Vier Fragen an … Ove Petersen, Gründer und Geschäftsführer von GP Joule
Ove Petersen ist einer der Gründer und Geschäftsführer von GP Joule. Der Diplom-Agraingenieur schloss 2000 sein Studium an der Fachhochschule Weihenstephan ab. Der dreifache Familienvater führt zudem seit 2002 ein landwirtschaftliches Unternehmen. Ove Petersen gründete GP Joule 2010 zusammen mit Heiner Gärtner. Beide können bereits auf eine dreizehn Jahre andauernde Zusammenarbeit zurückblicken, aus der schließlich vor drei Jahren GP Joule hervorging.
Milk the Sun: Lieber Herr Petersen, die Liste derer, denen in den letzten Monaten und Jahren ein Ausbremsen der Energiewende vorgeworfen wurde, ist lang. Wie schätzen Sie die klimapolitischen Ergebnisse der letzten Legislaturperiode der schwarz-gelben Regierung ein, der nach Kanzlerin Merkel „erfolgreichsten Bundesregierung seit der Wiedervereinigung“?
Ove Petersen: Zumindest bezogen auf die Klimapolitik halte ich diesen Superlativ für bei weitem übertrieben. Die Bundesregierung hat beim Klimaschutz jeden Elan verloren und für das Thema fühlt sich anscheinend niemand mehr zuständig und verantwortlich. Deutschland ist beim Klimaschutz nicht mehr Vorreiter und Lokomotive, sondern hat sich an einen Zug angehängt, der zunehmend in die falsche Richtung fährt. Die Folgen sind katastrophal: 2012 wurden in Deutschland 2 Prozent mehr klimaschädliche Emissionen ausgestoßen als 2011. Alleine die CO2-Emissionen aus der Braunkohleverstromung sind innerhalb eines Jahres um mehr als 5 Prozent gestiegen. Anstatt das CO2-Reduktionsziel national von 30 auf 40 Prozent anzuheben, hat es die Bundesregierung zugelassen, dass die Energiewende zunehmend zu einem Konjunkturprogramm für Klimakiller verkommt.
Milk the Sun: Unabhängig davon welche Partei nach dem 22.September in den Bundestag einziehen wird und unabhängig von der dann herrschenden Koalition, kommen auf die neue Bundesregierung viele wichtige und prägende energiepolitischen Entscheidungen zu. Was erwarten Sie sich von der Bundesregierung nach den Wahlen?
Ove Petersen: Es muss ein klares Bekenntnis zur Energiewende, zum konsequenten Ausbau erneuerbarer Energien und zum Klimaschutz her. Dafür muss man bereit sein, auch einmal Entscheidungen zu treffen, die zunächst unpopulär erscheinen können oder von Boulevardmedien auch mal kritisiert werden. Dazu zählt, dass die Berechnungsmethodik für die EEG-Umlage verändert werden muss. Wenn die Verursacher klimaschädlicher Emissionen an den damit verbundenen Folgekosten beteiligt werden, wird das System insgesamt gerechter und der Differenzbetrag zu den EEG-Vergütungen sinkt – auch zu Gunsten der Verbraucher. Dafür muss CO2 endlich einen Mindestpreis erhalten, im Zweifelsfall zunächst auch in Folge eines nationalen Alleingangs durch Deutschland als Vorreiter. Einen Mindestpreis von 40 Euro je Tonne ausgestoßenem CO2 halte ich für absolut angemessen, denn die Folgeschäden je Tonne sind wesentlich höher anzusetzen, wie erst neulich wieder Studien nachgewiesen haben. Eine solche Maßnahme würde auch einen positiven Impuls für mehr Innovationen und Investitionen in klimafreundliche Technologien bedeuten. Davon würden die deutschen Unternehmen gerade auch auf internationaler Ebene in besonderer Weise profitieren.
Aber auch wir als Erneuerbare Energien-Branche müssen unsere Hausaufgaben machen: Wir müssen selbstständig und proaktiv Vorschläge dafür entwickeln, wie die erneuerbaren Energien noch günstiger und marktfähiger werden können. GP JOULE hat zum Beispiel vorgeschlagen, die nach EEG zu vergütende Stromerzeugung von Windparks oder PV-Anlagen auf 90 Prozent ihrer Nennleistung zu begrenzen. Das spart enorme Netzausbaukosten und gibt den richtigen Anreiz dazu, EEG-Anlagen immer stärker systemdienlich einzusetzen. Wer dies konsequent weiterdenkt, der wird auch schnell zur Einsicht kommen, dass die dezentrale Speicherung von Energie häufig eine gute, oft auch regional die bessere Alternative zum teuren Netzausbau ist. Wenn dezentrale Energiespeicher nicht mehr länger als Letztverbraucher behandelt werden und deswegen die damit verbundenen Steuern und Abgaben bezahlen müssen, würden sich hier viele Dinge entscheidend beschleunigen. Ein Beispiel: PEM-Elektrolyseure, die flexibel Strom in Form von Wasserstoff speichern und im Bedarfsfall rückverstromen können, haben ohne die Verpflichtung zur Zahlung von Letztverbraucherabgaben die klare Perspektive, bis zum Ende der kommenden Legislaturperiode kostenmäßig voll wettbewerbsfähig zu sein. Auf diese Weise entsteht die Möglichkeit, Stromüberschüsse aus erneuerbaren Energien kosteneffizient zu speichern und bei Nacht und Windstille wieder einzuspeisen. Mit diesem System ist es nur eine Frage der Zeit, wann der Punkt erreicht sein wird, zu dem jedermann einsehen muss, dass wir dann auch keine fossilen Kraftwerke mehr brauchen.
Milk the Sun: Derzeit herrscht eine große Verunsicherung innerhalb der Bevölkerung, wenn es um das Thema Erneuerbare Energien und die damit zusammenhängende Energiewende geht. Der einzelne erstickt in einem Schwall an Pro-und-Anti-Propaganda, was letztendlich lediglich Verunsicherung und Verwirrung zur Folge hat. Es gibt nur wenige Stimmen die zur Ordnung rufen und die Diskussion auf eine sachliche und logische Ebene zurückführen wollen. Wie ist ihr Vorschlag für ein konstruktiveres Vorgehen in diesen Fragen?
Ove Petersen: Einige Punkte habe ich eben schon genannt. Aber den wahrscheinlich elementarsten davon möchte noch einmal hervorheben: Die Energiewende ist die zentrale Maßnahme, über die wir Klimaschutz wirklich wirksam betreiben können und damit nicht nur vernünftig handeln, sondern auch auf die Technologien setzen, die zunehmend die günstigeren und damit auch verbraucherfreundlicheren sind. Aber diesen ein wenig abstrakten Diskurs müssen wir lebhafter und lebensnaher für die Menschen herunterbrechen und darstellen. Auch hierfür möchte ich zwei Beispiele nennen. Erstens: Wenn Sie in den USA 100 Kilometer mit dem Auto fahren, zahlen Sie mindestens genau so viel dafür, als wenn Sie das in Deutschland täten. Das Benzin kostet sie dort zwar nur die Hälfte, aber die Autos dort verbrauchen dort mindestens doppelt so viel Sprit. Wenn Benzin aber scheinbar fast nichts kostet, werden Sie sich kaum Gedanken darüber machen, wie Sie vielleicht Ihr Mobilitätsverhalten ändern könnten, um weniger Geld dafür ausgeben zu müssen und nebenbei auch noch Umwelt und Klima zu schonen. So zahlen am Ende alle drauf: Sie haben hohe Mobilitätskosten trotz niedriger Benzinpreise und der Klimawandel schreitet voran. Das Gleiche gilt für die Debatte in Deutschland: Heute ist noch kaum jemandem bewusst, dass schon 2013 neue PV-Anlagen den Strom günstiger erzeugen als neue Kernkraftwerke. Viele Interessen- und Lobbygruppen versuchen immer noch, der Öffentlichkeit den Blick auf bereits vorhandene Fakten zu verstellen und das konsequente Weiterentwickeln intelligenter Ansätze zu behindern. Aber das wird ihnen immer weniger gelingen. Jeder, der zuhause eine PV-Anlage zur Eigenstromnutzung nutzt, weiß das.
Milk the Sun: Stéphane Hessel bezeichnete den Kampf für eine nachhaltige und feste Umweltpolitik als eine der Hauptaufgaben der Menschen im 21. Jahrhundert. Die Erkenntnisse der Wissenschaft und die Veränderungen des Klimas geben ihm Recht. Dennoch passiert verhältnismäßig wenig, obwohl es letztendlich um die Existenz der menschlichen Spezis geht. Wie ist ihr Standpunkt dazu, dass sich angesichts eines derart dringenden Themas noch immer in politischen und wirtschaftlichen Grabenkämpfen ergeben wird?
Ove Petersen: Die letzten 20 Jahre waren weltweit geprägt von einer Hegemonie des Shareholder Value gegenüber Betrachtungsweisen, die wesentlich nachhaltiger und womöglich auch intelligenter sind. Demzufolge wurde kurzfristigem Gewinnstreben vieles untergeordnet, leider häufig auch die Aspekte, die mit Umwelt- und Klimaschutz zusammenhängen. Hier könnten wir als Gesellschaft und als Staat ein „Sicherungssytem“ installieren, das künftig verhindern helfen könnte, dass Unter-nehmen, aber auch die Politik Entscheidungen treffen, die den Ressourcenverbrauch und damit auch die Umweltzerstörung und den Klimawandel weiter vorantreiben und beschleunigen: Wir sollten den Klimaschutz und die Reduzierung des CO2-Ausstoßes auf null als Staatsziele im Grundgesetz verankern. Diese Ziele sind so elementar wichtig für diejenigen, die das Grundgesetz schützen soll, nämlich die Menschen und die Tiere, die in Deutschland leben, dass sie es absolut verdienen, Verfassungsrang zu erhalten. Denn dann hätte jeder auch das Recht, Gesetze im Bereich der Klima-, Umwelt- und Energiepolitik auf ihre Verfassungskonformität hin überprüfen zu lassen. Wir würden also die Sicherheit dafür schaffen, dass das Recht und der Schutz der Menschen Vorrang vor dem kurzfristigen Gewinnstreben auf Kosten der Nachhaltigkeit hat.
Die Politik wird sicher eine solche Initiative nicht selbst ergreifen. Es braucht also eine gesellschaftliche Basis und Bewegung, die eine derartige Forderung, nämlich Klimaschutz und CO2-Reduktion Verfassungsrang zu geben, in die öffentliche politische Debatte einbringt. Da bin ich optimistisch: Ich denke, die gesellschaftliche Mehrheit, die eine solche Forderung mitträgt, ist heute größer denn je.
Wir bedanken uns bei Herrn Petersen für das Interview.
Im Rahmen der Interviewreihe “Vier Fragen an …” stellt der Milk the Sun Blog bis zur Bundestagswahl am 22.September 30 Tage lang führenden Köpfe aus Wirtschaft, Politik und Medien vier Fragen zu den Erwartungen an die Energiepolitik Deutschlands der zurückliegenden und kommenden Jahre. Bisher interviewten wir Sebastian Bolay (DIHK), Heiko Schwarzburger (Photovoltaik), Corinna Lang (CleanEnergy Project), Patrick Jüttemann (klein-windkraftanlagen.com), Christian Leers (PV-Experte), Robert Schwarz (BTO Management Consulting), Lothar Lochmaier (Freier Journalist), Michael Richter (Sonneninvest AG), Kilian Rüfer (SUSTAINMENT), Udo Schuldt (Blogger), Thorsten Zoerner (Solution Architect), Prof. Dr. Eicke Weber (Fraunhofer ISE), Falko Bozicevic (GoingPublic Magazin), Carsten Körnig (Solarwirtschaft e.V.), Denis-Mariel Kühn (EGBB), Doreen Brumme (Freie Journalistin), Erhard Renz (sonnenfluesterer.de), Sabine Eva Rädisch (Autorin und Bloggerin), Bart Markus (Wellington Partners), Prof. Volkmar Liebig (avesco Financial Services AG), Dr. Tim Meyer (Grünstromwerk GmbH), Alexander Fehr (Fehrdeal & Energieblogger), Thomas Nasswetter (Ritter Gruppe und Blogger), Dr. Stefan Dietrich (Windwärts Energie), Sylvia Pilarsky-Grosch (BWE), Holger Ruletzki (Parabel AG), Franz Alt (Journalist), Arne Horn (DZ-4), Dr. Bernd Köhler (Phoenix Solar), Björn-Lars Kuhn (Proteus Solutions & Energieblogger), Cornelia Daniel-Gruber (Journalistin und Bloggerin)