#btw2017: Interview mit Julia Verlinden (Die Grünen)

#btw2017: Interview mit Julia Verlinden (Die Grünen)

Deutschland wählt. Am 24. September finden in Deutschland Bundestagswahlen statt. Deshalb haben wir das Gespräch mit den großen Parteien gesucht, um mit ihnen über die Energiepolitik zu Sprechen. Vier Fragen, beantwortet durch Julia Verlinden, Sprecherin für Energiepolitik der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen.

 

Milk the Sun: Sie machen sich stark für Erneuerbare Energien und kämpfen aktiv gegen fossile Energieträger. Mit welchen Maßnahmen wollen Sie den gänzlichen Verzicht auf Kohle, Erdöl und Atom in Deutschland erreichen?

Julia Verlinden von den GrünenJulia Verlinden:  Allem voran müssen wir in Deutschland den Kohleausstieg umsetzen, denn Kohlekraftwerke bedeuten die klimaschädlichste Form der Stromerzeugung. Daher wird es keine Regierungskoalition mit den Grünen ohne eine Einigung auf den Kohleausstieg geben. Gleichzeitig werden wir die Obergrenze für den Ausbau Erneuerbarer Energien der schwarz-roten Koalition aufheben.

Im Gebäudebereich brauchen wir viel größere Anstrengungen als bisher, um Energie einzusparen und auf Erneuerbare umzusteigen. Dafür haben wir Grüne im Bundestag den Aktionsplan Faire Wärme aufgelegt. Er umfasst ein Bündel von Maßnahmen, mit dem wir die Wärmeversorgung klimafreundlich machen. Dabei haben wir Grüne sozial gerechte Sanierung und bezahlbare Mieten fest im Blick.

Die größte Abhängigkeit vom Öl besteht nach wie vor im Verkehrssektor. Deshalb brauchen wir die Verkehrswende. Mehr Platz für Rad- und Fußverkehr, bessere Angebote bei Bussen und Bahnen und saubere Antriebe jenseits von Benzin und Diesel sind hier unsere grünen Leitlinien.

Die Atomkraft war ein großer Irrweg. Sie kommt uns teuer zu stehen und für die Aufbewahrung des Atommülls gibt es bisher keine sichere Lösung. Wir wollen daher nicht nur die restlichen deutschen Atomkraftwerke schnell abschalten, sondern auch die Atomfabriken schließen, die weiterhin Brennstoffe ins Ausland liefern.

 

Milk the Sun: Mit welchen Argumenten begegnen Sie Parteien und Personen, die an fossilen Energieträgern festhalten wollen; die Erneuerbaren Energien gar in Frage stellen?

Julia Verlinden: Schon heute erleben wir die ersten Auswirkungen der Klimakatastrophe: Zunehmende Dürren im Süden, starke Unwetter, Millionen Klimaflüchtlinge. Wir müssen dringend weg von der Verbrennung von Öl und Kohle, wenn wir die schlimmsten Folgen der Erderhitzung noch abwenden wollen.

Außerdem schaffen wir nur mit Erneuerbaren Energien eine dauerhafte Basis für wirtschaftlichen Erfolg und Wohlstand. Investitionen in Energieeffizienz und Erneuerbare Energien schonen nicht nur die Ressourcen, sie kommen auch der regionalen Wirtschaft zugute. So reduzieren wir die vielen Milliarden, die bisher jedes Jahr für den Import von Kohle, Öl und Gas ins Ausland fließen.

Das große Engagement von Bürgerenergiegenossenschaften, Stadtwerken und Landwirten für die Energiewende vor Ort ist das Rückgrat von Klimaschutz und Innovation. Diese Energiewende von unten hat eine breite Unterstützung in der Bevölkerung. Wir Grüne wollen sie weiter stärken und unterstützen.

 

Milk the Sun: Wie könnte eine nachhaltige Strom- und Energiezukunft unter Ihnen in Deutschland aussehen?

Julia Verlinden: Wir wollen einen schnellen Umstieg auf Erneuerbare Energien. Wenn es nach uns Grünen geht, schaffen wir mit Kohleausstieg und Beschleunigung von Wind- und Solarenergie im Stromsektor bereits bis 2030 den Umstieg auf 100% Erneuerbare Energien.

Ebenfalls ab 2030 sollen keine Neufahrzeuge mit Benzin- oder Dieselantrieb mehr vom Band laufen. Außerdem gibt es ein gut vernetztes Mobilitätsangebot aus (Leih-)Rädern, Carsharing-Autos, Bussen und Bahnen.

Die Gebäude sollen möglichst bis 2040 komplett erneuerbar beheizt werden. Dafür investieren wir deutlich mehr in energetische Sanierung als die bisherigen Bundesregierungen und sorgen gleichzeitig für ausreichende Unterstützung von Haushalten mit kleinem Einkommen.

 

Milk the Sun: Einige Kritiker fordern den Stopp des Ausbaus von Biomasse, da er zu monokulturellem Anbau geführt hat. Wie schätzen Sie die Situation diesbezüglich ein?

Julia Verlinden: Bioenergie ist ein wertvoller Baustein für die Energiewende. Sie ist speicherbar und kann flexibel eingesetzt werden – ob für die Strom- und Wärmeerzeugung oder im Verkehr. Für eine faire und umweltschonende Nutzung nachwachsender Rohstoffe sind allerdings hohe Standards bei Anbau und Verarbeitung zwingend notwendig. Ihr Potenzial ist daher begrenzt.

Nach unseren Szenarien einer vollständig erneuerbar geprägten Energieversorgung wird die Menge der genutzten Biomasse gegenüber heute nur geringfügig steigen. Dafür wird ihre Verwendung wesentlich zielgerichteter und effizienter werden, zum Beispiel indem Bioenergie gezielt zum Ausgleich von wind- und sonnenarmen Zeiten genutzt und in Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen eingesetzt wird.

Danke an Julia Verlinden für das Interview.

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