Hans-Josef Fell im Interview: „Ich habe meine Grünen Freunde nicht verstanden, dass sie die Chance zu einer schwarz-grünen Koalition ausgeschlagen haben.“

Hans-Josef Fell war von 2002 bis 2013 Sprecher der Bundestagsfraktion von Bündnis‘90/Die Grünen für Energiepolitik im Bundestag. Herr Fell hat die Entwicklung des EEG entscheidend geprägt und spricht im Interview mit dem Milk the Sun Blog über seine Pläne nach dem Ausscheiden aus der aktiven Bundespolitik. Herr Fell äußert sich zu der nicht zustande gekommenen schwarz-grünen Koalition und erläutert die Chancen, die Erneuerbare Energien für die Entwicklungspolitik bieten.

Hans-Josef Fell: "Jetzt hätte es einen grünen Umweltminister gebraucht, damit der schnelle Ausbau der Erneuerbaren Energien unumkehrbar wird und nicht unter dem Diktat sozialdemokratischer Kohlewünsche oder konservativer Konzerninteressen zerrieben wird."

Milk the Sun: Lieber Herr Fell, wie fühlen Sie sich, nachdem Sie nun kein Mitglied des Bundestages mehr sind? Vermissen Sie es schon?

Hans-Josef Fell: Es fällt mir nicht leicht, den Mandatsverlust zu verkraften.  Zu viel habe ich mit großem Einsatz dort gearbeitet, als dass ich das einfach so loslassen könnte. Natürlich vermisse ich jetzt die aktive politische Arbeit, auch aus der Opposition heraus, die Regierungsbildung zu begleiten.

Milk the Sun: Fiel Ihnen der Abschied schwer?

Hans-Josef Fell: Wenn man 15 Jahre voll aktiv im Bundestag gearbeitet hat, fällt ein Abschied schon schwer.

Milk the Sun: Sie waren immer sehr engagiert für den Umweltschutz und die Energiewende. Wird ihre weitere Arbeit auch mit diesen Feldern zu tun haben? Haben Sie schon neue Pläne und können Sie schon Details verraten?

Hans-Josef Fell: Details kann ich noch nicht verraten. Aber ich werde weiterhin versuchen, die energiepolitische Diskussion zu beeinflussen. Zudem will ich weiter die Botschaften über Erneuerbaren Energien weltweit verbreiten. Deshalb habe ich gerne die Aufgabe eines Botschafters für die globale Kampagne „100% Erneuerbaren Energien“ übernommen, den mir  die erst jüngst u.a. auch von mir ins Leben gerufene Kampagne „Go 100% Renewables“ verliehen hat. Zudem werde ich daran arbeiten, dass unternehmerische Investitionen in Erneuerbare Energien versorgungssicher, rund um die Uhr und aber billiger als konventionelle Energien werden.

Milk the Sun: Zu den Ergebnissen der Bundestagswahl: Glauben sie es war richtig, dass die Grünen eine Koalition mit der Union am Ende doch vorerst ausgeschlossen haben? Oder anders gefragt: Glauben sie, eine Große Koalition wird der Bundesrepublik gut tun?

Hans-Josef Fell: Die große Koalition wird Stillstand in der Beantwortung der großen gesellschaftlichen Fragen, vor allem in der Ökologie, sein. Ich habe meine Grünen Freunde nicht verstanden, dass sie  die Chance zu einer schwarz-grünen Koalition ausgeschlagen haben. Jetzt hätte es einen grünen Umweltminister gebraucht, damit der schnelle Ausbau der Erneuerbaren Energien unumkehrbar wird und nicht unter dem Diktat sozialdemokratischer Kohlewünsche oder konservativer Konzerninteressen zerrieben wird.

Milk the Sun: Einige Stimme betonen immer wieder, dass die Unterschiede zwischen CDU/CSU und Bündnis‘90/Die Grünen lange nicht mehr so tiefgreifend sind, wie noch in den Neunzigern. 2013 hat Schwarz-Grün dann doch nicht geklappt. Halten Sie eine solche Koalition denn 2017 für realistisch?

Hans-Josef Fell: Da kann man nur spekulieren. Zunächst müssen die Grünen selbst verlorengegangenes Wählervertrauen zurückgewinnen, welches verloren wurde, weil eben nicht Ökologie und Energiewende im Zentrum der Wahlkampfstrategie standen.

Milk the Sun: Was sollte die zukünftige Bundesregierung unternehmen um den Erfolg der Energiewende sicher zu stellen und im besten Falle schneller voranzutreiben?

Hans-Josef Fell: Zunächst muss sie einen schnelleren Ausbau der Erneuerbaren Energien überhaupt wollen. Alle Signale aus Union und SPD zeigen hier etwas anderes auf. Im Mittelpunkt der schwarz roten energiepolitischen Diskussion stehen die angeblich zu hohen Kosten und die angeblichen Probleme der Netzintegration, sowie das Schüren der Furcht vor einem Blackout. Von Klimaschutz, Ablösung von den immer teurer werdenden Rohstoffpreisen, von Innovationsentwicklung oder davon das an die Chinesen verlorene Terrain in der Solarindustrie wieder zurückzuholen, höre ich leider gar nichts. Wer diese Themen nicht in den Mittelpunkt stellt, wird dazu auch keine Lösungen finden.

Milk the Sun: In Großbritannien wurden erst kürzlich große Fördergelder für ein neues AKW bewilligt. Auch Frankreich baut neue Reaktoren. Sagt die EU der Energiewende adieu?

Hans-Josef Fell: Die EU hat noch nie eine Energiewende beschlossen – übrigens ein großer Fehler auch von schwarz-gelb, die nie versucht hatten den deutschen Atomausstieg auf EU-Ebene zu hieven, obwohl deutsche Staatsbürger ja auch von französischen, schweizer, belgischen oder tschechischen Reaktoren bedroht sind.  Die neuen Reaktoren in England werden ein ebensolches Finanzdesaster, wie der neue französische Reaktor in Flamanville. Es ist zu vermuten, dass sie nie ans Netz gehen werden, denn auch die französischen  und britischen Stromkunden sehen ja die sinkenden Industriestrompreise in Deutschland. Sie sind heute wegen Wind- und Solarstrom in Deutschland ja schon billiger als in Frankreich.

Milk the Sun: Wie schätzen Sie die globale Lage für den Klimaschutz und die Erneuerbaren Energien ein?

Hans-Josef Fell: Aktuell ist die globale Lage im Klimaschutz verheerend, die CO2 Emissionen sind auf Rekordniveau und die Welt rennt weiter der fata morgana eines weltweiten Klimaschutzabkommens hinter her. Dennoch gibt es Hoffnung: Der weltweite Siegeszug der emissionsfreien Erneuerbaren Energien beschleunigt sich gerade in Japan, China, USA, Afrika, obwohl er in Europa von politischer Seite her massiv unter Druck gesetzt wird, weshalb die EU längst von Fernost überholt wurde.  Da die Ausweitung der Märkte für Erneuerbare Energien immer auch mit einer Kostensenkung verbunden ist, werden wir sehen, dass sich der Klimaschutz in der Welt bald durchsetzen wird, einfach weil die Energiekunden billige Energien wollen und nicht mehr den Preisdiktaten der Öl-, Erdgas-, Kohle- und Atommultis ausgeliefert sein wollen.

Milk the Sun: Können Erneuerbare Energien überhaupt ein relevantes Thema für ein Entwicklungsland sein?

Hans-Josef Fell: Viele Entwicklungs- und Schwellenländer haben größte Probleme, die im letzten Jahrzehnt stark gestiegenen Kosten der konventionellen Energien überhaupt noch zu zahlen. Viele Menschen dort können sich längst keinen Strom aus Dieselgeneratoren mehr leisten, weil der Ölpreis zu hoch ist. Das erklärt doch alleine, warum gerade in Afrika die Nachfrage nach Erneuerbaren Energien ständig steigt. In einigen Ländern ist das gerade zu einer starken politischen Aktion geworden, so hat aktuell Marokko mit Hilfe von Desertec große Investitionen in Wind und Sonne getätigt. Unterstützung können Industrienationen geben, wie in Uganda schon verwirklicht, mit einem sogenannten „Get Fit“, einem über Entwicklungszusammenarbeit teilweise  finanzierten EEG.

Milk the Sun: Wie kann man als ein Bewohner eines Landes, das von der Rücksichtslosigkeit der Industrialisierung und Kolonialisierung bis in die heutige Zeit profitiert, den Bewohnern eines aufstrebenden Landes stichhaltig erklären, warum sie nicht die gleichen Industrialisierungsstadien durchlaufen sollten, wie die anderen Industrieländer? Sprich: Warum sollten sich junge Industrie- und Schwellenländer um den Umweltschutz und die Erneuerbaren Energien scheren, wenn es die alten Länder nicht tun?

Hans-Josef Fell: Wir aus den reichen Industrienationen können das gar nicht erklären, denn zu Recht kritisieren uns die Länder des Südens für die Sünden der Vergangenheit. Wir können nur mit besserem Beispiel vorangehen und beim Know How Transfer und der Finanzierung helfen.

Milk the Sun: Welche Chancen bieten sich Entwicklungsländern, insbesondere im Hinblick auf die Verwendung von Erneuerbaren Energien?

Hans-Josef Fell: Nur Erneuerbaren Energien können im Energiesektor einen wesentlichen Beitrag zur Entwicklung schaffen. Konventionelle können das überhaupt nicht mehr, da sie in der Vergangenheit nur zur Ausbeutung führten und heute schlicht zu teuer sind.

Milk the Sun: Was würden Sie den Lesern unseres Blogs noch mit auf den Weg geben wollen?

Hans-Josef Fell: Nicht nur auf Politik zu warten, wenn es um Klimaschutz und Erneuerbaren Energien geht, sondern aktiv Zug um Zug das eigene Lebensumfeld auf 100% Erneuerbaren Energien umzustellen.

 

Wir bedanken uns bei Herrn Fell für das Interview

 

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