Einschränkungen für europäische Solarmodule in der Türkei: “Ist das ethisch vertretbar”?

Einschränkungen für europäische Solarmodule in der Türkei: “Ist das ethisch vertretbar”?

Seit nunmehr knapp einem Jahr sind für ausländische Solarmodule höhere Umsatzsteuern bei der Einfuhr in die Türkei zu entrichten. Ein Umstand, der das Zollabkommen zwischen Türkei und EU von 1995 mit Füßen tritt und so nicht zu akzeptieren ist. Ein Gastkommentar von Hasan Yigit, Enerji Günlüğü Kolumnist.

 

 

Der Hintergrund:

Am 19. November 2015 ist im türkischen Amtsblatt eine Verordnung des türkischen Wirtschafstministeriums unter dem Namen “Gözetim Belgesi” erschienen. Dort wurde eine neue Umsatzsteuer für ausländische Solarmodule definiert, die nach dem 19. Dezember 2015 in die Türkei eingeführt wurden und werden. Als Berechnungsgrundlage für die Zollumsatzsteuer wurde dabei nicht wie sonst üblich die Rechnungssumme zu Rate gezogen, sondern das Gewicht der einzelnen PV-Module. Für jedes Kilogramm Solarmodule wurden 35 US-Dollar als Berechnungssumme definiert. Nach diesem Satz wurden die 18% Zollumsatzsteuer berechnet.

Am 7. Oktober 2016 habe ich in meiner Kolumne in Enerji Günlüğü über dieses Thema geschrieben. Im nachstehenden Artikel möchte ich den Sachverhalt aufgrund der Relevanz für den europäischen Markt auf Deutsch wiedergeben:

 

Die Ausgangssituation:

Am 31. Dezember 1995 haben die Türkei und die EU ein Zollabkommen unterschrieben. Folgender Inhalt wurde darin beschlossen:

  1. Freier Warenverkehr (d.h. Abschaffung von Zöllen und mengenmäßigen Beschränkungen) zwischen beiden Teilen der Zollunion für Waren, die entweder vollständig in der Türkei oder in der EG hergestellt oder dort nach der Einfuhr aus einem Drittland in den freien Verkehr übergeführt wurden. Der gelten besondere Regelungen;
  2. Angleichung des türkischen Zolltarifs an den gemeinsamen Zolltarif der Gemeinschaften, einschließlich der Präferenzregelungen und Harmonisierung handelspolitischer Maßnahmen;
  3. Angleichung des Zollrechts insbesondere im Wege von Beschlüssen des Ausschusses für die Zusammenarbeit (z.B. Beschluss Nr. 1/2001) und gegenseitige Amtshilfe im Zollbereich;
  4. Angleichung anderer Rechtsvorschriften (geistiges Eigentum, Wettbewerb, Steuern,…).

 

Punkt 1 thematisiert den freien Warenverkehr (d.h. Abschaffung von Zöllen und mengenmäßigen Beschränkungen) zwischen beiden Teilen der Zollunion für Waren … und Punkt 2 befasst sich mit der Angleichung des türkischen Zolltarifs an den gemeinsamen Zolltarif der Gemeinschaften, einschließlich der Präferenzregelungen und Harmonisierung handelspolitischer Maßnahmen.

Diese beiden Punkte verbieten rechtlich die Einführung des neuen “Gözetim Belgesi” für europäische Solarmodule. Das türkische Wirtschaftsministerium hat diese Regelung dennoch ohne Berücksichtigung des Zollunionabkommens zwischen der Türkei und der EU eingeführt.

 

Die Änderungen:

Darüber hinaus gibt es noch den Punkt 4, Angleichung anderer Rechtsvorschriften (geistiges Eigentum, Wettbewerb, Steuern,…). Am 25. Juni 2016 wurde für ausländische Photovoltaik-Module das Allgemeine Investitionsförderprogramm beendet. Gemäß dieses Allgemeinen Investitionsförderprogramms, sind bzw. waren Solarmodule laut Verordnung von Zollsteuer und Mehrwertsteuer/Zollumsatzsteuer befreit.

Gerade das Thema “WETTBEWERB” wird nun mit Füßen getreten. Nachdem die Änderung des Allgemeinen Investitionsförderprogramms am 25. Juni 2016 im Amtsblatt erschienen ist, sind europäische PV-Module automatisch benachteiligt gegenüber türkischen Modulen. Dieser Umstand widerspricht dem Zollabkommen von 1995 in Gänze. Türkische Module sind weiterhin von der Mehrwertsteuer befreit, während nicht-türkische Module mit Steuern belastet werden.

 

Die zwei Seiten einer Medaille:

Die türkische Regierung lädt viele europäische Investoren, u.a. im Energiesektor, zum Investieren in der Türkei ein. Die Grundhaltung ist aber folgende: Wir wollen zwar euer Geld, aber nicht eure Waren. Ist das ethisch vertretbar? Doch das ist eine andere Frage.

Dann gibt es noch die finanzielle Unterstützung der EU für die Türkei. Die Europäische Entwicklungsbank (EBRD) finanziert in der Türkei unter der Bezeichnung TurSEFF (mehrere türkische Banken nutzen diese Finanzierungmöglichkeit für Ihre Kunden) erneuerbare Energieprojekte mit günstigen Zinssätzen.

Darüber hinaus gibt es noch das IPARD2 Subventionsprogramm. Dieses Programm soll erneuerbaren Energieprojekten von kleinen Kommunen bis 2020 über 90 Millionen Euro als Subvention zur Verfügung stellen. Dieselbe Summe soll auch für private erneuerbare Energieprojekte in der Landwirtschaft aufgebracht werden. Das gesamte Volumen der IPARD2 Subventionen der EU beläuft sich bis 2020 auf ganze 801 Millionen Euro.

Subventionen und günstige Kredite “JA”, aber eure Module “NEIN”. Ist das ethisch vertretbar?

 

Was wäre, wenn…

In meiner Kolumne habe ich weiterhin über mögliche Risiken geschrieben, u.a. darüber, was passieren könnte, wenn die EU dasselbe mit türkischen Produkten, hauptsächlich Textilien, machen würde. Die türkische Textilindustrie ist einer der Hauptlieferanten des europäischen Bekleidungs- und Sportmarkts. Die führenden europäischen Unternehmen (BOSS, Adidas, Puma, H&M, C&A uvm.) lassen ihre Produkte in der Türkei produzieren. Auch die beiden führenden Firmen für Elektroartikel, Beko und Vestel, liefern hauptsächlich nach Europa. Was wäre, wenn die EU für Elektroartikel und Textilien aus der Türkei Zollsteuern oder andere Arten von Einfuhrbeschränkungen einführen würde? Wie würde die türkische Regierung auf solche Einschränkungen reagieren? Man muss immer beide Seiten der Medaille betrachten.

Einschränkungen seitens der EU in dieser Form würden meiner Meinung nach die türkische Wirtschaft sehr stark in Schwierigkeiten bringen. Man muss sich dazu nur mal die Probleme mit Russland vor Augen führen. In kürzester Zeit hat der Tourismus- und Agrarbereich sehr viel Blut verloren. Bei Einschränkungen seitens der EU gegenüber der Türkei würden die beiden führenden Industriebereiche (Elektro und Textilien) große Einbußen hinnehmen, was bis zu Personalentlassungen führen könnte.

 

Zeit, zu handeln:

Vor all diesen Hintergründen frage ich mich: “Warum hat die Türkei solche Einschränkungen für europäische Photovoltaik-Module eingeführt?

Auf meinen türkischen Artikel gab es bis jetzt leider noch keine Reaktion von Regierungsseiten. Eines steht jedoch fest: Man muss mit den Nachbarn u.a. wirtschaftlich zurecht kommen – und die EU ist mit Griechenland und Bulgarien unser Nachbar. Deswegen ist es jetzt an der Zeit, etwas zu unternehmen…

 

Autor: Hasan Yigit

Titelbild: peter-zurek/shutterstock

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