Dr. Hermann E. Ott, seit September 2009 klimapolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen, zur aktuellen deutschen und europäischen Klimapolitik.
Nach Backloading-Pleite: Deutschland muss Klima-Vorreiter sein
In der Zeit zwischen den Weltklimagipfeln in Doha und Warschau ist es wieder einmal ruhig um die Klimapolitik geworden. Doch einmal jährliche Klimaverhandlungen und das Warten auf Andere bringen uns im Klimaschutz nicht voran. Seit langem trete ich daher für eine Klimapolitik der unterschiedlichen Geschwindigkeiten (KluG) ein, bei der klimapolitische Pioniere in Vorreiterallianzen vorangehen – und Klimapolitik nicht als Belastung begreifen, sondern als Chance. Die Backloading-Pleite im Europaparlament verdeutlicht: Jetzt kommt es mehr denn je darauf an, dass Deutschland klimapolitisch vorangeht. Alle Erneuerbaren Energien – auch die Solarenergie – müssen dabei ihre Potentiale ausschöpfen.
Dr. Hermann E. Ott: "Derzeit fällt Deutschland jedoch als klimapolitischer Vorreiter auf fatale Weise aus"
Derzeit fällt Deutschland jedoch als klimapolitischer Vorreiter auf fatale Weise aus. Auch die Energiewende gerät ins Stocken und leidet unter politischer Orientierungslosigkeit. Dabei ist ihr Erfolg als internationales Signal immens wichtig; wenn Deutschland das schafft, so die allgemeine Meinung, dann ist es überall möglich. Scheitert aber die Energiewende, scheitert die Klimapolitik.
Nur mit einem richtungsweisenden Kompass, mit klaren Zielen und mit nachvollziehbaren Zwischenschritten kann eine Energiewende mit Herz und Seele zum Erfolg werden. Der Kompass der Energiewende wird dabei durch zwei dominierende Koordinaten bestimmt: Atomausstieg und Klimaschutz sind und waren die treibenden Motive, zu denen sich ökonomische Ziele wie die Schaffung einer sicheren und bezahlbaren Energieversorgung gesellen.
Klimaschutz als Ziel erinnert uns zudem daran, dass die Energiewende weit mehr sein muss als eine reine Stromerzeugungswende. Erforderlich ist ein sozial-ökologischer Umbau unserer Gesellschaft – von dem die Energiewende ein Teil ist. Und umgekehrt wird die Energiewende auch nur so gelingen.
Nach der Abstimmungspleite zur Reform des Emissionshandels auf europäischer Ebene kommt es klimapolitisch auf Deutschland an. Die Kanzlerin muss es zur Chefinnensache machen, dass das EU-Klimaziel auf 30 Prozent bis 2020 angehoben wird. Wir dürfen nicht mehr länger warten mit der Einführung eines Mindestpreises für Verschmutzungszertifikate – notfalls eben national und am besten im Verein mit anderen Staaten, wie Frankreich, Großbritannien und den Niederlanden. Auch ist ein nationales Klimaschutzgesetz überfällig, denn unser Klimaziel muss endlich rechtlich verankert und mit den notwendigen Maßnahmen unterlegt werden.
Ins Hausaufgabenheft einer Bundesregierung gehört daher: Klimapolitik fängt zuhause an!