DESERTEC: Solarenergie aus der Wüste

In der Wüste Marokkos entsteht derzeit die Pilotanlage des DESERTEC-Projektes. Doch mittlerweile wird bei der technischen Umsetzung nicht mehr ausschließlich auf solarthermische Kraftwerke gesetzt. Immer häufiger kommen die Initiatoren des solaren Wüstenprojektes auf die Photovoltaiktechnologie zurück.

In Marokko wurde der erste Spatenstich zum DESERTEC Projekt getan. iStockphoto.com©delectus

DESERTEC ist derzeit eines der ambitioniertesten Großprojekte im Bereich der erneuerbaren Energien. Mit seinem Gelingen verbindet Europa langfristige Hoffnungen. So soll zum Beispiel bis 2050 ein Fünftel des europäischen Strombedarfs von Solaranlagen aus Nordafrika und dem Nahen Osten abgedeckt werden. Doch was 2003 vom Club of Rome und dem Jordanischen Energieforschungszentrum als Trans-Mediterranean Renewable Energy Cooperation (TREC) als zukunftsweisendes Energiekonzept erdacht wurde, hat in den letzten Monaten eine ganze Menge Rückschläge hinnehmen müssen.

Aus TREC wurde die gemeinnützige Stiftung DESERTEC Foundation, die 2009 schließlich die Dii GmbH (DESERTEC Industrial Initiativ) gründete, ein Zusammenschluss aus DESERTEC und derzeit fast 50 Großunternehmen, unter ihnen unter anderem Eon, RWE und die Deutsche Bank. Vor einem halben Jahr jedoch sprangen mit Siemens und Bosch zwei große Zugpferde vom Projekt ab. Im Oktober 2012 schied Siemens aus. Bei dem Industrieriesen verlor man das Interesse an Solarenergieprojekten und sieht seitdem seine Zukunft in Windkraftanlagen. Boschs Ausstieg folgte im November 2012. Die Tochterfirma Bosch Rexroth, über die das Unternehmen engagiert war, machte finanzielle Schwierigkeiten.

Trotz dieser schlechten Vorzeichen, sieht es derzeit scheinbar nicht schlecht für DESERTEC aus. Im Mai erfolgte der Spatenstich für die erste Testanlage des Projekts in der marokkanischen Wüste. Mit diesem gelangte DESERTEC vom geistigen Reißbrett in die Sphären eines tatsächlichen Großprojektes. Das war nötig, auch um der Abwanderung von weiteren Projektpartnern entgegen zu wirken und um endlich verwertbares in der Praxis erprobtes Datenmaterial der Solaranlagen zu generieren. Insbesondere die Frage, ob man sich bei dem Großprojekt im Wüstensand lieber auf solarthermische oder photovoltaik Technik verlassen sollte, muss aufgeklärt werden. Hierfür ist die Erhebung von praxisnahen Daten unentbehrlich. Die „Testanlage“, die eigentlich keine reine Testanlage ist, könnte diese benötigten Daten liefern.

Solarthermische Anlagen besitzen den Vorteil, dass sie die am Tage gewonnene Wärme mittels Salzwassertanks des Nachts speichern können. Eine Vorrichtung die PV-Anlagen bisher noch nicht aufweisen können. Dafür sind diese wesentlich störungsresistenter. Ihre Oberflächen zerkratzen nicht so leicht wie die Oberflächen der Spiegel der solarthermischen Anlagen. PV-Systeme kommen ohne Stellmotoren aus und benötigen vor allem kein Wasser. Ein Gut, das in der Wüste kaum mit Gold aufzuwiegen ist.

Über die Eignung für den Einsatz in der Wüste könnte auch das kürzlich in Saudi-Arabien eröffnete Solarkraftwerk wertvolle Praxiserfahrungen liefern. Derzeit sind verlässliche Daten über die langfristige Wüstennutzung von Solarmodulen im großen Stil rar. Doch auch wenn die bisherigen Forschungsergebnisse der Wissenschaftler und Solarenergieproduzenten bisher vielversprechend sind, dass sich das solarthermische Verfahren im heißen Wüstensand durchsetzt oder dass es sogar zu einer Koexistenz der beiden Systeme kommt, ist bei weitem nicht auszuschließen.

Sicher ist lediglich, dass das Interesse an der Gewinnung von Solarenergie in den Ländern der MENA-Region derzeit groß ist. So soll bis 2015 der Mark für PV und solarthermische Kraftwerke (CSP) dort bis zu 3,5 Gigawatt (GW) erreichen, bis 2017 soll der Ausbau der Kapazitäten sogar 10 GW übersteigen. Vorreiter dabei sind vor allem Saudi-Arabien, die Türkei, Ägypten und eben auch Marokko. Es findet ein Umdenken in der Region statt. Nicht zuletzt im Angesicht der Möglichkeit des Versiegens der heimischen Ölreserven und der anwachsenden Bevölkerung. Die Nachfrage nach Strom wird nicht geringer und die Notwendigkeit eine Alternative zu schaffen immanenter.

Für das Gelingen des DESERTEC-Projektes in der EU-MENA Region (Europe – Middle East, North Africa) ist das Zusammenwirken der verschiedenen Verfahrensweisen zur Gewinnung erneuerbarer Energien unerlässlich. In einer Studie, die das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) von 2004 bis 2007 durchführte wird eben jenes Szenario des Zusammenwirkens der verschiedenen Techniken angedacht. Demnach würden bis 2050 durch Wind und Wüstensonne die notwendige Meerwasserentsalzung der MENA-Region sowie die Deckelung von 17 Prozent des europäischen Energiebedarfs erreicht werden können. Die EU-Regionen setzen in diesem Szenario eher auf Windkraft, Geothermalanlagen sowie PV-Anlagen. Auf dem Papier ist DESERTEC also sowohl technisch und wirtschaftlich realisierbar als auch ökologisch und wie ökonomisch von Vorteil für alle Beteiligten.

Doch wieweit kann man einer solchen Studie trauen? Wie realistisch sind ihre Ergebnisse, solange noch nicht mal ein Spatenstich an dem Projekt getan wurde? Marokko jedenfalls plant bis 2020 die Errichtung von fünf Solarkraftwerken und will damit 42 Prozent seines Energiebedarfs abdecken. Von Stromexporte aus diesem Pilotprojekt wird derzeit zwar noch abgesehen, aber auch die Ausfuhr des in der Wüste gewonnen Stroms ist schon in Planung. Die Bundesregierung beteiligt sich übrigens durch die Kfw mit 115 Milliarden Euro an dem Pilotprojekt unter marokkanischer Sonne.

Was wurde im Vorfeld über DESERTEC geschimpft. Die Technik sei zu Störanfällig hieß es, man müsse Zentralisierung und Monopolisierung des Energiemarktes fürchten und außerdem seien die afrikanischen Interessen nicht ausreichend berücksichtigt. Immer wieder mussten die Vorwürfe entkräftet werden, immer wieder taten sich irgendwo neue Bedenken auf. Wie begründet oder unbegründet das alles ist, auch darüber lässt sich ausgiebig streiten. Fest steht: DESERTEC bleibt ein kühnes Projekt, das im besten Fall eine zukunftsweisende, langfristige Lösung der Energieprobleme Nordafrikas, Europas und des Nahen Ostens bereit hält. Im schlechtesten Fall entpuppt es sich nicht nur als Milliardenloch im Wüstensand, sondern unterwirft alle beteiligten Regionen unter die Interessen jener, die aus dem Handel mit der erneuerbaren Energie Profit schlagen.

 

Quellen: Solarserver.de, SZ, ZeitOnline (06.11.2012), ZeitOnline (13.11.2012), ZeitOnline 23.10.2012), erneuerbareenergien.de, Schwarzburger, Heiko; Ullrich, Sven: Strom aus der Wüste, in: Erneuerbare Energien – Das Magazin 23 (2013), Nr. 6, S.50-53.

 

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