Erneuerbare-Energien-Gesetz Posts

Das Spiel der Bundesregierung mit EEG-Umlagen und Netzentgelte

Mehr Betriebe als jemals zuvor beantragen die Befreiung von der EEG-Umlage für 2014. Eine Studie der Grünen ergab zudem, dass viele Unternehmen die Netzentgelte im nächsten Jahr nicht zahlen werden. Die Kosten werden auf den Privatverbraucher und kleine Unternehmen umgelagert.

Auf den privaten Verbrauchen kommen im Jahr 2014 wohl bis zu 6 Milliarden Euro an zu stützenden Gesamtumlagen zu. iStockphoto.com©Mehmet Hilmi Barcin

2014 wird wohl für viele private Haushalte und kleinere Unternehmen aus strompreislicher Sicht ein eher kostspieliges Jahr. Insgesamt müssen voraussichtlich über 5 Milliarden Euro Umlagen kompensiert werden, die durch Ausnahmeregelungen für Unternehmen und Industriebetreiber anfallen.

Doch der Reihe nach: Am 01. Juli berichtete Spiegel Online, dass eine Studie durch das Form Ökologisch-Soziale Marktforschung im Auftrag der Grünen Bundestagsfraktion ergab, dass die Netzentgelte-Umlagen im kommenden Jahr voraussichtlich rund 1 bis 1,2 Milliarden Euro Kosten verursachen werden. Bereits für 2013 sind Kosten von 805 Millionen Euro durch die Umlage zu erwarten.

Eigentlich hätten die Privilegien für energieintensive Unternehmen im kommenden Jahr gekürzt werden sollen. So jedenfalls hatte es das Düsseldorfer Landesgericht entschieden, als es im März feststellte, dass die vollständige Befreiung von der Netzentgelte verfassungswidrig sei. Ein entsprechendes Gesetz zur Änderung der bisherigen Privilegienregelung erließ die Bundesregierung bereits im Mai. Unternehmen die in 7000 Stunden mehr als 10 Gigawatt Strom verbrauchen, sollen demnach nur 10 bis 20 Prozent der Netzentgelte zahlen. Ziel ist es die Wettbewerbsfähigkeit dieser Industriezweige im internationalen Vergleich zu schützen. Zu diesen Industriezweigen zählen zum Beispiel die Stahl- und Chemieindustrie. „Zusätzlich erhalten Abnehmer mit einer zeitlich begrenzten hohen Leistungsaufnahme“ große Rabatte auf die Netzentgelte, so berichtet die Studie des FÖS. Zu solchen Abnehmern gehören zum Beispiel auch Golfplätze.

Am 05. Juli verabschiedete der Bundesrat das Gesetz zur Neuregelung der Netzentgelte. Die Studie des FÖS geht allerdings nicht davon aus, dass es eine große Entlastung der privaten Haushalte geben wird. Die FÖS begründet dies mit der hohen Zahl an Anträgen auf Rabatten, die in diesem Jahr eingegangen sind. Wenn die Höhe der Netzentgelte also im kommenden Jahr gleich bliebe, würden sich die Privilegien weiterhin auf 805 Millionen Euro summieren.

Es sei allerdings von einem Anstieg der Netzentgelte auszugehen, so die Studie. Grund dafür sind unter anderem die Investitionen in den Anschluss von Offshore Windparks an das Stromnetz und der Stand-by-Betrieb von eigentlich stillgelegten Kraftwerken. Das FÖS geht von einem Anstieg des Strompreises von 0,6 bis 1,2 Cent pro Kilowattstunde aus. Mit der Verteuerung der Netzentgelte wird auch das Volumen der Rabatte größer. FÖS errechnet das sich die Umlagen daher zwischen 80 und 160 Millionen Euro bewegen werden.

Hinzu kommen laut der Studie, die für die Verbraucher anfallenden Nachzahlungen für das Jahr 2012. Die Umlagen deckten damals nicht die Kosten. Der so entstandene Fehlbetrag soll 2014 wieder reingeholt werden. Hier geht die FÖS-Studie von 150 bis 200 Millionen Euro aus. Im Gegensatz zur Verteilung der Rabatte bei den EEG-Umlagen, sei das Verfahren bei der Netzentgelte äußerst intransparent, so das FÖS. Was zu dem zweiten großen Kostenpunkt 2014 führt: die EEG-Umlagen.

Die EEG-Umlagen dienen der Energiewende als Motor. Dabei wird den Anbietern von grünem Strom ein Abnahmepreis zugesichert. Die Differenz zwischen dem Fest- und dem Marktpreis zahlen alle Verbraucher per Umlage über ihre Stromrechnung. Wie die Süddeutsche Zeitung heute Morgen berichtete, werden so viele Unternehmen wie noch nie 2014 eine Entlastung von der EEG-Umlage beantragen. Die Zahl der Anträge sei derart hoch, so Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler, dass sein Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (Bafa) 50 neue Stellen schaffen müsse, um der Antragsflut Herr zu werden. Nach Angaben der Bundesregierung hätten bis zum Stichtag Anfang Juli 2367 Unternehmen einen Antrag auf die Befreiung von der EEG-Umlage erbeten. Das sind ganze 312 Unternehmen mehr als noch im letzten Jahr. Dies beträfe, so die Süddeutsche, auch 3458 Abnahmestellen, wie zum Beispiel Fabriken. 2013 waren das noch 3184. Die postalisch eingegangenen Anträge seien in diesen Zahlen noch gar nicht erfasst.

Wenn die Anträge der Unternehmen angenommen werden, stehen Vergünstigungen für 119 300 Gigawatt Strom zur Debatte. 2013 sind es bereits 107 000 Gigawatt. Damit würden die Unternehmen rund 5 Milliarden Euro Stromkosten sparen. Dieser Betrag müsste umgelagert werden auf all jene, die keine Befreiung von den EEG-Umlagen beantragen konnten oder durften. Das heißt neben einigen kleineren Unternehmen eben vor allem private Haushalte. Dabei hatte sich doch Bundesumweltminister Peter Altmeier (CDU) zum Ziel gesetzt, die Ausnahmen für Unternehmen zu beschränken, dafür aber private Haushalte zu entlasten. Die EEG-Umlagen sollten nicht steigen.

Ursprünglich waren die Ausnahmen von den Umlagen dafür gedacht, Unternehmen vor dem internationalen Konkurrenzdruck zu schützen. Kritiker führen an, dass jedoch vermehrt Unternehmen von den Ausnahmen profitierten, die gar nicht dem internationalen Konkurrenzdruck ausgesetzt sind, also zum Beispiel Straßenbahnbetriebe, Schlachthöfe oder Geflügelmäster. Hans-Josef Fell, energiepolitischer Sprecher der Grünen Bundestagsfraktion, sieht die Verantwortung bei der schwarz-gelben Bundesregierung: „Sie hat bisher nichts dafür getan, dass diese ausufernden Privilegien für die Industrie zurückgefahrenen werden, sondern weitet sie sogar weiter aus.“

Doch die Regelung aus Deutschland, die hiesige Privilegierung von deutschen Unternehmen, stößt in Brüssel auf ein missfallendes Echo. Wirtschaftliche Konkurrenten und EU-Nachbarstaaten haben sich bereits über den unfairen Protektionismus bei der EU beschwert. Das Rabattsystem könnte also den Unternehmen in Deutschland noch teuer zu stehen kommen, sollte in Brüssel die Entscheidung getroffen werden, dass die geflossenen Gelder unrechtmäßig waren und erstattet werden müssen.

Der private Stromverbraucher hat indes wenig von all dem. Ihm bleiben die Kosten, die 2014 auf ihn zukommen und die irgendwie kompensiert werden wollen.

 

Quellen: dradio.de, FAZ-Online, Spiegel-Online, Süddeutsche-Online, Zeit-Online,

 

Mandy Ouw im Interview: „Wir befinden uns immer noch inmitten einer schwierigen Marktkonsolidierungsphase, mit der auch Deutschland stark zu kämpfen hat.“

 Die Germany Trade & Invest (GTAI) ist eine dem Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie zugeordnete Bundes-GmbH. Am 1. Januar 2009 zusammengeführt aus der Bundesagentur für Außenwirtschaft und der Invest in Germany GmbH, widmet sich die GTAI dem Marketing für den Standort Deutschland und versorgt darüber hinaus deutsche Unternehmen mit Informationen zu Auslandsmärkten. Mandy Ouw ist Manager im Bereich Solarenergie, Photovoltaik bei GTAI.

Mandy Ouw ist Managerin im Bereich Solarenergie und Photovoltaik bei der Germany Trade & Invest (GTAI)

Im Interview mit Milk the Sun erklärt Frau Ouw die Aufgaben der GTAI und welche Möglichkeiten die GTAI im Bereich der erneuerbaren Energien hat.

Milk the Sun: Sehr geehrte Frau Ouw, Germany Trade & Invest – wofür steht das Unternehmen? Was sind allgemein die Aufgaben des Unternehmens?

Ouw: Als Wirtschaftsförderungsgesellschaft des Bundes haben wir primär zwei Aufgaben: Zum einen unterstützen wir deutsche Unternehmen bei ihrem Auslandsgeschäft mit umfassenden Außenwirtschaftsinformationen zu fast allen Märkten dieser Welt. In unserer Datenbank kann man kostenlos auf Markt- & Branchenanalysen sowie Wirtschafts- & Steuerrechtsinformationen zu über 125 Ländern zugreifen. Zum anderen betreiben wir Standortmarketing und Investorenanwerbung für Deutschland.

Milk the Sun: Sie sind Manager im Bereich Solarenergie und Photovoltaik bei GTAI. Wofür genau sind Sie zuständig?

Ouw: Als Projektmanager im Bereich Investorenanwerbung unterstütze ich ausländische Unternehmen bei Ihrer Ansiedlung in Deutschland, um dadurch letztlich neue Arbeitsplätze in Deutschland zu schaffen. Durch die Aufteilung in verschiedene Branchen-Teams wie u. a. Chemie, Maschinenbau, Gesundheit oder Erneuerbare Energien sind wir in der Lage besonders branchenspezifisch zu beraten. Für ausländische Investoren bieten wir ein breites Spektrum an kostenlosen Services an wie zum Beispiel projektbezogene Unterstützung in Rechts- & Steuerfragen, Beratung über Förder- & Finanzierungsmöglichkeiten, Organisation von Standortbesuchen sowie Kontaktanbahnung mit Partnern oder Netzwerken. Darüber hinaus veröffentlichen wir regelmäßig aktualisierte Publikationen mit Brancheninformationen. Für die Solarbranche können bspw. diverse Unternehmensübersichten sowie Marktberichte auf unserer Webseite runtergeladenen werden.

Milk the Sun: Zu ihren Aufgaben gehört auch die Vermarktung deutscher Standorte für Unternehmen im Bereich der Solarenergie. Welche Vorteile bietet Deutschland trotz und in der aktuellen schwierigen Lage der Branche hier? Welche Themen sind gefragt?

Ouw: Keine Frage, wir befinden uns immer noch inmitten einer schwierigen Marktkonsolidierungsphase, mit der auch Deutschland als weltgrößter Photovoltaikmarkt stark zu kämpfen hat. Erheblicher Preisdruck, weltweite Überkapazitäten und sinkende Einspeisetarife stellen die Branche vor große Herausforderungen. Trotzdem gibt es neben all den Schwierigkeiten auch besonders positive Entwicklungen, die neue Chancen und erfolgsversprechende Geschäftspotentiale mit sich bringen, vor allem in Deutschland.

Durch die stark gefallenen Anlagenpreise hat sich die Photovoltaik in die Wettbewerbsfähigkeit katapultiert, mithin ist Solarstrom heute deutlich günstiger als Strom vom Energieversorger. Für innovative Dienstleistungen wie neue Finanzierungs- und Leasingkonzepte, Energiehandel und neue Kraftwerksbetreibermodelle eröffnet sich damit ein enormes Wachstumspotential – sowie vor allem auch für technologische Innovationen im Bereich von Speicherlösungen, Demand-Side-Management und Smart Homes.

Deutschland ist Technologieführer und Wegbereiter im Bereich der erneuerbaren Energien. Auch in diesen neuen Innovationsbereichen werden hierzulande heute die Industriestandards von Morgen entwickelt, getestet und optimiert. Dazu bietet Deutschland eine einzigartige Förderlandschaft, die insbesondere im Bereich F&E eine Vorreiterrolle einnimmt.

Milk the Sun: Fast jedes europäische Land besitzt mittlerweile ein Unternehmen, das dieselben Aufgaben wie Ihres übernimmt. Kommt es dabei auch zu direkten Konkurrenzsituationen im Werben um Firmen?

Ouw: Natürlich versucht jedes Land mit schlagkräftigen Argumenten neue Investoren zu werben. Und so gesehen kommt es auch sehr oft zu Konkurrenzsituationen unten den verschiedenen Wirtschaftsförderungsgesellschaften. Deshalb steht für uns die professionelle Beratung im Vordergrund mit dem Anspruch, dem potentiellen Investor bestmöglich mit Rat und Tat während seines gesamten Investitionsvorhabens zur Seite zu stehen. Glücklicherweise verfolgen aber viele Wirtschaftsförderungsgesellschaften auch das Ziel, die heimische Industrie bei Exporten und Auslandsengagements zu unterstützen. So gibt es neben Konkurrenzbereichen auch viele Kooperationsebenen.

Milk the Sun: Arbeitsplätze schaffen – das ist das große Ziel hinter GTAI. In der Photovoltaik-Branche ging die Zahl der Beschäftigten erstmals zurück. Was sagen Sie dazu? Wo liegen die Gründe, welche Möglichkeiten zum Gegensteuern gibt es?

Ouw: Das sind leider die realwirtschaftlichen Folgen der viel zitierten „Marktkonsolidierung“, an denen auch wir in Deutschland nicht spurlos vorbeikommen. Die PV-Industrie hat in den letzten Jahren einen enormen Wirtschaftsboom durchlebt, mit einem extrem schnellem Wachstum. Umso härter schlägt sich nun diese Marktkonsolidierung darnieder. Viele Marktbeobachter gehen jedoch davon aus, dass sich Angebot und Nachfrage bereits 2014/2015 einpendeln und so für eine entsprechende Preisstabilität sorgen könnten. Wir sehen zudem neue Marktchancen und Geschäftsmodelle in den Bereichen PV-Dienstleistungen und Systemintegration (mit Hilfe von Speichertechnologien, Smart Homes etc.), so dass wir die Photovoltaik insgesamt weiterhin als klare Wachstumsbranche betrachten.

 

Wir bedanken uns bei Frau Ouw für das Gespräch.

Meinung: Kann ein deutschlandweiter Blackout durch einen Netzausbau verhindert werden?

Seit dem Atommoratorium 2011 existiert das Szenario eines bundesweiten Blackouts, sollte sich einmal zur Gänze auf erneuerbare Energien verlassen werden. Die Energie ist zwar ausreichend, erreicht die nötigen Stellen aber nur unzureichend. Der Ausbau des Stromnetzes scheint in diesem Zusammenhang denkbar einleuchtend. Er wird allerdings noch zu halbherzig vorangetrieben. Stattdessen werden alte Kraftwerke subventioniert und sich mit „Dunkeldeutschland“ einer überholten Begrifflichkeit bedient.

Die logische Konsequenz aus dem Ungleichgewicht an Stromverfügbarkeit in Nord und Süd, ist der Netzausbau. iStockphoto.com©delectus

Zwei Wochen nach dem Beschluss der Bundesregierung, den Ausstieg aus der Atomenergie bis 2022 abzuschließen, äußerte sich der damaligen RWE-Chef Jürgen Großmann im Juli 2011 vor einigen Aktionären zu dem Thema mit folgenden Worten: „Um einen bundesdeutschen Blackout zu vermeiden, kann es notwendig sein, einzelne Regionen in Süddeutschland, etwa in der Größe des Großraums Stuttgart, dunkel zu schalten.“

In diesem angedachten Szenario müssen ganze Regionen Deutschlands zeitweise auf Strom verzichten. Die Versorgungssicherheit ist in einem solchen Fall nicht mehr gewährleistet. Eine derartige Situation trat zum Beispiel am 25. und 26. März 2013 ein. In einer von der Bundesnetzagentur veröffentlichten Studie wird betont, dass auf zwei 360-KilovoltTrassen in Thüringen und Hessen das n1-Kriterium, also die Absicherung für den Ausfall einer Leitung, nicht mehr erfüllt werden konnte. Die Bundesnetzagentur verdeutlicht, dass „die Verbindung aus hoher Einspeisung aus Windkraft-und Photovoltaikanlagen von bis zu knapp 30 Gigawatt am 25. März 2013, vorwiegend im nördlichen Deutschland, und einer hohen Nichtverfügbarkeit konventioneller Kraftwerke im Süden“ für diesen Missstand verantwortlich war. In der Folge mussten Windkraftanlagen mit einer Einspeiseleistung von 1390 Megawatt gestoppt werden. Es gab schlichtweg zu viel Strom für zu wenige Leitungen.

Derlei Beispiele und die Angst vor dem totalen Stromausfall veranlasste die schwarz-gelbe Bundesregierung dazu, einen hochdiskutablen Eingriff vorzunehmen – es war nicht der erste, man denke an den Energie Soli von Herrn Altmeier. Demnach dürfen Systemrelevante aber unrentable Kraftwerke nicht mehr stillgelegt  werden, sondern müssen gegen Entschädigung in Betrieb bleiben. Die dadurch entstehenden Kosten für die Stand-by-Kraftwerke werden anschließend auf das Netzgeld beim Strompreis aufgerechnet.

Das ewige Gespenst eines deutschlandweiten Blackouts geht weiterhin um. In diesem Zusammenhang kam von journalistischen Stellen in den letzten Tagen der Begriff „Dunkeldeutschland“ ins Spiel. Dieser ist ein Relikt aus der Wendezeit, diente als Schmähung bestimmter Gebiete in den neuen Bundesländern und ist in diesem Zusammenhang gänzlich unangebracht.

Es spricht natürlich einiges gegen die aktuelle Richtung der schwarz-gelben Energiepolitik. Zum einen liegt der international anerkannte SAID (der System Average Interruption Duration Index) mit 15,31 Minuten im Jahr 2011, unter dem von der Bundesnetzagentur errechneten Mittelwert von 17,44 min für die Zeit von 2006-2010. Das heißt 2011 gab es nicht mehr Stromausfälle als zuvor.

Zum anderen ist es in der aktuellen Entwicklung hin zu erneuerbaren, nachhaltigen Energien wie Windkraft oder Photovoltaik nicht ratsam unnötig zögerlich vorzugehen. Es existiert genug erzeugte Energie, lediglich das Netz reicht nicht aus, um diese entsprechend zum Verbraucher, vom windigen Norden in den Energiebedürftigen Süden zu leiten.

Die Lösung, der Ausbau der Leitung und des Stromnetzes, wird nicht ohne einen finanziellen Aufwand verwirklicht werden können. Allerdings wäre dieser auch nicht höher, als die derzeitigen Eingriffskosten von rund 100 Millionen Euro pro Jahr, dafür aber nachhaltiger.

Quelle: heise.de

Rainer Brohm im Interview: „Die momentan viel diskutierten Mengenmodelle sind am Ende im Vergleich zum EEG Planwirtschaft pur.“

Rainer Brohm ist Leiter des Bereiches „Politik und Internationales“ beim Bundesverband Solarwirtschaft e.V. (BSW-Solar). Derzeit arbeitet er unter anderem verstärkt am Thema „Entwicklung politischer Rahmenbedingungen für neue Geschäftsmodelle der Photovoltaik (EEG 2.0)“. Milk the Sun sprach mit ihm über Herausforderungen und Ansprüche in Bezug auf ein neues Einspeisevergütungsgesetz.

Rainer Brohm arbeitet als Leiter des BSW-Solar am Thema „Entwicklung politischer Rahmenbedingungen für neue Geschäftsmodelle der Photovoltaik (EEG 2.0)“

Milk the Sun: Sehr geehrter Herr Brohm, derzeit muss das aktuelle Erneuerbare-Energien-Gesetz Kritik von fast allen Seiten einstecken. Zu Recht?

Brohm: Das EEG ist ein bewährtes Instrument, sonst wäre es weltweit nicht ein so großer Exportschlager geworden. Immer mehr Länder kopieren die „Blaupause“ aus Deutschland, weil sie wissen, dass sie mit einem Einspeisetarifsystem ein äußerst kosteneffizientes Förderinstrument nutzen können. Bislang hat noch kein Gegenmodell, seien es Ausschreibungsmodelle, Quotensysteme oder Grünstromzertifikate in der praktischen Umsetzung den Beweis antreten können, effektiver hinsichtlich der Wirkung auf den Erneuerbaren-Ausbau oder kosteneffizienter als ein EEG mit Einspeisetarif zu sein. Die politische Debatte in Deutschland hat sich derzeit leider ein Stück weit von diesen Fakten losgelöst. Es wird fast krampfhaft nach einer „marktwirtschaftlichen“ Lösung gesucht. Die Erneuerbaren sollen also „endlich“ in den Markt integriert werden. Das verkennt natürlich vollkommen, dass wir erst einmal diesen Markt, der gar nicht für große Anteile Wind- und Solarenergie geschaffen wurde, grundsätzlich reformieren müssen. Wir müssen also ein passendes Energiemarktdesign für die Erneuerbaren finden statt sie in ein nicht zukunftsfähiges Marktkorsett hineinzuzwängen.

Und ganz nebenbei, die momentan viel diskutierten Mengenmodelle – also der Ansatz z.B. über Ausschreibungen regional und spartenspezifisch festgelegte Ausbaumengen vorzugeben – sind am Ende im Vergleich zum EEG Planwirtschaft pur. In dieser Debatte drängt sich der Eindruck auf, dass hier ein Weg gefunden werden soll, den Ausbau auszubremsen und zu deckeln und nicht ihn zu befördern. Angesichts der klima- und energiepolitischen Notwendigkeiten und der eigentlichen Ziele der Energiewende erscheint das absurd.

Kritikwürdig ist das EEG aber durchaus an einigen Stellen: Die Lastenteilung bei den EEG-Kosten muss wieder auf eine faire Basis gestellt werden. D.h. konkret, die inzwischen ausgeuferte Umlage-Befreiung für die Industrie wieder auf ein sachgerechtes und gesundes Maß zurück zu fahren. Darüber hinaus müssen der EEG-Berechnungs- und der Ausgleichsmechanismus angepasst werden. Momentan profitieren einige Wenige vom Merit-Order-Effekt der Wind- und Solarstromeinspeisung, beim Privatkunden kommt von diesen Vorteilen der Erneuerbaren hingegen nichts an. Diese Profite müssen im Markt ausgeglichen und angemessen eingepreist werden. Außerdem würden sich viele Vorteile ergeben, wenn der EEG-Strom wieder stärker von den dezentralen Stromvertrieben und Grünstromvermarktern direkt in den Markt integriert würden – hier könnte man dann tatsächlich von Marktintegration sprechen – und nicht mehr nur ausschließlich über die Börse abverkauft würde, was allenfalls eine Handelsintegration aber keine echte Marktintegration darstellt.

Und selbstverständlich muss man immer auch über die Effizienz und Angemessenheit der Einspeisetarife sprechen. Das gehört zur Grundidee des EEG. Für die Photovoltaik muss man hier allerdings feststellen, dass die Schraube schon über die Schmerzgrenze hinaus gedreht wurde. Wir sehen ja am Markt die Probleme insbesondere bei den mittleren und großen Anlagen, die teilweise noch über den Eigenverbrauch die hohen monatlichen Degressionen kompensieren können, aber insbesondere dort wo kein ausreichender Eigenverbrauch möglich ist, in große Schwierigkeiten kommen.

Milk the Sun: Einer der zentralen Punkte, warum das bisherige EEG so erfolgreich den Bau von Erneuerbaren Energien antrieb, ist der Einspeisevorrang. Muss er erhalten bleiben?

Brohm: In jedem Fall! Der Einspeisevorrang ist eine zentrale Voraussetzung dafür, dass wir in dieser sensiblen Übergangsphase vom EEG-Einspeisetarif in eine zunehmende Unabhängigkeit vom EEG-Tarif nicht ins Trudeln kommen oder gar einen Fadenriss riskieren. Solange der Eigenverbrauch und neue Geschäftsmodelle für die Photovoltaik noch nicht alleine tragen und die Refinanzierbarkeit von Anlageninvestitionen ausreichend gesichert ist, müssen wir am Einspeisevorrang und der garantierten Einspeisevergütung festhalten.

Milk the Sun: Neue Geschäftsmodelle der Photovoltaik – an welche Geschäftsmodelle dachten Sie bei der Auswahl dieses Themas?

Brohm: Hier geht es zunächst um verschiedene Modelle des erweiterten Eigenverbrauchs und der Direktvermarktung, vor allem also die Versorgung Dritter mit Solarstrom in mehr oder weniger großer räumlicher Nähe. Solche Nahstrom- oder lokalen Direktvermarktungskonzepte wollen wir fördern bzw. die Rahmenbedingungen hierfür schaffen. Das beginnt schon mit der Solarstromversorgung von Mietern in Mehrfamilienhäusern und im Geschosswohnungsbau. Hier besteht Bedarf für rechtliche Klarstellungen und Anpassungen, damit sich standardisierte Geschäftsmodelle entwickeln können. Das betrifft weiterhin Stromliefermodelle im privaten und gewerblichen Bereich und hier dann nicht nur Dachanlagen sondern auch den Freiflächenbereich. Hier gibt es Probleme beim Übergang von der bisher im EEG vorgesehenen Versorgung Dritter im Rahmen des sogenannten „solaren Grünstromprivilegs“ hin zur Belieferung von Verbrauchern über das öffentliche Netz. Hier sind solche Konzepte mit zahlreichen Hürden in Form von Energieversorgerpflichten sowie entsprechenden Steuern und Abgaben konfrontiert, die letztlich die Rentabilität durch direkte oder administrative Kosten belasten. Der BSW-Solar bietet übrigens ganz aktuell einen Leitfaden zur Stromlieferung mit einem Musterstromliefervertrag und weiteren Hilfestellungen an, er kann über eine BSW-Internetseite bezogen werden.

Zweitens geht es beim Thema neue Geschäftsmodelle auch darum, die konkreten Vorteile und Systemdienstleistungen, die PV-Anlagen ggf. auch in Kombination mit Batteriespeichern bereit stellen können, in vermarktbare Produkte zu übersetzen. So können PV-Anlagen mit der Intelligenz der Wechselrichter und moderner Steuerungselektronik heute u.a. Regelenergie und technische Systemdienstleistungen wie aktive Blindleistungsbereitstellung, Spannungshaltung etc. anbieten. Das sind wertvolle Leistungen, die im Netz einen großen Nutzen haben. Die bestehenden Märkte z.B. im Falle der Regelenergie, sind aber bisher gar nicht zugänglich für die Photovoltaik. Andere Märkte, wie die für Systemdienstleistungen bestehen noch gar nicht. Der BSW-Solar koordiniert übrigens gerade ein EU-weites Projekt zur Identifizierung solcher technischer Lösungen zur verbesserten Systemintegration der Photovoltaik – PV GRID. Hier zeigt sich, dass viele Netzbetreiber sehr interessiert sind, solche Funktionen und Systemdienstleistungen zu nutzen.

Und drittens geht es auch um die Anpassung oder Weiterentwicklung der bestehenden Marktmechanismen im EEG. Die vieldiskutierte Marktprämie wird auch von PV-Anlagenbetreibern immer stärker genutzt – rund 3,5 GW PV-Leistung partizipieren hier bereits. Das Modell hat aber viele Schwächen und scheint nicht geeignet für die „Marktintegration“ der Photovoltaik. Auch hier stehen wir im Dialog mit den Direktvermarktern und versuchen bessere Konzepte zu finden.

Insgesamt haben wir uns das Ziel gesetzt, Vorschläge für die Beförderung von neuen Geschäftsmodellen für die Photovoltaik und die Erneuerbaren insgesamt rechtzeitig für die nächste Novelle des EEG und weiterer energiepolitischer Rahmenbedingungen in der nächsten Legislaturperiode vorzulegen.

Milk the Sun: Von Seiten der Unterstützer der Erneuerbaren Energien ist immer wieder zu hören, dass die Förderungen der Erneuerbaren stetig angegriffen werden, während nicht über spezielle Umlagen gezahlten Subventionen für konventionelle Energieträger kaum Beachtung geschenkt wird. Besteht das Problem tatsächlich? Wie lässt sich diesem Problem gegenübertreten?

Brohm: Natürlich wird sehr gerne mit dem mahnenden Finger auf die „teure Subvention“ EEG und weiteren Förderungen für die Erneuerbaren gezeigt. Dabei wird  einerseits der Nutzen der Erneuerbaren ausgeblendet – schon ist der Nutzen der Erneuerbaren größer als die Kosten der Förderung, würde man einfach mal die gesamten gesellschaftlichen Kosten von Kohle, Gas und Atom in die Rechnung einbeziehen. Vernachlässigt wird dabei auch die Frage, was die Alternativen denn sein sollen? Weiter machen wie bisher – mit weiter horrend steigenden Energiekosten? Weiter auf die Verbrennung fossiler Energieträger setzen und die Klimaziele vollends abschreiben?  Letztlich steht hinter dieser Kostendebatte doch auch ein Verteilungskampf in der Energiewirtschaft. Diejenigen dich noch nicht oder erst jetzt merken, dass den Erneuerbaren die Zukunft gehört und noch keinen Weg gefunden haben, an dieser Entwicklung teilzuhaben und auch zu profitieren, wollen den Ausbau bremsen. Es gibt auch noch immer einige, die glauben das Rad wieder zurück drehen zu können. So wird dann immer wieder die Kostenangst geschürt, bis hin zum Bundesumweltminister, der Billionenbeträge in den Raum stellt und damit dem Bürger die Lust nimmt, sich weiter wie bisher beim Thema Energiewende zu engagieren. Ich bin sicher, dass dies nicht gelingen wird – dafür ist Energiewende schon zu fest auch als Bürgerbewegung verankert – aber es ist schon sehr verstörend. Grundsätzlich streitet niemand ab, dass der Umstieg auf Erneuerbare Energien so kosteneffizient und sozial verträglich wie möglich gestaltet werden muss und auch der Industriestandort Deutschland weiter im internationalen Wettbewerb bestehen muss. Aber die hohen Ansprüche werden eben gerne nur bei den Erneuerbaren gestellt und oft auch mal der Teufel an die Wand gemalt wo man eigentlich besser sachlich über gute Lösungen diskutieren sollte.

Milk the Sun: Welche Punkte umfasst ihre aktuelle Arbeit noch? Welche Probleme stellen sich Ihnen, was erfordert sehr spezielle Lösungen?

Brohm: Wichtig ist es, die Solarenergie mit ihren spezifischen Eigenschaften und Vorteilen – vor allem die Dezentralität und Verbrauchsnähe und damit verbunden viele Möglichkeiten einen Netz- und Systemnutzen zu liefern – noch stärker im Gesamtkontext der Energieversorgung zu diskutieren. Es gilt aufzuzeigen, dass wir zusammen mit der Windenergie den eigentlichen Kern und das „Leitsystem“ für die Energieversorgung der Zukunft stellen werden. Aktuelle Studien wie die 100%-Studie des Fraunhofer-ISE in Freiburg zeigen doch, dass die Photovoltaik zukünftig einen gewaltigen Beitrag auch über den Strombereich hinaus leisten wird. In diesem Modell, dass ich immer wieder gerne zitiere, leistet die Photovoltaik in den verschiedenen Szenarien einen Leistungsbeitrag von 180 bis 240 GW für Strom, Wärme und Mobilität in Deutschland. Und die positive Grundbotschaft ist: Das System wird nicht teurer sein, als das heutige. Für den Weg dorthin und auch für die damit verbundenen gesellschaftlichen Anschubkosten müssen wir eben heute Mut aufbringen und das große Engagement der vielen Tausend Bürgerinnen und Bürger nutzen und weiter unterstützen.

 

Wir danken Herr Brohm für das Gespräch.

Cem Özdemir im Interview: „Es geht nicht darum, die erneuerbaren Energien an den Markt anzupassen, sondern der Markt muss auf die erneuerbaren Energien ausgerichtet werden.“

Seit 2008 ist Cem Özdemir Bundesvorsitzender der Grünen. Der im schwäbischen Bad Urach geborene Politiker nimmt im Gespräch mit Milk the Sun Stellung zur gescheiterten Reform des Emissionshandels, zum Ausbau der Erneuerbaren Energien in Deutschland und zu den Zielen der Grünen für die Zukunft der deutschen Energiepolitik.

Der Vorsitzende der Grünen, Cem Özdemir, auf einer Pressekonferenz am 4. Juni 2010 in Berlin. (Photo by Steffen Kugler/Getty Images)

Milk The Sun: Herr Özdemir, die Reform des Emissionshandels ist durch die EU verhindert worden. Welchen Einfluss hat das auf die deutsche wie auch europäische Klima- und Umweltpolitik?

Özdemir: Konservative und Liberale haben im Europäischen Parlament die dringend erforderliche Reparatur des europäischen Emissionshandels gestoppt. Nicht einmal den Minischritt eines Backloading, also einer kurzfristigen Verknappung von Emissionsberechtigungen, wollten die Parteifreunde der deutschen Regierungsfraktionen mitgehen. Damit bleibt das zentrale Instrument der EU-Klimapolitik auf absehbare Zeit ohne Wirkung. Der Preis für Verschmutzungsrechte ist auf rund 3 Euro je Tonne CO2 eingebrochen – das ist viel zu wenig, um Anreize für Investitionen in saubere Technologien zu setzen.

Die Folgen sehen wir schon jetzt: Die Braunkohle boomt, während hocheffiziente Gaskraftwerke stillstehen. Die deutschen CO2-Emissionen steigen wieder an. Auch die EEG-Umlage steigt, weil Wind- und Sonnenstrom mehr Unterstützung brauchen, um mit der künstlich verbilligten Kohle konkurrieren zu können. Dem Energie- und Klimafonds der Bundesregierung fehlen Milliarden, die für die Finanzierung der Energiewende und den internationalen Klimaschutz eingeplant waren.

Für den Niedergang des Emissionshandels trägt Bundeskanzlerin Merkel maßgebliche Verantwortung. Bundeswirtschaftsminister Rösler hat die Emissionshandels-Reform offen bekämpft.

Wir Grünen treten ein für die überfällige Anhebung des EU-Klimaziels auf mindestens 30 Prozent Emissionsminderung bis 2020. Wir wollen eine deutliche Verknappung der Verschmutzungsrechte, um das Überangebot an Zertifikaten dauerhaft aus dem Markt zu nehmen. Und wir wollen eine grundlegende Reform des Emissionshandels, die auch die Einschränkung der Zufuhr billiger und ökologisch fraglicher Zertifikate aus China und Indien einschließt.

Milk the Sun: Strompreisbremse, EEG 2.0, Netzausbau – die Energiepolitik in Deutschland steht am Scheidepunkt. Welche Hebel kann die Politik ansetzen, damit die Energiewende weiter geht und gelingt?

Özdemir: Das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) ist der Motor der Energiewende. Es bietet Investoren Sicherheit und hat hunderttausende Privathaushalte und Landwirte zu Stromerzeugern gemacht

Allerdings hat die schwarz-gelbe Bundesregierung während ihrer Regierungszeit ausufernde  Ausnahmen von der EEG- Umlage für industrielle Großunternehmen verteilt. Das belastet vor allem die BürgerInnen sowie klein- und mittelständische Unternehmen. Wir wollen das EEG von unnötigen Kosten befreien und die Lasten fair zwischen allen Stromverbrauchern aufteilen. Der Erfolg der Erneuerbaren Energien hat alle in seiner Geschwindigkeit überrascht. Das EEG muss an die veränderten Herausforderungen angepasst werden: Die Vergütungssätze und Boni müssen konsequent auf den Prüfstand, um überzogene Renditen zulasten der Stromverbraucherinnen und -verbraucher zu verhindern und für alle Beteiligen mehr Transparenz zu schaffen. Strom aus Biomasse, Wasserkraft oder Geothermie soll künftig bedarfsorientiert zum Ausgleich schwankender Wind- und Solarstromerzeugung produziert werden. Die Vergütung soll sich künftig daher aus zwei Bestandteilen zusammensetzen – einem Festpreis und einem variablen, am Marktpreis orientierten Anteil.

Wir müssen jedoch auch über die Gestaltung des gesamten Strommarktdesign nachdenken. Der bestehende Strommarkt ist für die Vergütung von Wind- und Sonnenstrom gänzlich ungeeignet und bietet schon heute keine hinreichenden Anreize zur Schaffung benötigter Erzeugungskapazitäten mehr. Gleichzeitig können aufgrund der sinkenden Auslastung selbst neue hochflexible und -effiziente Gaskraftwerke nicht mehr wirtschaftlich betrieben werden, geschweige denn das es Anreize für neue Anlagen gibt.

Es geht daher nicht darum, die erneuerbaren Energien an den Markt anzupassen, sondern der Markt muss auf die erneuerbaren Energien ausgerichtet werden. Er muss durch andere Marktstrukturen ergänzt werden, die Beiträge zu Versorgungssicherheit, Klimaschutz und Netzstabilität belohnen. Stromnetze, Kraftwerke und Stromnachfrage müssen an die volatile Stromeinspeisung angepasst, neue Speichertechnologien erforscht und eingesetzt werden.

Es gibt noch zwei zentrale Herausforderungen was die Rahmenbedingungen der Energiewende angehen: Zum einen macht der darniederliegende Emissionshandel es notwendig, dass wir mit einem nationalem Mindestpreis für CO2 vorangehen, der Anreize schafft alte Kohlekraftwerke stillzulegen und in Klimaschutz zu investieren. Zum anderen brauchen wir bei den Netzen einen koordinierten Ausbau und eine gesicherte Finanzierung. Mittelfristig brauchen wir deshalb eine Deutsche Netzgesellschaft in öffentlicher Hand, an der sich auch die Bevölkerung beteiligen kann.

Milk the Sun: Der Netzausbauplan, den Philip Rösler vor einigen Wochen präsentierte, wurde von vielen überschwänglich gelobt, von anderer Seite gab es massive Kritik, er sei überdimensioniert und unnötig teuer. Was sagen Sie dazu?

Özdemir: Rösler hat das Thema unverantwortlich lange schleifen lassen! Seit acht Jahren tragen Wirtschaftsminister von der Union und der FDP in der Bundesregierung die Verantwortung. Die katastrophale Bilanz beim Netzausbau: Von 2000 Kilometern sind gerade mal 268 verwirklicht. Mit dem Netzentwicklungsplan wurde endlich ein für den Netzausbau koordiniertes und transparentes Verfahren auf Bundesebene angestoßen.

Um die Akzeptanz der Bevölkerung nicht unnötig zu strapazieren, sollte sich der Ausbau der Stromnetze grundsätzlich am Notwendigen orientieren, und nicht an Maximallösungen. Die Übertragungsnetzbetreiber haben mit dem Netzentwicklungsplan aber eine genau solche Maximallösung vorgelegt! Außerdem sind die Bürgerbeteiligungsverfahren zu schnell und zu undurchsichtig durchgezogen worden.

Milk the Sun: Die Photovoltaik ist derzeit die größte regenerative Energiequelle in Deutschland. Der Zubau an Freiflächen-Anlagen nimmt zwar ab, doch  eine steigende Anzahl an Privatleuten erkennt den Nutzen ihrer eigenen Dachflächen für die Stromerzeugung durch Photovoltaik. Wie sieht die Zukunft der Photovoltaik im Programm der Grünen aus?

Özdemir: Die Energieversorgung in Deutschland soll vor allem auf Wind und Solar beruhen. Binnen einem guten Jahrzehnt hat sich der Solarstromanteil in Deutschland von rund 0,01 auf heute über 4 Prozent erhöht. Im letzten Jahrzehnt ist in Deutschland eine neue innovative Branche entstanden, in der heute rund 130 000 Menschen arbeiten und in der jährlich rund 10 Mrd. Euro investiert werden. Deutschland hat zudem auf der Grundlage der rot-grünen EEG-Förderung eine Technologieführerschaft im Solarmarkt erreicht.

Allerdings erlebt die deutsche Solarindustrie in den letzten Monaten handfeste Schwierigkeiten. Die weltweite Produktionskapazität von Solarmodulen liegt aktuell mit 60 Gigawatt deutlich über der Nachfrage von rund 27 GW. Die Lager sind gefüllt, die Preise sinken. Die Produktion wird vielerorts gedrosselt, die Forschung in vielen Unternehmen zurückgefahren oder gar gestoppt. Statt zu helfen, hat die Bundesregierung in dieser schwierigen Ausgangslage eine drastische Kürzung der Vergütung für Solarstrom und teilweise sogar eine Beendigung von Vergütungszahlungen für künftig erzeugten Solarstrom beschlossen.

Wir wollen Anreize für die stärkere Netzintegration erneuerbarer Energien schaffen und  im EEG einen Speicherbonus einzuführen. Außerdem werden wir eine Forschungsoffensive starten und das Forschungsprogramm „Innovationsallianz Photovoltaik“ deutlich aufstocken. Damit sollen die technologischen und wirtschaftlichen Potenziale im Bereich System- und Gebäudeintegration, Produkt- und Prozessinnovationen sowie Speichertechnologien besser erschlossen werden. Dies soll aus Mitteln der wirtschaftlich wie energiepolitisch völlig erfolglosen Forschungsunterstützung für die Kernfusion gegenfinanziert werden.

Wir Grünen haben dazu am 23. Mai im Bundestag einen Antrag  „Energiewende sichern – Solarwirtschaft stärken“ eingereicht.

Milk the Sun: Sind Strafzölle auf chinesische PV-Module gerechtfertigt?

Özdemir: Die EU-Kommission hat temporäre Strafzölle von durchschnittlich 46 Prozent auf chinesische PV-Module vorgeschlagen. Die Zölle sollen auf die chinesischen Produkte und Lieferanten individuell zugeschnitten sein, so dass auch höhere Zwangsabgaben möglich sind. Allerdings hat der größte Teil der europäischen Solarunternehmen, etwa 500 die sich in der Initiative AFASE organisieren, die Initiative von Anfang an strikt abgelehnt.

Auch wir halten diese Form des neuen Protektionismus für den verfehlten Ansatz. Statt Strafzöllen brauchen die europäischen Modulhersteller eine aktive Industriepolitik, die die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Solarbranche stärkt.

Die EU Kommission und die deutsche Bundesregierung haben es verpasst, mit der chinesischen Regierung, aber auch mit Indien, den USA u. a., unverzüglich und auf höchster Ebene Gespräche über die Schaffung fairer Wettbewerbsbedingungen, gegenseitig freier Marktzugänge und die Einhaltung der Regeln der World Trade Organisation aufzunehmen.

Milk the Sun: Bundesumweltminister möchte die Stromkosten gering halten und schlug dafür eine Strompreisbremse vor. Zudem erklärte er, dass die Energiewende bis zu einer Billion Euro kosten könne. Wie bewerten Sie das aktuelle Vorgehen des Ministers?

Özdemir: Die von Peter Altmaier sogenannte Strompreisbremse war keine, sondern eine reine Ausbaubremse für den Ausbau der Erneuerbaren Energien. Allein ihre Ankündigung hat in der Branche und bei den Unternehmen zu existentieller Verunsicherung geführt und  zehntausende Arbeitsplätze in Deutschland gefährdet. Das Ende von Altmaiers ‚Ausbaubremse‘ geht auch auf den Widerstand der rot-grünen Länder zurück. Sie hatten wiederholt auf die Gefahren von rückwirkenden Eingriffen in Bestandsanlagen und von umfangreichen Vergütungskürzungen hingewiesen.

Peter Altmaier gibt keine Antwort auf die drängenden Fragen nach einem künftigen Strommarkt, nach Kapazitätsmärkten. Offen bleibt auch die Frage, welche Betriebe künftig wieder die EEG-Umlage bezahlen sollen, damit nicht Pommes-Fabriken und die Massentierhaltung von Stromkunden subventioniert werden.

Die eine Billion Euro Kostenbehauptung von Altmeier war reine Panikmache um gegen das Erneuerbare Energien Gesetz zu mobilisieren.

Eine Studie des Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft im Auftrag von Greenpeace Energy und Bundesverband Erneuerbare Energie hat gezeigt: Der Bundesumweltminister hat sich mit seiner Billion Euro Kostenbehauptung verrechnet – und zwar nicht nur ein bisschen!

Milk the Sun: Welches realistische Ziel sehen Sie und sehen die Grünen für die Energiewende? Ist eine 100%-Versorgung möglich? Bis wann?

Özdemir: Derzeit liegt der Anteil der Erneuerbaren Energien bei 25%. Bereits 2030 wollen wir unseren Strom zu 100 Prozent erneuerbar produzieren. Im Gebäude- und Wärmebereich streben wir eine Umstellung möglichst bis 2040 an. Dazu wollen wir bis zum Jahr 2022, wenn spätestens die letzten Atomkraftwerke vom Netz gehen, mindestens die Hälfte der Stromversorgung aus Erneuerbaren Energien decken.

 

Wir bedanken uns bei Herrn Özdemir für das Gespräch.

 

Merkel wünscht sich Reform des EEGs in neuer Legislaturperiode

Bundeskanzlerin Angela Merkel wünscht sich für die kommende Legislaturperiode eine bessere Verzahnung des EEGs mit Netzausbau und Kraftwerksreserven. Der bisherige Einspeisevorrang soll allerdings weiterhin bestehen bleiben.

An dem Einspeissevorrang von erneuerbaren Energien soll nicht gerüttelt werden. reichstag

Laut pv-magazine wird die Bundesregierung, geht es nach dem Willen Angela Merkels, auch in der kommenden Legislaturperiode an dem Erneuerbaren-Energien-Gesetz festhalten. Demnach sieht die Kanzlerin die Energiewende als Chance für Deutschland international als gutes Beispiel voranzugehen und zusätzlich den Beweis zu erbringen, dass ein Industrieland durchaus mit nachhaltiger, erneuerbarer Energieversorgung versorgt werden kann.

Trotz dessen wünscht sich Merkel eine Reform des EEG. „Die Systeme können nicht völlig voneinander entkoppelt nebeneinander existieren, sondern müssen verzahnt werden – auch bei dem Stand, den wir schon heute beim Ausbau der erneuerbaren Energien haben“, so Merkel am Montag auf dem Deutschen Verbrauchertag in Berlin. Demnach solle zwar an dem Einspeisevorrang für erneuerbare Energien festgehalten werden, doch sei eine bessere Verknüpfung von Investitionen in Netze, nachhaltige Energieversorgung, Speichertechnologien und ähnlichem notwendig. Man müsse auf die verschiedenen Interessen in den verschiedenen Regionen Deutschlands besser eingehen, so Merkel und rief zu einem Miteinander von Bund und Ländern auf. Es müssten in den norddeutschen Bundesländern, die eine große Windkraftkapazität besäßen, zwar ganz andere Interessen berücksichtigt werden als in den süddeutschen Ländern, in denen vor allem eine hohe Photovoltaikleistung erzielt würde, doch sei eine Zusammenarbeit unerlässlich.

Auch wenn es sich bei dem Einspeisevorrang laut Merkels Darstellung um das Rückgrat des EEGs handelt, regt sich Widerstand von Seiten verschiedener FDP- und Unionspolitiker. Diese erhoffen sich von einer Abschaffung des Einspeisevorrangs eine Verhinderung des Anstiegs der EEG-Umlagen. Damit ist der von Merkel gewünschte Haltung der Bundesregierung zu dieser Frage bei weitem nicht sicher.

Quelle: pv-magazine

 

„Bundeswirtschaftsministerium ist Ministerium für Effizienzverhinderung“: Interview mit Ulrich Kelber

Ulrich Kelber ist stellvertretender Fraktionsvorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion. Er ist verantwortlich für die Bereiche Umwelt, Nachhaltigkeit, Verbraucherschutz und Landwirtschaft. Milk the Sun befragte ihn zu aktuellen Themen rund um die Energiewende.

Energiewende und Energieeffizienz stehen auch im Fokus der SPD

Ulrich Kelber, stellvertretender Bundestags-Fraktionsvorsitzender der SPD © Frank Ossenbrink

Milk the Sun: Sehr geehrter Herr Kelber, der Ausdruck „Energiewende“ ist weltweit zu einem Begriff für den zielgerichteten Umstieg von fossiler auf nachhaltige Energiegewinnung. Wie schätzen Sie den derzeitigen Stand der Energiewende in Deutschland ein?

Kelber: Kernstück der Energiewende sind ein funktionierendes EEG, der Atomausstieg und eine ambitionierte Steigerung der Energieeffizienz. Der Atomausstieg ist (nun hoffentlich endgültig) geregelt. Das EEG funktioniert und sorgt so dafür, dass der Zubau an erneuerbaren Energien erfolgt.  Das wird in den nächsten Jahren – bei sinnvollen Korrekturen im Detail – so bleiben. Die Energieeffizienz ist dagegen ein Trauerspiel. Das zuständige Bundeswirtschaftsministerium ist faktisch ein Ministerium für Effizienzverhinderung und ein Dauerblockierer für sinnvolle Regelungen in der Europäischen Union.

Milk the Sun: Für Diskussionen sorgte in den letzten Tagen verstärkt die EEG-Umlage. Muss das EEG, und wenn ja in welcher Form, weiter geführt werden? Ist eine solche gesonderte Umlage für die Energiewende gerechtfertigt?

Kelber: Die EEG-Umlage für das Jahr 2013 schleppt eine Reihe von zum Teil einmaligen Sondereffekten mit, die vermeidbar waren:  Dazu zählen verschobene Kosten aus dem Vorjahr, zusätzliche Kosten wegen der erweiterten Begünstigung von Unternehmen und die unsägliche Marktprämie. Im kommenden Jahr  rechne ich trotz des Zubaus im Bereich der erneuerbaren Energien daher sogar mit einem leichten Sinken der EEG-Umlage. Und darauf kommt es an: Den Kosten für das EEG muss ein Mehrwert gegenüberstehen – 25 % Anteil an der Stromerzeugung zeigen das. Zudem: Der Kraftwerkspark muss in jedem Fall erneuert werden. Machte man das mit Kohle und Gas, wäre es nicht günstiger – aber weniger umweltfreundlich bei mehr Energieimporten und weniger  Beschäftigung bei uns im Land.

Milk the Sun: Viele Unternehmen werden von der EEG-Umlage in großem Maße befreit. Die Liste der befreiten Unternehmen wird dabei länger und länger. Was halten Sie von den Befreiungen?

Kelber: Die SPD tritt dafür ein, dass die Begünstigung wieder im Grundsatz auf die Regelung aus 2009 zurück geführt wird. Zur Erinnerung: Bereits die große Koalition hatte die Regelung verändert und damit für die tatsächlich betroffenen Unternehmen erleichtert. CDU und FDP haben das noch einmal ausgeweitet und damit zu Lasten der normalen Stromkunden überreizt – wie bei so vielen Dingen.

Milk the Sun: Wie sehen Sie den Netzausbauplan? Ist die Größe des Netzausbaus gerechtfertigt? Wird der Netzausbau den Bedürfnissen der Energiewende gerecht?

Kelber: Der Netzausbau ist nötig. Wenn Windstrom dazu beitragen soll, AKW-Strom zu ersetzen, führt daran kein Weg vorbei. Die Fragen aber sind: Muss das alles durch Neubau geschehen?  Kann man mit dezentraleren Konzepten den Bedarf verringern? Zudem ist ein erheblicher Anteil der Kosten nur der Ersatz für technisch veraltete Anlagen. Und ohne einen Ausbau hätten wir andere Kosten: Vermehrte Abregelung von erneuerbaren Anlagen, zusätzliche Eingriffe in den Betrieb von Kraftwerken und mehr Einsatz von Ausgleichsenergie. Nichtstun kostet also auch – bringt aber keinen Zugewinn.  Ein intelligenter Netzausbau ist also sinnvoll und kostengünstig.

Milk the Sun: Welche Hebel können von der Politik in Kraft gesetzt werden, um Speicherproblemen bei der Produktion von Strom wie z.B. über Photovoltaik-Anlagen entgegen zu wirken?

Kelber: Auf mittlere Sicht geht es nicht um den breiten Einsatz von Speichern: Zunächst transportieren wir mit dem Netzausbau den Strom dorthin, wo er gebraucht wird. Speicher wären demgegenüber viel teurer und nicht in entsprechenden Größenordnungen verfügbar. Das wird sich ändern: Je mehr der erneuerbar erzeugte Strom zunimmt und je weniger fossile Kraftwerke als Ausgleich zur Verfügung stehen sollen, desto mehr brauchen wir Speicher. Die nächsten Jahre geht es in erster Linie darum, die verschiedenen Technologien zu entwickeln und Kosten zu senken.

Die SPD will Photovoltaik weiter über das EEG fördern

Kelber: "EU-Recht wird verwässert und Effizienzpotenziale verschenkt."

Milk the Sun: Auch die Energieeffizienz rückt stärker denn je in den Fokus. Müssen die Richtlinien für energieeffizientes Bauen geändert und verstärkt werden? Welche Möglichkeiten sehen Sie, um Fortschritt bei der Energieeffizienz voranzutreiben?

Kelber: Es wäre ja schon geholfen, wenn in Deutschland wenigstens das geltende EU-Recht ordentlich umgesetzt würde. Die Bundesregierung unternimmt das Gegenteil: EU-Recht wird verwässert und Effizienzpotenziale verschenkt. Wir müssen die Geschäftsmodelle im Energiemarkt ändern: Heute verdienen Unternehmen Geld mit dem Absatz von Mineralöl und Erdgas. Zukünftig sollen die Maßnahmen für mehr Effizienz und Energiesparen anbieten – wir nennen das „Negawatt statt Megawatt“. Aus den Energiehändlern von heute werden Energiedienstleistungsunternehmen. Das EU-Recht schafft dazu die Grundlage – die Bundesregierung hintertreibt das auf allen Ebenen.

Milk the Sun: In diesem Jahr stehen Bundestagswahlen an. Welche vorrangigen Ziele im Bereich der Energiewende möchte die SPD Wählern und Wählerinnen für die nächste Legislaturperiode vermitteln?

Kelber: Die Ziele sind seit vielen Jahren unverändert: Energie  muss umweltfreundlich,  die Versorgung sicher und die Kosten möglichst günstig sein. Mit Atomkraft hat da nichts zu tun. Der Preis für fossile Energie geht im Kern  nur nach oben. Da macht es Sinn, frühzeitig Geld in die Kostensenkung bei den Erneuerbaren zu stecken. Denn eines darf man nicht tun: Günstige Kosten mit niedrigen Preisen verwechseln. Wer das tut, legt die Hände in den Schoß. Das kommt auf Dauer viel teurer, als wenn wir jetzt handeln.

Wir bedanken uns bei Herrn Kelber für das Gespräch.

Franz Alt im Interview: „Atomstrom ist ein Verbrechen an der Schöpfung“

Viele Stunden seiner Zeit widmet Franz Alt dem Schreiben, Recherchieren und Werben für Erneuerbare Energien und die Energiewende. Als langjähriger Fernsehjournalist, Rundfunkreporter und Buchautor hat er über Jahre hinweg Erfahrungen und Informationen gesammelt, die ihn zu einem wichtigen Ansprechpartner auch von Politik und Wirtschaft zum Thema Energiewende und Erneuerbare Energien machten und machen. Auf seiner Homepage sonnenseite.com hält er seine Leser mit aktuellen Berichten und Beiträgen zu seinen Tätigkeiten und zur Energiewende auf dem Laufenden. Für Milk the Sun steht er Rede und Antwort.

Zuhause besitzt Franz Alt eine eigene Photovoltaik-Anlage

Franz Alt

Milk the Sun: Sehr geehrter Herr Alt, im April 1986 kritisierten sie in einem offenen Brief an Helmut Kohl die CDU und deren Umgang mit der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl sowie deren Festhalten an der Kernenergie. Zwei Jahre später verließen Sie die Partei. Jetzt hat Deutschland mit der CDU den Atomausstieg beschlossen. Was denken Sie sich dabei im Rückblick auf Ihre damalige Forderung und die Entwicklung von heute?

Alt: Die CDU hat wohl Fukushima gebraucht, um endlich zu begreifen, was schon mit Tschernobyl zu begreifen gewesen wäre. Atomstrom ist ein Verbrechen an der Schöpfung, das ganze Landstriche unbewohnbar macht. Aber ich bin auch froh, dass die CDU es mittlerweile begriffen hat und den Atomausstieg initialisiert hat. Es hätte aber 25 Jahre früher sein können.

Milk the Sun: Sie haben schon früh eine solare Revolution gefordert, Ihre Homepage heißt nicht grundlos sonnenseite.com. Was fasziniert Sie so besonders an der Möglichkeit, mit der Sonne Strom und Wärme für den Privatgebrauch zu erzeugen?

Alt: In meinem neuen Buch „Auf der Sonnenseite – Warum uns die Energiewende zu Gewinnern macht“, das im März erscheint, beantworte ich unter anderem genau diese Frage. Die Sonne ist die größte Energiequelle aller Zeit. Und sie ist kostenlos. Wir müssen nicht mal mehr Gebäude bauen, in Deutschland stehen genug Gebäude. Wir müssen nur die Dachflächen nutzen. Eineinhalb Prozent der Fläche Deutschlands mit Solaranlagen würden ausreichen, um Deutschland zu 100 Prozent mit Energie zu versorgen. Und so viel benötigen wir nicht mal, da es auch noch andere Erneuerbare Energien gibt, dir wir sinnvoll nutzen können.

Die Sonne schickt uns pro Sekunde 15.000-mal so viel Energie wie wir verbrauchen können. In Indien werden bereits 10.000 Dörfer mit Solarstrom versorgt. Ausschließlich. Diese Dörfer werden mit 100 Prozent Erneuerbaren versorgt. Und das ist auch in Afrika möglich, und in Südamerika.

Solarenergie, Photovoltaik und Windkraft sind für Franz Alt eine Selbstverständlichkeit

Erscheint im März: Das neue Buch von Franz Alt

Milk the Sun: Die Energiewende in Deutschland schreitet voran, Deutschland baut auf Solaranlagen und Windräder. Glauben Sie, dass Deutschland zum guten Vorbild werden kann, auch für Länder wie Frankreich, in denen Erneuerbare Energien ein sehr schweres Standing haben?

Alt: Als ich damals noch Berater für die Bundeskanzlerin Merkel war, sagte sie nach einem Treffen mit dem damaligen französischen Präsidenten Sarkozy zu mir, dass Sarkozy ihr Vorwürfe mache wegen des Atomausstiegs. Es würde ihn die Wahl kosten. Genau so kam es ja dann auch.

Ich glaube, dass wenn wir in Deutschland die Energiewende schaffen, dass die Welt nachziehen wird. Sie tut es jetzt schon. Niemand will technologisch zurückfallen. Erneuerbare Energien sind die Zukunftstechnologien schlechthin. Wer sich dauerhaft von fossilen Energien lösen kann, hat riesige ökonomische Vorteile. Und Deutschland ist Weltführer in den Technologien Windenergie, Solarenergie und Biogas. Das haben auch andere Länder begriffen. China investiert 200 Mrd. US-$ in Erneuerbare, die USA dank Obama mittlerweile 80 Mrd. US-$. Deutschland 60 Mrd. US-$.

Unser Bundeswirtschaftsminister Rösler stellt sich hin, lehnt sich zurück und ruht sich auf den Lorbeeren aus, um gleichzeitig die alte Phalanx der großen Energiekonzerne zu schützen. Das ist nicht langfristig gedacht, das ist kurzfristig gedacht und wird den grauenhaften Folgen des Klimawandels, der viel schneller voranschreitet, als wir noch vor Jahren dachten, nicht gerecht.

Milk the Sun: Zahlreiche Änderungen stehen auch dem EEG bevor. Ist es richtig, die Förderungen weiter zu kürzen? Welche Maßnahmen müsste das neue EEG Ihrer Meinung nach beinhalten/ welche Ziele müsste es umfassen?

Alt: Damit das EEG weiterhin Erfolg hat, muss eines erhalten bleiben: Das Privileg der vorrangigen Einspeisung der erneuerbaren Energien. Dann geht es weiter mit diesen Energien. Wir haben seit 2000 eine Steigerung des Anteils der Erneuerbaren von fünf auf 25 Prozent geschafft – dank des EEG. 57 Länder weltweit haben ähnliche Gesetze erlassen. Unter anderem China und Indien, die Supermächte von morgen. Dieses Privileg ist gerechtfertigt, denn Ökostrom ist der gesellschaftspolitisch wertvollere Strom, weil er keine Folgekosten nach sich zieht.

Ich habe schon immer gesagt, dass die Einspeisevergütungen weniger werden müssen. Fünf Prozent pro Jahr, wie es ursprünglich vorgesehen war, das war gut. Dass dann gerade unser aktueller Bundeswirtschaftsminister Rösler wie auch unser ehemaliger Bundesumweltminister Röttgen die Förderungen bei Solar um bis zu 50 Prozent kürzen, war der Todesstoß für einen großen Teil der Solarbranche. Solche Radikalkürzungen konnte die Branche natürlich nicht verkraften. Das war ein klarer Dienst an der Atombranche. Reduktion mit Augenmaß, das ist okay. Aber keine Radikalschläge.

Milk the Sun: Ein weiteres aktuelles Thema ist der Netzausbau. Der Bundesnetzagentur wird dabei vorgeworfen (unter anderem von Prof. Dr. Jarass in Frontal21), sie habe mit dem Netzausbauplan die Interessen der fossilen Energieproduzenten umgesetzt und einen Plan entwickelt, der deutlich über den Bedarf der Erneuerbaren Energien hinausgeht.

Alt: Da ist etwas dran. Der Ausbau darf nicht zu gigantisch werden. In Süddeutschland, in Bayern und Baden-Württemberg wird kein Windstrom aus Norddeutschland gebraucht. Auch in Süddeutschland gibt es Wind. In dieser Frage stimme ich dem Ministerpräsidenten Bayerns, Horst Seehofer (CDU) zu: Zehn bis 20 Prozent des Strombedarfs in Bayern können von eigenen Windrädern gedeckt werden. Die Bauern, die Handwerker, die Ingenieure in Bayern sollen diese Windräder aufstellen. Der Netzausbau ist wichtig, aber er muss mit Augenmaß betrieben werden.

Offshore-Windparks unterstützen nur wieder die alten Strominteressen. Offshore-Windparks sind zentral, sie wirken der Energiewende entgegen. Das ist eine Strukturfrage. Die Zukunft der Energiegewinnung ist dezentral, regional. Das ist Preiswerter, und das Tolle ist: Sonne und Wind stellen Ihnen keine Rechnung. Aber es gibt eben keine RWE-Sonne und keinen E.ON-Wind. Deshalb wehren sich die großen Energiekonzerne dagegen. Selbiges gilt für dieses riesige Vorhaben in Afrika, Desertec. Mein Desertec heißt Dächertec. Wir haben alle Voraussetzungen dafür, hier in Deutschland.

Milk the Sun: Aktuelle repräsentative Umfragen zeigen, dass die Kern- und die Kohleenergie in Bevölkerung eine katastrophale Reputation aufweisen. Wünschen Sie sich manchmal mehr Engagement und Einsatz der Bürger – oder mehr Mitspracherecht in solchen Fragen?

Alt: Ja. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass Aufklärung hilft, Vorurteile abzubauen. Wir brauchen mehr Aufklärung. Wer keinen Atomstrom will, braucht eben Alternativen, wie Windräder. Wenn man mit den Leuten darüber spricht, lernen sie, dass Windräder eine der passenden Alternativen sind. Man kann nicht gegen Atomstrom und gleichzeitig auch gegen Windräder sein.

Milk the Sun: Sehen Sie Probleme auf die Energiewende und die Erneuerbaren Energien zukommen in Bezug auf Speicherprobleme?

Alt: Da haben wir noch Nachholbedarf, das stimmt. Aber Wissenschaftler auf der ganzen Welt arbeiten daran und machen riesige Fortschritte. Einige Stichworte dazu: Batterien, Pumpspeicher, Druckluftspeicher, Wasserstofftechnologie. Sie alle werden besser und effizienter. Blockheizkraftwerke. Zu der Power to Gas – Technologie sagten mir Forscher des Fraunhofer-Instituts, dass mit der Umwandlung von Strom zu Methan genug Gas produziert werden könnte, um Deutschland vier Monate lang mit Strom versorgen zu können. Vier Monate, einen ganzen Winter. Natürlich brauchen wir dafür neue Leitungen und größere Speicher. Aber die Technologie ist da. Bis in 20 Jahren kann Deutschland 100 Prozent seiner Energie aus Erneuerbaren gewinnen. Das ist realistisch.

Milk the Sun: Welchen Wunsch hat Franz Alt an Politik und Wirtschaft für das kommende Jahr und den Fortgang der Energiewende in Deutschland?

Alt: Ich wünsche mir, dass Politik und Wirtschaft nicht so kurzfristig denken. Die Folgen der fossilen Energiegewinnung werden ausgeklammert. Eine Frage, die ich dabei gerne stelle, ist: Was kostet ein Pförtner, der eine Millionen Jahre Atommüll bewachen muss? Was passiert mit dem ganzen Atommüll den wir produzieren?

Wirtschaft und Politik müssen endlich langfristig denken. Langfristige Ökonomie ist nur mit Erneuerbaren Energien sinnvoll zu gestalten.

 

Wir bedanken uns bei Franz Alt für das Gespräch.

Strompreiserhöhungen: Vorwand Energiewende

Im Schnitt rund zwölf Prozent mehr müssen Verbraucher im kommenden Jahr für ihren Strom bezahlen. Offenbar deutlich mehr, als durch die Energiewende erklärt werden kann.

Verbraucherschützer weisen darauf hin, dass die Energiekonzerne durch die angekündigten Erhöhungen des Strompreises 2,1 Milliarden Euro zu viel von ihren Kunden verlangten. Laut Bund der Energieverbraucher e.V. wäre eine Preissteigerung von sechs bis acht Prozent mit Verweis auf staatliche Mehrkosten wie die erhöhte EEG-Umlage nachvollziehbar.

Dass der Strom aufgrund der Erneuerbaren Energien allerdings mittlerweile deutlich günstiger zu kaufen ist, ist indes beim Endverbraucher auf der Stromrechnung nicht zu erkennen. Stattdessen haben die Versorger ihre Margen erhöht. Die Kostensenkungen werden also nicht an den Kunden weitergegeben.

Um sich gegen zu hohe Strompreise zur Wehr zu setzen, empfiehlt der Bund der Energieverbraucher entweder, dem Versorger schriftlich das Recht auf Preiserhöhungen streitig zu machen, oder aber, und dazu rät auch das Kartellamt, den Versorger zu wechseln.

Quelle: Bund der Energieverbraucher e.V.

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