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Vier Fragen an … Erhard Renz, sonnenfluesterer.de

Erhard Renz betreibt den Blog www.sonnenfluesterer.de. Er nennt sich selbst „praktizierender Atomkraftgegner“ und schreibt als Energieblogger über seine Erfahrungen im Energiebereich. Mittelpunkt seines Blogs sind die Geschehnisse rund um das Thema Energieautonomie in der Kleinstadt Bürstadt. Beispiele zentraler Schwerpunkte sind das nur 8 Kilometer entfernte Atomkraftwerk Biblis, das Weltgrößtes PV Dach (2005) und neuerdings die Frage der Ölförderung in der Gemeinde. Erhard Renz engagiert sich bei Solar- (z.B. DSC) und Windverbänden, ist sich allerdings auch politisch im Kommunalparlament aktiv.

Erhard Renz: "Photovoltaik ist die demokratischste Energieerzeugung und darf nicht verboten oder besteuert werden."

Milk the Sun: Lieber Herr Renz, die Liste derer, denen in den letzten Monaten und Jahren ein Ausbremsen der Energiewende vorgeworfen wurde, ist lang. Wie schätzen Sie die klimapolitischen Ergebnisse der letzten Legislaturperiode der schwarz-gelben Regierung ein, der nach Kanzlerin Merkel „erfolgreichsten Bundesregierung seit der Wiedervereinigung“?

Erhard Renz: Beim Rückblick auf die letzte Legislaturperiode ist festzustellen, dass die schwarz-gelbe Regierung als erstes die Laufzeit der Atomkraftwerke verlängerte. Ein fataler Fehler der erst durch Fukushima und Massenprotesten zurück-„gewendet“ wurde. Die Energiepolitik von schwarz-gelb läuft unter dem Titel „Energiewende“. Ich empfinde dieses Wort als Antwort auf die Rot-Grüne Regierungszeit (1998-2005). Die schwarz-gelbe Regierung bemüht sich, mit allen Mitteln, den Schwung der dezentralen Erneuerbaren Energien in Bürgerhand abzuschwächen und die „alten Besitzverhältnisse“ wieder herzustellen oder zumindest zu bewahren. Ein Umweltminister der 2013 die Halbierung des Photovoltaik Zubaus begrüßt und sich über ein neues Braunkohlekraftwerk freut hat seinen Job nicht gemacht, nicht verstanden oder andere Zielvorstellungen! Positive Klimapolitische Ergebnisse kann ich rückblickend bei dieser Bundesregierung nicht sehen. Die Fokussierung auf Kosten, Schonung von Konzernen und Untätigkeit im CO2 Handel überwiegen meine Wahrnehmung.

Milk the Sun: Unabhängig davon welche Partei nach dem 22.September in den Bundestag einziehen wird und unabhängig von der dann herrschenden Koalition, kommen auf die neue Bundesregierung viele wichtige und prägende energiepolitischen Entscheidungen zu. Was erwarten Sie sich von der Bundesregierung nach den Wahlen?

Erhard Renz: Von „unten“ denken! Ich erwarte, dass die Relevanz der Photovoltaik erkannt wird. Bei derzeit 1,4 Millionen Photovoltaikanlagen und einem Gebäudebestand von 19 Millionen Gebäuden in Deutschland muss in jeder energetische Zukunftsbetrachtung von 15 Millionen Photovoltaikanlagen ausgegangen werden. Mir kann niemand erklären warum im Jahr 2025 ein Gebäudebesitzer, bei Herstellungskosten von dann schätzungsweise 8 Cent je Kilowattstunde und einem ebenfalls geschätzten Strom Kaufpreis von 32 Cent, sein Gebäude nicht nutzen sollte um Strom zu produzieren! Deshalb muss jedes Energie Zukunftsszenario von dieser Grundmenge (15 Millionen!) Photovoltaikanlagen ausgehen. Photovoltaik ist die demokratischste Energieerzeugung und darf nicht verboten oder besteuert werden. Als nächstes ist zu berücksichtigen, dass viele Bürger sich einen Energiespeicher zulegen werden. Ich wünsche mir von der nächsten Bundesregierung so einfache Dinge, wie einen rücklaufenden Stromzähler für diejenigen die eine Photovoltaikanlage auf dem eigenen Dach betreiben. Es macht doch keinen Sinn, dass ich auf dem Papier noch Strom „hinzukaufen“ muß obwohl ich unter dem Strich mehr Strom produziere, als im eigenen Haus verbraucht wird.

Die nächste „Denk“-Ebene muss die Quartiersebene werden, auf der sich Nachbarn zusammenschließen, um Energie effizient gemeinsam zu produzieren/speichern. Hier greifen Techniken wie Kraft-Wärme-Kopplung im kleinen Stil. Erst dann kommt die kommunale Sichtweise, bei der sich Kommunen überlegen, wie sie Ihren Bürgern Energie zur Verfügung stellen. Ab der kommunalen Ebene greift die Windenergie in das Geschehen ein. Der Ausbau der Windenergie muss kommunal integriert werden. Kommunal erzeugt Energie, muss immer Vorrangig vor extern zugekaufter Energie sein. Bürgerfinanzierung muss Vorrang vor Fremdinvestition haben. Natürlich gehören die lokalen Netze (Strom und Gas) in die Hand der Kommune und der Bürgergenossenschaften. Diese lokale Sicht muss Vorrang in der Politik und der Gesetzgebung erhalten.

Atom: Traditionell bleibe ich natürlich bei meiner Forderung nach der Abschaltung aller Atomkraftwerke und die Einstellung jeglicher Forschungsgelder für Atomenergie und Kernfusion. Dazu gehört auch die Brennelemente Herstellung (Urananreicherung) in Gronau. Die Lagerung von hochradioaktiven Abfällen kann erst angegangen werden, wenn alle AKW abgeschaltet sind.

Öl- Stein- und Braunkohlereserven: Aus aktuellem Anlass erwarte ich keine weiteren Vergaben von Förderlizenzen auf dem Boden der Bundesrepublik. In meiner Heimatstadt Bürstadt steht gerade (am 2.9.2013) die Förderung von Öl in meiner Heimatgemeinde auf der Tagesordnung. Ohne je die Bürger gefragt zu haben! Es dürfen keine Lizenzen zur Förderung von CO2 Quellen erteilt werden. Dazu gehört die Überarbeitung des veralteten Bergrechtes, um die Rechte der Anwohner besser zu schützen. Ähnlich wie beim Atomausstieg muss der Ausstieg aus Öl-, Steinkohle- und Braunkohlestrom in einem Ausstiegsszenario geregelt werden, ansonsten kann das Ziel der Bundesregierung – 80% Erneuerbare Energien bis 2050 – nicht erreicht werden. Die Produktion von diesem „Graustrom“ in Deutschland muss reduziert und der Export von „Graustrom“ gedeckelt werden.

Milk the Sun: Derzeit herrscht eine große Verunsicherung innerhalb der Bevölkerung, wenn es um das Thema Erneuerbare Energien und die damit zusammenhängende Energiewende geht. Der einzelne erstickt in einem Schwall an Pro-und-Anti-Propaganda, was letztendlich lediglich Verunsicherung und Verwirrung zur Folge hat. Es gibt nur wenige Stimmen die zur Ordnung rufen und die Diskussion auf eine sachliche und logische Ebene zurückführen wollen. Wie ist ihr Vorschlag für ein konstruktiveres Vorgehen in diesen Fragen?

Erhard Renz: Ich war selbst Teilnehmer bei verschiedenen „Energiegipfel“ (z.B. Hessischer Energiegipfel) und musste feststellen, dass die falschen Experten am Tisch sitzen! Die Experten von gestern sind die Rentner von morgen aber nicht die Experten für die Energieautonomie. Diese Energieautonomie muss auf allen Ebenen angestrebt werden! Ich halte es hier mit Hermann Scheer, der sagte: „Bei der Einführung von Computern hat auch niemand die Schreibmaschinen Hersteller als Experten befragt!“

Die Marktmacht der alten Energiekonzerne ist zu gewaltig, um ein „konstruktives Vorgehen“ zu realisieren. Diese Konzerne müssen ihre Kraftwerke aber auch einen Teil Ihrer bilanziellen Vorräte (Öl, Stein-und Braunkohle) abschreiben. Diese „CO2-Blase“ wird irgendwann platzen. Der Wertverlust dieser Aktiengesellschaften wird natürlich nicht ohne Gegenwehr hingenommen. Sie werfen momentan alles in die Schlacht um zu retten, was zu retten ist. Die Konzernstrukturen sind aber aus meiner Sicht nicht zu retten.

Ich habe Jahrzehnte bei einem Automobilhersteller gearbeitet. Es gab nie einen konstruktiven Ausbau von Straßen in Deutschland. Der Ausbau der Erneuerbaren Energien von „unten“ wird dazu führen, dass mittel- bis langfristig nur die wirtschaftlichen Erneuerbaren-Kraftwerke und die dazu nötigen Speicher und Netze gebaut werden. Ein zentralistischer Ansatz womöglich noch auf europäische Ebene wäre kontraproduktiv und ein Rückschritt. Deutschland muss sein Modell „Energiewende von unten“ zum Erfolg bringen.

Milk the Sun: Stéphane Hessel bezeichnete den Kampf für eine nachhaltige und feste Umweltpolitik als eine der Hauptaufgaben der Menschen im 21. Jahrhundert. Die Erkenntnisse der Wissenschaft und die Veränderungen des Klimas geben ihm Recht. Dennoch passiert verhältnismäßig wenig, obwohl es letztendlich um die Existenz der menschlichen Spezis geht. Wie ist ihr Standpunkt dazu, dass sich angesichts eines derart dringenden Themas noch immer in politischen und wirtschaftlichen Grabenkämpfen ergeben wird?

Erhard Renz: Meine Einschätzung ist eine ganz andere. Wir, die „Öko Spinner“, die vor 25 Jahren Wind- und vor 15 Jahren Sonnenenergie propagiert haben, sind erfolgreich! Jedes einzelne Erneuerbare Kraftwerk ist ein Sieg für uns, wir erleben es nur nicht so im Alltag. Die technische Entwicklung läuft schneller und kostengünstiger als erwartet. Die Profiteure der „alten Energieversorgung“ können leider nicht schnell genug aus dem System entfernt werden. Wer mit dem einzelnen Experten der alten Energieversorgung redet und ihm einen Arbeitsplatz im Bereich der Erneuerbaren Energien schmackhaft macht scheitert. Die Arbeitsplätze bei den Energieriesen sind immer noch sicher und bestens bezahlt, im Vergleich zu den Risiken und mager bezahlten Jobs bei der Erneuerbaren-Branche. Die Renditen/Gehälter für die Banken/Banker sind im atomar/fossilen System höher als in der Erneuerbaren-Branche. Vorstände und Aufsichtsräte „arbeiten“ dort meist ehrenamtlich. Dies wird von Politikern, Managern, Investoren und Bankern toleriert. Alles auf Kosten der Umwelt und nachfolgender Generationen. Wir werden weiterhin um jede(n) Bürger(In) um jede Photovoltaikanlage, jedes Windrad, jeden Speicher kämpfen müssen. Eigentlich freu ich mich drauf, weil ich sicher bin, dass dies der richtige Weg ist!

 

Wir bedanken uns bei Herrn Renz für das Interview.

 


 Im Rahmen der Interviewreihe “Vier Fragen an …” stellt der Milk the Sun Blog bis zur Bundestagswahl am 22.September 30 Tage lang führenden Köpfe aus Wirtschaft, Politik und Medien vier Fragen zu den Erwartungen an die Energiepolitik Deutschlands der zurückliegenden und kommenden Jahre. Bisher interviewten wir Sebastian Bolay (DIHK), Heiko Schwarzburger (Photovoltaik), Corinna Lang (CleanEnergy Project), Patrick Jüttemann (klein-windkraftanlagen.com), Christian Leers (PV-Experte), Robert Schwarz (BTO Management Consulting), Lothar Lochmaier (Freier Journalist), Michael Richter (Sonneninvest AG), Kilian Rüfer (SUSTAINMENT), Udo Schuldt (Blogger), Thorsten Zoerner (Solution Architect), Prof. Dr. Eicke Weber (Fraunhofer ISE), Falko Bozicevic (GoingPublic Magazin), Carsten Körnig (Solarwirtschaft e.V.), Denis-Mariel Kühn (EGBB), Doreen Brumme (Freie Journalistin)

Vier Fragen an … Doreen Brumme, Freie Journalistin

Doreen Brumme ist Politologin, freie Journalistin und Bloggerin. Sie studierte Politik, Journalistik, VWL und Arabische Soziologie an der Universität Hamburg. Neben ihrer Tätigkeit als freie Journalistin ist Doreen Brumme Chefredakteurin des kleinen Hamburger Verlages YaaCool und gründete das Verbraucherinformationsportal Beauty, Bio, Haustiere und Physio. Sie spricht sechs Sprachen, liest gerne englischsprachige Fantasy, ist Katzenbesitzerin und dreifache Mutter.

Doreen Brumme: "Ich glaube seit ich politisch denke, unsere Parteienpolitik geht am Gestalten einer lebensfähigen und lebenswerten Gesellschaft vorbei. Im Gegenteil: Das alltägliche Gezerre und Gezeter um die Energiewende, die wohlbemerkt keine Alternative zu fossiler Energiewirtschaft sondern die einzige Vernunftentscheidung ist, zeigt, wie schnell man hierzulande über Selbstbeschau, Selbstdarstellung und Auseinandersetzungen mit vermeintlichen Gegnern vergisst, was wirklich zählt."

Milk the Sun: Liebe Frau Brumme, die Liste derer, denen in den letzten Monaten und Jahren ein Ausbremsen der Energiewende vorgeworfen wurde, ist lang. Wie schätzen Sie die klimapolitischen Ergebnisse der letzten Legislaturperiode der schwarz-gelben Regierung ein, der nach Kanzlerin Merkel „erfolgreichsten Bundesregierung seit der Wiedervereinigung“?

Doreen Brumme: Ich weigere mich, die politischen Player nach Farbe und Parteiprogramm, nach Regierung und Opposition zu unterscheiden und ihr Tun und Lassen entsprechend gefärbt beziehungsweise getrennt voneinander zu beurteilen. Sie alle sind im Dienste der Wähler zum Regieren berufen, auch durch meine Wahlentscheidung. Und meine Stimme ist genau so viel Wert wie die eines jeden anderen Wählers.

Ich glaube seit ich politisch denke, unsere Parteienpolitik geht am Gestalten einer lebensfähigen und lebenswerten Gesellschaft vorbei. Im Gegenteil: Das alltägliche Gezerre und Gezeter um die Energiewende, die wohlbemerkt keine Alternative zu fossiler Energiewirtschaft sondern die einzige Vernunftentscheidung ist, zeigt, wie schnell man hierzulande über Selbstbeschau, Selbstdarstellung und Auseinandersetzungen mit vermeintlichen Gegnern vergisst, was wirklich zählt.

Insofern betrachte ich das, was in den vergangenen vier Jahren an Politik passierte, als das Ergebnis der Bemühungen aller am Entscheiden Beteiligten. Und das wiederum lässt mir nur zu wünschen übrig: Möge die Macht mit uns sein!

Mit uns, den Menschen, die die Volksvertreter mit einem Mandat beauftragen, Volkes Willen in die Tat umzusetzen. Mit uns, die zum Beispiel im Blog Ecoquent Positions die Energiewende erklären. Mit mir, die sie daheim selbst lebt und unseren Kindern vorlebt. Mit uns Verbrauchern, die die Kosten des Gezerres um Energiepolitik Tag für Tag zu tragen haben, während die Politik den Energieverbrauch großer Unternehmen großzügig subventioniert. Ganz nebenbei: Als Familie mit demnächst vier Kindern zähle ich uns übrigens auch zu den Großverbrauchern von Energie … die Nummer meines Subventionskontos lautet … (lacht).

Milk the Sun: Unabhängig davon welche Partei nach dem 22.September in den Bundestag einziehen wird und unabhängig von der dann herrschenden Koalition, kommen auf die neue Bundesregierung viele wichtige und prägende energiepolitischen Entscheidungen zu. Was erwarten Sie sich von der Bundesregierung nach den Wahlen?

Doreen Brumme: Meinen Kindern lebe ich vor, dass sie von der Welt, vom Leben, von ihren Eltern, Geschwistern und Freunden. Lehrern und Trainern stets das Höchste, das Beste, das Größte erwarten dürfen, denn ohne diese Einstellung verwehrte ich ihnen das Träumen. Und Träume sind Motivator für Entwicklung. Allerdings fange ich die Kinder auch stets auf, wenn ihre Erwartungen hier und da nicht in Erfüllung gehen und sie lernen müssen, wie bitter Enttäuschung schmeckt. Während bei den Kleinen die Welt nach einem heftigen Regen meist schnell wieder von der Sonne erhellt und erwärmt wird, müssen wir Erwachsenen unsere Erwartungen an der teils bitteren aber eben erfahrenen Realität messen – oftmals schrauben wir sie schon von vornherein zurück, schade drum! Ganz zu schweigen davon, dass wir unsere Enttäuschungen Großteils in Eigenregie zu verarbeiten haben.  Bezogen auf Ihre Frage heißt das: Egal, welch‘ bunte Mannschaft nach der Wahl am Hebel der Entscheidung sitzt, ich erwarte die Energiewende! Konsequent geplant, konsequent durchgeführt. Nicht mehr und nicht weniger. Das ist mein Traum – und den lasse ich mir nicht nehmen.

Ich erwarte Taten, die entsprechenden Worten folgen. Ich erwarte Glaubwürdigkeit und Authentizität, ich erwarte Offenheit und Vertrauen in mich, den energieverbrauchenden Wähler. Meinen Vertrauensvorschuss bin ich bereit zu liefern, das ist mein Wahlgeschenk am 22. September. Ich erwarte Probleme und Rückschläge bei der Verwirklichung der Energiewende, denn das ist menschlich. Dafür würde ich gerne Verständnis aufbringen, wenn man mich denn auch verstehen ließe, warum Entscheidungen gefällt wurden. Ich habe längst gewendet. Nun erwarte ich, dass die Volksvertreter nicht nur Bremsen – ein ganz natürlicher erster Schritt, um die Wende von fossiler Energiewirtschaft hin zu erneuerbarer zu vollführen – sondern auch bereit sind, auf Kohle, Atom , Erdöl und Erdgas zu verzichten, zu wenden und mit Wind im Rücken, Biomasse im Tank und der Sonne im Kollektor in Richtung Zukunft zu fahren.

Milk the Sun: Derzeit herrscht eine große Verunsicherung innerhalb der Bevölkerung, wenn es um das Thema Erneuerbare Energien und die damit zusammenhängende Energiewende geht. Der einzelne erstickt in einem Schwall an Pro-und-Anti-Propaganda, was letztendlich lediglich Verunsicherung und Verwirrung zur Folge hat. Es gibt nur wenige Stimmen die zur Ordnung rufen und die Diskussion auf eine sachliche und logische Ebene zurückführen wollen. Wie ist ihr Vorschlag für ein konstruktiveres Vorgehen in diesen Fragen?

Doreen Brumme: Der Rückzug auf parteipolitische, wirtschaftliche, kulturelle oder religiöse Standpunkte und das Argumentieren daher suggeriert dem Wähler, sprich: dem Energieverbraucher, es gäbe viele Wege zum Ziel oder gar verschiedene Ziele. Dem ist nicht so. Erneuerbare Energie in allen ihren bekannten und unbekannten Formen (die Forscher haben hier noch viel zu tun!) ist die Zukunft. Die eine.

Eine Zukunft, die wir schon sehen können. Damit wir sie auch erleben, müssen wir uns von althergebrachten Querelen befreien, über parteiliche, wirtschaftliche, kulturelle und religiöse Schemata hinweg. Die öko-korrekte Zukunft ist die einzige, die unser Planet hat. Das Streben danach sollte uns einen, nicht trennen. Nachhaltigkeit ist nicht eins der Standbeine der Gesellschaft, sondern die Basis, auf die wir bauen müssen. Wir brauchen Politik, Wirtschaft, Kultur und Religion, die darauf fußen. Kein oberflächliches Greenwashing. Deshalb mein Vorschlag: Lassen wir fossile Entscheidungsstrukturen hinter uns und wenden wir uns zielstrebig geeint der öko-korrekten Zukunft zu. Wenn alle mit anpacken, haben auch alle etwas davon.

Milk the Sun: Stéphane Hessel bezeichnete den Kampf für eine nachhaltige und feste Umweltpolitik als eine der Hauptaufgaben der Menschen im 21. Jahrhundert. Die Erkenntnisse der Wissenschaft und die Veränderungen des Klimas geben ihm Recht. Dennoch passiert verhältnismäßig wenig, obwohl es letztendlich um die Existenz der menschlichen Spezis geht. Wie ist ihr Standpunkt dazu, dass sich angesichts eines derart dringenden Themas noch immer in politischen und wirtschaftlichen Grabenkämpfen ergeben wird?

Doreen Brumme: Es ist traurig, zu sehen, wie viel Engagement, Emotionen und ganz klar: Kosten (teilweise finanziert vom Steuerzahler) Tag für Tag dafür verschwendet werden, Gräben auszuheben, zu befestigen, zu bemannen (selbstverständlich mit Mann und Frau) und zu verteidigen – um in Ihrem Bild zu bleiben. Aus der eigenen Vergangenheit und der unmittelbaren Gegenwart anderer Völker wissen wir leider, was nach einem Krieg bleibt: von Gräben zerfurchtes Land, von Gräben zerfurchte Seelen. Und auch das muss sich der Grabenkämpfer von mir fragen lassen: Was siehst Du eigentlich, wenn Du in Deinem Graben hockst und auf den Angriff Deines Gegners wartest? Wenn überhaupt, dann nur ein Stück des Himmels, nur einen Teil des Ganzen – oder?

Wer sich eingräbt, steckt fest, ich würde sogar sagen: mit dem Kopf im Sand … Er hat sich selbst eine Grube gegraben und ist auch noch freiwillig hineingesprungen. Das tut weh! Er verwehrt sich Bewegungsfreiheit und Entscheidungsfähigkeit.

Die Energiewende erfordert Bewegung. Sie ist eine Entscheidung jedes Einzelnen.

Und bitte: Es ist keine Schande, gestrige Entscheidungen als gestrig zu bewerten und neue Erkenntnisse in neue Entscheidungen einzubeziehen. Das ist ein Must-do unserer Zeit! Wer das nicht will, ist von gestern … und nicht von heute und morgen. Schon gar nicht ist er erneuerbar!

 

Wir bedanken uns bei Frau Brumme für das Interview.

 


Im Rahmen der Interviewreihe “Vier Fragen an …” stellt der Milk the Sun Blog bis zur Bundestagswahl am 22.September 30 Tage lang führenden Köpfe aus Wirtschaft, Politik und Medien vier Fragen zu den Erwartungen an die Energiepolitik Deutschlands der zurückliegenden und kommenden Jahre. Bisher interviewten wir Sebastian Bolay (DIHK), Heiko Schwarzburger (Photovoltaik), Corinna Lang (CleanEnergy Project), Patrick Jüttemann (klein-windkraftanlagen.com), Christian Leers (PV-Experte), Robert Schwarz (BTO Management Consulting), Lothar Lochmaier (Freier Journalist), Michael Richter (Sonneninvest AG), Kilian Rüfer (SUSTAINMENT), Udo Schuldt (Blogger), Thorsten Zoerner (Solution Architect), Prof. Dr. Eicke Weber (Fraunhofer ISE), Falko Bozicevic (GoingPublic Magazin), Carsten Körnig (Solarwirtschaft e.V.), Denis-Mariel Kühn (EGBB)

 

Vier Fragen an … Denis-Mariel Kühn, Aufsichtsratsvorsitzender der Energiegenossenschaft Berlin-Brandenburg eG (EGBB)

Denis-Mariel Kühn ist der Aufsichtsratsvorsitzende der Energiegenossenschaft Berlin-Brandenburg eG (EGBB). Der diplomierte Kaufmann studierte an der Technischen Universität Dortmund. Er kann auf langjährige Erfahrungen im Bereich der Erneuerbaren Energien zurück blicken. Derzeit arbeitet er als Geschäftsführer bei der Green Energy World GmbH. Die EGBB hat das Ziel, eine dezentrale und bürgereigene Energieversorgung zu fördern. Die Energiegenossenschaft entstand aus einer Initiative der Berliner Unternehmensgruppe Corporate Energies Ende des Jahres 2012.

Denis-Mariel Kühn: "Die große Verunsicherung innerhalb der Bevölkerung wird vor allem durch Politiker geschürt, die im Wahlkampf um Stimmen kämpfen und durch die Medien, welche zum Teil in recht populistischer Manier das Thema Erneuerbare Energien aufgreifen. "

Milk the Sun: Lieber Herr Kühn, die Liste derer, denen in den letzten Monaten und Jahren ein Ausbremsen der Energiewende vorgeworfen wurde, ist lang. Wie schätzen Sie die klimapolitischen Ergebnisse der letzten Legislaturperiode der schwarz-gelben Regierung ein, der nach Kanzlerin Merkel „erfolgreichsten Bundesregierung seit der Wiedervereinigung“?

Denis Kühn: Insgesamt können wir in Deutschland mit Stolz auf eine sehr positive Entwicklung der Erneuerbaren Energien in Deutschland  schauen, welche immer noch beispielhaft ist weltweit. Ein Erfolgsfaktor war und ist sicherlich das EEG und eine weitestgehende Stabilität der langfristigen wirtschaftspolitischen Faktoren in diesem Zusammenhang. Was die schwarz-gelbe Regierung betrifft, gibt es einiges an negativen und fragwürdigen Ereignissen in dieser Zeit, welche das Interesse dieser Koalition an der Energiewende in Frage stellen. Letztlich war es genau diese Regierung, die Ende 2010 entgegen des vertraglichen Atomkonsens zum festgelegten Atomausstieg eine Laufzeitverlängerung in Abstimmung mit den Atomenergiekonzernen beschloss und diese Verlängerung nur auf Druck der Öffentlichkeit nach dem Atom-Unglück von Fukushima zurücknahm.

Die aktuelle Diskussion um die EEG-Umlage und steigende Strompreise ist auch auf die schwarz-gelbe Koalition zurückzuführen. Sie war es, die auf Wunsch der Energiewirtschaft in 2010 den Verkauf des EEG-Stroms über die Börse einführte.  Nun stehen wir vor der Situation, dass wir in einem Umverteilungsdilemma stehen. Großabnehmer von Strom und die Industrie zahlen immer weniger für ihren Strom, werden EEG-Umlage befreit, während die steigenden Umlagekosten aufgrund fallender Strombörsepreise durch den privaten Endkunden zu zahlen sind. Anfang dieses Jahres – im Wahljahr – hat die Regierungskoalition wieder massiv versucht gegen die Energiewende zu mobilisieren und das EEG durch Beschlüsse auszuhebeln, was später an den Bundesländern scheiterte. Insbesondere die öffentliche Art und Weise der Auseinandersetzung mit dem Thema durch die Regierung  war nachhaltig nicht positiv für die Erneuerbaren Energien. Hier muss sich der Umweltminister auch selber die Frage stellen, welche Interessen er in seinem Amt mit seinen Handlungen vertritt und tatsächlich zu vertreten hätte. Aktuell vertritt die FDP sogar den Standpunkt einer Aussetzung des EEG. Insgesamt fällt mein Fazit daher sehr durchwachsen aus.

Milk the Sun: Unabhängig davon welche Partei nach dem 22.September in den Bundestag einziehen wird und unabhängig von der dann herrschenden Koalition, kommen auf die neue Bundesregierung viele wichtige und prägende energiepolitischen Entscheidungen zu. Was erwarten Sie sich von der Bundesregierung nach den Wahlen?

Denis Kühn: Ganz wichtig wird sein, dass die Bundesregierung keinen „Schnellschuß“ landet. Das Thema EEG Umlage und steigende Stromkosten für Private Haushalte müssen angegangen werden. Insbesondere, um das insgesamt noch positive öffentliche Meinungsbild zur Energiewende nicht weiter zu belasten. Ich denke aber, dass die Lösung in diesem Zusammenhang primär in der konzeptionellen Korrektur der EEG-Umlage und deren Umverteiligungsmechanismus liegt und weniger im Grundsatz des EEG. Das EEG ist der Grundpfeiler zur Erreichung der angestrebten Energiewende hin zu einer sauberen Energieversorgung.

Milk the Sun: Derzeit herrscht eine große Verunsicherung innerhalb der Bevölkerung, wenn es um das Thema Erneuerbare Energien und die damit zusammenhängende Energiewende geht. Der einzelne erstickt in einem Schwall an Pro-und-Anti-Propaganda, was letztendlich lediglich Verunsicherung und Verwirrung zur Folge hat. Es gibt nur wenige Stimmen die zur Ordnung rufen und die Diskussion auf eine sachliche und logische Ebene zurückführen wollen. Wie ist ihr Vorschlag für ein konstruktiveres Vorgehen in diesen Fragen?

Denis Kühn: Wie schon gesagt, wird es Korrekturen geben müssen. Darin sind sich meines Erachtens alle Akteure einig.  Die große Verunsicherung innerhalb der Bevölkerung, von der Sie sprechen, wird vor allem durch Politiker geschürt, die im Wahlkampf um Stimmen kämpfen und durch die Medien, welche zum Teil in recht populistischer Manier das Thema Erneuerbare Energien aufgreifen. Insgesamt würde auch ich mir eine sachlichere, objektive und nicht einseitige Betrachtung in der Strompreisdebatte wünschen. Zu selten wird auf die tatsächlichen Kosten und Subventionen der Atom- und fossilen Energieträger eingegangen. Auf der anderen Seite gibt es aber einen sehr positiven Trend, dass sich Bürger immer stärker privat in die Erneuerbare Energien-Thematik einbringen, sei es durch die Errichtung eigener kleiner Energieanlagen oder das aktive Engagement in Energiegenossenschaften.

Milk the Sun: Stéphane Hessel bezeichnete den Kampf für eine nachhaltige und feste Umweltpolitik als eine der Hauptaufgaben der Menschen im 21. Jahrhundert. Die Erkenntnisse der Wissenschaft und die Veränderungen des Klimas geben ihm Recht. Dennoch passiert verhältnismäßig wenig, obwohl es letztendlich um die Existenz der menschlichen Spezis geht. Wie ist ihr Standpunkt dazu, dass sich angesichts eines derart dringenden Themas noch immer in politischen und wirtschaftlichen Grabenkämpfen ergeben wird?

Denis Kühn: Die Kräfte, welche gegen eine nachhaltige und feste Umweltpolitik mit einem grünen Energiekonzept agieren, entspringen in der Regel bestehenden Machverhältnissen. Die großen Energieversorger haben bis zum stetigen Ausbau der Erneuerbaren Energien, den Markt ohne Wettbewerb beherrscht. Ihre Position und die Nutzung ihrer fossilen und atomaren (enorm renditestarken) Energieanlagen versuchen sie mit aller Macht zu verteidigen. Auch Konzerne aus der Industrie haben häufig ein eher schwach ausgeprägtes Umweltbewusstsein. Diese Unternehmen zeichnet alle aus, dass sie finanziell sehr stark und einflussreich sind. Ihre Lobbyarbeit in Berlin wirkt hier sehr bewusst auf Politiker und Entscheidungsträger – so mein Empfinden. Deshalb ist es umso wichtiger, dass wir in möglich vielen Bereichen unserer Gesellschaft – wie der Energieversorgung – dezentrale Strukturen schaffen. Und wenn möglichst viele Bürger unmittelbar einbezogen sind, dann dürften wir es schaffen, dass zukünftig weg von den Grabenkämpfen hin zur Erreichung der geplanten Umweltziele erfolgreich gearbeitet wird.

 

Wir bedanken uns bei Herrn Kühn für das Interview.

 


 Im Rahmen der Interviewreihe “Vier Fragen an …” stellt der Milk the Sun Blog bis zur Bundestagswahl am 22.September 30 Tage lang führenden Köpfe aus Wirtschaft, Politik und Medien vier Fragen zu den Erwartungen an die Energiepolitik Deutschlands der zurückliegenden und kommenden Jahre. Bisher interviewten wir Sebastian Bolay (DIHK), Heiko Schwarzburger (Photovoltaik), Corinna Lang (CleanEnergy Project), Patrick Jüttemann (klein-windkraftanlagen.com), Christian Leers (PV-Experte), Robert Schwarz (BTO Management Consulting), Lothar Lochmaier (Freier Journalist), Michael Richter (Sonneninvest AG), Kilian Rüfer (SUSTAINMENT), Udo Schuldt (Blogger), Thorsten Zoerner (Solution Architect), Prof. Dr. Eicke Weber (Fraunhofer ISE), Falko Bozicevic (GoingPublic Magazin), Carsten Körnig (Solarwirtschaft e.V.)

Vier Fragen an … Carsten Körnig, Hauptgeschäftsführer des Bundesverband Solarwirtschaft e.V. (BSW-Solar)

Carsten Körnig ist der Hauptgeschäftsführer des Bundesverband Solarwirtschaft e.V.. Herr Körnig war der maßgeblich verantwortliche Begründer der bereits 1997 entstandenen Unternehmensvereinigung Solarwirtschaft e.V.. Der BSW Solar sieht sich als Treiber der Energiewende und operiert als Verband an den Schnittstellen zwischen Politik, Wirtschaft und Verbrauchern als Informant und Berater. Er vertritt die Interessen von über 800 Solarunternehmen aus der deutschen Solarbranche.

Carsten Körnig: "Es geht darum, den strommarkt der alten Energiewelt auf die neue Energiewelt mit Sonne- und Windenergie als zentrale Säulen umzubauen. Hier brauchen wir keine Schnellschüsse, sondern durchdachte und dauerhaft tragfähige Lösungen mit fairen Spielregeln, die nicht nur die Interessen der Energiekonzerne im Blick haben."

Milk the Sun: Lieber Herr Körnig, die Liste derer, denen in den letzten Monaten und Jahren ein Ausbremsen der Energiewende vorgeworfen wurde, ist lang. Wie schätzen Sie die klimapolitischen Ergebnisse der letzten Legislaturperiode der schwarz-gelben Regierung ein, der nach Kanzlerin Merkel „erfolgreichsten Bundesregierung seit der Wiedervereinigung“?

Carsten Körnig: Die Regierung war ursprünglich angetreten, um die Laufzeit der Kernkraftwerke zu verlängern. Dieses Ziel wurde nach Fukushima schnell einkassiert – ein klarer Pluspunkt. Danach ist leider nicht die erforderliche Dynamik für den Umbau unserer Energieversorgung entstanden.  An zu vielen Stellen lief es nicht gut oder sogar gar nicht. Bundesumweltministerium und Bundeswirtschaftministerium blockierten sich gegenseitig, zum Beispiel beim Handel von Verschmutzungsrechten. Ein höherer Preis der CO2-Zertifikate würde viele unserer heutigen Probleme mildern. Besonders gelitten hat die Photovoltaik-Branche: Zu viele und unnötige EEG-Novellen haben den Markt zuerst stark verunsichert und ungewünschte Vorzieheffekte ausgelöst. Jetzt leiden wir unter der faktischen Ausbaubremse. Dabei fallen die Kosten für neu installierte Solarstromanlagen kaum noch ins Gewicht!

 Milk the Sun: Unabhängig davon welche Partei nach dem 22.September in den Bundestag einziehen wird und unabhängig von der dann herrschenden Koalition, kommen auf die neue Bundesregierung viele wichtige und prägende energiepolitischen Entscheidungen zu. Was erwarten Sie sich von der Bundesregierung nach den Wahlen?

Carsten Körnig: Die neue Bundesregierung ist gefordert, unmittelbar nach der Wahl die Rahmenbedingungen für Solarenergie nach zu justieren, damit der Ausbau nicht zum Erliegen kommt. Gemeinsames Ziel muss dabei sein, die Abhängigkeit von der Förderung weiter zu reduzieren, aber bitte mit mehr Augenmaß! Erleichtert werden müssen solare Nahstromkonzepte für Bürgerenergiegenossenschaften, Gewerbebetriebe und die Wohnungswirtschaft. Drittens geht es darum, den Strommarkt der alten Energiewelt auf die neue Energiewelt mit Sonne- und Windenergie als zentrale Säulen umzubauen. Hier brauchen wir keine Schnellschüsse, sondern durchdachte und dauerhaft tragfähige Lösungen mit fairen Spielregeln, die nicht nur die Interessen der Energiekonzernen im Blick haben.

Milk the Sun: Derzeit herrscht eine große Verunsicherung innerhalb der Bevölkerung, wenn es um das Thema Erneuerbare Energien und die damit zusammenhängende Energiewende geht. Der einzelne erstickt in einem Schwall an Pro-und-Anti-Propaganda, was letztendlich lediglich Verunsicherung und Verwirrung zur Folge hat. Es gibt nur wenige Stimmen die zur Ordnung rufen und die Diskussion auf eine sachliche und logische Ebene zurückführen wollen. Wie ist Ihr Vorschlag für ein konstruktiveres Vorgehen in diesen Fragen?

Carsten Körnig: Die verzerrte Kostendiskussion war zu erwarten, schließlich geht es um den fundamentalen Umsturz in der Energiewirtschaft. Es wird suggeriert, an den Kosten für Strom entscheide sich die Gerechtigkeit der Gesellschaft, der Blackout drohe und die Industrie wandere ab. Die Stromkosten-Debatte wird so erhitzt geführt, weil die Erneuerbaren Energien die Verhältnisse in der Energiewelt umdrehen. Die Energiekonzerne werden aus der warmen Ecke des Quasimonopols vertrieben. Bürger, Genossenschaften und Stadtwerke gewinnen an Einfluss. Wir brauchen eine ehrliche und sachliche Debatte. Fakt ist: Wir müssen ohnehin in das Energiesystem investieren, weil unsere Stromleitungen alt, viele Kraftwerke veraltet sind. Aber wir können entscheiden, in welche Energieversorgung wir investieren. Und eine überwältigende Mehrheit möchte Erneuerbare Energien! Es ist an der Politik, die konstruktiven Kräfte einzubinden und Bremser auszubremsen. Die Energiewende hat Transparenz und den Willen zum Erfolg verdient.

Milk the Sun: Stéphane Hessel bezeichnete den Kampf für eine nachhaltige und feste Umweltpolitik als eine der Hauptaufgaben der Menschen im 21. Jahrhundert. Die Erkenntnisse der Wissenschaft und die Veränderungen des Klimas geben ihm Recht. Dennoch passiert verhältnismäßig wenig, obwohl es letztendlich um die Existenz der menschlichen Spezis geht. Wie ist Ihr Standpunkt dazu, dass sich angesichts eines derart dringenden Themas noch immer in politischen und wirtschaftlichen Grabenkämpfen ergeben wird?

Carsten Körnig: Bei langfristig wirksamen Problemen ist die Weitsicht der Menschen angesichts kurzfristiger Interessen wie Quartalsgewinne und Dividenden leider nicht sehr stark ausgeprägt. Das haben wir bei der Finanzkrise erlebt und wenn wir nicht aufpassen, wiederholt sich das beim Klimawandel. Wir sehen aber, dass sich etwas bewegt. Es sind die Mütter und Väter, es sind die Großeltern, die ihren Kindern und Enkeln einen Planeten hinterlassen wollen, auf dem auch sie leben können. Deswegen nehmen immer Menschen die Sache selbst in die Hand und investieren in Erneuerbare Energien: Ein Viertel des Stroms in Deutschland wird bereits klimaschonend, sicher und überwiegend in Bürgerhand erzeugt. Das gibt uns Hoffnung! Die Photovoltaik hat weltweit eine Bewegung ausgelöst, die nicht mehr zu stoppen ist. Klar ist aber auch, dass wir keine Zeit mehr verlieren dürfen. Je mehr Menschen mitmachen, desto schneller werden wir unser Ziel erreichen.

 

 

Wir bedanken uns bei Herrn Körnig für das Interview.

 


 Im Rahmen der Interviewreihe “Vier Fragen an …” stellt der Milk the Sun Blog bis zur Bundestagswahl am 22.September 30 Tage lang führenden Köpfe aus Wirtschaft, Politik und Medien vier Fragen zu den Erwartungen an die Energiepolitik Deutschlands der zurückliegenden und kommenden Jahre. Bisher interviewten wir Sebastian Bolay (DIHK), Heiko Schwarzburger (Photovoltaik), Corinna Lang (CleanEnergy Project), Patrick Jüttemann (klein-windkraftanlagen.com), Christian Leers (PV-Experte), Robert Schwarz (BTO Management Consulting), Lothar Lochmaier (Freier Journalist), Michael Richter (Sonneninvest AG), Kilian Rüfer (SUSTAINMENT), Udo Schuldt (Blogger), Thorsten Zoerner (Solution Architect), Prof. Dr. Eicke Weber (Fraunhofer ISE), Falko Bozicevic (GoingPublic Magazin)

 

Vier Fragen an … Falko Bozicevic, Chefredakteur von GoingPublic Magazin

Falko Bozicevic ist seit Herbst 2006 Chefredakteur der Monatszeitschrift „GoingPublic Magazin“. Herr Bozicevic wurde 1969 geboren und studierte Mathematik und Wirtschaftsmathematik. Seit 2000 ist Falko Bozicevic bei GoingPublic Media AG angestellt. Nachdem Herr Bozicevic an dem Aufbau des Onlineauftritts von GoingPublic beteiligt war, begleitete er drei Jahre das Magazin Smart Investor als stellvertretender Chefredakteur.

Falko Bouicevic: "Die Energiewende – als Schlagwort frei erfunden und bis dato enttäuschend bedeutungslos geblieben – stand unter Schwarz-Gelb nur jeweils genau dann auf der Agenda, wenn es kurzfristig um Wählerstimmen ging, um langfristigen Machterhalt zu sichern."

Milk the Sun: Lieber Herr Bozicevic, die Liste derer, denen in den letzten Monaten und Jahren ein Ausbremsen der Energiewende vorgeworfen wurde, ist lang. Wie schätzen Sie die klimapolitischen Ergebnisse der letzten Legislaturperiode der schwarz-gelben Regierung ein, der nach Kanzlerin Merkel „erfolgreichsten Bundesregierung seit der Wiedervereinigung“?

Falko Bozicevic: Diese Selbsteinschätzung dürfte auf dem Scheiterhaufen der Geschichte landen. In die Regierung Merkel fällt energiepolitisch nicht zuletzt der undurchdachte und populistische Wiederausstieg aus dem Ex-Atom-Ausstieg. Die Energiewende – als Schlagwort frei erfunden und bis dato enttäuschend bedeutungslos geblieben – stand unter Schwarz-Gelb nur jeweils genau dann auf der Agenda, wenn es kurzfristig um Wählerstimmen ging, um langfristigen Machterhalt zu sichern. Und guter Wille in der Bevölkerung hin oder her: Die Politik ist sich sehr wohl des Umstands bewusst, dass der Einzelne nur soweit mitzumachen bereit ist, wie sein eigenes Portemonnaie nicht angegriffen wird. Überall wo das der Fall ist, schmelzen großspurige Ankündigungen schneller als Schnee in der Frühlingssonne dahin.

Milk the Sun: Unabhängig davon welche Partei nach dem 22.September in den Bundestag einziehen wird und unabhängig von der dann herrschenden Koalition, kommen auf die neue Bundesregierung viele wichtige und prägende energiepolitischen Entscheidungen zu. Was erwarten Sie sich von der Bundesregierung nach den Wahlen?

Falko Bozicevic: Zunächst einmal steht zu befürchten, dass es bei Schwarz-Gelb bleibt nach derzeitigem Stand. Nur noch schlechter als das Bestehende wäre eine erneute Große Koalition, in der sich wie von 2005-09 jeder auf Kosten des Anderen zu profilieren versucht und das wiederum in Abwesenheit einer Opposition. Der Best Case wäre also bereits der Status-quo. Insofern bestenfalls keine weitere Verschlechterung. Rot-Grün hatte energiepolitisch schon die richtigen Ideen, konnte und kann aber auch nicht zaubern. Schwarz-Grün wäre eine Alternative, die auf Bundesebene womöglich einen neuen Impuls bringen könnte – ohne Gewähr natürlich.

Milk the Sun: Derzeit herrscht eine große Verunsicherung innerhalb der Bevölkerung, wenn es um das Thema Erneuerbare Energien und die damit zusammenhängende Energiewende geht. Der einzelne erstickt in einem Schwall an Pro-und-Anti-Propaganda, was letztendlich lediglich Verunsicherung und Verwirrung zur Folge hat. Es gibt nur wenige Stimmen die zur Ordnung rufen und die Diskussion auf eine sachliche und logische Ebene zurückführen wollen. Wie ist ihr Vorschlag für ein konstruktiveres Vorgehen in diesen Fragen?

Falko Bozicevic: Ganz klar dürfte man hier denjenigen, die nur für die nächste Legislaturperiode gewählt werden, nicht eine Aufgabe und ihre Deutungshoheit anvertrauen, die die Menschheit im gesamten 21. Jahrhundert maßgeblich beschäftigen wird. Unabhängige, d.h. nicht um Wählergunst haschende Fachleute sollten hier verstärkt eingebunden werden wie Investoren, die die „Energiewende“ zu einem Teil mitfinanzieren sollen. Wenn ich etwas kritisiere, dann den Umstand, dass unsere gewählten Vertreter zu wenig auf unabhängige Fachleute hören bzw. hören möchten. Das betrifft freilich nicht nur die Energiewende.

Milk the Sun: Stéphane Hessel bezeichnete den Kampf für eine nachhaltige und feste Umweltpolitik als eine der Hauptaufgaben der Menschen im 21. Jahrhundert. Die Erkenntnisse der Wissenschaft und die Veränderungen des Klimas geben ihm Recht. Dennoch passiert verhältnismäßig wenig, obwohl es letztendlich um die Existenz der menschlichen Spezis geht. Wie ist ihr Standpunkt dazu, dass sich angesichts eines derart dringenden Themas noch immer in politischen und wirtschaftlichen Grabenkämpfen ergeben wird?

Falko Bozicevic: Ich möchte Folgendes vorausschicken: Neue Technologien werden kurzfristig stets überschätzt, aber langfristig unterschätzt. Klimapolitisch sind wir also gerade dabei, die Weichen für das 21. Jahrhundert zu stellen. Und niemand weiß heute, ob sich das Gleis später nochmals wechseln lässt oder nicht. Dass in einer Demokratie vieles zu kurzfristig und damit kurzsichtig ausgelegt ist, gehört leider zu ihrem Wesen. Zuzüglich der Lobbyisten. Wir wünschen uns vielleicht nicht das chinesische Modell, aber ein Planungshorizont von 15 Jahren oder mehr sollte man einer Bundesregierung durchaus ebenfalls zutrauen dürfen – und falls nicht, bedarf es einer Institution, die das kann. Womöglich eine Art Ausschuss nationalen Interesses bei übergeordneten sehr langfristigen Angelegenheiten wie „Energiewende“ oder „Demographische Herausforderung“. So wurde das EEG zwar zum Exportmodell, das ist die gute Nachricht. Die jeweils populistisch geprägten turnusmäßigen Flickschustereien daran gehören zu ihren Schattenseiten. In anderen Ländern genauso. Wichtige Themen wie die zuvor genannten dürfen jedenfalls nicht alle paar Monate zur Wahl stehen – das ist völlig kontraproduktiv und verschwendet viel Zeit, Ressourcen und Nerven.

 

Wir bedanken uns bei Herrn Bozicevic für das Interview.

 


Im Rahmen der Interviewreihe “Vier Fragen an …” stellt der Milk the Sun Blog bis zur Bundestagswahl am 22.September 30 Tage lang führenden Köpfe aus Wirtschaft, Politik und Medien vier Fragen zu den Erwartungen an die Energiepolitik Deutschlands der zurückliegenden und kommenden Jahre. Bisher interviewten wir Sebastian Bolay (DIHK), Heiko Schwarzburger (Photovoltaik), Corinna Lang (CleanEnergy Project), Patrick Jüttemann (klein-windkraftanlagen.com), Christian Leers (PV-Experte), Robert Schwarz (BTO Management Consulting), Lothar Lochmaier (Freier Journalist), Michael Richter (Sonneninvest AG), Kilian Rüfer (SUSTAINMENT), Udo Schuldt (Blogger), Thorsten Zoerner (Solution Architect), Prof. Dr. Eicke Weber (Fraunhofer ISE)

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