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Vier Fragen an … Björn-Lars Kuhn, Inhaber von Proteus Solutions und Energieblogger

Björn-Lars Kuhn ist einer der erfolgreichsten Energieblogger Deutschlands und ist Gesellschafter bei Proteus Solutions. Er ist seit vielen Jahren in der IT-Branche tätig. Zusätzlich kann Herr Kuhn auf ein mehrere Jahre umfassendes Fachwissen auf dem Gebiet der Solarbranche zurückblicken. Neben seiner Tätigkeit als IT-Experte ist Herr Kuhn auch freier Journalist. Als solcher gehört er zu den einflussreichsten Stimmen auf dem Themengebiet der Solar- und Photovoltaikenergie.

Björn-Lars Kuhn: "Rein technisch ist es möglich Deutschland bis 2030 fast ausschließlich über die Erneuerbaren zu versorgen. Doch das wird ein Wunschtraum bleiben."

Milk the Sun: Lieber Herr Kuhn, die Liste derer, denen in den letzten Monaten und Jahren ein Ausbremsen der Energiewende vorgeworfen wurde, ist lang. Wie schätzen Sie die klimapolitischen Ergebnisse der letzten Legislaturperiode der schwarz-gelben Regierung ein, der nach Kanzlerin Merkel „erfolgreichsten Bundesregierung seit der Wiedervereinigung“?

Björn-Lars Kuhn: „Erfolgreich“ ist wieder eine der üblichen pathologischen Euphemismen. Das hört man in den letzten Tagen von fast jeder Partei. Denn die letzte Legislaturperiode war alles andere als erfolgreich: permanente Änderungen am EEG haben die Branche verunsichert und den zügigen Ausbau der Erneuerbaren spürbar gebremst, der Zertifikatshandel liegt am Boden, nahezu jedes energieintensive Unternehmen wird subventioniert und auf europäischer Ebene schreit ein gekaufter Schwabe gleich nach neuen Atomkraftwerken.

Wo ist da der Erfolg, wenn die Lobby der großen Vier erfolgreich auf Shopping-Tour war? Klimapolitisch gesehen waren die letzten vier Jahre ein Desaster. Einzige Hoffnung ist, dass Landespolitiker im eigenen Land teilweise anders denken, als auf Bundesebene.

Milk the Sun: Unabhängig davon welche Partei nach dem 22.September in den Bundestag einziehen wird und unabhängig von der dann herrschenden Koalition, kommen auf die neue Bundesregierung viele wichtige und prägende energiepolitische Entscheidungen zu. Was erwarten Sie sich von der Bundesregierung nach den Wahlen?

Björn-Lars Kuhn: Eine konsequente Umsetzung der Energiewende ohne weiteres Rumgeeier. Rein technisch ist es möglich Deutschland bis 2030 fast ausschließlich über die Erneuerbaren zu versorgen. Doch das wird ein Wunschtraum bleiben.

Aber eine beständige, langfristige Novellierung des EEG muss endlich in Angriff genommen werden und in diesem Zuge muss auch ein neues Strommarktdesign her. Claudia Kemferts Buch (Kampf um Strom) sollte hier eine gute Grundlage darstellen. Derzeit verdienen sich ausschließlich die Energieversorger mit diesem System eine goldene Nase. Bürgerenergiewende geht anders. Aber da wollen wir hin. Und das sollte für die nächste Regierung ein klarer Auftrag sein. Die Bürgerenergiewende ist nicht mehr nur ein Thema der Grünen.

Milk the Sun: Derzeit herrscht eine große Verunsicherung innerhalb der Bevölkerung, wenn es um das Thema Erneuerbare Energien und die damit zusammenhängende Energiewende geht. Der einzelne erstickt in einem Schwall an Pro-und-Anti-Propaganda, was letztendlich lediglich Verunsicherung und Verwirrung zur Folge hat. Es gibt nur wenige Stimmen die zur Ordnung rufen und die Diskussion auf eine sachliche und logische Ebene zurückführen wollen. Wie ist ihr Vorschlag für ein konstruktiveres Vorgehen in diesen Fragen?

Björn-Lars Kuhn: Ja, da haben die großen Energieversorger und Lobbyisten ziemlich viel Geld in die Hand genommen. Derzeit hat man fast den Eindruck, dass wir eine Gleichschaltung der Medien erreicht haben. Der gemeine Bürger wird tatsächlich mit Fehlinformationen überschwemmt, was man schon nahezu Demagogie nennen kann.

Auf der anderen Seite stehen teilweise – auch das muss man fairerweise sagen – militante Umweltaktivisten, die dagegen halten, aber auch schon mal nur Behauptungen aufstellen, statt den Beweis anzutreten. Das war der Grund dafür, dass einige von uns (Blogger und Journalisten) die Energieblogger gegründet haben.

Wir verstehen uns zwar als Verfechter der Energiewende, gehen aber vielen Behauptungen auch auf den Grund und stellen uns öffentlich der Diskussion.

Ich sehen den mündigen Bürger in der Pflicht, sich auch mal intensiver zu informieren, nicht nur über die Mainstream-Medien. Nur mit emotionslosen Fakten lässt sich auf Dauer argumentieren. Dafür treten wir Energieblogger jeden Tag an. Vielleicht können wir irgendwann wieder die Sachlichkeit in die Diskussion bringen.

Milk the Sun: Stéphane Hessel bezeichnete den Kampf für eine nachhaltige und feste Umweltpolitik als eine der Hauptaufgaben der Menschen im 21. Jahrhundert. Die Erkenntnisse der Wissenschaft und die Veränderungen des Klimas geben ihm Recht. Dennoch passiert verhältnismäßig wenig, obwohl es letztendlich um die Existenz der menschlichen Spezis geht. Wie ist ihr Standpunkt dazu, dass sich angesichts eines derart dringenden Themas noch immer in politischen und wirtschaftlichen Grabenkämpfen ergeben wird?

Björn-Lars Kuhn: Das ist wohl eines der Kernprobleme seit Erfindung des Kapitalismus. Klar haben wir jetzt die dringende Aufgabe dieses „Klimading“ in den Griff zu bekommen. Aber solange heute mit dreckiger Energie noch Geld verdient wird, scheint das vielen, gerade in den Führungsetagen der Konzerne, nicht wirklich wichtig zu sein. Viele haben ihr Gewissen schon vor Jahren abgegeben und agieren nur noch nach dem Motto „Gier frist Hirn“. Und leider funktionieren unsere Politiker da sehr analog. Es gibt nur noch wenige Manager und Politiker, die sich der Wahrheit verschrieben haben und auch zu ihrem Wort stehen.

Ich möchte meinen Kindern und Enkeln eine lebenswerte Zukunft sichern, was in diesen Tagen recht schwierig ist, da wir meines Erachtens schon heute von Konzerninteressen dominiert werden – nicht nur im Energiebereich.

Eine Chance könnte sich ergeben, wenn die Kluft zwischen Arm und Reich noch größer wird und der Durchschnittsbürger vielleicht mal wach wird oder wenn die fossilen Energiequellen tatsächlich drastisch weniger werden; bisher ist das ja für viele nur Theorie. Dann könnten die Tage der „Führer“ gezählt sein. Ich weiß nur nicht, ob ich das noch erleben möchte. Auch deshalb beschäftige ich mich mit dem Thema erneuerbare Energien.

 

Wir bedanken uns bei Herrn Kuhn für das Interview.

 


Im Rahmen der Interviewreihe “Vier Fragen an …” stellt der Milk the Sun Blog bis zur Bundestagswahl am 22.September 30 Tage lang führenden Köpfe aus Wirtschaft, Politik und Medien vier Fragen zu den Erwartungen an die Energiepolitik Deutschlands der zurückliegenden und kommenden Jahre. Bisher interviewten wir Sebastian Bolay (DIHK), Heiko Schwarzburger (Photovoltaik), Corinna Lang (CleanEnergy Project), Patrick Jüttemann (klein-windkraftanlagen.com), Christian Leers (PV-Experte), Robert Schwarz (BTO Management Consulting), Lothar Lochmaier (Freier Journalist), Michael Richter (Sonneninvest AG), Kilian Rüfer (SUSTAINMENT), Udo Schuldt (Blogger), Thorsten Zoerner (Solution Architect), Prof. Dr. Eicke Weber (Fraunhofer ISE), Falko Bozicevic (GoingPublic Magazin), Carsten Körnig (Solarwirtschaft e.V.), Denis-Mariel Kühn (EGBB), Doreen Brumme (Freie Journalistin), Erhard Renz (sonnenfluesterer.de), Sabine Eva Rädisch (Autorin und Bloggerin), Bart Markus (Wellington Partners), Prof. Volkmar Liebig (avesco Financial Services AG), Dr. Tim Meyer (Grünstromwerk GmbH), Alexander Fehr (Fehrdeal & Energieblogger), Thomas Nasswetter (Ritter Gruppe und Blogger), Dr. Stefan Dietrich (Windwärts Energie), Sylvia Pilarsky-Grosch (BWE), Holger Ruletzki (Parabel AG), Franz Alt (Journalist), Arne Horn (DZ-4), Dr. Bernd Köhler (Phoenix Solar)

 

Vier Fragen an … Dr. Stefan Dietrich, Pressesprecher von Windwärts Energie

Dr. Stefan Dietrich ist der Pressesprecher der Windwärts Energie GmbH. Herr Dietrich ist für die Pressearbeit des Unternehmens zuständig und bloggt auf dem Windwärts Blog vor allem zu firmeneigenen Projekten und Aktionen. Dr. Stefan Dietrich promovierte in Politikwissenschaft. Windwärts Energie ist ein internationales Unternehmen aus dem Feld der erneuerbaren Energien mit einem Fokus auf Wind und Photovoltaikprojekten.

Dr. Dietrich: "Der Wunsch nach einer „sachlichen und logischen Ebene“ der Diskussion erscheint mir ziemlich naiv. Es geht um Politik und damit um Interessen." Quelle: Windwärts Energie GmbH, Fotograf: Mark Mühlhaus/attenzione

Milk the Sun: Lieber Herr Dr. Dietrich, die Liste derer, denen in den letzten Monaten und Jahren ein Ausbremsen der Energiewende vorgeworfen wurde, ist lang. Wie schätzen Sie die klimapolitischen Ergebnisse der letzten Legislaturperiode der schwarz-gelben Regierung ein, der nach Kanzlerin Merkel „erfolgreichsten Bundesregierung seit der Wiedervereinigung“?

Dr. Stefan Dietrich: Es ist schon merkwürdig, dass eine Regierung eine „Energiewende“ ausruft, die eigentlich zuständigen Minister aber keine Gelegenheit auslassen, dieses Ziel zu untergraben. Damit haben die Herren Altmaier und Rösler vor allem eine Verunsicherung aller Beteiligten erreicht. Sie haben es gemeinsam mit Lobbyisten und Interessenvertretern geschafft, dass über die – auch und gerade ökonomischen – Vorteile der Umstellung auf erneuerbare Energien kaum noch gesprochen wird und stattdessen eine nicht gerade aufrichtige Debatte über die ach so hohen Strompreise tobt. Das EEG und die EEG-Umlage haben sie Schritt für Schritt zu einem Umverteilungsinstrument zu Gunsten der großen Konzerne und zu Lasten der privaten Stromverbraucher und der kleinen und mittleren Unternehmen gemacht. Aus ihrer Sicht mag das tatsächlich „erfolgreich“ sein. Wer aber an einer nachhaltigen Energieversorgung auch im Interesse nachfolgender Generationen interessiert ist, kann diese Meinung nicht teilen.

Milk the Sun: Unabhängig davon welche Partei nach dem 22.September in den Bundestag einziehen wird und unabhängig von der dann herrschenden Koalition, kommen auf die neue Bundesregierung viele wichtige und prägende energiepolitischen Entscheidungen zu. Was erwarten Sie sich von der Bundesregierung nach den Wahlen?

Dr. Stefan Dietrich: Auf die neue Regierung wartet eine immense Aufgabe. Wir brauchen ein Strommarktdesign, das die erneuerbaren Energien als Basis hat. Das bedeutet einen Paradigmenwechsel – es geht nicht darum, die Erneuerbaren in einen Markt zu integrieren, der dafür weder gedacht noch geeignet ist, sondern den Markt so zu gestalten, dass die Erneuerbaren mit ihren Besonderheiten im Mittelpunkt stehen. Ideen und Modelle dafür gibt es genug. Wer die aktuellen Debatten verfolgt, stellt sich aber schon die Frage, ob die Politik den Mut und die Kraft dafür hat. Was ich aber zumindest erwarten muss, ist, dass die neue Regierung den weiteren Ausbau der erneuerbaren Energien nicht behindert. Ein Quotenmodell, das die mittelständischen Strukturen der Branche gefährdet und die Konzerne wieder ins Spiel bringen soll, die die Entwicklung bislang verschlafen haben, wäre sicherlich nicht hilfreich.

Milk the Sun: Derzeit herrscht eine große Verunsicherung innerhalb der Bevölkerung, wenn es um das Thema Erneuerbare Energien und die damit zusammenhängende Energiewende geht. Der einzelne erstickt in einem Schwall an Pro-und-Anti-Propaganda, was letztendlich lediglich Verunsicherung und Verwirrung zur Folge hat. Es gibt nur wenige Stimmen die zur Ordnung rufen und die Diskussion auf eine sachliche und logische Ebene zurückführen wollen. Wie ist ihr Vorschlag für ein konstruktiveres Vorgehen in diesen Fragen?

Dr. Stefan Dietrich: Wenn unterschiedliche Interessen aufeinandertreffen, dann kommt es zu öffentlich geführten Auseinandersetzungen. Das gehört zu einer freien Gesellschaft dazu. Dass diejenigen lauter sein können, die mehr Ressourcen zur Verfügung haben – und das sind sicher die Gegner des weiteren Ausbaus der Erneuerbaren – ist leider auch Teil des Spiels. Klar gibt es auch in den Medien diejenigen, die viele Behauptungen zu dem Thema kritisch hinterfragen, aber oft scheint es nicht gewollt, sich gegen den Trend zu stellen. Das könnte ich lang und breit bejammern, aber das führt auch zu nichts. Uns bleibt nur, unsere guten Argumente bei jeder sich bietenden Gelegenheit vorzubringen. Der Wunsch nach einer „sachlichen und logischen Ebene“ der Diskussion erscheint mir ziemlich naiv. Es geht um Politik und damit um Interessen. Aber wir leben in einer pluralistischen Gesellschaft, und es gibt zum Glück auch viele Menschen, die sich nicht ins Bockshorn jagen lassen.

Milk the Sun: Stéphane Hessel bezeichnete den Kampf für eine nachhaltige und feste Umweltpolitik als eine der Hauptaufgaben der Menschen im 21. Jahrhundert. Die Erkenntnisse der Wissenschaft und die Veränderungen des Klimas geben ihm Recht. Dennoch passiert verhältnismäßig wenig, obwohl es letztendlich um die Existenz der menschlichen Spezies geht. Wie ist ihr Standpunkt dazu, dass sich angesichts eines derart dringenden Themas noch immer in politischen und wirtschaftlichen Grabenkämpfen ergeben wird?

 

Dr. Stefan Dietrich: Jetzt wird es für mich als Politikwissenschaftler ja besonders interessant, allerdings bräuchte ich dafür eigentlich Hunderte von Seiten Platz. Es kommen auf jeden Fall verschiedene Aspekte zusammen. Da ist zum einen das alte Problem der Umweltpolitik, dass die Auswirkungen zumindest für die Menschen bei uns (noch) nicht wirklich spürbar sind. Anders gesagt: Dass die Mieten steigen, erfahre ich am eigenen Leib, dass der Meeresspiegel steigt, muss mir ein Wissenschaftler erläutern. Das führt dazu, dass für viele Menschen das Thema nicht ganz oben auf der Agenda steht. Dazu kommt, dass unser politisches System nicht gut mit langfristigen Perspektiven zurechtkommt. Politiker wollen alle vier Jahre wiedergewählt werden, und wählen können nur diejenigen, die jetzt leben und mindestens 18 Jahre alt sind. Da ist mit sozialen und wirtschaftlichen Themen meistens mehr an Stimmen zu holen, als mit ökologischen – und nach uns dann die Sintflut (was ja leider durchaus wörtlich genommen werden kann). Darüber hinaus sehe ich eine grundsätzlich strukturkonservative Haltung bei den meisten Menschen (und damit auch Wählern). Uns geht es ja eigentlich gut, was soll ich denn ändern. In Fragen des Umwelt- und Klimaschutzes geht es immer auch um das eigene Verhalten. Welche Form der Mobilität nutze ich, was esse ich – und was bin ich bereit, für die Energiewende selbst zu tun oder auch nur als Veränderung meines Umfeldes zu akzeptieren? Da schwindet die Unterstützung dann oft, und die meisten Politikerinnen und Politiker sind nicht bereit, solche Wahrheiten auszusprechen. Dazu kommt der enorme Druck, den Konzerne und Verbände durch Lobbyarbeit ausüben. Wenn Dinge verändert werden, gibt es immer auch Verlierer. Und wenn diese wie im Fall der Energiewende viel Geld und Einfluss im politischen Bereich haben, dann macht es das nicht einfacher, im Sinne einer zukunftsgerichteten Energiepolitik voranzukommen.

 

Wir bedanken uns bei Herrn Dr. Dietrich für das Gespräch.

 


Im Rahmen der Interviewreihe “Vier Fragen an …” stellt der Milk the Sun Blog bis zur Bundestagswahl am 22.September 30 Tage lang führenden Köpfe aus Wirtschaft, Politik und Medien vier Fragen zu den Erwartungen an die Energiepolitik Deutschlands der zurückliegenden und kommenden Jahre. Bisher interviewten wir Sebastian Bolay (DIHK), Heiko Schwarzburger (Photovoltaik), Corinna Lang (CleanEnergy Project), Patrick Jüttemann (klein-windkraftanlagen.com), Christian Leers (PV-Experte), Robert Schwarz (BTO Management Consulting), Lothar Lochmaier (Freier Journalist), Michael Richter (Sonneninvest AG), Kilian Rüfer (SUSTAINMENT), Udo Schuldt (Blogger), Thorsten Zoerner (Solution Architect), Prof. Dr. Eicke Weber (Fraunhofer ISE), Falko Bozicevic (GoingPublic Magazin), Carsten Körnig (Solarwirtschaft e.V.), Denis-Mariel Kühn (EGBB), Doreen Brumme (Freie Journalistin), Erhard Renz (sonnenfluesterer.de), Sabine Eva Rädisch (Autorin und Bloggerin), Bart Markus (Wellington Partners), Prof. Volkmar Liebig (avesco Financial Services AG), Dr. Tim Meyer (Grünstromwerk GmbH), Alexander Fehr (Fehrdeal & Energieblogger), Thomas Nasswetter (Ritter Gruppe und Blogger)

 

Vier Fragen an … Alexander Fehr, Betreiber von Fehrdeal und Energieblogger

Alexander Fehr ist Politik- und Sozialwissenschaftler und betreibt die Seite Fehrdeal. Herr Fehr ist einer der führenden Energieblogger und beschäftigt sich schon seit dem Beginn seines Studiums mit den Themenkomplexen Umwelt, Gesellschaft und Kommunikation. Erklärtes Ziel von Alexander Fehr ist es Öffentlichkeit und Wissenschaft näher zusammen zu bringen. Seine Vision von Forschungsarbeit im 21. Jahrhundert sieht sie auch im Diskurs mit der Öffentlichkeit.

Alexander Fehr: "Wir sind in der Masse leider keine Antizipatoren, die eine Bedrohung in der Zukunft erkennen und dieser frühzeitig entgegenwirken. Vielmehr sind wir Katastrophen-Lerner, die erst reagieren wenn es brennt. "

Milk the Sun: Lieber Herr Fehr, die Liste derer, denen in den letzten Monaten und Jahren ein Ausbremsen der Energiewende vorgeworfen wurde, ist lang. Wie schätzen Sie die klimapolitischen Ergebnisse der letzten Legislaturperiode der schwarz-gelben Regierung ein, der nach Kanzlerin Merkel „erfolgreichsten Bundesregierung seit der Wiedervereinigung“?

Alexander Fehr: Die Energiewende hat nicht nur eine klimapolitische Dimension. Die Energiewende ist ein überaus komplexes Projekt, dass sich nicht auf ein bestimmtes Politikfeld reduzieren lässt. Neben der klimapolitischen Dimension ist vor allem die wirtschaftspolitische Dimension, mit der Argumentation um internationale Wettbewerbsfähigkeit, die sozialpolitische Dimension um die Bezahlbarkeit und Gerechtigkeit zentral. Es schwingen aber auch noch sicherheitspolitische Argumentationen um Energiesicherheit und Versorgungssicherheit und viele andere mit hinein. Alle diese Dimensionen und Systeme haben ihre eigenen Argumentationslogiken, die für sich genommen Sinn machen. Die Wirtschaft sieht Gewinne gefährdet, Umweltschützer die lebenswerte Zukunft bedroht und der Staat seine Souveränität und Versorgungssicherheit und damit seinen öffentlichen Auftrag in der Schieflage. Alle Systeme können die Welt nur durch ihre eigene Brille betrachten.

Alle diese Argumentationen treffen im öffentlichen Diskurs aufeinander und müssen verhandelt werden damit die Energiewende gesamtgesellschaftlich kommunikativ anschlussfähig wird.

Nur scheint dieser gesellschaftliche Diskurs gerade nicht so recht voran zu kommen und das gesamte Projekt gerät, zumindest gefühlt, ins Stocken. Der Diskurs um die Energiewende scheint zu ermüden, weil die Komplexität sich schwer entwirren lässt.

Die gesamte Komplexität der Energiewende, die ich gerade beschreiben habe findet sich schon im nationalen Kontext und potenziert sich mit der Klimapolitik auf die globale Ebene. In der Klimapolitik treffen 194 Energiekonzepte (die Zahl der Teilnehmer auf der Klimakonferenz in Doha) aufeinander. Um einen wirklichen Fortschritt im Bereich der Klimapolitik zu erreichen, müssen zumindest die G20 Staaten sich über die Richtung einig sein und dies ist nicht der Fall. Die Realität der globalen Klimapolitik ist hart. Deutschland hat ein Gewicht. Wir sollten dieses Gewicht aber auch nicht überschätzen. Wir werden bis 2020 vielleicht nur noch ein Prozent der Weltbevölkerung stellen. Wir können jenes eine Prozent sein, das der Welt zeigt, dass eine erneuerbare Energieversorgung auch für eine Industrienation möglich ist. Die Entscheidung uns nachzufolgen müssen aber die Staaten für sich treffen. Und dies tun sie in der Regel nach rationalem Kalkül.

Nehmen wir hierfür beispielsweise Kanada, das als guter Partner mit langer demokratischer Tradition gilt. Kanada hat sich dazu entschlossen aus dem Kyoto Protokoll auszusteigen, weil nach rationalen Maßstäben die sehr CO2 intensive Gewinnung von Öl aus Ölsand in der eigenen Bewertung auf einmal gelohnt hat.

Um auf Ihre Frage zurück zu kommen kann man als blankes Fazit schon sagen, dass die klimapolitischen globalen Ergebnisse der Bundesregierung zu keinem erhofften Nachfolgeprotokoll für Kyoto geführt haben. Man muss sich als Wissenschaftler aber auch eingestehen, dass die globalen schwierigen Rahmenbedingungen wahrscheinlich auch keine andere Deutsche Regierung zu nennenswert anderen Ergebnissen geführt hätten.

Auf nationaler Ebene haben wir die Energiewende und diese ist richtig und wichtig und wird von einer breiten Zustimmung aus der Bevölkerung getragen. Die Welt schaut auf uns!

Milk the Sun: Unabhängig davon welche Partei nach dem 22.September in den Bundestag einziehen wird und unabhängig von der dann herrschenden Koalition, kommen auf die neue Bundesregierung viele wichtige und prägende energiepolitischen Entscheidungen zu. Was erwarten Sie sich von der Bundesregierung nach den Wahlen?

Alexander Fehr: Ich erwarte von der neuen Bundesregierung nicht mehr und nicht weniger als eine „umfassende“ Reform nicht nur des EEG sondern des gesamten Energiesystems. Dazu gehört mehr Transparenz bei der Preiskalkulation der Energieanbieter und ein neues gerechtes Marktdesign der Energiemärkte. Weiterhin müssen die Versprechen der aktuellen Regierung im Bereich der Forschungsförderung für erneuerbare Energien, Smart Technologies und Speicher eingehalten und ausgebaut werden. Meiner Meinung nach lässt sich die Energiewende nur in ein gesamtgesellschaftliches Gleichgewicht bringen, wenn sie auch ökonomisch Sinn macht und dafür brauchen wir weitere Innovationen.

Milk the Sun: Derzeit herrscht eine große Verunsicherung innerhalb der Bevölkerung, wenn es um das Thema Erneuerbare Energien und die damit zusammenhängende Energiewende geht. Der einzelne erstickt in einem Schwall an Pro-und-Anti-Propaganda, was letztendlich lediglich Verunsicherung und Verwirrung zur Folge hat. Es gibt nur wenige Stimmen die zur Ordnung rufen und die Diskussion auf eine sachliche und logische Ebene zurückführen wollen. Wie ist ihr Vorschlag für ein konstruktiveres Vorgehen in diesen Fragen?

Alexander Fehr: Für mich ist das Wichtigste, dass alle weiteren Schritte bei der Energiewende in einem gleichberechtigten Diskurs mit den Bürger geschehen. Wir brauchen gesellschaftliche Regeln wie dieser Diskurs zu gestalten ist damit einerseits die Beteiligung gewährleistet ist und andererseits effektive und verbindliche Entscheidungen getroffen werden können. Wenn ich mir alleine die ewigen Streitereien im Stadtrat in München in Bezug auf ein einzelnes Windrad auf einem Schuttberg vor München anschaue, dann werden wir den sportlichen Zeitplan nicht halten. Irgendwann müssen auch die Diskussionen zu Entscheidungen führen, die dann akzeptiert werden. Es sollte dann nicht immer wieder aufs Neue ein Weg an Ihnen vorbei gesucht werden.

Die Energiewende wird auch nicht zum „ökologischen Nulltarif“ zu haben sein. Einige Eingriffe in das Landschaftsbild werden unvermeidlich sein. Einen Konsens mit dem alle einverstanden sind wird es nicht geben. Aber einen Kompromiss mit dem alle Leben können schon.

Ich persönlich muss sogar sagen, dass ich bei Windrädern ein gewisse Ästhetik und Erhabenheit empfinde, wenn ich darüber nachdenke, dass mit jeder Umdrehung ein kleiner Schritt in eine lebenswerte Zukunft nachfolgender Generationen gegangen wird. Ich bringe hierfür gerne das Beispiel des romantischen Alpendorfs. Hätten wir den Özi gefragt ob das Dorf da in die Berge gehört, hätte er wohl auch gesagt, dass das Landschaftsbild darunter leidet. Heute empfinden wir das als heimisch. Vielleicht wird dies eines Tages auch mit dem Windradl so sein.

Milk the Sun: Stéphane Hessel bezeichnete den Kampf für eine nachhaltige und feste Umweltpolitik als eine der Hauptaufgaben der Menschen im 21. Jahrhundert. Die Erkenntnisse der Wissenschaft und die Veränderungen des Klimas geben ihm Recht. Dennoch passiert verhältnismäßig wenig, obwohl es letztendlich um die Existenz der menschlichen Spezis geht. Wie ist ihr Standpunkt dazu, dass sich angesichts eines derart dringenden Themas noch immer in politischen und wirtschaftlichen Grabenkämpfen ergeben wird?

Alexander Fehr: Ich habe mich als Wissenschaftler lange mit dem Thema Risiko und Unsicherheit beschäftigt. Eine Erkenntnis habe ich dabei für mich erlangt, die sich mit dem Zitat von Anthony Giddens sehr gut beschreiben lässt. „Dem Mensch fällt es schwer, der Zukunft den gleichen Stellenwert einzuräumen wie der Gegenwart.“

Wir sind in der Masse leider keine Antizipatoren, die eine Bedrohung in der Zukunft erkennen und dieser frühzeitig entgegenwirken. Vielmehr sind wir Katastrophen-Lerner, die erst reagieren wenn es brennt. Die Frage ist wie viel von der Katastrophe des Klimawandels wir noch sehen wollen, bevor wir reagieren, denn die Auswirkungen werden von Jahr zu Jahr deutlicher erfahrbar. Ich persönlich will nicht solange warten bis die alte Indianer-Weissagung Realität wird: „Erst wenn der letzte Baum gerodet, der letzte Fluss vergiftet, der letzte Fisch gefangen ist, werdet ihr merken, dass man Geld nicht essen kann.“

 

Wir bedanken uns bei Herrn Fehr für das Interview.

 


Im Rahmen der Interviewreihe “Vier Fragen an …” stellt der Milk the Sun Blog bis zur Bundestagswahl am 22.September 30 Tage lang führenden Köpfe aus Wirtschaft, Politik und Medien vier Fragen zu den Erwartungen an die Energiepolitik Deutschlands der zurückliegenden und kommenden Jahre. Bisher interviewten wir Sebastian Bolay (DIHK), Heiko Schwarzburger (Photovoltaik), Corinna Lang (CleanEnergy Project), Patrick Jüttemann (klein-windkraftanlagen.com), Christian Leers (PV-Experte), Robert Schwarz (BTO Management Consulting), Lothar Lochmaier (Freier Journalist), Michael Richter (Sonneninvest AG), Kilian Rüfer (SUSTAINMENT), Udo Schuldt (Blogger), Thorsten Zoerner (Solution Architect), Prof. Dr. Eicke Weber (Fraunhofer ISE), Falko Bozicevic (GoingPublic Magazin), Carsten Körnig (Solarwirtschaft e.V.), Denis-Mariel Kühn (EGBB), Doreen Brumme (Freie Journalistin), Erhard Renz (sonnenfluesterer.de), Sabine Eva Rädisch (Autorin und Bloggerin), Bart Markus (Wellington Partners), Prof. Volkmar Liebig (avesco Financial Services AG), Dr. Tim Meyer (Grünstromwerk GmbH)

Vier Fragen an … Erhard Renz, sonnenfluesterer.de

Erhard Renz betreibt den Blog www.sonnenfluesterer.de. Er nennt sich selbst „praktizierender Atomkraftgegner“ und schreibt als Energieblogger über seine Erfahrungen im Energiebereich. Mittelpunkt seines Blogs sind die Geschehnisse rund um das Thema Energieautonomie in der Kleinstadt Bürstadt. Beispiele zentraler Schwerpunkte sind das nur 8 Kilometer entfernte Atomkraftwerk Biblis, das Weltgrößtes PV Dach (2005) und neuerdings die Frage der Ölförderung in der Gemeinde. Erhard Renz engagiert sich bei Solar- (z.B. DSC) und Windverbänden, ist sich allerdings auch politisch im Kommunalparlament aktiv.

Erhard Renz: "Photovoltaik ist die demokratischste Energieerzeugung und darf nicht verboten oder besteuert werden."

Milk the Sun: Lieber Herr Renz, die Liste derer, denen in den letzten Monaten und Jahren ein Ausbremsen der Energiewende vorgeworfen wurde, ist lang. Wie schätzen Sie die klimapolitischen Ergebnisse der letzten Legislaturperiode der schwarz-gelben Regierung ein, der nach Kanzlerin Merkel „erfolgreichsten Bundesregierung seit der Wiedervereinigung“?

Erhard Renz: Beim Rückblick auf die letzte Legislaturperiode ist festzustellen, dass die schwarz-gelbe Regierung als erstes die Laufzeit der Atomkraftwerke verlängerte. Ein fataler Fehler der erst durch Fukushima und Massenprotesten zurück-„gewendet“ wurde. Die Energiepolitik von schwarz-gelb läuft unter dem Titel „Energiewende“. Ich empfinde dieses Wort als Antwort auf die Rot-Grüne Regierungszeit (1998-2005). Die schwarz-gelbe Regierung bemüht sich, mit allen Mitteln, den Schwung der dezentralen Erneuerbaren Energien in Bürgerhand abzuschwächen und die „alten Besitzverhältnisse“ wieder herzustellen oder zumindest zu bewahren. Ein Umweltminister der 2013 die Halbierung des Photovoltaik Zubaus begrüßt und sich über ein neues Braunkohlekraftwerk freut hat seinen Job nicht gemacht, nicht verstanden oder andere Zielvorstellungen! Positive Klimapolitische Ergebnisse kann ich rückblickend bei dieser Bundesregierung nicht sehen. Die Fokussierung auf Kosten, Schonung von Konzernen und Untätigkeit im CO2 Handel überwiegen meine Wahrnehmung.

Milk the Sun: Unabhängig davon welche Partei nach dem 22.September in den Bundestag einziehen wird und unabhängig von der dann herrschenden Koalition, kommen auf die neue Bundesregierung viele wichtige und prägende energiepolitischen Entscheidungen zu. Was erwarten Sie sich von der Bundesregierung nach den Wahlen?

Erhard Renz: Von „unten“ denken! Ich erwarte, dass die Relevanz der Photovoltaik erkannt wird. Bei derzeit 1,4 Millionen Photovoltaikanlagen und einem Gebäudebestand von 19 Millionen Gebäuden in Deutschland muss in jeder energetische Zukunftsbetrachtung von 15 Millionen Photovoltaikanlagen ausgegangen werden. Mir kann niemand erklären warum im Jahr 2025 ein Gebäudebesitzer, bei Herstellungskosten von dann schätzungsweise 8 Cent je Kilowattstunde und einem ebenfalls geschätzten Strom Kaufpreis von 32 Cent, sein Gebäude nicht nutzen sollte um Strom zu produzieren! Deshalb muss jedes Energie Zukunftsszenario von dieser Grundmenge (15 Millionen!) Photovoltaikanlagen ausgehen. Photovoltaik ist die demokratischste Energieerzeugung und darf nicht verboten oder besteuert werden. Als nächstes ist zu berücksichtigen, dass viele Bürger sich einen Energiespeicher zulegen werden. Ich wünsche mir von der nächsten Bundesregierung so einfache Dinge, wie einen rücklaufenden Stromzähler für diejenigen die eine Photovoltaikanlage auf dem eigenen Dach betreiben. Es macht doch keinen Sinn, dass ich auf dem Papier noch Strom „hinzukaufen“ muß obwohl ich unter dem Strich mehr Strom produziere, als im eigenen Haus verbraucht wird.

Die nächste „Denk“-Ebene muss die Quartiersebene werden, auf der sich Nachbarn zusammenschließen, um Energie effizient gemeinsam zu produzieren/speichern. Hier greifen Techniken wie Kraft-Wärme-Kopplung im kleinen Stil. Erst dann kommt die kommunale Sichtweise, bei der sich Kommunen überlegen, wie sie Ihren Bürgern Energie zur Verfügung stellen. Ab der kommunalen Ebene greift die Windenergie in das Geschehen ein. Der Ausbau der Windenergie muss kommunal integriert werden. Kommunal erzeugt Energie, muss immer Vorrangig vor extern zugekaufter Energie sein. Bürgerfinanzierung muss Vorrang vor Fremdinvestition haben. Natürlich gehören die lokalen Netze (Strom und Gas) in die Hand der Kommune und der Bürgergenossenschaften. Diese lokale Sicht muss Vorrang in der Politik und der Gesetzgebung erhalten.

Atom: Traditionell bleibe ich natürlich bei meiner Forderung nach der Abschaltung aller Atomkraftwerke und die Einstellung jeglicher Forschungsgelder für Atomenergie und Kernfusion. Dazu gehört auch die Brennelemente Herstellung (Urananreicherung) in Gronau. Die Lagerung von hochradioaktiven Abfällen kann erst angegangen werden, wenn alle AKW abgeschaltet sind.

Öl- Stein- und Braunkohlereserven: Aus aktuellem Anlass erwarte ich keine weiteren Vergaben von Förderlizenzen auf dem Boden der Bundesrepublik. In meiner Heimatstadt Bürstadt steht gerade (am 2.9.2013) die Förderung von Öl in meiner Heimatgemeinde auf der Tagesordnung. Ohne je die Bürger gefragt zu haben! Es dürfen keine Lizenzen zur Förderung von CO2 Quellen erteilt werden. Dazu gehört die Überarbeitung des veralteten Bergrechtes, um die Rechte der Anwohner besser zu schützen. Ähnlich wie beim Atomausstieg muss der Ausstieg aus Öl-, Steinkohle- und Braunkohlestrom in einem Ausstiegsszenario geregelt werden, ansonsten kann das Ziel der Bundesregierung – 80% Erneuerbare Energien bis 2050 – nicht erreicht werden. Die Produktion von diesem „Graustrom“ in Deutschland muss reduziert und der Export von „Graustrom“ gedeckelt werden.

Milk the Sun: Derzeit herrscht eine große Verunsicherung innerhalb der Bevölkerung, wenn es um das Thema Erneuerbare Energien und die damit zusammenhängende Energiewende geht. Der einzelne erstickt in einem Schwall an Pro-und-Anti-Propaganda, was letztendlich lediglich Verunsicherung und Verwirrung zur Folge hat. Es gibt nur wenige Stimmen die zur Ordnung rufen und die Diskussion auf eine sachliche und logische Ebene zurückführen wollen. Wie ist ihr Vorschlag für ein konstruktiveres Vorgehen in diesen Fragen?

Erhard Renz: Ich war selbst Teilnehmer bei verschiedenen „Energiegipfel“ (z.B. Hessischer Energiegipfel) und musste feststellen, dass die falschen Experten am Tisch sitzen! Die Experten von gestern sind die Rentner von morgen aber nicht die Experten für die Energieautonomie. Diese Energieautonomie muss auf allen Ebenen angestrebt werden! Ich halte es hier mit Hermann Scheer, der sagte: „Bei der Einführung von Computern hat auch niemand die Schreibmaschinen Hersteller als Experten befragt!“

Die Marktmacht der alten Energiekonzerne ist zu gewaltig, um ein „konstruktives Vorgehen“ zu realisieren. Diese Konzerne müssen ihre Kraftwerke aber auch einen Teil Ihrer bilanziellen Vorräte (Öl, Stein-und Braunkohle) abschreiben. Diese „CO2-Blase“ wird irgendwann platzen. Der Wertverlust dieser Aktiengesellschaften wird natürlich nicht ohne Gegenwehr hingenommen. Sie werfen momentan alles in die Schlacht um zu retten, was zu retten ist. Die Konzernstrukturen sind aber aus meiner Sicht nicht zu retten.

Ich habe Jahrzehnte bei einem Automobilhersteller gearbeitet. Es gab nie einen konstruktiven Ausbau von Straßen in Deutschland. Der Ausbau der Erneuerbaren Energien von „unten“ wird dazu führen, dass mittel- bis langfristig nur die wirtschaftlichen Erneuerbaren-Kraftwerke und die dazu nötigen Speicher und Netze gebaut werden. Ein zentralistischer Ansatz womöglich noch auf europäische Ebene wäre kontraproduktiv und ein Rückschritt. Deutschland muss sein Modell „Energiewende von unten“ zum Erfolg bringen.

Milk the Sun: Stéphane Hessel bezeichnete den Kampf für eine nachhaltige und feste Umweltpolitik als eine der Hauptaufgaben der Menschen im 21. Jahrhundert. Die Erkenntnisse der Wissenschaft und die Veränderungen des Klimas geben ihm Recht. Dennoch passiert verhältnismäßig wenig, obwohl es letztendlich um die Existenz der menschlichen Spezis geht. Wie ist ihr Standpunkt dazu, dass sich angesichts eines derart dringenden Themas noch immer in politischen und wirtschaftlichen Grabenkämpfen ergeben wird?

Erhard Renz: Meine Einschätzung ist eine ganz andere. Wir, die „Öko Spinner“, die vor 25 Jahren Wind- und vor 15 Jahren Sonnenenergie propagiert haben, sind erfolgreich! Jedes einzelne Erneuerbare Kraftwerk ist ein Sieg für uns, wir erleben es nur nicht so im Alltag. Die technische Entwicklung läuft schneller und kostengünstiger als erwartet. Die Profiteure der „alten Energieversorgung“ können leider nicht schnell genug aus dem System entfernt werden. Wer mit dem einzelnen Experten der alten Energieversorgung redet und ihm einen Arbeitsplatz im Bereich der Erneuerbaren Energien schmackhaft macht scheitert. Die Arbeitsplätze bei den Energieriesen sind immer noch sicher und bestens bezahlt, im Vergleich zu den Risiken und mager bezahlten Jobs bei der Erneuerbaren-Branche. Die Renditen/Gehälter für die Banken/Banker sind im atomar/fossilen System höher als in der Erneuerbaren-Branche. Vorstände und Aufsichtsräte „arbeiten“ dort meist ehrenamtlich. Dies wird von Politikern, Managern, Investoren und Bankern toleriert. Alles auf Kosten der Umwelt und nachfolgender Generationen. Wir werden weiterhin um jede(n) Bürger(In) um jede Photovoltaikanlage, jedes Windrad, jeden Speicher kämpfen müssen. Eigentlich freu ich mich drauf, weil ich sicher bin, dass dies der richtige Weg ist!

 

Wir bedanken uns bei Herrn Renz für das Interview.

 


 Im Rahmen der Interviewreihe “Vier Fragen an …” stellt der Milk the Sun Blog bis zur Bundestagswahl am 22.September 30 Tage lang führenden Köpfe aus Wirtschaft, Politik und Medien vier Fragen zu den Erwartungen an die Energiepolitik Deutschlands der zurückliegenden und kommenden Jahre. Bisher interviewten wir Sebastian Bolay (DIHK), Heiko Schwarzburger (Photovoltaik), Corinna Lang (CleanEnergy Project), Patrick Jüttemann (klein-windkraftanlagen.com), Christian Leers (PV-Experte), Robert Schwarz (BTO Management Consulting), Lothar Lochmaier (Freier Journalist), Michael Richter (Sonneninvest AG), Kilian Rüfer (SUSTAINMENT), Udo Schuldt (Blogger), Thorsten Zoerner (Solution Architect), Prof. Dr. Eicke Weber (Fraunhofer ISE), Falko Bozicevic (GoingPublic Magazin), Carsten Körnig (Solarwirtschaft e.V.), Denis-Mariel Kühn (EGBB), Doreen Brumme (Freie Journalistin)

Vier Fragen an … Doreen Brumme, Freie Journalistin

Doreen Brumme ist Politologin, freie Journalistin und Bloggerin. Sie studierte Politik, Journalistik, VWL und Arabische Soziologie an der Universität Hamburg. Neben ihrer Tätigkeit als freie Journalistin ist Doreen Brumme Chefredakteurin des kleinen Hamburger Verlages YaaCool und gründete das Verbraucherinformationsportal Beauty, Bio, Haustiere und Physio. Sie spricht sechs Sprachen, liest gerne englischsprachige Fantasy, ist Katzenbesitzerin und dreifache Mutter.

Doreen Brumme: "Ich glaube seit ich politisch denke, unsere Parteienpolitik geht am Gestalten einer lebensfähigen und lebenswerten Gesellschaft vorbei. Im Gegenteil: Das alltägliche Gezerre und Gezeter um die Energiewende, die wohlbemerkt keine Alternative zu fossiler Energiewirtschaft sondern die einzige Vernunftentscheidung ist, zeigt, wie schnell man hierzulande über Selbstbeschau, Selbstdarstellung und Auseinandersetzungen mit vermeintlichen Gegnern vergisst, was wirklich zählt."

Milk the Sun: Liebe Frau Brumme, die Liste derer, denen in den letzten Monaten und Jahren ein Ausbremsen der Energiewende vorgeworfen wurde, ist lang. Wie schätzen Sie die klimapolitischen Ergebnisse der letzten Legislaturperiode der schwarz-gelben Regierung ein, der nach Kanzlerin Merkel „erfolgreichsten Bundesregierung seit der Wiedervereinigung“?

Doreen Brumme: Ich weigere mich, die politischen Player nach Farbe und Parteiprogramm, nach Regierung und Opposition zu unterscheiden und ihr Tun und Lassen entsprechend gefärbt beziehungsweise getrennt voneinander zu beurteilen. Sie alle sind im Dienste der Wähler zum Regieren berufen, auch durch meine Wahlentscheidung. Und meine Stimme ist genau so viel Wert wie die eines jeden anderen Wählers.

Ich glaube seit ich politisch denke, unsere Parteienpolitik geht am Gestalten einer lebensfähigen und lebenswerten Gesellschaft vorbei. Im Gegenteil: Das alltägliche Gezerre und Gezeter um die Energiewende, die wohlbemerkt keine Alternative zu fossiler Energiewirtschaft sondern die einzige Vernunftentscheidung ist, zeigt, wie schnell man hierzulande über Selbstbeschau, Selbstdarstellung und Auseinandersetzungen mit vermeintlichen Gegnern vergisst, was wirklich zählt.

Insofern betrachte ich das, was in den vergangenen vier Jahren an Politik passierte, als das Ergebnis der Bemühungen aller am Entscheiden Beteiligten. Und das wiederum lässt mir nur zu wünschen übrig: Möge die Macht mit uns sein!

Mit uns, den Menschen, die die Volksvertreter mit einem Mandat beauftragen, Volkes Willen in die Tat umzusetzen. Mit uns, die zum Beispiel im Blog Ecoquent Positions die Energiewende erklären. Mit mir, die sie daheim selbst lebt und unseren Kindern vorlebt. Mit uns Verbrauchern, die die Kosten des Gezerres um Energiepolitik Tag für Tag zu tragen haben, während die Politik den Energieverbrauch großer Unternehmen großzügig subventioniert. Ganz nebenbei: Als Familie mit demnächst vier Kindern zähle ich uns übrigens auch zu den Großverbrauchern von Energie … die Nummer meines Subventionskontos lautet … (lacht).

Milk the Sun: Unabhängig davon welche Partei nach dem 22.September in den Bundestag einziehen wird und unabhängig von der dann herrschenden Koalition, kommen auf die neue Bundesregierung viele wichtige und prägende energiepolitischen Entscheidungen zu. Was erwarten Sie sich von der Bundesregierung nach den Wahlen?

Doreen Brumme: Meinen Kindern lebe ich vor, dass sie von der Welt, vom Leben, von ihren Eltern, Geschwistern und Freunden. Lehrern und Trainern stets das Höchste, das Beste, das Größte erwarten dürfen, denn ohne diese Einstellung verwehrte ich ihnen das Träumen. Und Träume sind Motivator für Entwicklung. Allerdings fange ich die Kinder auch stets auf, wenn ihre Erwartungen hier und da nicht in Erfüllung gehen und sie lernen müssen, wie bitter Enttäuschung schmeckt. Während bei den Kleinen die Welt nach einem heftigen Regen meist schnell wieder von der Sonne erhellt und erwärmt wird, müssen wir Erwachsenen unsere Erwartungen an der teils bitteren aber eben erfahrenen Realität messen – oftmals schrauben wir sie schon von vornherein zurück, schade drum! Ganz zu schweigen davon, dass wir unsere Enttäuschungen Großteils in Eigenregie zu verarbeiten haben.  Bezogen auf Ihre Frage heißt das: Egal, welch‘ bunte Mannschaft nach der Wahl am Hebel der Entscheidung sitzt, ich erwarte die Energiewende! Konsequent geplant, konsequent durchgeführt. Nicht mehr und nicht weniger. Das ist mein Traum – und den lasse ich mir nicht nehmen.

Ich erwarte Taten, die entsprechenden Worten folgen. Ich erwarte Glaubwürdigkeit und Authentizität, ich erwarte Offenheit und Vertrauen in mich, den energieverbrauchenden Wähler. Meinen Vertrauensvorschuss bin ich bereit zu liefern, das ist mein Wahlgeschenk am 22. September. Ich erwarte Probleme und Rückschläge bei der Verwirklichung der Energiewende, denn das ist menschlich. Dafür würde ich gerne Verständnis aufbringen, wenn man mich denn auch verstehen ließe, warum Entscheidungen gefällt wurden. Ich habe längst gewendet. Nun erwarte ich, dass die Volksvertreter nicht nur Bremsen – ein ganz natürlicher erster Schritt, um die Wende von fossiler Energiewirtschaft hin zu erneuerbarer zu vollführen – sondern auch bereit sind, auf Kohle, Atom , Erdöl und Erdgas zu verzichten, zu wenden und mit Wind im Rücken, Biomasse im Tank und der Sonne im Kollektor in Richtung Zukunft zu fahren.

Milk the Sun: Derzeit herrscht eine große Verunsicherung innerhalb der Bevölkerung, wenn es um das Thema Erneuerbare Energien und die damit zusammenhängende Energiewende geht. Der einzelne erstickt in einem Schwall an Pro-und-Anti-Propaganda, was letztendlich lediglich Verunsicherung und Verwirrung zur Folge hat. Es gibt nur wenige Stimmen die zur Ordnung rufen und die Diskussion auf eine sachliche und logische Ebene zurückführen wollen. Wie ist ihr Vorschlag für ein konstruktiveres Vorgehen in diesen Fragen?

Doreen Brumme: Der Rückzug auf parteipolitische, wirtschaftliche, kulturelle oder religiöse Standpunkte und das Argumentieren daher suggeriert dem Wähler, sprich: dem Energieverbraucher, es gäbe viele Wege zum Ziel oder gar verschiedene Ziele. Dem ist nicht so. Erneuerbare Energie in allen ihren bekannten und unbekannten Formen (die Forscher haben hier noch viel zu tun!) ist die Zukunft. Die eine.

Eine Zukunft, die wir schon sehen können. Damit wir sie auch erleben, müssen wir uns von althergebrachten Querelen befreien, über parteiliche, wirtschaftliche, kulturelle und religiöse Schemata hinweg. Die öko-korrekte Zukunft ist die einzige, die unser Planet hat. Das Streben danach sollte uns einen, nicht trennen. Nachhaltigkeit ist nicht eins der Standbeine der Gesellschaft, sondern die Basis, auf die wir bauen müssen. Wir brauchen Politik, Wirtschaft, Kultur und Religion, die darauf fußen. Kein oberflächliches Greenwashing. Deshalb mein Vorschlag: Lassen wir fossile Entscheidungsstrukturen hinter uns und wenden wir uns zielstrebig geeint der öko-korrekten Zukunft zu. Wenn alle mit anpacken, haben auch alle etwas davon.

Milk the Sun: Stéphane Hessel bezeichnete den Kampf für eine nachhaltige und feste Umweltpolitik als eine der Hauptaufgaben der Menschen im 21. Jahrhundert. Die Erkenntnisse der Wissenschaft und die Veränderungen des Klimas geben ihm Recht. Dennoch passiert verhältnismäßig wenig, obwohl es letztendlich um die Existenz der menschlichen Spezis geht. Wie ist ihr Standpunkt dazu, dass sich angesichts eines derart dringenden Themas noch immer in politischen und wirtschaftlichen Grabenkämpfen ergeben wird?

Doreen Brumme: Es ist traurig, zu sehen, wie viel Engagement, Emotionen und ganz klar: Kosten (teilweise finanziert vom Steuerzahler) Tag für Tag dafür verschwendet werden, Gräben auszuheben, zu befestigen, zu bemannen (selbstverständlich mit Mann und Frau) und zu verteidigen – um in Ihrem Bild zu bleiben. Aus der eigenen Vergangenheit und der unmittelbaren Gegenwart anderer Völker wissen wir leider, was nach einem Krieg bleibt: von Gräben zerfurchtes Land, von Gräben zerfurchte Seelen. Und auch das muss sich der Grabenkämpfer von mir fragen lassen: Was siehst Du eigentlich, wenn Du in Deinem Graben hockst und auf den Angriff Deines Gegners wartest? Wenn überhaupt, dann nur ein Stück des Himmels, nur einen Teil des Ganzen – oder?

Wer sich eingräbt, steckt fest, ich würde sogar sagen: mit dem Kopf im Sand … Er hat sich selbst eine Grube gegraben und ist auch noch freiwillig hineingesprungen. Das tut weh! Er verwehrt sich Bewegungsfreiheit und Entscheidungsfähigkeit.

Die Energiewende erfordert Bewegung. Sie ist eine Entscheidung jedes Einzelnen.

Und bitte: Es ist keine Schande, gestrige Entscheidungen als gestrig zu bewerten und neue Erkenntnisse in neue Entscheidungen einzubeziehen. Das ist ein Must-do unserer Zeit! Wer das nicht will, ist von gestern … und nicht von heute und morgen. Schon gar nicht ist er erneuerbar!

 

Wir bedanken uns bei Frau Brumme für das Interview.

 


Im Rahmen der Interviewreihe “Vier Fragen an …” stellt der Milk the Sun Blog bis zur Bundestagswahl am 22.September 30 Tage lang führenden Köpfe aus Wirtschaft, Politik und Medien vier Fragen zu den Erwartungen an die Energiepolitik Deutschlands der zurückliegenden und kommenden Jahre. Bisher interviewten wir Sebastian Bolay (DIHK), Heiko Schwarzburger (Photovoltaik), Corinna Lang (CleanEnergy Project), Patrick Jüttemann (klein-windkraftanlagen.com), Christian Leers (PV-Experte), Robert Schwarz (BTO Management Consulting), Lothar Lochmaier (Freier Journalist), Michael Richter (Sonneninvest AG), Kilian Rüfer (SUSTAINMENT), Udo Schuldt (Blogger), Thorsten Zoerner (Solution Architect), Prof. Dr. Eicke Weber (Fraunhofer ISE), Falko Bozicevic (GoingPublic Magazin), Carsten Körnig (Solarwirtschaft e.V.), Denis-Mariel Kühn (EGBB)

 

Vier Fragen an … Thorsten Zoerner, Solution Architect und Blogger

Thorsten Zoerner ist ein IT-Spezialist, Solution Architect und Blogger. Er unterhält unter anderem den Blog Stromhaltig.de, der aus der Grundidee eines Projektes für Nachhaltigkeit 2009 entstand und sich mittlerweile zu einer Webseite mit verschiedenen Tools, Wikis und ähnlichem entwickelt hat. Herr Zoerner arbeitete bisher unter anderem für IBM, Verity, Vivisimo und das SAS Institute. Er ist ein leidenschaftlicher Pilot und Mitglied der Energieblogger.

Thorsten Zoernder: „Nach meiner Meinung haben die Medien hier ihr „Bestes“ getan und dazu beigetragen, dass man über einige Teile der Energiewende nur Informationen erhält, die der Qualität einer Bobbycar-Affäre entsprechen. Meldungen werden unkontrolliert übernommen und nicht weiter hinterfragt. Bislang fehlt mir der Daten-Journalismus der Energiewende – und auch die Umsetzung eines gewissen Bildungsauftrages.“

Milk the Sun: Lieber Herr Zoerner, die Liste derer, denen in den letzten Monaten und Jahren ein Ausbremsen der Energiewende vorgeworfen wurde, ist lang. Wie schätzen Sie die klimapolitischen Ergebnisse der letzten Legislaturperiode der schwarz-gelben Regierung ein, der nach Kanzlerin Merkel „erfolgreichsten Bundesregierung seit der Wiedervereinigung“?

Thorsten Zoerner: Am Anfang der Legislaturperiode gab es die Bilder mit Frau Merkel vor einem Eisberg im roten Daunenanorak. Der Ausdruck „Klimakanzlerin“ war geboren und zeigt bis heute die Macht der Bilder. Ähnlich des Nobelpreises an Barack Obama vor seiner Amtseinführung, bleiben die Bilder der Kanzlerin im Gedächtnis, nicht aber die tatsächlichen Handlungen. Der Ausstieg aus der Kernenergie und der Einstieg in die Kohleverstromung ist in ihrer klimapolitischen Dimension kaum erfasst. Anstelle die Chance zu nutzen bereits im Jahre 2010 einen klaren Investitionsschutz für die Regenerative Energiequellen zu setzen, werden gerade Investoren seither auf eine harte Probe gestellt. Sollen die Klimaziele der Antrieb sein, dann hätte das Thema Verlässlichkeit eine höhere Priorität bedurft.

Milk the Sun: Unabhängig davon welche Partei nach dem 22.September in den Bundestag einziehen wird und unabhängig von der dann herrschenden Koalition, kommen auf die neue Bundesregierung viele wichtige und prägende energiepolitischen Entscheidungen zu. Was erwarten Sie sich von der Bundesregierung nach den Wahlen?

Thorsten Zoerner: Verlässlichkeit und weniger Regulierung. Gerade bei den dezentralen Aspekten der Energiewende, zeigt sich, dass der Bürger in seinen Taten und Handlungen wesentlich mehr zur Stabilität und Versorgungssicherheit beiträgt als ihm zugetraut wird.  Wenn es selbst an einigen Tagen im August 2013 nicht möglich ist durch den vorhandenen Großkraftwerkspark den Strombedarf in Deutschland zu decken, dann weiß man, welche Rolle in der Daseinsvorsorge die vielen PV-Anlagen und Windräder bereits heute haben.  Diese Rolle muss für Betreiber und Investoren auch in Zukunft verlässlich ausgestaltet werden.

Kurzfristig erwarte ich daher eine klare Abkehr von dem Versuch einer „Besteuerung“ des Eigenverbrauchs, wie er bislang in den Absichten von CDU/CSU und Bündnis 90/Die Grünen zu finden ist.

Mittelfristig eine Reformierung der Förderungspolitik, die auf Nachhaltigkeit setzt und ähnlich der Markteinführung von Arzneimitteln ihre Wirkung und Verträglichkeit  – auch mit den Klimazielen – unter Beweis stellen muss.

Langfristig – über eine Legislaturperiode hinausgehend – sollten klare Etappenziele der Stromwende erkennbar sein. Ziele die im Jahre 2050 erreicht werden, sind zumindest für mich nach Eintritt ins Rentenalter.

Milk the Sun: Derzeit herrscht eine große Verunsicherung innerhalb der Bevölkerung, wenn es um das Thema Erneuerbare Energien und die damit zusammenhängende Energiewende geht. Der einzelne erstickt in einem Schwall an Pro-und-Anti-Propaganda, was letztendlich lediglich Verunsicherung und Verwirrung zur Folge hat. Es gibt nur wenige Stimmen die zur Ordnung rufen und die Diskussion auf eine sachliche und logische Ebene zurückführen wollen. Wie ist ihr Vorschlag für ein konstruktiveres Vorgehen in diesen Fragen?

Thorsten Zoerner: Zunächst ist die Frage, wer dafür verantwortlich ist, dass die Diskussion unkonstruktiv  geworden ist. Nach meiner Meinung haben die Medien hier ihr „Bestes“ getan und dazu beigetragen, dass man über einige Teile der Energiewende nur Informationen erhält, die der Qualität einer Bobbycar-Affäre entsprechen. Meldungen werden unkontrolliert übernommen und nicht weiter hinterfragt. Bislang fehlt mir der Daten-Journalismus der Energiewende – und auch die Umsetzung eines gewissen Bildungsauftrages.

Auf der anderen Seite, bin ich mir allerdings auch im klaren, dass gerade die ungeordnete Diskussion zu einem Bewusstsein des viel zu lange „fremdvergebene“ Thema Stromerzeugung führt. Meinung muss sich bilden – und dazu bedarf es Diskussion. Das da manche Aspekte nicht der Logik entsprechen, ist klar.

Schade ist, dass die politischen Redensführer aktuell nicht als Nukleus der Diskussion gesehen werden können. Kommunikation über die Energiewende wird dem Umweltminister auferlegt – die Strippen aber im Wirtschaftsministerium gezogen. Das hat mit einer Vereinfachung der Diskussion leider wenig zu tun.

Milk the Sun: Stéphane Hessel bezeichnete den Kampf für eine nachhaltige und feste Umweltpolitik als eine der Hauptaufgaben der Menschen im 21. Jahrhundert. Die Erkenntnisse der Wissenschaft und die Veränderungen des Klimas geben ihm Recht. Dennoch passiert verhältnismäßig wenig, obwohl es letztendlich um die Existenz der menschlichen Spezis geht. Wie ist ihr Standpunkt dazu, dass sich angesichts eines derart dringenden Themas noch immer in politischen und wirtschaftlichen Grabenkämpfen ergeben wird?

Thorsten Zoerner: Die Grabenkämpfe gehen weiter, bis es zu einem Ausgleich der kurz- und mittelfristigen Interessen gekommen ist. Das ist eigentlich bei jeder Form der Veränderung normal.  Wenn wir in das Klima investieren, dann verzichten wir heute bewusst auf etwas, dessen Vorteil unbestimmt in der Zukunft liegt. Die entspricht sehr klassisch der wirtschaftlichen Definition von Investition und belegt, dass jeder Investor einzeln überzeugt werden will.  Dieses bedarf einiges an Zeit, Überzeugung und Standfestigkeit.

Die Zustimmung in der Bevölkerung zur Energiewende ist wahrscheinlich auf das langfristige Ziel gerichtet. Der kurzfristige Protest gegen die einzelnen Schritte zeigt, dass zu wenig Interessensausgleich stattgefunden hat.

 

Wir bedanken uns bei Herrn Zoerner für das Interview.

 


Im Rahmen der Interviewreihe “Vier Fragen an …” stellt der Milk the Sun Blog bis zur Bundestagswahl am 22.September 30 Tage lang führenden Köpfe aus Wirtschaft, Politik und Medien vier Fragen zu den Erwartungen an die Energiepolitik Deutschlands der zurückliegenden und kommenden Jahre. Bisher interviewten wir Sebastian Bolay (DIHK), Heiko Schwarzburger (Photovoltaik), Corinna Lang (CleanEnergy Project), Patrick Jüttemann (klein-windkraftanlagen.com), Christian Leers (PV-Experte), Robert Schwarz (BTO Management Consulting), Lothar Lochmaier (Freier Journalist), Michael Richter (Sonneninvest AG), Kilian Rüfer (SUSTAINMENT), Udo Schuldt (Blogger)

 

Vier Fragen an … Udo Schuldt, Blogger

Udo Schuldt ist ein Blogger aus Hamburg und seit 2009 Administrator der Internet Community Klimaschutz-Netz, die sich zum Ziel gesetzt hat, auf Informationen rund um das Thema Klimaschutz aufmerksam zu machen. Zusätzlich ist Herr Schuldt Mitglied der Bloggervereinigung Energieblogger, die sich vor allem auf die Themen und Fragen rund um die Energiewende konzentrieren.

Udo Schuldt: "Echte Nachhaltigkeit funktioniert nicht ohne Abschied vom Wachstum. Letztlich werden Regierungen niemals voran gehen, solange es keine Bereitschaft zum Abschied vom Überkonsum in der Bevölkerung gibt. "

Milk the Sun: Lieber Herr Schuldt, die Liste derer, denen in den letzten Monaten und Jahren ein Ausbremsen der Energiewende vorgeworfen wurde, ist lang. Wie schätzen Sie die klimapolitischen Ergebnisse der letzten Legislaturperiode der schwarz-gelben Regierung ein, der nach Kanzlerin Merkel „erfolgreichsten Bundesregierung seit der Wiedervereinigung“?

Udo Schuldt: Selbst wenn ich mir Mühe gebe fällt mir da kaum etwas Positives ein. Ankündigungen und tatsächliches Verhalten fallen weit auseinander. Einige Beispiele:

  • Die energetische Sanierung der Gebäude kommt nicht voran.
  • Die Regierung fiel mehrfach unangenehm auf, weil sie die Grenzwerte für Kfz in der EU verwässern wollte, zunächst bei leichten Nutzfahrzeugen und dann bei PKW.
  • Der in Deutschland produzierte Kohlestrom stieg in 2012 um 5 Prozent an und auch beim Versuch den Preis der Emissionszertifikate wieder – durch deren Verknappung – zu erhöhen, stand die Bundesregierung eher auf der Bremse.

Milk the Sun: Unabhängig davon welche Partei nach dem 22.September in den Bundestag einziehen wird und unabhängig von der dann herrschenden Koalition, kommen auf die neue Bundesregierung viele wichtige und prägende energiepolitischen Entscheidungen zu. Was erwarten Sie sich von der Bundesregierung nach den Wahlen?

Udo Schuldt: Eine neue Bundesregierung muss den Ausstieg aus der Kohleverstromung erheblich beschleunigen. Dazu könnte ein Kohleausstiegsgesetz dienen. Auch der Braunkohletagebau muss ein Ende haben. Wichtig ist die energetische Sanierung von Gebäuden, da Bau und Betrieb von Gebäuden um die 40 Prozent des Energieverbrauches verursachen und entsprechend viel CO2 erzeugen. Um die erneuerbaren Energien mache ich mir dagegen weniger Sorgen. Diese werden ihren Siegeszug fortsetzen, auch ohne höhere Einspeisevergütungen. Allerdings muss der Einspeisevorrang erhalten bleiben. Den könnte eine CDU/CSU/FDP-Bundesregierung zu kippen versuchen.

Milk the Sun: Derzeit herrscht eine große Verunsicherung innerhalb der Bevölkerung, wenn es um das Thema Erneuerbare Energien und die damit zusammenhängende Energiewende geht. Der einzelne erstickt in einem Schwall an Pro-und-Anti-Propaganda, was letztendlich lediglich Verunsicherung und Verwirrung zur Folge hat. Es gibt nur wenige Stimmen die zur Ordnung rufen und die Diskussion auf eine sachliche und logische Ebene zurückführen wollen. Wie ist ihr Vorschlag für ein konstruktiveres Vorgehen in diesen Fragen?

Udo Schuldt: Am Besten wäre es, wenn möglichst alle Haushalte und Unternehmen zu Ökostromanbietern wechseln würden und somit den großen Vier ihre Basis entziehen. Aber das ist wohl nur Wunschdenken. Dennoch sind Kampagnen die dazu aufrufen von Seiten der Umweltverbände notwendig. Aus Klimaschutzsicht ist ein schneller Umstieg auf erneuerbare Energien wesentlich, die Produktionskapazitäten sollten weltweit möglichst ausgeschöpft werden und die fossile und atomare Energieerzeugung ist zu Beenden. Wichtig wäre es auch, dass wir den Journalisten die besseren Informationen liefern.

Milk the Sun: Stéphane Hessel bezeichnete den Kampf für eine nachhaltige und feste Umweltpolitik als eine der Hauptaufgaben der Menschen im 21. Jahrhundert. Die Erkenntnisse der Wissenschaft und die Veränderungen des Klimas geben ihm Recht. Dennoch passiert verhältnismäßig wenig, obwohl es letztendlich um die Existenz der menschlichen Spezis geht. Wie ist ihr Standpunkt dazu, dass sich angesichts eines derart dringenden Themas noch immer in politischen und wirtschaftlichen Grabenkämpfen ergeben wird?

Udo Schuldt: Umweltpolitik die ihren Namen verdient ist unerlässlich, aber von den jetzigen Regierungsparteien eher nicht zu erwarten. Ich persönlich halte aber auch nichts von den Vorstellungen eines „green new deal“ die auf der Illusion nachhaltigen Wachstums basieren. Vielmehr brauchen wir auch Lebensstiländerungen. Einfach die Solaranlage auf dem Dach und Ökostrom in der Steckdose werden dem Problem nicht gerecht, wenn weiterhin so viele Produkte konsumiert, geflogen und Auto gefahren wird. Agrosprit im Tank ist auch keine Alternative. Echte Nachhaltigkeit funktioniert nicht ohne Abschied vom Wachstum. Letztlich werden Regierungen niemals voran gehen, solange es keine Bereitschaft zum Abschied vom Überkonsum in der Bevölkerung gibt. Damit meine ich natürlich nicht diejenigen die ohnehin kaum Einkommen haben, sondern die Angehörigen der Konsumentenklasse. Die Einkommen der Armen – überall auf der Erde – müssen dagegen gesteigert werden.  Entwicklungspolitik muss also sowohl die Armut bekämpfen, als auch die Erneuerbaren Energien fördern.

 

Wir danken Herrn Schuldt für das Interview.

 


Im Rahmen der Interviewreihe “Vier Fragen an …” stellt der Milk the Sun Blog bis zur Bundestagswahl am 22.September 30 Tage lang führenden Köpfe aus Wirtschaft, Politik und Medien vier Fragen zu den Erwartungen an die Energiepolitik Deutschlands der zurückliegenden und kommenden Jahre. Bisher interviewten wir Sebastian Bolay (DIHK), Heiko Schwarzburger (Photovoltaik), Corinna Lang (CleanEnergy Project), Patrick Jüttemann (klein-windkraftanlagen.com), Christian Leers (PV-Experte), Robert Schwarz (BTO Management Consulting), Lothar Lochmaier (Freier Journalist), Michael Richter (Sonneninvest AG), Kilian Rüfer (SUSTAINMENT)

Vier Fragen an … Kilian Rüfer, Leiter von SUSTAINMENT

Kilian Rüfer leitet die Netzwerk-Agentur SUSTAINMENT. Das Unternehmen gründete Herr Rüfer bereits 2005 während seines Studiums. Zusätzlich unterhält Herr Rüfer einen Blog, auf dem er über die Fragen rund um die Themen Nachhaltigkeit, den Wegen ihrer Kommunikation und den Energiesystemwandel schreibt. Zudem ist Herr Rüfer einer der führenden deutschen Energieblogger.

Kilian Rüfer:

Milk the Sun: Lieber Herr Rüfer, die Liste derer, denen in den letzten Monaten und Jahren ein Ausbremsen der Energiewende vorgeworfen wurde, ist lang. Wie schätzen Sie die klimapolitischen Ergebnisse der letzten Legislaturperiode der schwarz-gelben Regierung ein, der nach Kanzlerin Merkel „erfolgreichsten Bundesregierung seit der Wiedervereinigung“?

Kilian Rüfer: Es gab Erfolge während der Legislaturperiode der derzeitigen Bundesregierung. Im Energiekonzept der Bundesregierung wurden die richtigen (Minimal)-Ziele gesetzt. Leider hat man es nicht geschafft, diese eigenen Ziele mit einer konsistenten Politik zu verfolgen. Die Ausbauraten erneuerbarer Energien sind sehr erfolgreich gewesen, jedoch sind im Umlagemechanismus einseitige hausgemachte Abwälzungen auf Verbraucher erfolgt.

Der Einschnitt in die Photovoltaik-Förderung war zu stark – auch wenn ich eine kleinere Anpassung mit Augenmaß durchaus nachvollziehbar gefunden hätte. Bei den Themen Netzausbau und Effizienz hat die Bundesregierung auf ganzer Linie versagt. Es gelang nicht, den Emissionshandel durch Verknappung von Zertifikation zu entlasten. Ebenfalls wurden europäische CO2-Grenzwerte im Verkehrssektor verhindert. Es werden zu viele neue Kohlekraftwerke angeschlossen und gebaut – was für Jahrzehnte Fakten schaffen dürfte. In 2012 sind laut UBA die Treibhausgasemissionen um 1,6 Prozent gestiegen. Was ich ernsthaft vorwerfe ist, dass zugelassen wurde, dass man die Inhalte des Klimaschutzes ausgeklammert hat.

Milk the Sun: Unabhängig davon welche Partei nach dem 22.September in den Bundestag einziehen wird und unabhängig von der dann herrschenden Koalition, kommen auf die neue Bundesregierung viele wichtige und prägende energiepolitischen Entscheidungen zu. Was erwarten Sie sich von der Bundesregierung nach den Wahlen?

Kilian Rüfer: Wer auch immer den Job machen muss, ich wünsche mir, dass aus den Fehlern die richtigen Lehren gezogen werden. Die Energiewende ist ein starker Veränderungsprozess. Dabei muss man den Verantwortlichen Fehler zugestehen: Es ist schon ein Ritt auf des Messers Klinge, wenn sich potentielle Verlierer mit aller Macht aufbäumen und knappe Haushalte sowie starke Verschuldung die Tage prägen – irgendwann aber muss Mut zur Veränderung ins Spiel kommen. Mit einer kongruenten Energiewende ließen sich so enorme Chancen für die Bundesrepublik eröffnen. Ich wünsche mir den Klimaschutz zurück auf die Agenda. Es wäre gut, wenn Anreize für Lastmanagement, Infrastruktur und Energieeffizienz Hand in Hand mit der Anschubfinanzierung erneuerbarer Energien gehen würden. Bei einer Weiterentwicklung des EEG wünsche ich mir Investitionssicherheit, eine Quellenvielfalt damit weiterhin noch mehr kleine und mittlere Investoren zu Energiebürgern werden. Was das Sparen betrifft, sollten die stillen und verdeckten umweltschädlichen Subventionen abgebaut werden. Die Ärmsten im Lande müssen entlastet werden, um Energiearmut zu verhindern.

Milk the Sun: Derzeit herrscht eine große Verunsicherung innerhalb der Bevölkerung, wenn es um das Thema Erneuerbare Energien und die damit zusammenhängende Energiewende geht. Der einzelne erstickt in einem Schwall an Pro-und-Anti-Propaganda, was letztendlich lediglich Verunsicherung und Verwirrung zur Folge hat. Es gibt nur wenige Stimmen die zur Ordnung rufen und die Diskussion auf eine sachliche und logische Ebene zurückführen wollen. Wie ist ihr Vorschlag für ein konstruktiveres Vorgehen in diesen Fragen?

Kilian Rüfer: Ich sehe auf zwei Ebenen Handlungsbedarf. Hinter den Kulissen und in den Medien. In den Gremien, die durch Interessensvertreter besetzt werden, sollten alle sitzen die betroffen sind. Heute finden die Industrie und die alte Energielobby am meisten Gehör und stille Gesprächsplätze – manchmal darf ein Feigenblatt-Öko-Lobbyist etwas sagen. Zum Thema Energie müssten alte Energielobby, erneuerbare Energielobby, Energieeffizienzlobby, Arbeitnehmerlobby, Verbraucherlobby und Naturschutzlobby etwas sagen dürfen. Ebenfalls würden scharfe Transparenzregeln für Fairness sorgen. Es muss sichtbar sein, wer von wem bezahlt wird. Es gibt zu viele Rochaden zwischen politischen Ämtern und Aufgaben in großen Lobbys und Unternehmen – solche Dinge müssen durch die Presse und Öffentlichkeit bewertet werden können. Der Staat muss wieder eine gestaltende Aufgabe übernehmen.

Auf der Medienebene ist es ebenfalls sehr komplex und kann mehr die Akzeptanz beeinflussen, als aufrichtig zu informieren. Sachlichkeit ist da ein frommer Wunsch, denn entschieden, gewählt und gekauft wird auf der unbewusst emotionalen Ebene. Das Buhlen um die Aufmerksamkeit und die Stimulierung von Verhalten ist ein essentielles Geschäft, welches manchmal zu stark mit der Presse verquickt ist. Seit dem Internet haben immer mehr klassische Medien wirtschaftliche Schwierigkeiten, was PR-Agenturen in die Hände spielt und zu schlechten Recherchen führt. Der Einfluss auf Redaktionen prägt Meinungen, was selbst bei öffentlich-rechtlichen eine Rolle spielt. Im Internet können fleißige, wie wir Energieblogger, dem Komplex einen Tropfen Grasroots-Information entgegen setzen. Niemand wird in einem freien Land diese Kampagnen verhindern können.

Vielleicht sind Bildung und Aufklärung ein Weg, immerhin können mit ihr die Einflüsse abgeschwächt werden. Eine schnelle Lösung für die aktuelle Situation habe ich nicht – ich finde die Bestärkung im Mut zum selber denken gut. Auch eine hervorragende Aufklärungskampagne würde in eine Richtung gefärbt sein. Wichtig ist, dem Einzelnen klar zu machen, was es mit einem selbst heute, morgen und übermorgen zu tun hat.

Milk the Sun: Stéphane Hessel bezeichnete den Kampf für eine nachhaltige und feste Umweltpolitik als eine der Hauptaufgaben der Menschen im 21. Jahrhundert. Die Erkenntnisse der Wissenschaft und die Veränderungen des Klimas geben ihm Recht. Dennoch passiert verhältnismäßig wenig, obwohl es letztendlich um die Existenz der menschlichen Spezis geht. Wie ist ihr Standpunkt dazu, dass sich angesichts eines derart dringenden Themas noch immer in politischen und wirtschaftlichen Grabenkämpfen ergeben wird?

Kilian Rüfer: Der Hirnforscher Gerhard Roth identifiziert als innere Entscheidungsträger die tiefen inneren Impulse – demnach ist die rational-denkende Entscheidung eine Utopie. Wenn tatsächlich fast alles unbewusst geschieht, werden Schuldzuweisungen absurd. Wenn man sich betroffen fühlt wird man aktiv. Also müssen die abstrakten Probleme in eine anfassbare persönliche Ebene übersetzt werden. Nachhaltigkeitskommunikation ist chancenlos, wenn diese nicht auf die ureigenen persönlichen Motive eingeht und das neuronale Belohnungssystem anspringt. Wenn jemand das Ganze erhalten will, spielt ein Verbundenheitsgefühl eine wichtige Rolle. „Ich und die Anderen“ ist falsch. „Wir“ ist richtig. In der Problemanalyse kommen Zeitzyklen ins Spiel: Ein wirtschaftliches oder vier gewählte Jahre reichen nicht aus, um einen Lösungspfad wie die Energiewende zu beschreiten, der z.B. 20 Jahre dauert. Wir müssen Wachstum neu definieren. In Paul Gildings Buch „Die Klimakrise wird alles ändern – und zwar zum Besseren“ beschreibt er einen Evolutionssprung aus der akuten Not heraus, durch den die Menschheit zu schnellen Anstrengungen motiviert wird – es wäre schön wenn seine These stimmt. Ich denke es lohnt sich Grundlagen zu schaffen, mit denen sich die Menschen selbst retten könnten.

 

Wir bedanken uns bei Herrn Rüfer für das Interview.

 


Im Rahmen der Interviewreihe „Vier Fragen an …“ stellt der Milk the Sun Blog bis zur Bundestagswahl am 22.September 30 Tage lang führenden Köpfe aus Wirtschaft, Politik und Medien vier Fragen zu den Erwartungen an die Energiepolitik Deutschlands der zurückliegenden und kommenden Jahre. Bisher interviewten wir Sebastian Bolay (DIHK), Heiko Schwarzburger (Photovoltaik), Corinna Lang (CleanEnergy Project), Patrick Jüttemann (klein-windkraftanlagen.com), Christian Leers (PV-Experte), Robert Schwarz (BTO Management Consulting), Lothar Lochmaier (Freier Journalist), Michael Richter (Sonneninvest AG)

 

Vier Frage an … Andreas Kühl, Betreiber von energynet

Seit 2000 betreibt Andreas Kühl die Website energynet.de, seit 2006 als Blog. Der diplomierte Ingenieur für Bauphysik ist einer der führenden deutschen Energieblogger. Seine Themenschwerpunkte reichen von der Energiewende bis hin zu den Fragen nach den Möglichkeiten einer zukunftsfähigen Energieversorgung.

Andreas Kühl: „Die EEG-Umlage muss von der Börse abgekoppelt werden, um die Akzeptanz für die Energiewende nicht zu gefährden.“

Milk the Sun: Lieber Herr Kühl, die Liste derer, denen in den letzten Monaten und Jahren ein Ausbremsen der Energiewende vorgeworfen wurde, ist lang. Wie schätzen Sie die klimapolitischen Ergebnisse der letzten Legislaturperiode der schwarz-gelben Regierung ein, der nach Kanzlerin Merkel „erfolgreichsten Bundesregierung seit der Wiedervereinigung“?

Andreas Kühl: Die klimaschutzpolitischen Ankündigungen der Bundesregierung scheinen vergessen zu sein, sobald es ernst wird und an die Umsetzung geht. Bei den Beschlüssen sieht es nicht viel besser aus. Das Energie- und Klimaprogramm ist nicht mal mehr das Papier wert auf dem es steht, durch den Preisverfall für Zertifikate beim Emissionshandel sind zudem zahlreiche Förderprogramme der Bundesregierung gefährdet. Auch wenn wir der Bundesregierung, jetzt doch einen Atomausstieg zu verdanken haben, können wir nicht wirklich zufrieden sein mit der Energie- und Klimapolitik.

Milk the Sun: Unabhängig davon welche Partei nach dem 22.September in den Bundestag einziehen wird und unabhängig von der dann herrschenden Koalition, kommen auf die neue Bundesregierung viele wichtige und prägende energiepolitischen Entscheidungen zu. Was erwarten Sie sich von der Bundesregierung nach den Wahlen?

Andreas Kühl: Die Aufgaben nach der Bundestagswahl werden für die neue Bundesregierung nicht kleiner. Das EEG muss erneuerbaren  Energien weiterhin eine sichere Zukunft bieten, aber sie müssen auch mehr Verantwortung im Strommarkt übernehmen durch den schon recht hohen Anteil im Strommix. Wie soll der Strommarkt der Zukunft überhaupt aussehen? Die EEG-Umlage muss zudem von der Börse abgekoppelt werden, um die Akzeptanz für die Energiewende nicht zu gefährden.

Milk the Sun: Derzeit herrscht eine große Verunsicherung innerhalb der Bevölkerung, wenn es um das Thema Erneuerbare Energien und die damit zusammenhängende Energiewende geht. Der einzelne erstickt in einem Schwall an Pro-und-Anti-Propaganda, was letztendlich lediglich Verunsicherung und Verwirrung zur Folge hat. Es gibt nur wenige Stimmen die zur Ordnung rufen und die Diskussion auf eine sachliche und logische Ebene zurückführen wollen. Wie ist ihr Vorschlag für ein konstruktiveres Vorgehen in diesen Fragen?

Andreas Kühl: Die Vorteile der erneuerbaren Energien werden immer bedeutender und die Akzeptanz ist glücklicherweise noch recht hoch. Die EEG-Umlage muss von der Börse abgekoppelt werden, um nicht weiter unnötigerweise anzusteigen. Der Eigenverbrauch von selbst erzeugtem Strom darf nicht bestraft werden von der neuen Bundesregierung, das hat nichts mit Marktwirtschaft zu tun. Selbst erzeugter Strom aus erneuerbaren Energien oder Kraft-Wärme-Kopplung ist heute am günstigsten, das wird sich in den nächsten Jahren immer mehr durchsetzen.

Milk the Sun: Stéphane Hessel bezeichnete den Kampf für eine nachhaltige und feste Umweltpolitik als eine der Hauptaufgaben der Menschen im 21. Jahrhundert. Die Erkenntnisse der Wissenschaft und die Veränderungen des Klimas geben ihm Recht. Dennoch passiert verhältnismäßig wenig, obwohl es letztendlich um die Existenz der menschlichen Spezis geht. Wie ist ihr Standpunkt dazu, dass sich angesichts eines derart dringenden Themas noch immer in politischen und wirtschaftlichen Grabenkämpfen ergeben wird?

Andreas Kühl: Veränderungen im Klima sind vielleicht nicht hundertprozentig direkt auf den Menschen zurück zu führen, aber die Vielzahl weist doch sehr darauf hin. Das Thema Klimaschutz ist für die meisten Menschen daher sehr weit weg aus dem Alltag, nur wenn wieder extreme Ereignisse, wie das Hochwasser in diesem Frühjahr oder der Wirbelsturm „Sandy“ in den USA, auftreten, ist das Thema wieder von Bedeutung. Den scheinbaren Widerspruch zwischen der Ökologie und Ökonomie werden wir noch weiter erleben, aber die Ökologie wird sich auch immer mehr auszahlen, sowohl bei effizientem Energieeinsatz, als auch durch die Nutzung von erneuerbaren Energien. Aber der Kampf der Unternehmen, die durch Klimaschutz verlieren, wird noch lange und hart geführt werden. Das Ende dieser Kämpfe wird positiv sein, aber die Frage ist, ob es nicht zu spät sein wird.

 

Wir bedanken uns bei Andreas Kühl für das Interview

 


Im Rahmen der Interviewreihe “Vier Fragen an …” stellt der Milk the Sun Blog bis zur Bundestagswahl am 22.September 30 Tage lang führenden Köpfe aus Wirtschaft, Politik und Medien vier Fragen zu den Erwartungen an die Energiepolitik Deutschlands der zurückliegenden und kommenden Jahre. Bisher interviewten wir Sebastian Bolay (DIHK), Heiko Schwarzburger (Photovoltaik), Corinna Lang (CleanEnergy Project), Patrick Jüttemann (klein-windkraftanlagen.com), Christian Leers (PV-Experte), Robert Schwarz (BTO Management Consulting), Lothar Lochmaier (Freier Journalist)

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