Vier Fragen an … Prof. Dr. Eicke Weber, Leiter des Fraunhofer-Institutes für Solare Energiesysteme
Prof. Dr. Eicke Weber ist seit 2006 Leiter des Fraunhofer-Institutes für Solare Energiesysteme (ISE). Der 1976 promovierte Physiker schrieb seine Habilitation 1983 zum Thema „Transition Metals in Silicon“. Herr Weber war Professor in Berkeley an der University of California. An der Albert-Ludwigs-Universität in Freiburg hat Prof. Weber den Lehrstuhl für Physik/Solarenergie inne. 2006 erhielt er das Bundesverdienstkreuz am Bande und seit 2013 ist Prof. Weber Präsident des Bundesverband Energiespeicher (BVES).
Milk the Sun: Lieber Herr Prof. Weber, die Liste derer, denen in den letzten Monaten und Jahren ein Ausbremsen der Energiewende vorgeworfen wurde, ist lang. Wie schätzen Sie die klimapolitischen Ergebnisse der letzten Legislaturperiode der schwarz-gelben Regierung ein, der nach Kanzlerin Merkel „erfolgreichsten Bundesregierung seit der Wiedervereinigung“?
Prof. Weber: Ich kann ehrlich gesagt feststellen dass selbst diese schwarz-gelbe Koalition die Politik der beiden Vorgängerregierungen – rot-grün und schwarz-rot – auf dem Sektor der Energiepolitik im Wesentlichen fortgeführt hat.
Allerdings war die Aufkündigung des von der Bundesregierung vor ca. 10 Jahren mit den Kernkraftbetreibern mühsam und auch – auf beiden Seiten – schmerzhaft ausgehandelten Atomkompromisses das Öffnen einer Pandora Büchse: Wie konnte die Kanzlerin nur diesen delikaten Kompromiss zerreißen und im Herbst 2010 die Laufzeit der AKWs so verlängern dass selbst der CDU Umweltminister eigentlich nicht mitgehen wollte? Die rasche Wende nach der Fukushima Tragödie korrigierte diesen Fehler, aber beide Schritte: Aufkündigung des AKW – Kompromisses, auf den sich die Energiewirtschaft langfristig eingestellt hatte, wie auch rasche und überraschende Kehre nach Fukushima untergruben einen der höchsten Werte deutscher Wirtschaftspolitik: Die bis dato allgemein anerkannte Zuverlässigkeit und Planbarkeit in Deutschland.
Dazu kamen die schädlichen Vorkommnisse um das Erneuerbare-Energien Gesetz EEG im Frühjahr der beiden letzten Jahre: Zunächst Röttgens Nachgeben gegen die Wünsche aus CDU und FDP, das gerade zum 1.1.2012 novellierte EEG in einem Hau-Ruck-Verfahren mit einem EEG-ÄG (EEG-Änderungsgesetz) neu zu novellieren. Zahlreiche PV Projekte wurden storniert, und die auf dem Dünnschichtbereich weltweit führende Firma First Solar begründete die Schließung des Musterwerkes in Frankfurt/Oder ausdrücklich damit, dass die Zukunft der PV in Deutschland nicht mehr planbar geworden sei. Röttgens Schwäche resultierte in seiner Entlassung, es gab diese EEG Novelle gar nicht, aber großer Flurschaden ist angerichtet worden.
Dieser Schaden wurde besonders in der PV Branche spürbar, aber es gibt einen Glaubwürdigkeitsverlust darüber hinaus. Dieser wurde besonders auch durch die genau ein Jahr später angekündigten ‚Strompreisbremse’ verstärkt, die zum Entsetzen von Wirtschaftspolitikern aller politischen Schattierungen ein Element der nachträglichen Aufkündigung fester gesetzlicher Zusagen enthielt. Auch hier hat die Nicht-Umsetzung dieser Maßnahme den angerichteten Vertrauensverlust für den Wirtschaftsstandort Deutschland nicht repariert.
Mit dieser Jo-Jo-Energiepolitik hat sich die Bundesregierung sicher nicht den in der Frage genannten Titel verdient.
Milk the Sun: Unabhängig davon welche Partei nach dem 22.September in den Bundestag einziehen wird und unabhängig von der dann herrschenden Koalition, kommen auf die neue Bundesregierung viele wichtige und prägende energiepolitischen Entscheidungen zu. Was erwarten Sie sich von der Bundesregierung nach den Wahlen?
Prof. Weber: Ein wichtiges Projekt wird ein neues EEG sein. Ich plädiere statt einer EEG Novelle für ein Energiewendegesetz, das die zur Energiewende erforderlichen technologischen, aber auch politischen und wirtschaftlichen Weichenstellungen zusammenfasst. Einem EWG sollte eine roadmap zugrunde gelegt werden, die beschreibt wie die Energiewende kostenoptimiert umgesetzt werden kann, mit dem Ziel einer weitgehend regenerativen Energieversorgung Deutschlands, zu Kosten, die nicht höher als die heutigen Energiekosten sein sollten, die nicht mehr steigen, wie dies in einem business-as-usual Prozess ohne Energiewende zweifellos der Fall wäre. Den zusätzlichen Aufwendungen der nächsten zehn Jahre sollten die Erträge der darauf folgenden Jahrzehnte gegenüber gestellt werden, um so auch die Akzeptanz dieses Prozesses in der allgemeinen Bevölkerung sicher zu stellen.
Wenn ein Energieministerium nicht geschaffen wird, könnte ich mir auch ein Amt für die Energiewende vorstellen, oder ein entsprechend verstärktes Umweltbundesamt, dem wichtige Kompetenzen für die Steuerung und Beobachtung der Energiewende gegeben werden sollten.
Milk the Sun: Derzeit herrscht eine große Verunsicherung innerhalb der Bevölkerung, wenn es um das Thema Erneuerbare Energien und die damit zusammenhängende Energiewende geht. Der einzelne erstickt in einem Schwall an Pro-und-Anti-Propaganda, was letztendlich lediglich Verunsicherung und Verwirrung zur Folge hat. Es gibt nur wenige Stimmen die zur Ordnung rufen und die Diskussion auf eine sachliche und logische Ebene zurückführen wollen. Wie ist ihr Vorschlag für ein konstruktiveres Vorgehen in diesen Fragen?
Prof. Weber: Das eben angeführte Amt für die Energiewende könnte eine zentrale Ansprechperson leiten, die die Diskussion versachlichen könnte. Ein wichtiges Problem ist z.B. die rasche Veränderung der Basiszahlen: wenn sie Photovoltaik (PV) auf der Basis der Zahlen von 2010 beurteilen stimmt die Aussage, dass die PV die teuerste Art ist, Strom herzustellen. Im Jahr 2013 kostet PV Strom in Deutschland in Großanlagen nur 10 ct/kWh, weniger als der halbe Haushaltsstrompreis, in sonnenreichen Ländern etwa die Hälfte, und ist damit bedeutend billiger als z.B. der Strom aus der Verbrennung von Öl und Dieseltreibstoff weltweit. Der Leiter oder die Leiterin dieses Amtes sollte in der Lage sein die Diskussion zu versachlichen, in die ja auch viele handfeste wirtschaftliche Interessen einfließen.
Milk the Sun: Stéphane Hessel bezeichnete den Kampf für eine nachhaltige und feste Umweltpolitik als eine der Hauptaufgaben der Menschen im 21. Jahrhundert. Die Erkenntnisse der Wissenschaft und die Veränderungen des Klimas geben ihm Recht. Dennoch passiert verhältnismäßig wenig, obwohl es letztendlich um die Existenz der menschlichen Spezis geht. Wie ist ihr Standpunkt dazu, dass sich angesichts eines derart dringenden Themas noch immer in politischen und wirtschaftlichen Grabenkämpfen ergeben wird?
Prof. Weber: Hier kann ich eine Ausdruck der Bundeskanzlerin nutzen: Der Übergang auf einen nachhaltigen Umgang mit unseren Ressourcen ist in der Tat alternativlos, wenn die Menschheit noch in 100 oder 200 Jahren auf diesem Planeten in einer Art leben will, die uns als angenehm erscheint. Diese Erkenntnis wird sich in den kommenden Jahrzehnten mehr und mehr durchsetzen. Volkswirtschaften, die dies früh erkennen und die dazu nötigen technischen und industriellen Voraussetzungen pionierhaft schaffen, werden große Vorteile genießen. Die Energiewende ist hier nur ein erster Schritt, der durch die große Gefahr einer katastrophalen Veränderung des Weltklimas besonders dringend ist. Die nächste Legislaturperiode in Deutschland wird für diesen Prozess besonders wichtig werden.
Wir bedanken uns bei Herrn Prof. Weber für das Interview.
Im Rahmen der Interviewreihe “Vier Fragen an …” stellt der Milk the Sun Blog bis zur Bundestagswahl am 22.September 30 Tage lang führenden Köpfe aus Wirtschaft, Politik und Medien vier Fragen zu den Erwartungen an die Energiepolitik Deutschlands der zurückliegenden und kommenden Jahre. Bisher interviewten wir Sebastian Bolay (DIHK), Heiko Schwarzburger (Photovoltaik), Corinna Lang (CleanEnergy Project), Patrick Jüttemann (klein-windkraftanlagen.com), Christian Leers (PV-Experte), Robert Schwarz (BTO Management Consulting), Lothar Lochmaier (Freier Journalist), Michael Richter (Sonneninvest AG), Kilian Rüfer (SUSTAINMENT), Udo Schuldt (Blogger), Thorsten Zoerner (Solution Architect)