eine offene Frage, ob der „atmende Deckel“ hier in 2015 das Defizit gegenüber dem jährlichen Zubauziel von 2,5 GW wettmachen kann, oder ob die Verunsicherung in der Branche auch angesichts der künftigen Ausschreibungsverfahren inzwischen so groß ist, dass wir uns dauerhaft auf niedrige Zubauwerte einstellen müssen. In der Perspektive könnte der Eigenverbrauch zum Photovoltaik-Joker werden, vorausgesetzt die Preise gehen weiter nach unten und kostengünstige Speicherlösungen werden verfügbar.
Laut „Deutschem Energiekompass“ sinkt die Akzeptanz der Bürger gegenüber der Energiewende immer weiter. Wie erklären Sie sich diesen Trend nach den Jahren des Solarbooms?
Prof. Dr. Leprich: Die Akzeptanz der Energiewende ist in Deutschland nach wie vor sehr hoch – es gibt kaum ein Projekt, das sich einer derart hohen Zustimmung erfreut. Gleichwohl muss man eingestehen, dass eine regelrechte Kampagne in den Medien gegen die vermeintlich zu hohen Kosten der Energiewende und den Anstieg der Strompreise ihre Spuren hinterlassen hat. Trotzdem ist es ermutigend zu sehen, dass diese von den sogenannten Meinungs- und Machteliten lancierte Kampagne nicht zu einer Abkehr von der Energiewende geführt hat.
„Bei dieser nächsten Generation von Solarzellen wird Deutschland aller Voraussicht nach wieder kräftig mitmischen.“
Aktuell ist die deutsche Solarbranche stark getroffen von den Markteintritten chinesischer Unternehmen mit immer günstigeren Modulpreisen. Deutsche Qualitätshersteller erwirtschaften Verluste und streichen immer mehr Stellen. Kann sich dieser Trend in Zukunft noch einmal zum Positiven wenden – und was müssen deutsche Unternehmen tun bzw. was können deutsche Unternehmen von ausländischen Märkten lernen, um im internationalen Markt wieder relevant und konkurrenzfähig zu werden?
Prof. Dr. Leprich: Es ist eine Binsenweisheit, dass die Produktion von Massengütern in Deutschland global gesehen auf Dauer nicht konkurrenzfähig ist. Das ist volkswirtschaftlich gesehen auch in Ordnung, da im Rahmen der weltwirtschaftlichen Arbeitsteilung Deutschland ja nicht nur exportieren kann, sondern auch etwas importieren muss. Ich selber stecke nicht genügend in den Einzelheiten der Solarforschung drin, aber ich könnte mir sehr gut vorstellen, dass Deutschland im globalen Solarmarkt immer dann gute Karten hat, wenn Hightech-Produkte wie Solarzellen mit besonders hohen Wirkungsgraden, gebäudeintegrierte Solarzellensysteme oder solche mit kostengünstigen Materialien gefragt sind. Bei dieser nächsten Generation von Solarzellen wird Deutschland aller Voraussicht nach wieder kräftig mitmischen.
Welche Entwicklung(en) sehen Sie für die Photovoltaik in Deutschland? Und wie schätzen Sie die Relevanz von Energiespeichern und dem Zusammenspiel aller erneuerbaren Energien in diesem Kontext ein?
Prof. Dr. Leprich: Die Bundesregierung hat in §31 Abs. 6 EEG einen förderfähigen Gesamtdeckel von 52 GW installierte Leistung für die Photovoltaik festgelegt, d.h. gegenüber heute besteht noch ein Mindest-Zubaupotenzial von 14 GW. Ob dieser Deckel signifikant übertroffen wird, hängt von der weiteren Kostendegression der Solarzellen ab. Sollten die spezifischen Erzeugungskosten sich in Richtung 5 ct/kWh bewegen, sind in großem Umfang Eigenerzeugungsmodelle vorstellbar, die auf keine Förderung mehr angewiesen sind und zudem zu einem Boom bei dezentralen Speichern führen könnten. Systemisch betrachtet machen Speicher in vielen dezentralen Kleinsystemen wenig Sinn, da gerade die großflächige Bündelung und damit Durchmischung von Wind- und Solarstrom in Verbindung mit einem gut ausgebauten Stromnetz den Speicherbedarf minimiert. Allerdings werden sich die Marktkräfte dieser volkswirtschaftlichen Rationalität nicht beugen, wenn ein kombiniertes PV-Speichersystem für die Verbraucher erschwinglich ist.
Wir danken Herrn Prof. Dr. Leprich für das Interview.
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Im Rahmen der Fortsetzung der Interviewreihe „Vier Fragen an …“ stellt der Milk the Sun-Blog führenden Köpfen aus Wirtschaft, Politik und Medien vier Fragen zu den Erwartungen an die nationale und internationale Energiepolitik, die Energiewende und die Reform des EEGs.