Meinung: Die Notwendigkeit zur Ideologielosigkeit in einer Schwarz-Grüne Koalition
Bündnis’90/Die Grünen und die Union haben am Donnerstag Sondierungsgespräche geführt, am Mittwoch soll ein weiteres folgen. Auch 2013 stehen die Zeichen für eine schwarz-grüne Koalition auf Bundesebene nicht vorbehaltlos gut. Die Chancen und Überschneidungen der beiden Parteien sind allerdings lange nicht mehr so groß wie einst. – Ein Meinungsartikel.
Am Donnerstag kamen die Vertreter von Bündnis‘90/Die Grünen und der Union für ein dreistündiges Sondierungsgespräch zusammen. Im Gegensatz zu den Gesprächen vor acht Jahren, gibt es keine wirklichen Berührungsängste mehr. Allerdings ist eine schwarz-grüne Koalition auf Bundesebene bisher noch nicht wahrscheinlicher geworden. Beide Seiten beschrieben die Gespräche als konstruktiv und sachlich. „Man kenne sich, ja“, sagte Grünen-Chefin Claudia Roth auf Spiegel-Online. Ganz im Gegensatz zu dem Treffen von 2005 wird es dieses Mal eine zweite Runde geben. Am kommenden Dienstag ist damit zu rechnen, dass sich Grüne und Union über weitere Themen verständigen werden.
Diese offene Haltung beider Seiten dient vor allem dem strategischen Interesse der beiden Parteien. Die Union wird nicht müde immer wieder deutlich zu machen, dass ihr eigentlicher Wunschkandidat die SPD sei. „Der Weg von den Grünen zu uns ist etwas weiter als der Weg der SPD zu uns“, sagte beispielsweise CSU-General Dobrindt Spiegel-Online nach den Konsolidierungsgesprächen. Doch liegt schwarz-gelb deshalb so fern? Die Hauptunterschiede lägen in den Fragen der Asyl-, Energie-, Klima- und Europa-Politik betonte Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin im NDR Info Interview.
Im Gegensatz zu den Verhandlungen mit der SPD sprachen Union und Grüne am Donnerstag allerdings schon über inhaltliche Fragen. Diese umschifften die Sozialdemokraten und die CDU/CSU bei ihrem Treffen. Erst am Montag soll es dann um inhaltliche Details gehen und womöglich auch um eine konkrete Kompromisssuche, um Koalitionsverhandlungen vorzubereiten. Die Union nutzen die Verhandlungen mit den Grünen als Faustpfand um der SPD deutlich zu machen, dass sie kein alternativloser Partner sind. Die Sozialdemokraten könnte dies davon abhalten zu große Maximalforderungen anzumelden.
Für die Grünen wiederum bedeutet jedes ernsthafte Gespräch mit der Union über die Möglichkeiten einer Regierungsbildung ein Erstarken des rechten Flügels der Partei und eine Emanzipation von ihrem traditionell linken Lager. Ein kaum überraschender Schritt. Viele der Werte und Ziele der Grünen sind mittlerweile im bürgerlichen Teil der Gesellschaft angekommen und keine Hochburgen linker Politik mehr, wenn sie es denn je waren. Eine nachhaltige Energiepolitik wird auch von konservativen Politikern gefordert, ebenso eine bessere Lebensweise durch eine gesündere Ernährung. Eines der großen Kernthemen der Grünen und ewiger Dorn im Auge einiger Konservativer ist mit dem beschlossenen Atomausstieg eh erfüllt.
Selbst wenn eine Koalition zwischen Union und Grünen 2013 noch unwahrscheinlich ist, ermöglichen die Sondierungsgespräche den Grünen zu beweisen, dass sie bereit sind, über alte parteiideologische Grenzen hinweg, staatspolitische Verantwortung zu übernehmen. Wie kritisch oder sinnvoll die Basis der Partei die Veränderungen, die Bewegungen hin zur Mitte der Gesellschaft empfindet, wird sich noch herausstellen müssen. Die Prognosen stehen gut, dass sie es mittragen und wahrscheinlich sogar gut heißen wird.
Die Tatsache der Sondierungsgespräche zwischen Union und Grünen wirft noch eine andere Frage auf. Wer bewegt sich auf wen zu? Ist es die Union, die grüner wird? Oder werden die Grünen schwärzer? Es drängt sich der Gedanke auf, dass die vermeintlich so unterschiedlichen Themen nie wirklich derart unterschiedlich waren. Der Wertekonservatismus der Union steht dem Nachhaltigkeitsgedanken, der eine der Grundlagen grüner Politik ist, nicht wirklich kontradiktorisch gegenüber. Die Grünen sind schon lange nicht mehr die Partei der Birkenstocksandalenträger und der ungewaschenen Hippies. Keiner der jetzigen Machthaber der Partei, ob ehemaliger Steineschmeißer oder nicht stilisiert sich noch öffentlich in dieser Form, wie es bei der ersten Grünengeneration noch Usus war.
Und warum sollte es auch anders sein? Die Grünen gründeten sich aus den Umwelt-, -Anti-Atomkraft- und Neuen sozialen Bewegungen sowie aus Teilen der der Neuen Linken der späten siebziger Jahre. Nach der Wende kamen noch die Bürgerbewegungen der DDR hinzu. Die Grünen repräsentieren eine Schicht in der Bundesrepublik, die nicht mehr unbedingt als Links zu beschreiben wäre, vielleicht nie war. Grüne-Ideologie im Sinne eines abgeschlossenen Überbaus war nie vorhanden. Vielmehr handelte es sich immer um ein Konglomerat von verschiedenen Ansichten. Unter der Berücksichtigung dieses Zusammenhangs ist die Annährung der grünen Partei an die politische Mitte nur nachvollziehbar.
Das sich die CDU von vielen ihrer alten ideologischen Grundsätze gelöst hat, ist ebenfalls kein Geheimnis. Ideologien selber haben sich überlebt, heißt es immer wieder. In der Folge bedeutet dies, je mehr der geschlossene ideologische Überbau abgeworfen wird, desto wahrscheinlicher wird eine Koalition zwischen zwei Sichtweisen die sich eigentlich vorher ausgeschlossen hätten. Es ist eine Leistung der Kanzlerin, dass sie es erreichte, während ihrer Regierungszeit ihre Politik von jeglicher eitlen ideologischen Bedeutung zu befreien. Sie kochte die harte politische Kruste der CDU weich, wie man es mit Quitten hält, die zu Marmelade eingekocht werden müssen, da sie roh nicht verzehrbar sind.
Dies ist eine Art der Politik, die spätestens mit dem Zusammenbruch der Blöcke en Vogue wurde. Das Beispiel der FDP zeigt, dass es schnell geschehen kann, während des Aufbrechens der Kruste zu zerfallen. Aufgrund dieser Politik der ideologischen Durchlässigkeit wäre eine schwarz-grünen Koalition nicht sonderlich überraschend. Eine Koalition würde nichts bedeuten, lediglich, dass partei-ideologischen Krusten immer mehr an Bedeutung verlieren. Nichts, was wir nicht schon alle begriffen hätten. Ob diese Entwicklung förderlich ist, steht auf einem gänzlich anderen Blatt.
Quelle: Spiegel Online, taz, dw