In der Photovoltaikbranche rätseln derzeit viele, wie sie ihre Gewinne korrekt an den Staat abführen sollen. Dazu zwingt sie das Gesetz zur Einführung einer Strompreisbremse (StromPBG). Das komplexe Bürokratiemonster subventioniert den in der Energiekrise teurer gewordenen Strom. Zur Gegenfinanzierung schöpft es „Zufallsgewinne” von Kraftwerksbetreibenden ab. Aufgrund des Börsendesigns profitieren preiswerte Energiequellen wie Photovoltaik derzeit von hohen Börsenstrompreisen.
Um ein wenig Licht ins Dunkel der Gewinnabschöpfung zu bringen, haben wir für Betreiber von Photovoltaikanlagen in diesem Artikel Antworten auf die wichtigsten Fragen zusammengestellt.
Ganz gleich, wie Sie zur Gewinnabschöpfung (= Erlösabschöpfung) stehen und auch, wenn Sie sich eigentlich lieber voll auf die Umsetzung der Energiewende konzentrieren würden: Das Thema muss sorgfältig abgearbeitet werden. Denn Fehler werden hart bestraft. Zudem müssen wirtschaftlich signifikante Entscheidungen getroffen werden.
Nach der Lektüre dieses Artikels sollten Sie einordnen können, ob Sie von der Erlösabschöpfung betroffen sind und grundlegend verstehen, was bei Gewinnabschöpfung beachtet werden muss.
Häufige Fragen und Antworten: Erlösabschöpfung für Photovoltaik abwickeln
Wer muss „Überschusserlöse” abführen?
Ab einem Megawatt installierter Leistung müssen Betreibende von PV-Anlagen Überschusserlöse abführen. Ob die Megawattgrenze juristisch überschritten worden ist, muss bei Anlagenerweiterungen und -zusammenfassungen anhand des Vergütungsrechts im Einzelfall geprüft werden.
Unter die Erlösabschöpfung fallen PV-Anlagen, deren Strom über die geförderte Direktvermarktung oder sonstige Direktvermarktung (PPAs) vermarktet werden. Ausgenommen hingegen sind PV-Anlagen mit fester EEG-Vergütung.
Ebenfalls ausgenommen ist Solarstrom, der ohne Nutzung des öffentlichen Stromnetzes direkt vor Ort verbraucht wird – sprich Eigenverbrauch oder direkte Stromlieferverträge.
Als Betreibende versteht das Gesetz diverse Gesellschafter- und Unternehmens-Konstellationen sowie Vermarktungsverhältnisse.
Ebenfalls abgeführt werden müssen Gewinne aus eigenen Absicherungsgeschäften. Dies sind sogenannte „Hedges” am Terminmarkt, bei denen zukünftige Strommengen zu einem festen Preis gehandelt werden. Damit haben die meisten „normalen” Anlagenbetreiber oder Projektentwickler jedoch nichts zu tun, da sie ihre Direktvermarkter nur beauftragen. Selbst – oder durch mit Ihnen verbundene Unternehmen – durchgeführte Absicherungsgeschäfte müssen berücksichtigt werden (z.B. Stadtwerke). Absicherungsgeschäfte mit Verlusten können zu einer Verkleinerung des abzuführenden Betrages führen.
Ebenfalls zur Kasse gebeten werden Betreibende von Braunkohle-, Atom-, Abfall-, Mineralöl- und Windkraftwerken. Ausgenommen sind Steinkohle, Gase, leichtes Heizöl und gespeicherter Strom.
Für welchen Zeitraum müssen die Erlöse abgeführt werden?
Es werden die Erlöse abgeschöpft für Strommengen, die in der Bundesrepublik Deutschland zwischen dem 1.12.2022 und dem 30.6.2023 erzeugt wurden bzw. werden.
Dieser Zeitraum kann bis zum 30.4.2024 verlängert werden.
Ob es zu einer Verlängerung kommt, soll ein Bericht der Bundesregierung klären, der Ende Mai 2023 vorliegen muss. Spätestens dann sollten Sie überblicken können, in welchem Umfang Sie im Zuge der Strompreisbremse zur Kasse gebeten werden.
Wie viel müssen PV-Betreibende ungefähr bezahlen?
Diese Frage haben die Energiemarktexperten von Aurora Energy Research in einer Studie beantwortet und berechnet, welcher Anteil der Einnahmen im Durchschnitt abgeschöpft wird:
- Subventionierte Photovoltaik-Anlagen: -55 Prozent
- Nicht-subventionierte PV-Anlagen: -36 Prozent
Laut den Autoren sind per Marktprämie subventionierte PV-Anlagen wegen schärferer Obergrenzen deutlich stärker betroffen sind als nicht-subventionierte PV-Anlagen.
Diese Einnahmeverluste in den Monaten der Abschöpfungslaufzeit sind gravierend. Die Abschöpfung erfolgt ab dem 1. Dezember 2022. Sie endet frühestens am 30. Juni 2023 und spätestens am 30. April 2024. Vorab waren rückwirkende Eingriffe bis in den September oder März hinein diskutiert worden. Die Abschöpfung fällt demnach bei Altanlagen für sieben bis 18 Monate der über zwanzigjährigen Betriebszeit an.
Die langfristige Wirtschaftlichkeit und Profitabilität von Erneuerbare-Energien-Anlagen sei jedoch durch die in Deutschland geplante Abschöpfung nicht gefährdet. Laut den Berechnungen des aus der Oxford-Universität hervorgegangenen Analysehauses seien viele erneuerbare Energien aufgrund der hohen Strompreise erstmals im großen Stile ohne Subventionen rentabel. Auch mit Gewinnabschöpfung würden die Anlagen auf ihre gesamte Lebenszeit gesehen so hohe Renditen wie noch nie erwirtschaften können. Aurora wird hierbei noch etwas konkreter: So reduziere sich der interne Zinsfuß (IRR) über den gesamten Betrachtungszeitraum nur um etwa einen Prozentpunkt. Die Ergebnisse werden jedoch differenziert und eingeschränkt:
- Besonders positiv schneiden PV-Anlagen ab, die ihren Betrieb im Januar 2022 aufgenommen oder für die zuvor durch Lieferantenverträge Materialpreise gesichert worden waren. Diese Anlagen profitieren besonders von hohen Strompreisen.
- Neue PV-Anlagen, die im Januar 2023 in Betrieb gehen, würden es schwer haben, sich vollständig förderfrei durch Direktvermarktung am Markt zu behaupten, da sie inflationsbedingte Kostensteigerungen stemmen müssen. Bestätigt hat diese Einschätzung eine Umfrage unter den Mitgliedern des Bundesverbandes für Solarwirtschaft, bei der 45 Prozent der befragten Unternehmen mit einer Unwirtschaftlichkeit förderfreier PV-Projekte rechnen.
Wie wird der konkrete Abschöpfungsbetrag ausgerechnet?
In Deutschland wird mehr abgeschöpft, als die EU im Oktober mit ihrer „EU-Notfall-Strom-Verordnung” vorgegeben hatte. In der Bundesrepublik gelten unterschiedliche „technologiespezifische Erlösobergrenzen” (=Referenzwerte). Diese Werte sind im Kern der Betrag, den Sie behalten dürfen. Bei der Photovoltaik orientiert sich die Erlösobergrenze am anzulegenden Wert, der aus der für die jeweilige PV-Anlage geltenden Fassung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes hervorgeht.
Wie der Überschusserlös und der Referenzwert ermittelt werden, kommt auf das zugrunde gelegte Berechnungsmodell und die Art der PV-Anlage an. Bei PPAs können Sie unter bestimmten Voraussetzungen wählen, ob Sie sich nach dem Standardmodell oder dem Spitzabrechnungsmodell veranlagen.
Standardmodell bei Photovoltaik
Überschusserlöse können um eigene Absicherungsgeschäfte korrigiert werden.
Als Preis wird bei der Photovoltaik der Monatsmarktwert Solar herangezogen. Sollte der Spotmarktpreis in einzelnen Stunden unterhalb des Monatsmarktwertes gelegen haben, kann der herangezogene Monatsmarktwert für diese Zeiträume in einem aufwändigen Verfahren nach unten korrigiert werden.
Der Sicherheitszuschlag beträgt bei geförderten Anlagen 3 Cent/kWh. Bei ungeförderten Anlagen entfällt er.
PPA: Augen auf bei der Wahl des Berechnungsmodelles
Bei „anlagenbezogenen Vermarktungsverträgen” können Sie einmalig wählen, ob Sie das Standardmodell oder das Spitzabrechnungsmodell zugrunde legen. Anlagenbezogene Vermarktungsverträge sind PPAs, über die Solarstrom an Dritte vermarktet wird. Die Wahlmöglichkeit hängt zudem vom Inbetriebnahme- und Vertragsdatum ab. Zudem wird dabei zwischen Bestands- und Neuanlagen unterschieden.
Wenn Sie sich mit einem Fixpreis-PPA für das Standardmodell entscheiden, besteht das Risiko eines Minusgeschäftes – nämlich dann, wenn Sie einen höheren Abschöpfungsbetrag überweisen müssen, als Ihnen Ihr Stromkunde bezahlt. Wirtschaftlich kommt deshalb bei Fixpreis-PPA häufig nur das Spitzabrechnungsmodell in Frage.
Mit der ersten Erklärung zum 31.07.2023 beim Übertragungsnetzbetreiber wird die Auswahl des Berechnungsmodells für alle Abrechnungszeiträume zementiert.
Spitzabrechnungsmodell bei Photovoltaik-PPA
Wie im Standardmodell können die Strommenge um Redispatch-Strommengen und der Vertragspreis um Absicherungsgeschäfte korrigiert werden.
Wann muss wem was gemeldet werden?
Wann und an wen muss gezahlt werden?
Überwiesen werden muss der Abschöpfungsbetrag an den Anschlussnetzbetreiber.
Erstmalig gezahlt werden muss er am 15.8.2023 für den Zeitraum Dezember 2022 bis April 2023. Danach geht es quartalsweise weiter am 15.12.2023.
Wer führt die Veranlagung durch?
Anlagenbetreibende müssen sich selbst veranlagen und ausrechnen, wie hoch ihre „Überschusserlöse” ausfallen.
Sollte ich die Veranlagung selbst durchführen?
Die Umsetzung der Veranlagung ist adminanstriv aufwändig, kompliziert und anfällig für Fehler. Fahrlässige Fehler und Falschangaben werden mit scharfen Straf- und Bußgeldbestimmungen quittiert.
Aus diesen Gründen ist für viele Betreibende eine Rechtsberatung durch spezialisierte Anwaltskanzleien sinnvoll. Alternativ kann auf Fachsoftware zurückgegriffen werden, die laut Anbieter die Berechnungen und Meldungen automatisch und rechtssicher übernehmen kann.
Was droht bei Fehlern?
Der Gesetzgeber hat zur Durchsetzung der Gewinnabschöpfung scharfe Straf- und Bußgeldbestimmungen festgelegt. Alle Erklärungen und Zahlungen müssen pünktlich erfolgen. Kontrolliert wird die Veranlagung von der Bundesnetzagentur. Diese darf hierzu Auskünfte verlangen und Unterlagen anfordern. Zudem verfügt sie über Betretungsrechte.
Wer fahrlässig oder vorsätzlich Fehler macht, dem können Geldbußen bis zu 4 Prozent des Jahresumsatzes auferlegt werden. Vorsätzliche Falschangaben können mit Freiheitsstrafen bis zu fünf Jahren bestraft werden. Bei gefälschten Belegen drohen sogar bis zu 10 Jahren Haft.
Würde sie ein Fachanwalt bei der Veranlagung falsch beraten, haftet dieser, sofern Sie einen Beratungsfehler nachweisen können.
Beim Einsatz einer Fachsoftware haftet der Anbieter für Berechnungsfehler. Für die korrekte Eingabe der Daten bleiben Sie als Anlagenbetreiber selbst verantwortlich.
Ist die Strompreisbremse eine Energiewendebremse?
Den Analysten von Aurora-Energy zufolge hat die monatelange Diskussion über die Gewinnabschöpfung die am Markt teilnehmenden PV-Unternehmen gehörig verunsichert. Der Gesetzgeber habe für einen Vertrauensverlust gesorgt. Zudem steht die Dauer der Maßnahme und damit die konkrete Belastung in den Sternen, was in der Natur der Sache liegt, da niemand absehen kann, wie lang sich die Energiekrise hinziehen wird. In dieser Gemengelage verunsichern zudem Pläne der EU-Kommission für eine grundlegende Reform des Strommarktdesigns im diesem Jahr. Auch die Material- und Finanzierungskosten von PV-Anlagen sind gestiegen. Aus diesen Gründen könnten Investoren das Risiko von Photovoltaik-Assets negativer einschätzen.
Folgerichtig wird die Energiewende durch die Strompreisbremse gebremst, was widersinnig ist, da eben genau erneuerbare Energien die Strompreise langfristig stabilisieren und senken können – ein Dilemma. Denn grundsätzlich ist Solidarität mit privaten und unternehmerischen Stromkunden angebracht, auch wenn sich über dessen Ausgestaltung vortrefflich streiten lässt.