Vier Fragen an… Hubertus Grass, Energieblogger

Vier Fragen an… Hubertus Grass, Energieblogger

Hubertus Grass moderiert den von der EnBW initiierten Energiewende-Blog Dialog.Energie.Zukunft. Der selbständige Unternehmensberater war Fraktionsgeschäftsführer in Aachen, als die Grünen dort vor fast 25 Jahren erstmals eine kostendeckende Einsparvergütung für Solarenergie von 2, 32 DM/KWh durchsetzten. Seither ist er der Energiepolitik treu geblieben. Nun hat er sich die Zeit genommen, unsere „Vier Fragen an…“ zu beantworten.

 

Vier Fragen an...

„Die EEG-Novelle, wie sie jetzt vorliegt, bringt den Kahn Energiewende weiter in Seenot.“

Milk the Sun: Wirtschafts- und Energieminister Sigmar Gabriel hat jüngst den Gesetzesentwurf zur EEG-Novelle verabschiedet. Dieser besagt unter anderem, dass Energie-Selbstversorger stärker mit der Ökostrom-Umlage belastet werden und die Einspeisevergütung für Photovoltaik-Anlagen weiter sinkt. Auf der anderen Seite sollen aber weiterhin 1.600 stromintensive Industrie-Unternehmen von der EEG-Umlage befreit werden. Schaufelt die Regierung mit diesem Widerspruch selbst das Grab für die Energiewende?

Hubertus Grass: Deutlich geworden ist in den Debatten der letzten Wochen, dass der Kurs der Bundesregierung die – bisher – hohe Zustimmung zur Energiewende gefährdet. Zu konstatieren ist eine zunehmend soziale Schräglage des Vorhabens und ein großes Leck beim Klimaschutz, denn die CO2– Emissionen steigen. Die EEG-Novelle, wie sie jetzt vorliegt, bringt den Kahn Energiewende weiter in Seenot.

Milk the Sun: Verbraucherschützer und die Solarbranche wollen gegen die Ökostrom-Reform der Bundesregierung vor dem Bundesverfassungsgericht klagen. Es gebe erhebliche Anhaltspunkte dafür, dass die geplante Abgabe für Supermärkte oder größere Privathaushalte, die sich selbst mit Solarstrom versorgen, gegen das Grundgesetz verstößt. Was hätte ein positives Urteil im Sinne der Ankläger für einen Effekt auf die Energiewende und die im internationalen Wettbewerb stehende Wirtschaft, die stromintensiven Industrie-Unternehmen?

Hubertus Grass: Die Belastungen der Energiewende sind ungerecht verteilt – dieses Gefühl ist weit verbreitet und kann sich auf Fakten stützen. Wenn die Große Koalition nicht erkennt, dass sie den Gleichheitsgrundsatz verletzt, muss das BVerfG Nachhilfe leisten, damit die Gerechtigkeit wieder zum Zug kommt. Das gilt übrigens nicht nur bei der Eigenstromerzeugung. Auch mein Bäcker steht im internationalen Wettbewerb. Seine Brötchen müssen gegen Fabrikware aus Osteuropa konkurrieren, die im Supermarkt in der Tiefkühltruhe liegen. Mehr Gerechtigkeit würde der Energiewende gut tun.

Milk the Sun: Deutschland droht, die hoch gesteckten Klimaziele der 40-prozentigen Reduzierung der Treibhausgase bis 2020 zu verfehlen. Bundesumweltministerin Barbara Hendricks plant nun  ein „Aktionsprogramm Klimaschutz 2020“. Ministerien und Wirtschaft sollen Maßnahmen vorstellen, um das Ziel doch noch erreichen zu können. Wie könnten solche Maßnahmen aussehen – und ist das Ziel überhaupt noch realisierbar?

Hubertus Grass: Die Vorhaben von Frau Ministerin Hendricks (weniger Kohlestrom, mehr Gebäudesanierung, ein Plus bei den Elektroautos und Verbesserung beim Emissionshandel) in Ehren, aber wie soll das funktionieren? Für die Energiepolitik ist sie nicht zuständig, und Kollege Gabriel läuft beim Klimaschutz in die falsche Richtung.  Für die anderen Maßnahmen gibt es im Haushalt kein Geld und beim Emissionshandel bewegt sich nichts, weil Europa beim Klimaschutz zerstritten ist. In der Großen Koalition fehlt es Frau Hendricks an Verbündeten mit Einfluss, um das Ziel einer 40 Prozent CO2-Minderung gegenüber 1990 bis 2020 noch zu erreichen.  Alleine schafft sie das nicht.

Milk the Sun: Zuletzt bitten wir Sie um einen Ausblick in die Zukunft. Steht die Energiewende wirklich kurz vor dem Aus? Und kann es einen Mittelweg oder gar eine ganz andere Alternative geben, mit dem die Regierung sowohl die Bürger als auch stromintensive Industrie-Unternehmen zufriedenstellt und somit ein Fortbestehen der Energiewende möglich macht?

Hubertus Grass:  Die Hoffnung stirbt zuletzt. Auch bei der ersten Welle einer Industriepolitik, die den Umweltschutz in Visier nahm, gab es über viele Jahre Widerstände und Bedenken. Der Druck von unten hat dafür gesorgt, dass unsere Gewässer  und die Luft sauberer geworden sind. Die deutsche Industrie hat seit den 80ziger Jahren enorm davon profitiert, dass wir beim Umweltschutz international zum Vorreiter wurden. Das erklärt einen Teil unseres wirtschaftlichen Erfolges.

Unsere aufgeklärte Öffentlichkeit wird sich auf Dauer auch nicht gefallen lassen, dass Verdrehungen statt Argumente die Debatte bestimmen. Der größte Teil der energieintensiven Unternehmen bezieht seinen Strom über die Börse, wo die Preise – Dank der Erneuerbaren – seit Jahren sinken. Warum müssen ausgerechnet die, die von der Energiewende profitieren, als die hingestellt werden, die Entlastung brauchen?

Die Energiewende droht nun zu einem ähnlichen Desaster für die Republik zu werden wie der Flughafen BER für das Land Berlin. Ich glaube, dass es dazu nicht kommt, weil die Mehrheit der Bevölkerung den Erfolg der Energiewende will. Und auf Dauer kann es sich die Politik nicht erlauben, an dem Willen der Wählerinnen und Wähler vorbei zu regieren.

Wir bedanken uns bei Herrn Hubertus Grass für das Interview. 

 

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Im Rahmen der Fortsetzung der Interviewreihe „Vier Fragen an …“ stellt der Milk the Sun-Blog führenden Köpfen aus Wirtschaft, Politik und Medien vier Fragen zu den Erwartungen an die nationale und internationale Energiepolitik, die Energiewende und  die Reform des EEGs.

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