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Vier Fragen an … Arne Horn, Vertriebsleiter bei DZ-4

Arne Horn ist einer der Köpfe hinter DZ-4, einem jungen Unternehmen aus Hamburg. DZ-4 sieht in der dezentralen Energieversorgung die Verfahrensweise der Zukunft und setzt es sich zum Ziel ihren Kunden eine private Energiewende zu ermöglichen. Arne Zorn organisiert den Vertrieb des DZ-4 Modells. Herr Horn kann auf 10 Jahre Erfahrung in der Solarbranche zurückblicken. Zuletzt arbeitete er als Vertriebsleiter in Südeuropa und Afrika bei LDK Solar.

Arne Horn: "Ich glaube nicht, dass die Energiewende in ihrer jetzigen Phase eine „Energiewende-von-oben“ sein wird. Vielmehr wird sie durch ganz viele kleine und lokale Initiativen vorangetrieben werden, die die Bürger selbst realisieren. Denn die technischen und ökonomischen Möglichkeiten haben wir heute bereits erreicht."

Milk the Sun: Lieber Herr Horn, die Liste derer, denen in den letzten Monaten und Jahren ein Ausbremsen der Energiewende vorgeworfen wurde, ist lang. Wie schätzen Sie die klimapolitischen Ergebnisse der letzten Legislaturperiode der schwarz-gelben Regierung ein, der nach Kanzlerin Merkel „erfolgreichsten Bundesregierung seit der Wiedervereinigung“?

Arne Horn: Die schwarz-gelbe Regierung hat meiner Meinung nach in den meisten klimapolitischen Fragen versagt. Die einzige Überraschung war natürlich die Kehrtwende beim Atomausstieg, die zwar sehr positiv für die Energiewende war, aber wegen der Schnelle des Umschwungs wenig Glaubwürdigkeit hatte.  Innerhalb von 12 Monaten hat die Bundesregierung ihre Meinung zur Atomkraft von einer Brückentechnologie hin zu einem Sicherheitsrisiko für unser Land geändert.

Als zweites Beispiel können wir den verpassten Netzausbau anbringen: 2009 wurde durch das Energieleitungsausbaugesetz die Ausbauziele von 1855km für die kommenden Jahre festgelegt. Stand heute sind laut der Bundesnetzagentur 268km gebaut. Und genau genommen sind es eigentlich noch weniger, da zum Zeitpunkt des Beschlusses bereits ca. 100km gebaut waren, die hier mit einberechnet sind. Da die Energiewende vorwiegend auch einen dezentralen Charakter hat, ist dies nicht ganz so dramatisch, wird leider jedoch als eine primäre Ausrede der Politik gegen einen weiteren Ausbau der Erneuerbaren verwendet.

Es ist schon traurig, dass nachweislich eine Mehrheit der Deutschen für die Energiewende ist, aber letztendlich kein Projekt in diesem Bereich wirklich vorangetrieben – geschweige denn finalisiert werden konnte. Vielmehr gibt es weitere zahlreiche Negativbeispiele: Die Solarbranche, eine der größten Zukunftsbranchen weltweit, wurde gerade durch sehr radikale Reformen des EEGs abgewürgt. Der Handel mit CO-2 Zertifikaten zu sinnvollen Preisen wird von Deutschland auf EU-Ebene konsequent blockiert.

Zum Schluss möchte ich dann doch noch einen positiven Aspekt der letzten Legislaturperiode hervorheben. Sie hat doch tatsächlich geschafft eine Förderung für dezentrale Batteriespeicher für PV-Anlagen auf die Beine zu stellen. Dabei ist jedoch der Weg dorthin bezeichnend, wie diese Regierung klimapolitische Aufgaben angegangen ist. Die Mittel für diese Förderung sollten aus dem Klimafonds bzw. Erlösen aus dem Verkauf von CO2-Zertifikaten stammen. Da dieser jedoch nicht richtig aufgesetzt wurde, fehlten die Einnahmen und die Förderung wäre beinahe gescheitert.

Milk the Sun: Unabhängig davon welche Partei nach dem 22.September in den Bundestag einziehen wird und unabhängig von der dann herrschenden Koalition, kommen auf die neue Bundesregierung viele wichtige und prägende energiepolitischen Entscheidungen zu. Was erwarten Sie von der Bundesregierung nach den Wahlen?

Arne Horn: Ich möchte an dieser Stelle eher von „wünschen“ als von „erwarten“ sprechen. Mein bescheidener Wunsch ist zunächst einmal, dass eine sachliche Diskussion geführt wird. Aufbauend darauf sollte eine wirklich konsequente nachhaltige Strategie zum Ausbau der Erneuerbaren Energien verfolgt werden, keine Lippenbekenntnisse wie es heute der Fall ist.

Welcher Fehler nicht noch einmal gemacht werden sollte, ist eine vorschnelle und übereilte Reform des EEGs allein mit dem Ziel, den Ausbau der Erneuerbaren Energien zu bremsen. Generell bin ich aber schon für eine sinnvolle Reform des Erneuerbaren Energien Gesetzes, die zum Beispiel die Befreiung der energieintensiven Industrie von der EEG-Umlage in Angriff nimmt. Auch das Paradoxon, dass sinkende Großhandelspreise zu einer höheren EEG-Umlage führen, muss aus meiner Sicht mit einem neuen Marktmodell überdacht werden. Wichtig ist an dieser Stellt auch, dass der Vorrang für Einspeisung erneuerbarer Energien erhalten bleibt.

Weiterhin ist eine unbürokratische Förderung von dezentralen Speichertechnologien unbedingt weiter voranzutreiben. Gleichzeitig sollten natürlich die alternden Netze an den richtigen Stellen modernisiert und eventuell ausgebaut werden.

Grade der letzte Punkt, aber auch die Reform des EEGs, erfordern eine starke zentrale Einheit, die mit mehr Kompetenzen ausgestattet ist als zum Beispiel die Bundesnetzagentur. Von daher erachte ich die Einrichtung eines Energieministeriums für die nächste Legislaturperiode als absolut notwendig, um die Energielandschaft in Deutschland wieder auf Kurs zu bringen.

Milk the Sun: Derzeit herrscht eine große Verunsicherung innerhalb der Bevölkerung, wenn es um das Thema Erneuerbare Energien und die damit zusammenhängende Energiewende geht. Der einzelne erstickt in einem Schwall an Pro-und-Anti-Propaganda, was letztendlich lediglich Verunsicherung und Verwirrung zur Folge hat. Es gibt nur wenige Stimmen die zur Ordnung rufen und die Diskussion auf eine sachliche und logische Ebene zurückführen wollen. Wie ist ihr Vorschlag für ein konstruktiveres Vorgehen in diesen Fragen?

Arne Horn: Sie beschreiben die Situation absolut korrekt: Die Energiewende – übrigens nicht gleichzusetzen mit dem Atomausstieg – ist das bedeutendste Projekt unserer und auch der nächsten Generation. Sie beeinflusst nicht nur ökologische, aber auch wirtschaftliche, soziale  und kulturelle Fragen. Deswegen beackern sehr viele Interessensgruppen dieses Feld und verursachen häufig einen regelrechten Stillstand in der Diskussion, anstatt am großen Ziel gemeinsam zu arbeiten. Dieser Zustand ist umso dramatischer, wenn man bedenkt, dass die Energiewende sogar dann noch eine Mammutaufgabe darstellt, selbst bei einer Übereinkunft dieser Gruppen.

Deshalb plädiere ich auch auf jeden Fall für die Einrichtung eines Energieministeriums, um von regulatorischer Seite mehr Kontinuität zu erzeugen. Damit sollte man zum einen die eben beschriebenen Aufgaben angehen und zum anderen aber auch die essentielle Aufgabe der sachlichen Aufklärung übernehmen. Der Bürger darf nicht mehr jeden zweiten Tag mit polemischen oder zumindest politisch gesteuerten Äußerungen der Interessensgruppen konfrontiert und manipuliert werden. Ich denke hier nur an die 1 Billion Euro Aussage von unserem Bundesumweltminister Herrn Altmaier.

Vielmehr sollte eine große, objektive Informationskampagne gestartet werden, um alle Aspekte der Energiewende – auch die herausfordernden – zu beleuchten. So eine Informationskampagne würde hoffentlich den Lobbygruppen beider Seiten den Wind aus den Segeln nehmen. Natürlich darf man hier nicht zu naiv die absolute Objektivität erwarten, aber ich denke, es wäre ein Schritt in die richtige Richtung.

Milk the Sun: Stéphane Hessel bezeichnete den Kampf für eine nachhaltige und feste Umweltpolitik als eine der Hauptaufgaben der Menschen im 21. Jahrhundert. Die Erkenntnisse der Wissenschaft und die Veränderungen des Klimas geben ihm Recht. Dennoch passiert verhältnismäßig wenig, obwohl es letztendlich um die Existenz der menschlichen Spezis geht. Wie ist ihr Standpunkt dazu, dass sich angesichts eines derart dringenden Themas noch immer in politischen und wirtschaftlichen Grabenkämpfen ergeben wird?

Arne Horn: Ich denke, es kann hier gar keinen anderen Standpunkt geben, als diese Situation als absolut fatal zu beschreiben. Es sei denn jemand hat ein gesteigertes Interesse am Erhalt der aktuellen Situation der Energielandschaft in Deutschland. Sie müssen bedenken, von den Entscheidungen der nächsten Jahre, werden wir noch lange etwas haben: Durch die zu hohe Anzahl von CO2 Zertifikaten auf dem Markt, ist der Betrieb und auch der Neubau von Kohlekraftwerken rentabel. Aus diesem Grund wird aktuell eher der Betrieb und auch Investition in solche klimaschädlichen Technologien – anstatt zum Beispiel effiziente Gaskraftwerke – gefördert. Falls sogar neue Kohlekraftwerke gebaut würden, sprechen wir hier wieder über eine Belastung für 2 Generationen.

Ich habe leider auch wenig Hoffnung, dass sich kurz- bis mittelfristig etwas an den politischen Grabenkämpfen ändern wird, auch wenn ich meine Vorstellung zu Ansätzen ja genannt habe.

Vielleicht erwarten wir hier aber auch etwas von der Politik und den steuernden Organen, dass Sie gar nicht erfüllen können. Nicht nur bei der Energiewende, sondern auch der Finanzkrise, den Hungerkrisen, genereller Ökologischer Zerstörung etc. erleben wir die Ohnmacht der Politik. Viele Themen sind einfach zu komplex, zu vernetzt und können einfach auch nicht mehr auflösbar erscheinen. An dieser Stelle stimmt mich jedoch ein Aspekt positiv, der auch mit einigen Ansätzen von Stéphane Hessel übereinstimmt. Denn er hat den Einzelnen immer dazu aufgerufen, für seine Rechte einzustehen und selber aktiv zu werden.

Und hier haben wir mit der Energiewende eine einmalige Chance im Gegensatz zu den meisten anderen globalen Problemen. Denn im Endeffekt kann jeder dezentral, vor Ort bei sich zu Hause zum Beispiel durch den Betrieb einer Photovoltaik Anlage etwas beitragen. Und durch den zusätzliche Installation eines stationären Batteriespeichers, kann er sich zu einem überwiegenden Teil unabhängig vom Strom aus dem öffentlichen Netz machen.

Ich glaube nicht, dass die Energiewende in ihrer jetzigen Phase eine „Energiewende-von-oben“ sein wird. Vielmehr wird sie durch ganz viele kleine und lokale Initiativen vorangetrieben werden, die die Bürger selbst realisieren. Denn die technischen und ökonomischen Möglichkeiten haben wir heute bereits erreicht.

 

Wir bedanken uns bei Herrn Horn für das Interview.

 


Im Rahmen der Interviewreihe “Vier Fragen an …” stellt der Milk the Sun Blog bis zur Bundestagswahl am 22.September 30 Tage lang führenden Köpfe aus Wirtschaft, Politik und Medien vier Fragen zu den Erwartungen an die Energiepolitik Deutschlands der zurückliegenden und kommenden Jahre. Bisher interviewten wir Sebastian Bolay (DIHK), Heiko Schwarzburger (Photovoltaik), Corinna Lang (CleanEnergy Project), Patrick Jüttemann (klein-windkraftanlagen.com), Christian Leers (PV-Experte), Robert Schwarz (BTO Management Consulting), Lothar Lochmaier (Freier Journalist), Michael Richter (Sonneninvest AG), Kilian Rüfer (SUSTAINMENT), Udo Schuldt (Blogger), Thorsten Zoerner (Solution Architect), Prof. Dr. Eicke Weber (Fraunhofer ISE), Falko Bozicevic (GoingPublic Magazin), Carsten Körnig (Solarwirtschaft e.V.), Denis-Mariel Kühn (EGBB), Doreen Brumme (Freie Journalistin), Erhard Renz (sonnenfluesterer.de), Sabine Eva Rädisch (Autorin und Bloggerin), Bart Markus (Wellington Partners), Prof. Volkmar Liebig (avesco Financial Services AG), Dr. Tim Meyer (Grünstromwerk GmbH), Alexander Fehr (Fehrdeal & Energieblogger), Thomas Nasswetter (Ritter Gruppe und Blogger), Dr. Stefan Dietrich (Windwärts Energie), Sylvia Pilarsky-Grosch (BWE), Holger Ruletzki (Parabel AG), Franz Alt (Journalist)

 

Vier Fragen an … Franz Alt, Journalist

Franz Alt ist einer von Deutschlands erfolgreichsten Journalisten in dem Bereich der Erneuerbaren Energien. Er studierte Politikwissenschaft, Geschichte, Philosophie und Theologie. Herr Alt moderierte über 20 Jahre das Politmagazin „Report“ und arbeitet bis 2003 für den SWF. Franz Alt trat 1988 aus der CDU aus und engagierte sich gegen das Projekt „Stuttgart 21“. Er unterhält unter anderem die Website www.sonnenseite.com, auf der er sich insbesondere zu umweltpolitischen Themen äußert. Sein neustes Buch heißt „Auf der Sonnenseite – warum uns die Energiewende zu  Gewinnern macht“ und ist im Piper Verlag als Taschenbuch erschienen.

Franz Alt: "Die Energiewende war ehrlich gemeint – vor allem von Bundeskanzlerin Merkel, aber von ihren Ministern Rösler und Altmaier stümperhaft ausgeführt."

Milk the Sun: Lieber Herr Alt, die Liste derer, denen in den letzten Monaten und Jahren ein Ausbremsen der Energiewende vorgeworfen wurde, ist lang. Wie schätzen Sie die klimapolitischen Ergebnisse der letzten Legislaturperiode der schwarz-gelben Regierung ein, der nach Kanzlerin Merkel „erfolgreichsten Bundesregierung seit der Wiedervereinigung“?

Franz Alt: Die Ergebnisse sind gemischt. Die Energiewende war ehrlich gemeint – vor allem von Bundeskanzlerin Merkel, aber von ihren Ministern Rösler und Altmaier stümperhaft ausgeführt. Die Bekundungen von Peter Altmaier zur „Strompreisbremse“ zeigen, dass er die entscheidenden langfristigen Kostenvorteile der Erneuerbaren Energiewende nicht verstanden hat: Sonne und Wind schicken keine Rechnung. Rösler und Altmaier denken nur an den nächsten Wahltermin und unterschlagen, dass es die Preise der alten Energieträger sind, die bald unbezahlbar werden. Und von den Folgekosten der bisherigen atomar-fossilen Energieversorgung reden sie gar nicht.

Milk the Sun: Unabhängig davon welche Partei nach dem 22.September in den Bundestag einziehen wird und unabhängig von der dann herrschenden Koalition, kommen auf die neue Bundesregierung viele wichtige und prägende energiepolitischen Entscheidungen zu. Was erwarten Sie sich von der Bundesregierung nach den Wahlen?

Franz Alt: Ein bisschen mehr Intelligenz als bisher. Die Speicher- und Netzprobleme sind lösbar, aber sie müssen endlich mit gutem Willen angepackt werden.

Ich erwarte, dass die neue Bundesregierung  nicht nur über die Probleme jammert, sondern endlich die strategischen Vorteile der Energiewende  begreift. Das sind ökologische, ökonomische, soziale und ethische Vorteile. Die Energiewende bietet der deutschen Volkswirtschaft schon deshalb riesige Exportchancen, weil wir bei Sonne, Wind, Biogas und bei Speichertechnologien weltweit Technologie-Führer sind. Die Energiewende kostet, das ist richtig, aber keine Energiewende kostet die Zukunft.

Milk the Sun: Derzeit herrscht eine große Verunsicherung innerhalb der Bevölkerung, wenn es um das Thema Erneuerbare Energien und die damit zusammenhängende Energiewende geht. Der einzelne erstickt in einem Schwall an Pro-und-Anti-Propaganda, was letztendlich lediglich Verunsicherung und Verwirrung zur Folge hat. Es gibt nur wenige Stimmen die zur Ordnung rufen und die Diskussion auf eine sachliche und logische Ebene zurückführen wollen. Wie ist ihr Vorschlag für ein konstruktiveres Vorgehen in diesen Fragen?

Franz Alt: Es geht nur über mehr Aufklärung. Es spricht für den nachhaltigen Bewusstseinswandel der Deutschen, dass sie trotz permanenter Verunsicherung durch führende FDP-Politiker und Vertreter des CDU-Wirtschaftsrats zu 82 % die Energiewende wollen. Mit diesem Pfund muss die neue Bundesregierung wuchern. Das Energiethema sollte das entscheidende Wahlkampfthema werden. Die Bürgerinnen und Bürger sind in diesen Fragen entschieden weiter als die jetzige Bundesregierung.

Milk the Sun: Stéphane Hessel bezeichnete den Kampf für eine nachhaltige und feste Umweltpolitik als eine der Hauptaufgaben der Menschen im 21. Jahrhundert. Die Erkenntnisse der Wissenschaft und die Veränderungen des Klimas geben ihm Recht. Dennoch passiert verhältnismäßig wenig, obwohl es letztendlich um die Existenz der menschlichen Spezis geht. Wie ist ihr Standpunkt dazu, dass sich angesichts eines derart dringenden Themas noch immer in politischen und wirtschaftlichen Grabenkämpfen ergeben wird?

Franz Alt: Angel Merkel geht noch weiter. Sie bezeichnet die Energie- und Klimafrage als die „Überlebensfrage der Menschheit“. In diesem Punkt stimme ich der Kanzlerin voll und ganz zu. Deshalb habe ich ihr auch mein neues Buch zu diesem Thema gewidmet.

 

Wir bedanken uns bei Herrn Alt für das Interview.

 


Im Rahmen der Interviewreihe “Vier Fragen an …” stellt der Milk the Sun Blog bis zur Bundestagswahl am 22.September 30 Tage lang führenden Köpfe aus Wirtschaft, Politik und Medien vier Fragen zu den Erwartungen an die Energiepolitik Deutschlands der zurückliegenden und kommenden Jahre. Bisher interviewten wir Sebastian Bolay (DIHK), Heiko Schwarzburger (Photovoltaik), Corinna Lang (CleanEnergy Project), Patrick Jüttemann (klein-windkraftanlagen.com), Christian Leers (PV-Experte), Robert Schwarz (BTO Management Consulting), Lothar Lochmaier (Freier Journalist), Michael Richter (Sonneninvest AG), Kilian Rüfer (SUSTAINMENT), Udo Schuldt (Blogger), Thorsten Zoerner (Solution Architect), Prof. Dr. Eicke Weber (Fraunhofer ISE), Falko Bozicevic (GoingPublic Magazin), Carsten Körnig (Solarwirtschaft e.V.), Denis-Mariel Kühn (EGBB), Doreen Brumme (Freie Journalistin), Erhard Renz (sonnenfluesterer.de), Sabine Eva Rädisch (Autorin und Bloggerin), Bart Markus (Wellington Partners), Prof. Volkmar Liebig (avesco Financial Services AG), Dr. Tim Meyer (Grünstromwerk GmbH), Alexander Fehr (Fehrdeal & Energieblogger), Thomas Nasswetter (Ritter Gruppe und Blogger), Dr. Stefan Dietrich (Windwärts Energie), Sylvia Pilarsky-Grosch (BWE), Holger Ruletzki (Parabel AG)

 

Vier Fragen an … Sylvia Pilarsky-Grosch, Präsidentin des Bundesverband WindEnergie (BWE)

Sylvia Pilarsky-Grosch ist die Präsidentin des Bundesverband WindEnergie (BWE). Die Juristin aus Baden-Württemberg hat diese Position seit April 2013 inne. Frau Pilarsky-Grosch ist langjähriges Mitglied des BWE und Mitinitiatorin von Bürgerwindparks. Seit 2003 war sie Mitglied des Vorstandes des BWE und seit 2007 Vizepräsidentin. Der 1996 gegründete BWE ist einer der weltweit größten Verbände im Bereich der Erneuerbare Energien. Er setzt sich für den Ausbau der Windenergie in Deutschland ein.

Frau Pilarsky-Grosch: "Wer sich gegen die herrschenden Zustände empört, sollte sich auch einmischen – in Verbänden, NGO und in der Politik. Reine Empörung bringt uns nicht weiter, sondern erhöht nur den Blutdruck." © BWE

Milk the Sun: Liebe Frau Pilarsky-Grosch, die Liste derer, denen in den letzten Monaten und Jahren ein Ausbremsen der Energiewende vorgeworfen wurde, ist lang. Wie schätzen Sie die klimapolitischen Ergebnisse der letzten Legislaturperiode der schwarz-gelben Regierung ein, der nach Kanzlerin Merkel „erfolgreichsten Bundesregierung seit der Wiedervereinigung“?

Pilarsky-Grosch: Die Regierung Merkel wurde durch die Katastrophe von Fukushima gezwungen, die Energiewende der Regierung Schröder fortzusetzen. Bis zum Zeitpunkt des GAU wollte die Regierung Merkel die Laufzeiten für Kernkraftwerke verlängern. So gesehen gab es keine Veränderung in der Klimapolitik, bestenfalls Kontinuität, wenn man die verwirrenden Vorschläge von Rösler und Altmaier zur Änderung des EEG mal außen vor lässt. Jetzt brauchen wir Fortschritte und keine Stagnation.

Milk the Sun: Unabhängig davon welche Partei nach dem 22.September in den Bundestag einziehen wird und unabhängig von der dann herrschenden Koalition, kommen auf die neue Bundesregierung viele wichtige und prägende energiepolitischen Entscheidungen zu. Was erwarten Sie sich von der Bundesregierung nach den Wahlen?

Pilarsky-Grosch: Drei große Herausforderungen stellen sich mit der Energiewende und dem weiteren Ausbau der Erneuerbaren Energien:

1) Das überalterte Stromnetz muss erneuert werden, um den Strom aus dem windreichen Norden Deutschlands in die großen Verbrauchszentren im Westen und Süden der Republik zu transportieren.

2) Deutschland benötigt neue Stromspeicher – etwa die Verbindung zu skandinavischen Pumpspeicherkraftwerken, die Fortentwicklung großer Akkumulatoren oder Speichermedien wie Gas und Wasserstoff.

3) Das Nebeneinander von Strombörse EEX für konventionell erzeugten Strom und dem Vergütungssystem des Erneuerbaren Energien Gesetzes stößt an seine Grenzen: Je mehr Ökostrom erzeugt wird, desto geringer ist die Nachfrage an der Börse nach Gas- und Kohlestrom. Der Börsenpreis rutscht in den Keller, gleichzeitig steigt rechnerisch die Belastung für den Stromverbraucher, weil bisher die EEG-Umlage aus der Differenz von EEG-Vergütung und Börsenpreis errechnet wurde: Je günstiger also Wind- und Solarstrom den fossil erzeugten Strom an der Börse machen, desto größer wird die Belastung für den Verbraucher. Die nächste Bundesregierung muss diesen Systemfehler schleunigst beheben.

Bis 2050 sollen die Erneuerbaren mit 80 Prozent auf Wunsch der Bundesregierung zur Stromversorgung beitragen. In den nächsten Jahren müssen hierfür die oben genannten Herausforderungen bewältigt werden, sonst gerät die Energiewende ins Wanken. Die Windenergie ist dafür verantwortlich, dass die Energiewende sicher, bezahlbar und zügig verläuft.

Milk the Sun: Derzeit herrscht eine große Verunsicherung innerhalb der Bevölkerung, wenn es um das Thema Erneuerbare Energien und die damit zusammenhängende Energiewende geht. Der einzelne erstickt in einem Schwall an Pro-und-Anti-Propaganda, was letztendlich lediglich Verunsicherung und Verwirrung zur Folge hat. Es gibt nur wenige Stimmen die zur Ordnung rufen und die Diskussion auf eine sachliche und logische Ebene zurückführen wollen. Wie ist ihr Vorschlag für ein konstruktiveres Vorgehen in diesen Fragen?

Pilarsky-Grosch: Wahlkampf zwingt die Parteien zur Profilierung entgegen Logik und Sachlichkeit. Nach der Bundestagswahl haben sich hoffentlich wieder alle beruhigt und es wird sachlich diskutiert. Politik, Wirtschaft und Wissenschaft werden so auch zu nachhaltigen Reformvorschlägen kommen.

Milk the Sun: Stéphane Hessel bezeichnete den Kampf für eine nachhaltige und feste Umweltpolitik als eine der Hauptaufgaben der Menschen im 21. Jahrhundert. Die Erkenntnisse der Wissenschaft und die Veränderungen des Klimas geben ihm Recht. Dennoch passiert verhältnismäßig wenig, obwohl es letztendlich um die Existenz der menschlichen Spezis geht. Wie ist ihr Standpunkt dazu, dass sich angesichts eines derart dringenden Themas noch immer in politischen und wirtschaftlichen Grabenkämpfen ergeben wird?

Pilarsky-Grosch: Auch ich kann es nicht verstehen, dass sowohl in der Politik als auch innerhalb der Wirtschaft noch Grabenkämpfe geführt werden, obwohl alle wissen, der Weg geht zu den Erneuerbaren Energien und alle Beteiligte brauchen verlässliche Rahmenbedingungen, auch wenn die nicht immer 100prozebtig den eigenen Interessen entsprechen. Wer sich gegen die herrschenden Zustände empört, sollte sich auch einmischen – in Verbänden, NGO und in der Politik. Reine Empörung bringt uns nicht weiter, sondern erhöht nur den Blutdruck.

 

Wir bedanken uns bei Frau Pilarsky-Grosch für das Interview.

 


Im Rahmen der Interviewreihe “Vier Fragen an …” stellt der Milk the Sun Blog bis zur Bundestagswahl am 22.September 30 Tage lang führenden Köpfe aus Wirtschaft, Politik und Medien vier Fragen zu den Erwartungen an die Energiepolitik Deutschlands der zurückliegenden und kommenden Jahre. Bisher interviewten wir Sebastian Bolay (DIHK), Heiko Schwarzburger (Photovoltaik), Corinna Lang (CleanEnergy Project), Patrick Jüttemann (klein-windkraftanlagen.com), Christian Leers (PV-Experte), Robert Schwarz (BTO Management Consulting), Lothar Lochmaier (Freier Journalist), Michael Richter (Sonneninvest AG), Kilian Rüfer (SUSTAINMENT), Udo Schuldt (Blogger), Thorsten Zoerner (Solution Architect), Prof. Dr. Eicke Weber (Fraunhofer ISE), Falko Bozicevic (GoingPublic Magazin), Carsten Körnig (Solarwirtschaft e.V.), Denis-Mariel Kühn (EGBB), Doreen Brumme (Freie Journalistin), Erhard Renz (sonnenfluesterer.de), Sabine Eva Rädisch (Autorin und Bloggerin), Bart Markus (Wellington Partners), Prof. Volkmar Liebig (avesco Financial Services AG), Dr. Tim Meyer (Grünstromwerk GmbH), Alexander Fehr (Fehrdeal & Energieblogger), Thomas Nasswetter (Ritter Gruppe und Blogger), Dr. Stefan Dietrich (Windwärts Energie)

 

Vier Fragen an … Dr. Stefan Dietrich, Pressesprecher von Windwärts Energie

Dr. Stefan Dietrich ist der Pressesprecher der Windwärts Energie GmbH. Herr Dietrich ist für die Pressearbeit des Unternehmens zuständig und bloggt auf dem Windwärts Blog vor allem zu firmeneigenen Projekten und Aktionen. Dr. Stefan Dietrich promovierte in Politikwissenschaft. Windwärts Energie ist ein internationales Unternehmen aus dem Feld der erneuerbaren Energien mit einem Fokus auf Wind und Photovoltaikprojekten.

Dr. Dietrich: "Der Wunsch nach einer „sachlichen und logischen Ebene“ der Diskussion erscheint mir ziemlich naiv. Es geht um Politik und damit um Interessen." Quelle: Windwärts Energie GmbH, Fotograf: Mark Mühlhaus/attenzione

Milk the Sun: Lieber Herr Dr. Dietrich, die Liste derer, denen in den letzten Monaten und Jahren ein Ausbremsen der Energiewende vorgeworfen wurde, ist lang. Wie schätzen Sie die klimapolitischen Ergebnisse der letzten Legislaturperiode der schwarz-gelben Regierung ein, der nach Kanzlerin Merkel „erfolgreichsten Bundesregierung seit der Wiedervereinigung“?

Dr. Stefan Dietrich: Es ist schon merkwürdig, dass eine Regierung eine „Energiewende“ ausruft, die eigentlich zuständigen Minister aber keine Gelegenheit auslassen, dieses Ziel zu untergraben. Damit haben die Herren Altmaier und Rösler vor allem eine Verunsicherung aller Beteiligten erreicht. Sie haben es gemeinsam mit Lobbyisten und Interessenvertretern geschafft, dass über die – auch und gerade ökonomischen – Vorteile der Umstellung auf erneuerbare Energien kaum noch gesprochen wird und stattdessen eine nicht gerade aufrichtige Debatte über die ach so hohen Strompreise tobt. Das EEG und die EEG-Umlage haben sie Schritt für Schritt zu einem Umverteilungsinstrument zu Gunsten der großen Konzerne und zu Lasten der privaten Stromverbraucher und der kleinen und mittleren Unternehmen gemacht. Aus ihrer Sicht mag das tatsächlich „erfolgreich“ sein. Wer aber an einer nachhaltigen Energieversorgung auch im Interesse nachfolgender Generationen interessiert ist, kann diese Meinung nicht teilen.

Milk the Sun: Unabhängig davon welche Partei nach dem 22.September in den Bundestag einziehen wird und unabhängig von der dann herrschenden Koalition, kommen auf die neue Bundesregierung viele wichtige und prägende energiepolitischen Entscheidungen zu. Was erwarten Sie sich von der Bundesregierung nach den Wahlen?

Dr. Stefan Dietrich: Auf die neue Regierung wartet eine immense Aufgabe. Wir brauchen ein Strommarktdesign, das die erneuerbaren Energien als Basis hat. Das bedeutet einen Paradigmenwechsel – es geht nicht darum, die Erneuerbaren in einen Markt zu integrieren, der dafür weder gedacht noch geeignet ist, sondern den Markt so zu gestalten, dass die Erneuerbaren mit ihren Besonderheiten im Mittelpunkt stehen. Ideen und Modelle dafür gibt es genug. Wer die aktuellen Debatten verfolgt, stellt sich aber schon die Frage, ob die Politik den Mut und die Kraft dafür hat. Was ich aber zumindest erwarten muss, ist, dass die neue Regierung den weiteren Ausbau der erneuerbaren Energien nicht behindert. Ein Quotenmodell, das die mittelständischen Strukturen der Branche gefährdet und die Konzerne wieder ins Spiel bringen soll, die die Entwicklung bislang verschlafen haben, wäre sicherlich nicht hilfreich.

Milk the Sun: Derzeit herrscht eine große Verunsicherung innerhalb der Bevölkerung, wenn es um das Thema Erneuerbare Energien und die damit zusammenhängende Energiewende geht. Der einzelne erstickt in einem Schwall an Pro-und-Anti-Propaganda, was letztendlich lediglich Verunsicherung und Verwirrung zur Folge hat. Es gibt nur wenige Stimmen die zur Ordnung rufen und die Diskussion auf eine sachliche und logische Ebene zurückführen wollen. Wie ist ihr Vorschlag für ein konstruktiveres Vorgehen in diesen Fragen?

Dr. Stefan Dietrich: Wenn unterschiedliche Interessen aufeinandertreffen, dann kommt es zu öffentlich geführten Auseinandersetzungen. Das gehört zu einer freien Gesellschaft dazu. Dass diejenigen lauter sein können, die mehr Ressourcen zur Verfügung haben – und das sind sicher die Gegner des weiteren Ausbaus der Erneuerbaren – ist leider auch Teil des Spiels. Klar gibt es auch in den Medien diejenigen, die viele Behauptungen zu dem Thema kritisch hinterfragen, aber oft scheint es nicht gewollt, sich gegen den Trend zu stellen. Das könnte ich lang und breit bejammern, aber das führt auch zu nichts. Uns bleibt nur, unsere guten Argumente bei jeder sich bietenden Gelegenheit vorzubringen. Der Wunsch nach einer „sachlichen und logischen Ebene“ der Diskussion erscheint mir ziemlich naiv. Es geht um Politik und damit um Interessen. Aber wir leben in einer pluralistischen Gesellschaft, und es gibt zum Glück auch viele Menschen, die sich nicht ins Bockshorn jagen lassen.

Milk the Sun: Stéphane Hessel bezeichnete den Kampf für eine nachhaltige und feste Umweltpolitik als eine der Hauptaufgaben der Menschen im 21. Jahrhundert. Die Erkenntnisse der Wissenschaft und die Veränderungen des Klimas geben ihm Recht. Dennoch passiert verhältnismäßig wenig, obwohl es letztendlich um die Existenz der menschlichen Spezies geht. Wie ist ihr Standpunkt dazu, dass sich angesichts eines derart dringenden Themas noch immer in politischen und wirtschaftlichen Grabenkämpfen ergeben wird?

 

Dr. Stefan Dietrich: Jetzt wird es für mich als Politikwissenschaftler ja besonders interessant, allerdings bräuchte ich dafür eigentlich Hunderte von Seiten Platz. Es kommen auf jeden Fall verschiedene Aspekte zusammen. Da ist zum einen das alte Problem der Umweltpolitik, dass die Auswirkungen zumindest für die Menschen bei uns (noch) nicht wirklich spürbar sind. Anders gesagt: Dass die Mieten steigen, erfahre ich am eigenen Leib, dass der Meeresspiegel steigt, muss mir ein Wissenschaftler erläutern. Das führt dazu, dass für viele Menschen das Thema nicht ganz oben auf der Agenda steht. Dazu kommt, dass unser politisches System nicht gut mit langfristigen Perspektiven zurechtkommt. Politiker wollen alle vier Jahre wiedergewählt werden, und wählen können nur diejenigen, die jetzt leben und mindestens 18 Jahre alt sind. Da ist mit sozialen und wirtschaftlichen Themen meistens mehr an Stimmen zu holen, als mit ökologischen – und nach uns dann die Sintflut (was ja leider durchaus wörtlich genommen werden kann). Darüber hinaus sehe ich eine grundsätzlich strukturkonservative Haltung bei den meisten Menschen (und damit auch Wählern). Uns geht es ja eigentlich gut, was soll ich denn ändern. In Fragen des Umwelt- und Klimaschutzes geht es immer auch um das eigene Verhalten. Welche Form der Mobilität nutze ich, was esse ich – und was bin ich bereit, für die Energiewende selbst zu tun oder auch nur als Veränderung meines Umfeldes zu akzeptieren? Da schwindet die Unterstützung dann oft, und die meisten Politikerinnen und Politiker sind nicht bereit, solche Wahrheiten auszusprechen. Dazu kommt der enorme Druck, den Konzerne und Verbände durch Lobbyarbeit ausüben. Wenn Dinge verändert werden, gibt es immer auch Verlierer. Und wenn diese wie im Fall der Energiewende viel Geld und Einfluss im politischen Bereich haben, dann macht es das nicht einfacher, im Sinne einer zukunftsgerichteten Energiepolitik voranzukommen.

 

Wir bedanken uns bei Herrn Dr. Dietrich für das Gespräch.

 


Im Rahmen der Interviewreihe “Vier Fragen an …” stellt der Milk the Sun Blog bis zur Bundestagswahl am 22.September 30 Tage lang führenden Köpfe aus Wirtschaft, Politik und Medien vier Fragen zu den Erwartungen an die Energiepolitik Deutschlands der zurückliegenden und kommenden Jahre. Bisher interviewten wir Sebastian Bolay (DIHK), Heiko Schwarzburger (Photovoltaik), Corinna Lang (CleanEnergy Project), Patrick Jüttemann (klein-windkraftanlagen.com), Christian Leers (PV-Experte), Robert Schwarz (BTO Management Consulting), Lothar Lochmaier (Freier Journalist), Michael Richter (Sonneninvest AG), Kilian Rüfer (SUSTAINMENT), Udo Schuldt (Blogger), Thorsten Zoerner (Solution Architect), Prof. Dr. Eicke Weber (Fraunhofer ISE), Falko Bozicevic (GoingPublic Magazin), Carsten Körnig (Solarwirtschaft e.V.), Denis-Mariel Kühn (EGBB), Doreen Brumme (Freie Journalistin), Erhard Renz (sonnenfluesterer.de), Sabine Eva Rädisch (Autorin und Bloggerin), Bart Markus (Wellington Partners), Prof. Volkmar Liebig (avesco Financial Services AG), Dr. Tim Meyer (Grünstromwerk GmbH), Alexander Fehr (Fehrdeal & Energieblogger), Thomas Nasswetter (Ritter Gruppe und Blogger)

 

Vier Fragen an … Dr. Peer Piske, Gründer von crowdEner.gy

Dr. Peer Piske ist einer der Gründer von crowdEner.gy, eine Plattform durch die Crowdfunding und Energiegenossenschaften mit einander verbunden werden. Damit ist crowdEner.gy eines der führenden Unternehmen auf dem Gebiet des Crowdfundings für Projekte aus dem Bereich der Erneuerbaren-Energien. Dr. Piske ist zudem einer der Geschäftsführer bei Green Asset.

Dr. Piske: "Hauptaufgaben sind immer mit politischen und wirtschaftlichen Grabenkämpfen verbunden."

Milk the Sun: Lieber Herr Dr. Piske, die Liste derer, denen in den letzten Monaten und Jahren ein Ausbremsen der Energiewende vorgeworfen wurde, ist lang. Wie schätzen Sie die klimapolitischen Ergebnisse der letzten Legislaturperiode der schwarz-gelben Regierung ein, der nach Kanzlerin Merkel „erfolgreichsten Bundesregierung seit der Wiedervereinigung“?

Dr. Piske: Für die „alte“ Industrie war es sicherlich eine erfolgreiche Legislaturperiode. Im Übrigen würde ich die Ergebnisse als „erfolgreiche Bremspolitik“ bezeichnen.

Milk the Sun: Unabhängig davon welche Partei nach dem 22.September in den Bundestag einziehen wird und unabhängig von der dann herrschenden Koalition, kommen auf die neue Bundesregierung viele wichtige und prägende energiepolitischen Entscheidungen zu. Was erwarten Sie sich von der Bundesregierung nach den Wahlen?

Dr. Piske: Erst einmal Stillstand. Vielleicht kommt aber etwas Druck aus Brüssel.

Milk the Sun: Derzeit herrscht eine große Verunsicherung innerhalb der Bevölkerung, wenn es um das Thema Erneuerbare Energien und die damit zusammenhängende Energiewende geht. Der einzelne erstickt in einem Schwall an Pro-und-Anti-Propaganda, was letztendlich lediglich Verunsicherung und Verwirrung zur Folge hat. Es gibt nur wenige Stimmen die zur Ordnung rufen und die Diskussion auf eine sachliche und logische Ebene zurückführen wollen. Wie ist ihr Vorschlag für ein konstruktiveres Vorgehen in diesen Fragen?

Dr. Piske: Die energiepolitischen Wahrheiten liegen eigentlich auf der Hand und lassen sich auch in einfachen Zahlen ausdrücken, es fehlt im Moment nur an einer gemeinsamen Lobby und an den Medien. Hier sollte man das Internet mehr nutzen.

Milk the Sun: Stéphane Hessel bezeichnete den Kampf für eine nachhaltige und feste Umweltpolitik als eine der Hauptaufgaben der Menschen im 21. Jahrhundert. Die Erkenntnisse der Wissenschaft und die Veränderungen des Klimas geben ihm Recht. Dennoch passiert verhältnismäßig wenig, obwohl es letztendlich um die Existenz der menschlichen Spezis geht. Wie ist ihr Standpunkt dazu, dass sich angesichts eines derart dringenden Themas noch immer in politischen und wirtschaftlichen Grabenkämpfen ergeben wird?  

Dr. Piske: Hauptaufgaben sind immer mit politischen und wirtschaftlichen Grabenkämpfen verbunden. Bisher war Energie gar kein Thema, das hat sich zum Glück geändert. Deshalb bin ich sehr optimistisch.

 

Wir bedanken uns bei Herrn Dr. Piske für das Interview.

 


Im Rahmen der Interviewreihe “Vier Fragen an …” stellt der Milk the Sun Blog bis zur Bundestagswahl am 22.September 30 Tage lang führenden Köpfe aus Wirtschaft, Politik und Medien vier Fragen zu den Erwartungen an die Energiepolitik Deutschlands der zurückliegenden und kommenden Jahre. Bisher interviewten wir Sebastian Bolay (DIHK), Heiko Schwarzburger (Photovoltaik), Corinna Lang (CleanEnergy Project), Patrick Jüttemann (klein-windkraftanlagen.com), Christian Leers (PV-Experte), Robert Schwarz (BTO Management Consulting), Lothar Lochmaier (Freier Journalist), Michael Richter (Sonneninvest AG), Kilian Rüfer (SUSTAINMENT), Udo Schuldt (Blogger), Thorsten Zoerner (Solution Architect), Prof. Dr. Eicke Weber (Fraunhofer ISE), Falko Bozicevic (GoingPublic Magazin), Carsten Körnig (Solarwirtschaft e.V.), Denis-Mariel Kühn (EGBB), Doreen Brumme (Freie Journalistin), Erhard Renz (sonnenfluesterer.de), Sabine Eva Rädisch (Autorin und Bloggerin), Bart Markus (Wellington Partners), Prof. Volkmar Liebig (avesco Financial Services AG), Dr. Tim Meyer (Grünstromwerk GmbH), Alexander Fehr (Fehrdeal & Energieblogger), Thomas Nasswetter (Ritter Gruppe und Blogger)

Vier Fragen an … Thomas Nasswetter, Strategisches Marketing der Ritter Gruppe und Blogger

Thomas Nasswetter ist der strategische Marketingleiter der Ritter Gruppe und ein österreichischer Blogger auf dem Gebiet Erneuerbare Energiequellen und Umwelt. Er kann auf viele Jahre Erfahrung in der Branche zurückblicken und betreibt unter anderem einen Blog zum Thema. Auf dem durch die Ritter Gruppe betriebenen Energieblog ecoquent-positions.com will Thomas Nasswetter die Diskussionen über Solarthermie und den Heizungsmarkt in Deutschland anheizen und dabei allem auf die Sicht weiblicher Autoren setzen.

Thomas Nasswetter: "Jede neue Regierung wird sich mit dem EEG auseinandersetzen müssen. Immerhin hat es dieses Gesetz geschafft die Marktentwicklung im Bereich der Photovoltaik so nachhaltig zu beeinflussen, dass der Innovationsführer Deutschland nicht nur seine Vormachtstellung verloren hat, sondern gerade dabei ist auch noch den Industriestandort zu verlieren. Chapeau!"

Milk the Sun: Lieber Herr Nasswetter, die Liste derer, denen in den letzten Monaten und Jahren ein Ausbremsen der Energiewende vorgeworfen wurde, ist lang. Wie schätzen Sie die klimapolitischen Ergebnisse der letzten Legislaturperiode der schwarz-gelben Regierung ein, der nach Kanzlerin Merkel „erfolgreichsten Bundesregierung seit der Wiedervereinigung“?

Thomas Nasswetter: Die Energiewende auszurufen und mit deren Umsetzung zu beginnen, zeugt von großem Willen, Mut und Überzeugung. Über die Energiewende ist auch die Klimadiskussion in der Mitte der Bevölkerung angekommen. Auch das finde ich ausgezeichnet.

Das strategische und taktische Vorgehen der Regierung war dann nicht unbedingt immer von Weitsicht und wirklich langfristigem Denken beseelt und auch die Interessenabwägung bei machen Entscheidung war auch nicht immer glücklich gewählt. Immerhin sind die Fronten jetzt klarer erkennbar und die Klimadiskussion findet nicht mehr nur in Fachgremien, Lobbying Gruppen und bei NGOs statt sondern fließt immer mehr in die politischen Gestaltungsprozesse ein. Für mich ist die Klimabilanz der Bundesregierung also durchwachsen.

Milk the Sun: Unabhängig davon welche Partei nach dem 22.September in den Bundestag einziehen wird und unabhängig von der dann herrschenden Koalition, kommen auf die neue Bundesregierung viele wichtige und prägende energiepolitischen Entscheidungen zu. Was erwarten Sie sich von der Bundesregierung nach den Wahlen?

Thomas Nasswetter: Egal wer gewinnt und in welcher Konstellation die Macht verteilt wird, jede neue Regierung wird sich mit dem EEG auseinandersetzen müssen. Immerhin hat es dieses Gesetz geschafft die Marktentwicklung im Bereich der Photovoltaik so nachhaltig zu beeinflussen, dass der Innovationsführer Deutschland nicht nur seine Vormachtstellung verloren hat, sondern gerade dabei ist auch noch den Industriestandort zu verlieren. Chapeau!

Ich kann nur hoffen, dass die nächste Regierung die weltweite Technologieführerschaft im Bereich der Solarthermie nicht auch durch Untätigkeit oder unausgegorene Maßnahmen ins Abseits befördert. Gerade nach der Wahl muss die Politik auf das Beharrungsvermögen mancher langegedienter Bürokraten einwirken und sie dazu anhalten, das Thema Energie- und Flächeneffizienz endlich in den Marktanreizprogrammen entsprechend zu berücksichtigen. Sonst werden wir recht rasch ein Déjà Vu ähnlich wie bei der PV bei der Solarthermie erleben. Nur über eine Politik der wettbewerbsbelebenden Solarthermie Förderung, die Effizienz und Erträge stark berücksichtig, wird es gelingen, die weltweite solarthermische Innovationsführerschaft und damit mittelfristig den Standort Deutschland zu halten.

Milk the Sun: Derzeit herrscht eine große Verunsicherung innerhalb der Bevölkerung, wenn es um das Thema Erneuerbare Energien und die damit zusammenhängende Energiewende geht. Der einzelne erstickt in einem Schwall an Pro-und-Anti-Propaganda, was letztendlich lediglich Verunsicherung und Verwirrung zur Folge hat. Es gibt nur wenige Stimmen die zur Ordnung rufen und die Diskussion auf eine sachliche und logische Ebene zurückführen wollen. Wie ist ihr Vorschlag für ein konstruktiveres Vorgehen in diesen Fragen?

Thomas Nasswetter: Oftmals habe ich das Gefühl, es geht bei der Diskussion hauptsächlich um die Lufthoheit über den Stammtischen, als um eine Diskussion möglicher Lösungsansätze. Da es bei der Energiewende nur um Strom geht, war von Anfang an das Etikett falsch. Die Idee einer generellen Energiewende ist aber, schon aus volkswirtschaftlicher Sicht dringend auf den Weg zu bringen.

Allein daran kann man ermessen, wie wenig Politiker und leider auch ihre Berater vom Thema Energie verstehen oder vielleicht auch verstehen wollen. Energiepolitik war bisher, polemisch formuliert, Politik für Energieversorgungsunternehmen und ihre Großkunden, abseits der öffentlichen Meinung. Der Wärmemarkt oder das Thema Mobilität, die zusammen mehr als dreiviertel des Energiemarktes ausmachen, waren ebenfalls nicht Teil der Diskussion. Das EEG war eine Art Quotenbringer, der mehr und mehr außer Kontrolle geraten ist.

Der Paradigmenwechsel zur multivalenten Energieerzeugungsmix, zu lokal statt zentral und zu Effizienz statt Verbrauchswachstum hat die führenden Köpfe dieses Landes noch nicht erreicht. Hier steht uns aber, ob wir wollen oder nicht ein kompletter und sehr komplexer Strukturwandel bevor.

Um auf Ihre Frage zurückzukommen: Im Bereich der Energieversorgung, findet derzeit ausgelöst durch das EEG und die vielen neuen PV Anlagen eine Art von Demokratisierung, ähnlich einer Graswurzelbewegung statt. Auf Grund einer sich langsam anschleichenden latenten Energieknappheit wird über kurz oder lang jeder Bürger davon betroffen sein und daher mitreden wollen und müssen.

Dieser Ansatz der Demokratisierung muss nun genügen, dass die Auseinandersetzung mit dem komplexen Thema schließlich in die richtige Richtung führt. Es stehen derzeit und auch mittelfristig einfach zu viele Einzelinteressen im Raum, um eine schnelle saubere und flächendeckende Lösung zu erzielen. Ob der Vorschlag, die Diskussion auf die europäische Ebene zu verlagern, des Rätsels Lösung darstellt, würde ich bezweifelt. Es kann aber ein Ansatzpunkt sein, manche wichtigen Punkte auf den Weg zu bringen.

Ich bin langfristig aber optimistisch, auch wenn der Prozess in manchen Punkten für viele Bürger noch sehr schmerzhaft werden könnte.

Milk the Sun: Stéphane Hessel bezeichnete den Kampf für eine nachhaltige und feste Umweltpolitik als eine der Hauptaufgaben der Menschen im 21. Jahrhundert. Die Erkenntnisse der Wissenschaft und die Veränderungen des Klimas geben ihm Recht. Dennoch passiert verhältnismäßig wenig, obwohl es letztendlich um die Existenz der menschlichen Spezis geht. Wie ist ihr Standpunkt dazu, dass sich angesichts eines derart dringenden Themas noch immer in politischen und wirtschaftlichen Grabenkämpfen ergeben wird?

Thomas Nasswetter: Dringlichkeit ist immer relativ – Stéphane Hessel zeichnet da ja ein unglaublich dramatisches Bild. Deshalb eine Gegenfrage: Wäre die globale Beseitigung der Verteilungsungerechtigkeit nicht dringlicher, um endlich den Hunger in der Welt zu beseitigen?

Oder eine andere: Nehmen wir uns nicht auch einfach zu wichtig und glauben den Klimawandel wirklich durch einfache Maßnahmen nachhaltig positiv beeinflussen zu können? Wir können diese Frage allein schon auf Grund des derzeitigen Wissensstandes gar nicht klar beantworten. Die Antwort fällt sehr komplex aus.

Ohne Verhaltensänderungen von großen Teilen der Weltbevölkerung wird es, wenn überhaupt, nicht gehen. Dazu muss die Meinung, dass etwas gegen den Klimawandel getan werden muss, mehrheitsfähig werden. Wie das in undemokratische Systemen, wie wir sie in vielen Teilen der Welt finden, bedeutet, lässt sich schwer abschätzen und auch in demokratischen ist es nicht trivial.

So lautet also die entscheidende Frage: Wie können wir den Klimawandel besser kommunizieren, damit die Auswirkungen auch besser verstanden wird? Derzeit scheitern wir schon daran, die komplexen Zusammenhänge wirklich im notwendigen Maße zu verstehen und die Modelle realitätsnahe zu machen.

Was kann also überhaupt kommuniziert werden, um glaubwürdig zu sein? Mit dramatischen Appellen erreicht man dieses Ziel sicherlich nicht. Wir sind uns einfach viel zu wenig bewusst, wie stark wir mittlerweile im Grunde genommen schon betroffen sind.

Zwischenzeitlich werden wir uns also mit Grabenkämpfen arrangieren müssen und jeder von uns ist aufgefordert herauszufinden, was er persönlich in seinem direkten Umfeld bewirken kann. Das entscheidende Faktum ist aber letztendlich der Energiepreis, da bin ich wenig optimistisch. Steig dieser sehr schnell, wird auch Wahrnehmung und Umdenken beschleunigt, denn das spürt jeder am eigenen Leib.

 

Wir bedanken uns bei Herrn Nasswetter für das Interview.

 


Im Rahmen der Interviewreihe “Vier Fragen an …” stellt der Milk the Sun Blog bis zur Bundestagswahl am 22.September 30 Tage lang führenden Köpfe aus Wirtschaft, Politik und Medien vier Fragen zu den Erwartungen an die Energiepolitik Deutschlands der zurückliegenden und kommenden Jahre. Bisher interviewten wir Sebastian Bolay (DIHK), Heiko Schwarzburger (Photovoltaik), Corinna Lang (CleanEnergy Project), Patrick Jüttemann (klein-windkraftanlagen.com), Christian Leers (PV-Experte), Robert Schwarz (BTO Management Consulting), Lothar Lochmaier (Freier Journalist), Michael Richter (Sonneninvest AG), Kilian Rüfer (SUSTAINMENT), Udo Schuldt (Blogger), Thorsten Zoerner (Solution Architect), Prof. Dr. Eicke Weber (Fraunhofer ISE), Falko Bozicevic (GoingPublic Magazin), Carsten Körnig (Solarwirtschaft e.V.), Denis-Mariel Kühn (EGBB), Doreen Brumme (Freie Journalistin), Erhard Renz (sonnenfluesterer.de), Sabine Eva Rädisch (Autorin und Bloggerin), Bart Markus (Wellington Partners), Prof. Volkmar Liebig (avesco Financial Services AG), Dr. Tim Meyer (Grünstromwerk GmbH), Alexander Fehr (Fehrdeal & Energieblogger)

Vier Fragen an … Alexander Fehr, Betreiber von Fehrdeal und Energieblogger

Alexander Fehr ist Politik- und Sozialwissenschaftler und betreibt die Seite Fehrdeal. Herr Fehr ist einer der führenden Energieblogger und beschäftigt sich schon seit dem Beginn seines Studiums mit den Themenkomplexen Umwelt, Gesellschaft und Kommunikation. Erklärtes Ziel von Alexander Fehr ist es Öffentlichkeit und Wissenschaft näher zusammen zu bringen. Seine Vision von Forschungsarbeit im 21. Jahrhundert sieht sie auch im Diskurs mit der Öffentlichkeit.

Alexander Fehr: "Wir sind in der Masse leider keine Antizipatoren, die eine Bedrohung in der Zukunft erkennen und dieser frühzeitig entgegenwirken. Vielmehr sind wir Katastrophen-Lerner, die erst reagieren wenn es brennt. "

Milk the Sun: Lieber Herr Fehr, die Liste derer, denen in den letzten Monaten und Jahren ein Ausbremsen der Energiewende vorgeworfen wurde, ist lang. Wie schätzen Sie die klimapolitischen Ergebnisse der letzten Legislaturperiode der schwarz-gelben Regierung ein, der nach Kanzlerin Merkel „erfolgreichsten Bundesregierung seit der Wiedervereinigung“?

Alexander Fehr: Die Energiewende hat nicht nur eine klimapolitische Dimension. Die Energiewende ist ein überaus komplexes Projekt, dass sich nicht auf ein bestimmtes Politikfeld reduzieren lässt. Neben der klimapolitischen Dimension ist vor allem die wirtschaftspolitische Dimension, mit der Argumentation um internationale Wettbewerbsfähigkeit, die sozialpolitische Dimension um die Bezahlbarkeit und Gerechtigkeit zentral. Es schwingen aber auch noch sicherheitspolitische Argumentationen um Energiesicherheit und Versorgungssicherheit und viele andere mit hinein. Alle diese Dimensionen und Systeme haben ihre eigenen Argumentationslogiken, die für sich genommen Sinn machen. Die Wirtschaft sieht Gewinne gefährdet, Umweltschützer die lebenswerte Zukunft bedroht und der Staat seine Souveränität und Versorgungssicherheit und damit seinen öffentlichen Auftrag in der Schieflage. Alle Systeme können die Welt nur durch ihre eigene Brille betrachten.

Alle diese Argumentationen treffen im öffentlichen Diskurs aufeinander und müssen verhandelt werden damit die Energiewende gesamtgesellschaftlich kommunikativ anschlussfähig wird.

Nur scheint dieser gesellschaftliche Diskurs gerade nicht so recht voran zu kommen und das gesamte Projekt gerät, zumindest gefühlt, ins Stocken. Der Diskurs um die Energiewende scheint zu ermüden, weil die Komplexität sich schwer entwirren lässt.

Die gesamte Komplexität der Energiewende, die ich gerade beschreiben habe findet sich schon im nationalen Kontext und potenziert sich mit der Klimapolitik auf die globale Ebene. In der Klimapolitik treffen 194 Energiekonzepte (die Zahl der Teilnehmer auf der Klimakonferenz in Doha) aufeinander. Um einen wirklichen Fortschritt im Bereich der Klimapolitik zu erreichen, müssen zumindest die G20 Staaten sich über die Richtung einig sein und dies ist nicht der Fall. Die Realität der globalen Klimapolitik ist hart. Deutschland hat ein Gewicht. Wir sollten dieses Gewicht aber auch nicht überschätzen. Wir werden bis 2020 vielleicht nur noch ein Prozent der Weltbevölkerung stellen. Wir können jenes eine Prozent sein, das der Welt zeigt, dass eine erneuerbare Energieversorgung auch für eine Industrienation möglich ist. Die Entscheidung uns nachzufolgen müssen aber die Staaten für sich treffen. Und dies tun sie in der Regel nach rationalem Kalkül.

Nehmen wir hierfür beispielsweise Kanada, das als guter Partner mit langer demokratischer Tradition gilt. Kanada hat sich dazu entschlossen aus dem Kyoto Protokoll auszusteigen, weil nach rationalen Maßstäben die sehr CO2 intensive Gewinnung von Öl aus Ölsand in der eigenen Bewertung auf einmal gelohnt hat.

Um auf Ihre Frage zurück zu kommen kann man als blankes Fazit schon sagen, dass die klimapolitischen globalen Ergebnisse der Bundesregierung zu keinem erhofften Nachfolgeprotokoll für Kyoto geführt haben. Man muss sich als Wissenschaftler aber auch eingestehen, dass die globalen schwierigen Rahmenbedingungen wahrscheinlich auch keine andere Deutsche Regierung zu nennenswert anderen Ergebnissen geführt hätten.

Auf nationaler Ebene haben wir die Energiewende und diese ist richtig und wichtig und wird von einer breiten Zustimmung aus der Bevölkerung getragen. Die Welt schaut auf uns!

Milk the Sun: Unabhängig davon welche Partei nach dem 22.September in den Bundestag einziehen wird und unabhängig von der dann herrschenden Koalition, kommen auf die neue Bundesregierung viele wichtige und prägende energiepolitischen Entscheidungen zu. Was erwarten Sie sich von der Bundesregierung nach den Wahlen?

Alexander Fehr: Ich erwarte von der neuen Bundesregierung nicht mehr und nicht weniger als eine „umfassende“ Reform nicht nur des EEG sondern des gesamten Energiesystems. Dazu gehört mehr Transparenz bei der Preiskalkulation der Energieanbieter und ein neues gerechtes Marktdesign der Energiemärkte. Weiterhin müssen die Versprechen der aktuellen Regierung im Bereich der Forschungsförderung für erneuerbare Energien, Smart Technologies und Speicher eingehalten und ausgebaut werden. Meiner Meinung nach lässt sich die Energiewende nur in ein gesamtgesellschaftliches Gleichgewicht bringen, wenn sie auch ökonomisch Sinn macht und dafür brauchen wir weitere Innovationen.

Milk the Sun: Derzeit herrscht eine große Verunsicherung innerhalb der Bevölkerung, wenn es um das Thema Erneuerbare Energien und die damit zusammenhängende Energiewende geht. Der einzelne erstickt in einem Schwall an Pro-und-Anti-Propaganda, was letztendlich lediglich Verunsicherung und Verwirrung zur Folge hat. Es gibt nur wenige Stimmen die zur Ordnung rufen und die Diskussion auf eine sachliche und logische Ebene zurückführen wollen. Wie ist ihr Vorschlag für ein konstruktiveres Vorgehen in diesen Fragen?

Alexander Fehr: Für mich ist das Wichtigste, dass alle weiteren Schritte bei der Energiewende in einem gleichberechtigten Diskurs mit den Bürger geschehen. Wir brauchen gesellschaftliche Regeln wie dieser Diskurs zu gestalten ist damit einerseits die Beteiligung gewährleistet ist und andererseits effektive und verbindliche Entscheidungen getroffen werden können. Wenn ich mir alleine die ewigen Streitereien im Stadtrat in München in Bezug auf ein einzelnes Windrad auf einem Schuttberg vor München anschaue, dann werden wir den sportlichen Zeitplan nicht halten. Irgendwann müssen auch die Diskussionen zu Entscheidungen führen, die dann akzeptiert werden. Es sollte dann nicht immer wieder aufs Neue ein Weg an Ihnen vorbei gesucht werden.

Die Energiewende wird auch nicht zum „ökologischen Nulltarif“ zu haben sein. Einige Eingriffe in das Landschaftsbild werden unvermeidlich sein. Einen Konsens mit dem alle einverstanden sind wird es nicht geben. Aber einen Kompromiss mit dem alle Leben können schon.

Ich persönlich muss sogar sagen, dass ich bei Windrädern ein gewisse Ästhetik und Erhabenheit empfinde, wenn ich darüber nachdenke, dass mit jeder Umdrehung ein kleiner Schritt in eine lebenswerte Zukunft nachfolgender Generationen gegangen wird. Ich bringe hierfür gerne das Beispiel des romantischen Alpendorfs. Hätten wir den Özi gefragt ob das Dorf da in die Berge gehört, hätte er wohl auch gesagt, dass das Landschaftsbild darunter leidet. Heute empfinden wir das als heimisch. Vielleicht wird dies eines Tages auch mit dem Windradl so sein.

Milk the Sun: Stéphane Hessel bezeichnete den Kampf für eine nachhaltige und feste Umweltpolitik als eine der Hauptaufgaben der Menschen im 21. Jahrhundert. Die Erkenntnisse der Wissenschaft und die Veränderungen des Klimas geben ihm Recht. Dennoch passiert verhältnismäßig wenig, obwohl es letztendlich um die Existenz der menschlichen Spezis geht. Wie ist ihr Standpunkt dazu, dass sich angesichts eines derart dringenden Themas noch immer in politischen und wirtschaftlichen Grabenkämpfen ergeben wird?

Alexander Fehr: Ich habe mich als Wissenschaftler lange mit dem Thema Risiko und Unsicherheit beschäftigt. Eine Erkenntnis habe ich dabei für mich erlangt, die sich mit dem Zitat von Anthony Giddens sehr gut beschreiben lässt. „Dem Mensch fällt es schwer, der Zukunft den gleichen Stellenwert einzuräumen wie der Gegenwart.“

Wir sind in der Masse leider keine Antizipatoren, die eine Bedrohung in der Zukunft erkennen und dieser frühzeitig entgegenwirken. Vielmehr sind wir Katastrophen-Lerner, die erst reagieren wenn es brennt. Die Frage ist wie viel von der Katastrophe des Klimawandels wir noch sehen wollen, bevor wir reagieren, denn die Auswirkungen werden von Jahr zu Jahr deutlicher erfahrbar. Ich persönlich will nicht solange warten bis die alte Indianer-Weissagung Realität wird: „Erst wenn der letzte Baum gerodet, der letzte Fluss vergiftet, der letzte Fisch gefangen ist, werdet ihr merken, dass man Geld nicht essen kann.“

 

Wir bedanken uns bei Herrn Fehr für das Interview.

 


Im Rahmen der Interviewreihe “Vier Fragen an …” stellt der Milk the Sun Blog bis zur Bundestagswahl am 22.September 30 Tage lang führenden Köpfe aus Wirtschaft, Politik und Medien vier Fragen zu den Erwartungen an die Energiepolitik Deutschlands der zurückliegenden und kommenden Jahre. Bisher interviewten wir Sebastian Bolay (DIHK), Heiko Schwarzburger (Photovoltaik), Corinna Lang (CleanEnergy Project), Patrick Jüttemann (klein-windkraftanlagen.com), Christian Leers (PV-Experte), Robert Schwarz (BTO Management Consulting), Lothar Lochmaier (Freier Journalist), Michael Richter (Sonneninvest AG), Kilian Rüfer (SUSTAINMENT), Udo Schuldt (Blogger), Thorsten Zoerner (Solution Architect), Prof. Dr. Eicke Weber (Fraunhofer ISE), Falko Bozicevic (GoingPublic Magazin), Carsten Körnig (Solarwirtschaft e.V.), Denis-Mariel Kühn (EGBB), Doreen Brumme (Freie Journalistin), Erhard Renz (sonnenfluesterer.de), Sabine Eva Rädisch (Autorin und Bloggerin), Bart Markus (Wellington Partners), Prof. Volkmar Liebig (avesco Financial Services AG), Dr. Tim Meyer (Grünstromwerk GmbH)

Vier Fragen an … Dr. Tim Meyer, Geschäftsführer und Gründungsgesellschafter der Grünstromwerk GmbH

Tim Meyer ist Gründungsgesellschafter und Geschäftsführer der Grünstromwerk GmbH. Er besitzt über 17 Jahre Erfahrung in Technologie und Marketing für erneuerbare Energien. Nach Promotion und später Abteilungsleitung am Fraunhofer ISE in Freiburg hat er mit Schwerpunkt Photovoltaik Führungsfunktionen in den Bereichen Projektentwicklung und –finanzierung, O&M, Marketing und Technologie ausgefüllt. Grünstromwerk ist bundesweit der erste Energieversorger und Dienstleister mit Spezialisierung auf Solarstrom und dezentrale Versorgungslösungen. Das Unternehmen hat es sich zur Aufgabe gemacht, erneuerbare Energien nachhaltig und eigenständig in den Energiemarkt zu integrieren.

Dr. Meyer: "Die Stärke und der Nutzen der Erneuerbaren liegen in der Dezentralität und Regionalität. Anreize zum Vor-Ort- oder regionalen Verbrauch von Ökostrom sollten über EEG, Netzentgeltverordnung und Stromsteuergesetz harmonisiert werden."

Milk the Sun: Lieber Herr Dr. Meyer, die Liste derer, denen in den letzten Monaten und Jahren ein Ausbremsen der Energiewende vorgeworfen wurde, ist lang. Wie schätzen Sie die klimapolitischen Ergebnisse der letzten Legislaturperiode der schwarz-gelben Regierung ein, der nach Kanzlerin Merkel „erfolgreichsten Bundesregierung seit der Wiedervereinigung“?

Tim Meyer: Ich möchte mich bei der Antwort auf die Ergebnisse für den Energie- und speziell den Strommarkt beschränken. Hier ist die Bilanz verstörend: in Deutschland haben wir EEG-Gesetzesänderungen und Änderungsinitiativen im Halbjahrestakt gesehen. Bezüglich erneuerbarer Energien sind Kunden, Industrie und Investoren zutiefst verunsichert. Heute haben wir einen regulatorischen Flickenteppich mit zahlreichen neuen Umlagen und Sondertatbeständen. Der dringend benötigte Wurf einer ganzheitlichen neuen Regulierung des Strommarktes liegt nicht vor. Der europäische CO2-Markt, über den maßgeblich auch der Strommix in Deutschland beeinflusst wird, liegt am Boden. Gerade auch wegen der deutschen Ablehnung eines konsequenten Backloading. Im Ergebnis erreicht die Stromproduktion aus Kohle neue Rekordniveaus, können effiziente und moderne Gaskraftwerke nicht mehr wirtschaftlich betrieben werden und herrscht in allen Bereichen der alten und neuen Energiewirtschaft Verunsicherung. Dabei braucht gerade der Energiesektor mit seinen langen Investitionszyklen Planungssicherheit. Und zwar mit klaren Zielvorgaben und Instrumenten in Richtung Erneuerbare Energien, Klimaschutz und Energieeffizienz.

Milk the Sun: Unabhängig davon welche Partei nach dem 22.September in den Bundestag einziehen wird und unabhängig von der dann herrschenden Koalition, kommen auf die neue Bundesregierung viele wichtige und prägende energiepolitischen Entscheidungen zu. Was erwarten Sie sich von der Bundesregierung nach den Wahlen?

Tim Meyer: Kurz und knapp: die Neuordnung des Strommarktes und die Wiederbelebung des CO2-Marktes. Wir brauchen eine stabile und klare Regulierung zum weiteren Ausbau der erneuerbaren Energien auf Basis des EEG. Mit der noch notwendigen Förderung aber mit starken Instrumenten für die Marktintegration. Dabei müssen wir weg kommen vom Wettbewerb der erneuerbaren Energien mit konventionellen Stromquellen im Großhandel, so wie derzeit umgesetzt und von einigen präferiert. Die Stärke und der Nutzen der Erneuerbaren liegt in der Dezentralität und Regionalität. Anreize zum Vor-Ort- oder regionalen Verbrauch von Ökostrom sollten über EEG, Netzentgeltverordnung und Stromsteuergesetz harmonisiert werden. Darüber hinaus sollten alle Stromvertriebe die Aufgabe erhalten, auch fluktuierende erneuerbare Energien zu integrieren. Gleichzeitig müssen die fossilen Stromerzeuger über die Wiederbelebung des europäischen CO2-Marktes endlich ihre realen Umweltkosten tragen.

Milk the Sun: Derzeit herrscht eine große Verunsicherung innerhalb der Bevölkerung, wenn es um das Thema Erneuerbare Energien und die damit zusammenhängende Energiewende geht. Der einzelne erstickt in einem Schwall an Pro-und-Anti-Propaganda, was letztendlich lediglich Verunsicherung und Verwirrung zur Folge hat. Es gibt nur wenige Stimmen die zur Ordnung rufen und die Diskussion auf eine sachliche und logische Ebene zurückführen wollen. Wie ist ihr Vorschlag für ein konstruktiveres Vorgehen in diesen Fragen?

Tim Meyer: Wir erleben einen einmaligen Verteilungs- und teilweise Existenzkampf der alten, zentralen Energiewirtschaft. Die Energiewende, besonders der Ausbau der erneuerbaren Energien, entwertet bestehende Kraftwerke, d.h. das Vermögen dieser Unternehmen. Und raubt ihnen das Geschäftsmodell. Ich befürchte, ohne „Propaganda“ wird sich die alte Energiewirtschaft nicht geschlagen geben. Mein Vorschlag oder besser: mein Wunsch ist, dass die Politik hier klare Führung zeigt und die Übergangsschmerzen der alten Energiewirtschaft dem Ziel einer sauberen und langfristig preisgünstigen Energieversorgung auf Basis erneuerbarer Energien unterordnet. Gleichzeitig bleiben alle Akteure der „Energiewende von unten“ aufgerufen, ihr Engagement unvermindert weiter zu treiben: in Netzwerken, Gemeinden, Energiegenossenschaften, Unternehmen und zu Hause.

Milk the Sun: Stéphane Hessel bezeichnete den Kampf für eine nachhaltige und feste Umweltpolitik als eine der Hauptaufgaben der Menschen im 21. Jahrhundert. Die Erkenntnisse der Wissenschaft und die Veränderungen des Klimas geben ihm Recht. Dennoch passiert verhältnismäßig wenig, obwohl es letztendlich um die Existenz der menschlichen Spezis geht. Wie ist ihr Standpunkt dazu, dass sich angesichts eines derart dringenden Themas noch immer in politischen und wirtschaftlichen Grabenkämpfen ergeben wird?

Tim Meyer: Die deutsche Energiewende stellt einen gravierenden Umbau deutscher Industriestrukturen, Macht- und Besitzverhältnisse dar – mit entsprechenden Interessenkonflikten. Auf globaler Ebene scheint wirksamer Klimaschutz in ähnlicher Weise eine Neuverteilung von Entwicklungschancen, Machtstrukturen und Wohlstand zu bedeuten. Zumindest scheint Jeder zu befürchten, dass ihm im Vergleich zu anderen Nachteile drohen. Dass in einer solchen Konstellation Einzelinteressen überwiegen und zu den von Ihnen angesprochenen Grabenkämpfen führen, ist zwar hochgradig unvernünftig, scheint mir aber leider menschlich.  Bei aller Diplomatie, die im globalen Gefüge notwendig  ist, scheint es mir daher umso wichtiger, dass Deutschland als Beispiel vorangeht und einen engagierten Klimaschutz vorlebt.

 

Wir bedanken uns bei Herrn Dr. Meyer für das Interview.

 


Im Rahmen der Interviewreihe “Vier Fragen an …” stellt der Milk the Sun Blog bis zur Bundestagswahl am 22.September 30 Tage lang führenden Köpfe aus Wirtschaft, Politik und Medien vier Fragen zu den Erwartungen an die Energiepolitik Deutschlands der zurückliegenden und kommenden Jahre. Bisher interviewten wir Sebastian Bolay (DIHK), Heiko Schwarzburger (Photovoltaik), Corinna Lang (CleanEnergy Project), Patrick Jüttemann (klein-windkraftanlagen.com), Christian Leers (PV-Experte), Robert Schwarz (BTO Management Consulting), Lothar Lochmaier (Freier Journalist), Michael Richter (Sonneninvest AG), Kilian Rüfer (SUSTAINMENT), Udo Schuldt (Blogger), Thorsten Zoerner (Solution Architect), Prof. Dr. Eicke Weber (Fraunhofer ISE), Falko Bozicevic (GoingPublic Magazin), Carsten Körnig (Solarwirtschaft e.V.), Denis-Mariel Kühn (EGBB), Doreen Brumme (Freie Journalistin), Erhard Renz (sonnenfluesterer.de), Sabine Eva Rädisch (Autorin und Bloggerin), Bart Markus (Wellington Partners), Prof. Volkmar Liebig (avesco Financial Services AG)

Vier Fragen an … Prof. Volkmar Liebig, CFO, avesco Financial Services AG

Prof. Volkmar Liebig ist der CFO der avesco Financial Services AG aus Berlin. Prof. Liebig konzentriert sich auf die Bereiche Unternehmens- und Wertpapiercontrolling sowie Führungs- und Kommunikationskultur zur Etablierung und Einhaltung anspruchsvoller Unternehmensstandards. Zudem lehrt Prof. Liebig Betriebswirtschaft mit Schwerpunkt Entrepreneurship an der Hochschule Ulm am ifm (Institut für Fremdsprachen und Management). Die avesco Financial Services AG wurde 1999 gegründet und hat sich auf nachhaltige Investments spezialisiert.

Prof. Liebig: „Sachlichkeit oder Logik obsiegen typischer Weise nicht in der Politik. Vielmehr kommt es darauf an, den persönlichen Vorteil eines jeden Betroffenen (Stakeholder) mit dem kollektiven Vorteil der Gesellschaft zu verbinden – aus meiner Sicht eine Maxime erfolgreicher Politik.“

Milk the Sun: Die Liste derer, denen in den letzten Monaten und Jahren ein Ausbremsen der Energiewende vorgeworfen wurde, ist lang. Wie schätzen Sie die klimapolitischen Ergebnisse der letzten Legislaturperiode der schwarz-gelben Regierung ein, der nach Kanzlerin Merkel „erfolgreichsten Bundesregierung seit der Wiedervereinigung“?

Prof. Liebig: Für mich hat das Eingangsstatement relativ wenig mit der gestellten Frage zu tun. Das „Ausbremsen der Energiewende“ setzt voraus, dass es – wie auf einem Segelschiff – ein klares Konzept für eine Wende gibt, damit jeder weiß, welchen Beitrag er für das Manöver zu leisten hat, und welchen Nutzen der Segeltörn überhaupt hat. Es gibt jedoch kein klares Konzept für die Wende und es wird zu wenig mit den Anspruchsgruppen in der Gesellschaft kommuniziert. Der parteipolitische Erfolg der amtierenden Regierung ist enorm, weil mit dem überraschenden und konsequenten Ausstieg aus der Kernenergie ein Themen-Vakuum für die konkurrierenden Parteien erzeugt wurde. Der klimapolitische Erfolg ist jedoch im Kern eine Niederlage, weil z.B. die deutsche CO2-Bilanz sich aktuell verschlechtert hat – ganz im Gegensatz zu den vereinbarten Klimazielen.

Milk the Sun: Unabhängig davon welche Partei nach dem 22.September in den Bundestag einziehen wird und unabhängig von der dann herrschenden Koalition, kommen auf die neue Bundesregierung viele wichtige und prägende energiepolitischen Entscheidungen zu. Was erwarten Sie sich von der Bundesregierung nach den Wahlen?

Prof. Liebig: Es gibt einen erheblichen Handlungsbedarf, um die zunehmend dezentrale Erzeugung, die notwendige Umwandlung und die Verteilung von (Strom-)Energie so zu gestalten, dass die Wettbewerbsfähigkeit (Preisniveau), Ressourcenschonung (Energieeffizienz), Sozialverträglichkeit (Stakeholder-Balance) und vernunftethische Verantwortung (Perspektive der Nachhaltigkeit) bestmöglich berücksichtigt werden. Diese Aufgabe wird eine Bundesregierung nur schaffen, wenn sie die gesamte Zivilgesellschaft dabei mitnimmt. Ich erwarte, dass die Regierung diese Einsicht hat und entsprechend handelt.

Milk the Sun: Derzeit herrscht eine große Verunsicherung innerhalb der Bevölkerung, wenn es um das Thema Erneuerbare Energien und die damit zusammenhängende Energiewende geht. Der einzelne erstickt in einem Schwall an Pro-und-Anti-Propaganda, was letztendlich lediglich Verunsicherung und Verwirrung zur Folge hat. Es gibt nur wenige Stimmen, die zur Ordnung rufen und die Diskussion auf eine sachliche und logische Ebene zurückführen wollen. Wie ist ihr Vorschlag für ein konstruktiveres Vorgehen in diesen Fragen?

Prof. Liebig: Politik hat dominantere Aspekte als Sachlichkeit oder gar Logik. Ich bin daher gar nicht sicher, ob sachliche Argumente dienlich sind oder ob die Logik ein Zugang zu einem konstruktiven Vorgehen sein könnte. Sachlichkeit oder Logik obsiegen typischer Weise nicht in der Politik. Vielmehr kommt es darauf an, den persönlichen Vorteil eines jeden Betroffenen (Stakeholder) mit dem kollektiven Vorteil der Gesellschaft zu verbinden – aus meiner Sicht eine Maxime erfolgreicher Politik. Das würde für das in Frage stehende Thema bedeuten, dass durch Kommunikation allen Anspruchsgruppen die bestehenden Alternativen transparent erläutert werden (Aufklärung), der persönliche Nutzen jeder Alternative kurz und langfristig dargelegt wird (ökonomische Sicht), die Option besteht, dass durch unternehmerische Aktivitäten (Entrepreneurship) die ökologischen Herausforderungen bewältigt werden können (Geschäftsmodelle für den Klimawandel) und jeder Stakeholder in der Gesellschaft die Chance und die Möglichkeit hat, an der Energiewende zu partizipieren, also letztlich einen Nutzen daraus ziehen kann, der naturgemäß unterschiedliche Formen hat.

Milk the Sun: Stéphane Hessel bezeichnete den Kampf für eine nachhaltige und feste Umweltpolitik als eine der Hauptaufgaben der Menschen im 21. Jahrhundert. Die Erkenntnisse der Wissenschaft und die Veränderungen des Klimas geben ihm Recht. Dennoch passiert verhältnismäßig wenig, obwohl es letztendlich um die Existenz der menschlichen Spezis geht. Wie ist ihr Standpunkt dazu, dass sich angesichts eines derart dringenden Themas noch immer in politischen und wirtschaftlichen Grabenkämpfen ergeben wird?

Prof. Liebig: Wir dürfen nicht unterstellen, dass die Akteure, auch die Eliten in der Gesellschaft, die großen Probleme (Klima, Bevölkerung, Ernährung, Wasser, Energie, Ressourcenzugang, Freiheit) dieser Welt ständig und bei allen Entscheidungen sich vor Augen führen. Ebenso dürfen wir nicht unterstellen, dass diese Probleme wirklich verstanden wurden, geschweige denn, eine Folgenabschätzung durch verzögertes Handeln oder Tatenlosigkeit vorgenommen wird. Es wird sich – leider – wohl nicht verhindern lassen, dass noch eine Reihe von gravierenden Ereignissen eintreten müssen, damit ein genügend hoher Entscheidungsdruck entsteht. Ohne zynisch sein zu wollen – aber diese gravierenden Ereignisse müssen leider häufig hintereinander eintreten, damit ein kollektives Lernen eintritt. Auf der Basis dieser Einsicht kann die Hoffnung gedeihen, dass notwendige politische Entscheidungen durchsetzbar sind. Es sei denn, wir bekommen Herakles, Superman oder Superwoman als Bundeskanzler bzw. Bundeskanzlerin.

 

Wir bedanken uns bei Prof. Liebig für das Interview.

 


Im Rahmen der Interviewreihe “Vier Fragen an …” stellt der Milk the Sun Blog bis zur Bundestagswahl am 22.September 30 Tage lang führenden Köpfe aus Wirtschaft, Politik und Medien vier Fragen zu den Erwartungen an die Energiepolitik Deutschlands der zurückliegenden und kommenden Jahre. Bisher interviewten wir Sebastian Bolay (DIHK), Heiko Schwarzburger (Photovoltaik), Corinna Lang (CleanEnergy Project), Patrick Jüttemann (klein-windkraftanlagen.com), Christian Leers (PV-Experte), Robert Schwarz (BTO Management Consulting), Lothar Lochmaier (Freier Journalist), Michael Richter (Sonneninvest AG), Kilian Rüfer (SUSTAINMENT), Udo Schuldt (Blogger), Thorsten Zoerner (Solution Architect), Prof. Dr. Eicke Weber (Fraunhofer ISE), Falko Bozicevic (GoingPublic Magazin), Carsten Körnig (Solarwirtschaft e.V.), Denis-Mariel Kühn (EGBB), Doreen Brumme (Freie Journalistin), Erhard Renz (sonnenfluesterer.de), Sabine Eva Rädisch (Autorin und Bloggerin), Bart Markus (Wellington Partners)

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