Corporate PPAs als zukunftsweisendes Marktmodell – auch nach Corona?

Corporate PPAs als zukunftsweisendes Marktmodell – auch nach Corona?

Nachdem sie in Europa als Vermarktungsinstrument längst etabliert sind, wird nun auch in Deutschland zunehmend der Abschluss von Corporate PPAs vermeldet.[1]

Corporate Power Purchase Agreements (PPAs) sind langfristige Stromlieferverträge auf Basis erneuerbarer Energien, die zwischen einem Erzeuger und einem Unternehmen (dem „Corporate“) auf der Abnehmerseite geschlossen werden. Häufig sind dies industrielle Abnehmer mit einem hohen Stromverbrauch.

Die Vorteile für alle Beteiligten liegen klar auf der Hand: PPAs versprechen eine langfristige Mengen- und Preisabsicherung und damit einen stabilen Cashflow. Sie lassen sich in zwei Kategorien unterteilen: physische und virtuelle (auch synthetischen) PPA, bei denen die Stromlieferung lediglich finanziell (und ggf. bilanziell) erfolgt. Zwar existiert kein numerus clausus der PPAs, jedoch lassen sich im Wesentlichen drei Arten unterscheiden:

On-Site PPA

Der On-Site PPA ist die denkbar einfachste Form der Belieferung, bei der der Erzeuger den Strom via Direktleitung an den Abnehmer liefert. Typischer Anwendungsfall für On-Site PPA sind Insellösungen und Industriekundennetze.

Off-Site PPA

 Anders als bei einem On-Site PPA ist eine räumliche Nähe zwischen Erzeugungsanlage und Abnehmer bei einem Off-Site PPA nicht erforderlich. Denn die Stromlieferung erfolgt über das Netz der allgemeinen Versorgung und damit lediglich bilanziell durch den Erzeuger, der dafür zu sorgen hat, dass der in der Anlage erzeugte Strom einem bestimmten Bilanzkreis zugeordnet wird. Der Erzeuger, der regelmäßig auch Herkunftsnachweise an den Abnehmer liefert, erhält eine garantierte Vergütung unter dem Off-Site PPA.

Bei Off-Site PPA ist keine geographische Nähe zwischen dem Kraftwerk und dem Abnehmer erforderlich.

Synthetischer PPA

Anders als bei On- oder Off-Site PPA erfolgt im Rahmen synthetischer PPA keine direkte physische und auch keine bilanzielle Belieferung durch den Erzeuger. Es handelt sich stattdessen um rein finanzielle Verträge zwischen Erzeuger und Abnehmer. Das dargestellte Modell zeigt einen sog. Contract for Difference: Da eine räumliche Nähe zwischen Erzeugungsanlage und Abnehmer nicht erforderlich ist, können – wie beim Off-Site PPA – Standortvorteile für die jeweilige Energieform genutzt und Skaleneffekte durch den Abschluss von PPA über Teilmengen der Anlage mit verschiedenen Abnehmern generiert werden. Der Erzeuger veräußert den in der Anlage erzeugten Strom vollumfänglich an der Strombörse. Unter dem PPA haben die Vertragspartner einen Festpreis vereinbart (Strike Preis), den der Abnehmer an den Erzeuger für jede erzeugte kWh Strom zahlt. Erzielt der Erzeuger an der Börse einen Preis, der unterhalb des vertraglich vereinbarten Strike Preises liegt, ist der Abnehmer verpflichtet, an den Erzeuger die Differenz zu zahlen. Andersherum, wenn der Börsenpreis den Strike Preis übersteigt. Der Erzeuger erhält folglich stets den Strike Preis und sichert sich auf diese Weise einen stabilen Cashflow. Es ist mithin der Abnehmer, der das langfristige Marktpreisrisiko trägt, denn im Falle niedriger Marktpreise „zahlt er drauf“.

Im Gegensatz zu on- oder off-site PPA, findet bei einer synthetischen PPA nur ein finanzieller Ausgleich statt.

Auswirkungen der Corona-Krise

Allen PPA-Arten ist gemein, dass Erzeuger wie Abnehmer sich langfristig gegen Preisschwankungen absichern möchten. Doch was bedeutet die mit der Krise verbundene Unsicherheit auch im Energiesektor für die Entwicklung von PPAs in Deutschland?

 Die Corona-Pandemie hat spürbar auf die Großhandelspreise durchgeschlagen und sich mitunter in einer extremen Preisvolatilität geäußert. Fraglich ist, ob respektive wann sich das Strompreisniveau wieder dort einpendeln wird, wo es vor COVID-19 war. Analysten spekulieren, dass der Großteil der geplanten Projekte, die noch keinen PPA abgeschlossen haben, vorerst auf Eis gelegt wird.  Festzuhalten ist zunächst, dass die Corona-Krise nichts daran ändern dürfte, dass PPAs als zukunftsweisendes Vermarktungsmodell für Strom aus erneuerbaren Energien auch in Deutschland langfristig immer größere Bedeutung gewinnen. Ungeachtet der Corona-Krise herrscht mit Blick auf Corporate PPAs ohnehin noch eine gewisse Unsicherheit im Markt: Zu nennen sind hier besonders fehlende Erfahrungswerte in Bezug auf das komplexe Vertragswerk, die Risikoverteilung vor dem Hintergrund der langen Laufzeit sowie Ungewissheit über den künftigen regulatorischen Rahmen. Verschärft werden besagte Unsicherheiten möglicherweise durch die Corona-Krise, jedoch lassen sie sich durch eine entsprechende Strukturierung des Corporate PPA grundsätzlich abmildern.

Flexibilität in PPA durch vertragliche Strukturierung

In jedem Fall sollte auf die Ausgestaltung folgender Punkte im PPA besonders geachtet werden, um Entwicklungen wie denen, die im Energiemarkt (vermutlich) durch die Corona-Krise ausgelöst werden, begegnen zu können:

1. Das Preisblatt als Herzstück des Vertrages

Das Herzstück eines jeden Corporate PPA ist das Preisblatt: Gerade bei langfristigen Lieferverträgen geht jede Vertragspartei letztlich eine Wette auf die Entwicklung des Strompreises ein. Jedoch dürfte es noch nie so schwer gewesen sein wie heute, eben diese Entwicklung vorherzusehen. Die vertragliche Ausgestaltung bewegt sich dabei im Spannungsfeld zwischen der für beide Seiten angestrebten wirtschaftlichen Attraktivität einerseits und dem Interesse jeder Partei an einer langfristigen Preisabsicherung.

Das Preisblatt sollte rechtmäßige Preisanpassungsmechanismen vorsehen, ggf. einigen sich die Parteien ob der gegebenen Marktsituation nicht auf einen Festpreis pro kWh/MWh, sondern auf einen Preiskorridor oder gar eine gemischte Preisformel, die je nach Jahreszeit und Primärenergieträger zwischen Festpreis (ggf. mit Ab- oder Aufschlägen) und Preiskorridor respektive Mindest- oder Höchstpreis(en) wechselt. Möglich ist auch die Vereinbarung von Indexierungen, floors oder caps. Wohlüberlegt sollten in diesem Zusammenhang auch die vertraglichen Lösungsmöglichkeiten jeder Partei von dem Vertrag sein. Es handelt sich um einen Langfristvertrag, von dem sich grundsätzlich keine Partei „ohne Weiteres“ vorzeitig lösen können soll.

2. Wirtschaftlichkeitsklauseln und Change-in-Law-Klauseln

Und schließlich gibt es Wirtschaftlichkeitsklauseln sowie die sog. Change-in-Law-Klauseln, die den Parteien in Langfristlieferverträgen Handlungsmöglichkeiten für solche Fälle an die Hand geben, in denen sich die wirtschaftlichen und/oder rechtlichen Rahmenbedingungen, auf denen der Corporate PPA beruht, dergestalt ändern, dass zumindest einer Partei ein Festhalten an selbigem nicht (mehr) zugemutet werden kann. Solche Klauseln sehen zumeist die Vertragsanpassung als erste Eskalationsstufe vor und erlauben lediglich als ultima ratio eine Loslösung von selbigem. Fehlt es an einer vertraglichen Regelung, kommt eine Vertragsanpassung oder gar -beendigung nach § 313 BGB (Störung der Geschäftsgrundlage) oder § 314 BGB (Kündigung von Dauerschuldverhältnissen aus wichtigem Grund) in Betracht. Ein Rekurrieren auf die gesetzlichen Bestimmungen ist jedoch mit erheblichem Streitpotenzial verbunden und daher nicht zu empfehlen. Eine entsprechende vertragliche Regelung ermöglicht es den Parteien, eine individuelle und damit konkrete Regelung zu vereinbaren und so das Konfliktpotenzial zu minimieren. Nicht zuletzt haben sie den Klauselkonflikt zu berücksichtigen, über den schon der BGH zu befinden hatte: Die Parteien haben es in der Hand, den Corporate PPA so zu gestalten, dass entweder die Festpreisregelung (sofern eine solche besteht) oder die Wirtschaftlichkeitsklausel Vorrang hat. Schließlich ist zu bedenken, dass auch Wirtschaftlichkeitsklauseln und Change-in-Law-Klauseln im Grundsatz der Überprüfung nach den §§ 305 ff. BGB standhalten müssen, sofern es sich bei dem Corporate PPA um AGB handelt.

Corporate PPAs trotz Corona-Krise ein tragfähiges Marktmodell

Nach alledem dürften die – derzeit absehbaren – Auswirkungen der Corona-Krise auf den Strompreis Corporate PPAs als Marktmodell nicht obsolet machen. Gerade strategisch handelnde Akteure könnten von der aktuellen Situation profitieren. Hemmnisse im Markt (Stichwort: Strompreiskompensation) bestanden bereits vor COVID-19. Sie können – ebenso wie (potenzielle) Auswirkungen der Corona-Krise – durch eine umsichtige Vertragsgestaltung jedenfalls abgemildert werden.

[1] Zuletzt vermeldeten Enegie und Energiekontor am 5. Mai 2020, einen PPA für einen Solarpark mit einer Leistung von 41,5 MW für die Dauer von 15 Jahren geschlossen zu haben: PV-Magazine  (Abruf: 07.05.2020).


Über die Autorin: Dr. Carmen Schneider

Nach ihrem Studium der Rechtswissenschaften an den Universitäten Gießen und Bonn und einem Forschungsaufenthalt am Centre de Recherche en Economie et Droit de l’Energie in Montpellier, Frankreich, promovierte Dr. Carmen Schneider im Bereich des Energierechts. Vor ihrem Wechsel zu Chatham Partners war sie als Partnerin bei DWF Germany Rechtsanwaltsgesellschaft mbH sowie als Assoziierte Partnerin bei GÖRG Partnerschaft von Rechtsanwälten mbH tätig. Sie ist zudem Autorin zahlreicher Veröffentlichungen und hält regelmäßig Vorträge zu energierechtlichen Themen.

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