2019, das Jahr des Umbruchs: Ein Jahresrück- und ausblick

2019, das Jahr des Umbruchs: Ein Jahresrück- und ausblick

Wir blicken auf ein Jahr mit kleinen, teilweise aber entscheidenden Fortschritten auf dem Weg zur Umsetzung der Energiewende in Deutschland zurück, in jedem Fall aber auf einen Moment des Umbruchs.

Zum ersten Mal wurde der öffentlichen Protests in Form von Klimastreiks und Straßenblockaden so laut, dass sich Politik und Wirtschaft ihm nicht mehr verschließen, ihn nicht mehr ignorieren konnten. Was vor gut einem Jahr mit Greta Thunberg in Schweden begann, hat sich mittlerweile über den gesamten Globus ausgebreitet.

Die Jugend schaut nicht länger tatenlos zu, wie ihre Zukunft durch widersinniges Festhalten an konventionellen Energieträgern und überholten Mobilitätskonzepten leichtfertig aufs Spiel gesetzt wird.

Doch wie entwickelte sich im Jahr des Umbruchs eigentlich die Solarindustrie? Ich möchte hier einige der in den letzten 12 Monaten formulierten Erwartungen nochmals chrono­logisch aufführen und die tatsächliche Entwicklung dann anhand der konkreten Ereignisse beleuchten, um abschließend einen Ausblick auf das kommende Jahr zu geben.

Das Jahr 2019 ein Solar-Rückblick

Dezember 2018

Die letzten Monate des Jahres waren zunächst geprägt durch einen heftigen Modulpreisverfall, der einerseits durch die in China angekündigten Kürzungen von Förderprogrammen ausgelöst wurde, andererseits durch den Wegfall des Mindestimportpreises (MIP) in Europa.

Nach insgesamt 5 Jahren der Marktregulierung, mit der man seitens der EU-Kommission glaubte, einem Preisdumping durch chinesische Hersteller begegnen und die heimische Solarindustrie retten zu können, war der Spuk im September 2018 endlich vorbei. Der Erfolg dieser Maßnahmen war allerdings mäßig – kaum ein lokaler Hersteller hatte den Konkurrenzkampf überlebt.

Doch dann kam die plötzlichen Ankündigung der deutschen Bundesregierung, die Einspeisevergütung für PV-Dachanlagen zwischen 40 und 750 kWp schon ab Januar 2019 um 20 Prozent auf das Niveau von Freiflächenanlagen absenken zu wollen – wegen angeblicher Überförderung.

Die dadurch entstehende große Aufregung im Markt legte sich etwas, nachdem die Kürzungen schließlich in abgemilderter Form beschlossen wurden. Insgesamt sorgte das 4. Quartal 2018 und das 1. Quartal 2019 für ein rasantes Anwachsen der installierten Photovoltaikleistung in Deutschland.

Währenddessen wurden im polnischen Katowice auf der im Dezember stattfindenden UN-Klimakonferenz zunächst nur heiße Luft verbreitet und halbgare Versprechungen gemacht, anstatt endlich klare Signale in Richtung eines schnelleren Umbaus der Wirtschafts- und Energiesysteme zu setzen.

Doch dann kam der Lichtblick: die damals erst 15-jährige Schwedin Greta Thunberg machte die Weltöffentlichkeit mit einer eindrucksvollen, sehr emotionalen Rede vor den Delegierten aller Länder zum ersten Mal auf sich aufmerksam. Was darauf folgte, wissen wir alle: die mittlerweile mehrere Millionen Aktivisten umfassende Gruppierung „Fridays For Future“, welche seitdem wöchentlich in unzähligen Städten weltweit gegen die Untätigkeit der Politik in Sachen Klimawandel protestiert.

Februar 2019

Durch Degression und Sonderkürzungen steuerte die garantierte Einspeisevergütung im mittleren Anlagensegment auf eine Höhe zu, die rein EEG-finanzierte Anlagen nahezu unwirtschaftlich machte.

Die regulatorischen Hürden und vertraglichen Herausforderungen für Direktlieferungen in Form von PPA (Power Purchase Agreements) waren und sind immer noch sehr hoch, so dass sich nur wenige Player im Großanlagensegment überhaupt an das Thema heran wagen. Dies hat sich Ende 2019 etwas gebessert – Vertragswerke wurden standardisiert und immer mehr vergütungsfreie Anlagen entstehen auch in Deutschland.

März 2019

Der Modulhersteller Hanwha Q-Cells reicht gegen drei seiner Mitbewerber, nämlich die REC Group, Jinko Solar und Longi Solar auf mehreren Kontinenten Klagen wegen der vermeintlichen Verletzungen von existierenden Patenten auf deren Quantum-Zelle ein.

Q-Cells war durchaus Vorreiter beim Einsatz der PERC-Technologie, doch die Kontrahenten wiesen den Vorwurf weit von sich und beharren auch heute noch darauf, diese Technologie selbst entwickelt zu haben und sie rechtmäßig einsetzen zu dürfen.

Mittlerweile wissen wir, dass die Patentrechtsklage zwar noch nicht entschieden, aber auch nicht mehr sehr erfolgsversprechend ist. Ein Zwischenbericht zur Patentprüfung in den USA hat die Nicht-Verletzung der wichtigsten der zur Debatte stehenden Patente bestätigt.

April 2019

Seit Anfang des Jahres gehen weltweit Schüler und Studenten immer freitags auf die Straße und protestieren gegen die Untätigkeit der Politik, nein, der gesamten Generation ihrer Eltern und Großeltern. Die Jugend will es nicht mehr hinnehmen, dass ihre Zukunft – genauer gesagt ein auskömmliches Leben – auf diesem Planeten auf leichtsinnige Art und Weise gefährdet wird.

Leichtsinnig und ignorant, da die Fakten zu Ursachen und Auswirkungen der fortschreitenden Umweltzerstörung seit Jahrzehnten bekannt sind, sich aber über Absichtserklärungen hinaus noch nichts wirklich Entscheidendes in die richtige Richtung getan hat. Der CO2-Ausstoß und der daraus resultierende Temperaturanstieg der Atmosphäre, die Vermüllung der Weltmeere, das Artensterben – alles schreitet nach wie vor ungebremst voran, dringend notwendige Schritte werden jedoch gar nicht oder nicht in ausreichendem Maße eingeleitet.

Das am 20. September von der Großen Koalition in Deutschland vorgestellte Klimapaket scheint zwar von den „Klimastreiks“ genannten Protesten und der Veränderung der öffentlichen Meinung zum Thema Klimaschutz beeinflusst worden zu sein, die darin enthaltenen Maßnahmen sind aber vielen Oppositionspolitikern, allen voran den Grünen im Bundestag, den Wissenschaftlern, insbesondere aber den Jugendlichen auf der Straße bei weitem nicht ambitioniert und wirksam genug.

Die Ansätze für eine CO2-Steuer wirken mit einem Startpreis für 2021 von nur 10 Euro pro Tonne geradezu lachhaft gering – gefordert wurden mindestens 150 bis 180 Euro. Befragungen unter der Bevölkerung haben gezeigt, dass zum Beispiel die resultierende Verteuerung von Flügen oder Autofahrten nicht ausreicht, um irgendjemanden zu einer Verhaltensänderung zu bewegen.

Juli 2019

Dank der bis April durchgeführten Vergütungskürzungen im Bereich der mittleren bis großen Neuinstallationen gerieten Kleinanlagen, bevorzugt mit Hybridwechselrichtern in Kombination mit Energiespeichern, zunehmend in den Fokus der Photovoltaik-Interessierten.

Viele Handwerker zumindest in Deutschland bauten dieses Jahr fast ausschließlich Kleinanlagen bis 30 Kilowattpeak. Zwar befinden sich deutsche Wechselrichterhersteller wie SMA und KOSTAL zunehmend unter dem Druck der großen chinesischen Anbieter, doch im Kleinanlagensektor hatten sie bisher einen hohen Marktanteil.

Von der gestiegenen Nachfrage schienen die etablierten Wechselrichterproduzenten jedoch überrascht worden zu sein, so dass die meisten Geräte aus dem Leistungssegment ab 5 Kilowatt bis 25 Kilowatt im Juni/ Juli sehr schnell ausverkauft waren. Plötzlich gab es in der PV-Branche wieder Lieferzeiten von mehreren Wochen oder gar Monaten!

Warum es zu diesem Engpass kommen konnte, ist nicht leicht zu verstehen, da die Prognosen für das Jahr 2019 ja genau diese Entwicklung vorhergesagt hatten. Aber auch passende Speicher für diese Anlagengrößen waren zeitweise Mangelware und sind es teilweise immer noch.

Aber auch bei Solarmodulen fürchtete man Mitte des Jahres, auf einen Engpass zuzusteuern. Meldungen aus China deuten darauf hin, dass wir es zu einer beispiellose Jahresendrallye kommen könnte. Nach einem vergleichsweise sehr schwachen ersten Halbjahr gab es in den zwischenzeitlich durchgeführten Auktionen Zuschläge für fast 4.000 Anlagen mit einer Gesamtleistung von etwa 22,7 Gigawatt.

Gleichzeitig wurden die für 2019 im Reich der Mitte prognostizierten Zubauzahlen auf rund 40 Gigawatt angehoben. Heute wissen wir, dass dieser Boom in Asien aufgrund wirtschaftlicher Zwänge und Hürden nie richtig in Gang gekommen ist, es daher auch keinen Modulengpass gab.

August 2019

Viele gesellschaftliche Gruppen und Interessensverbände, wie beispielsweise der Bundesverband Solarwirtschaft (BSW), forderten seit Monaten von der Bundesregierung, den 52-Gigawatt-Deckel aus dem EEG zu streichen.

Professor Volker Quaschning von der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin schickte Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier in diesem Zusammenhang einen ausgedienten Klodeckel mit der Aufschrift „Der PV Deckel muss weg“. Auch Stimmen innerhalb der GroKo (Großen Koalition) wurden laut, der Koalitionspartner CDU/CSU müsse seine Blockadehaltung beim 52-Gigawatt-Deckel endlich aufgeben.

Was die Beibehaltung des Deckels für Konsequenzen hätte, darüber spekulierte man an breiter Front: Die festgeschriebene Obergrenze, bei deren Erreichen die Förderung nach aktueller Gesetzeslage abrupt enden würde, wirke sich zunehmend negativ auf Investitionsentscheidungen in Photovoltaik-Anlagen aus.

Nach dem Ende der gesetzlich verankerten Einspeisevergütung werde sich die Errichtung von Neuanlagen aus Gründen der Wirtschaftlichkeit nur noch auf die Deckung des Eigenbedarfs beschränken, der Markt für Dachanlagen würde demzufolge drastisch einbrechen.

Mittlerweile wurde die Abschaffung des 52- Gigawatt -Deckels im Klimapaket zwar verankert, die Frage nach einer eventuellen Anschlussregelung aber noch nicht abschließend geklärt, ein konkreter Termin nicht genannt.

Oktober 2019

Nachdem also kein Modulengpass auftrat, Wechselrichter und Speicher auch wieder erhältlich waren, was konnte uns noch ausbremsen bei der Installation von Photovoltaik auf allen zur Verfügung stehenden Flächen und damit bei der zügigen Umsetzung der Energiewende? Es war und ist: der Fachkräftemangel!

Nach dem großen Zusammenbruch in der Solarbranche in den Jahren ab 2011 wanderten sehr viele Elektrofachkräfte in andere Branchen ab, so dass zumindest in Deutschland zahlreiche Arbeitskräfte und Fachleute im PV-Bereich fehlten.

Viele Installationsaufträge konnten nicht angenommen oder aber nur mit sehr großer Verzögerung abgearbeitet werden – Vorlaufzeiten für Elektrikerarbeiten von durchschnittlich 2 bis 3 Monaten noch im Juni waren erheblich auf bis zu 5 Monate im September gestiegen.

Gerade kleinere Aufträge im Endkundensektor wurden für dieses Jahr schon gar nicht mehr angenommen. Durch diesen Montageengpass allein war und ist zu befürchten, dass Klimaziele im Stromsektor nicht oder nur sehr verzögert erreicht werden können.

In Wissenschaft und Forschung, aber insbesondere auch in der Ausbildung von neuen Fachkräften muss in den kommenden Jahren gewaltig investiert werden. Dazu steht im Klimapaket der Bundesregierung leider … nichts!

Wo geht die Reise hin?

Die nächste Chance, entscheidende Weichen zu stellen, hat die Weltgemeinschaft auf der UN Klimakonferenz im Dezember in Madrid.

Um die Delegierten zu ermutigen, wirklich entscheidende Maßnahmen zu beschließen und voranzubringen, gibt es am 29. November nochmals einen großen Klimastreik, zusammen mit den Schülern von „Fridays For Future“, den Wissenschaftlern von „Scientists For Future“ und allen anderen Gruppierungen, die gemeinsam gegen den fortschreitenden Klimawandel eintreten.

Die Proteste werden Wirkung zeigen, das ist sicher. Denn wenn sich nichts Entscheidendes bewegt, werden die Streiks und Aktionen einfach weitergehen, bis alle geforderten und dringend notwendigen Maßnahmen ergriffen worden sind.

Im Energiesektor werden die Regenerativen Energieträger eine tragende Rolle spielen, das ist mittlerweile breiter Konsens. Dazu müssen zügig alle Stolpersteine aus dem Weg geräumt werden, die eine Nutzung außerhalb des staatlich geförderten Rahmens momentan noch behindern.

Hierzu gehören bürokratische Hürden bei der Umsetzung von Mieterstrommodellen und Bürgerenergieanlagen, zu hohe Netzdurchleitungsentgelte, Steuern und vor allem die EEG-Umlage auf direkt gelieferten oder selbstgenutzen Strom aus PV- und Windkraftanlagen. Einige Erleichterungen werden wir bereits in 2020 sehen, allen voran den Wegfall des 52-Gigawatt-Deckels für PV-Anlagen im EEG.

Unabhängig davon, wie hoch oder wie niedrig die staatlich garantierte Einspeisevergütung in Zukunft sein wird, sie ist ein wichtiges Instrument, um Banken und Investoren einen wirtschaftlichen Anreiz zu geben und die Planungssicherheit zu gewährleisten.

Auf der technologischen Seite werden wir eine weitere Effizienzsteigerung bei Solarmodulen sehen, wobei die Tage der polykristallinen Module wohl gezählt sind. Fast alle größeren Hersteller haben ihre Produktionslinien auf rein monokristalline Zellen und Module umgestellt.

Das Preisniveau wird sich dabei allenfalls noch geringfügig nach unten bewegen, solange es sich um keine Lagerräumungs- beziehungsweise Notverkäufe dreht. Das Ende der abwärts zeigenden Preisschraube durch effizientere Fertigungstechnologien und vor allem durch Skalierung scheint zumindest bei siliziumbasierten Produkten erreicht zu sein, das zeigen auch die seit Monaten seitwärts verlaufenden Preiskurven im pvXchange-Photovoltaikpreisindex.

Ein interessanter Trend im Windsektor wurde auf dem diesjährigen Forum Neue Energiewelt in Berlin vorgestellt: schwimmende Windkraftanlagen. Der Verzicht auf im Meeresboden verankerte Fundamente und damit starre Strukturen erlaubt die Erschließung von neuen Offshore-Gebieten und die Vergrößerung der Windturbinen über die 10-GW-Leistungsgrenze hinaus.

Dennoch bleibt zu hoffen, dass die angekündigte neue Abstandsregelung für Onshore-Windkraftanlagen in Deutschland nochmals überdacht wird. Diese Turbinen helfen nun einmal dabei, überdimensionierte und teure Stromtrassen zu vermeiden, die ja ähnliche Akzeptanzprobleme in der Bevölkerung haben, wie die modernen großen Windkraftanlagen.

Als probates Mittel zur Akzeptanzverbesserung eignet sich die Einbeziehung und finanzielle Beteiligung der Anwohner. Hier können wir uns in Zukunft auf immer neue Ideen und innovative Modelle freuen. Die Klimakrise ist nun mal nicht von Einzelnen, sondern nur gemeinsam zu bewältigen!


Ein Gastbeitrag von Martin Schachinger, Geschäftsführer der pvXchange Trading GmbH .

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