Energiewende in Deutschland: Vorreiter und Problemkind

Energiewende in Deutschland: Vorreiter und Problemkind

Deutschland sieht sich gerne als Vorreiter der Energiewende. Innerpolitisch passieren aber viele Dinge, die die Energiewende ins Stocken geraten lassen. Andere Länder holen auf – oder überholen sogar. Wie schneidet Deutschland im internationalen Vergleich wirklich ab?

 

Energiewende und Deutschland: Zwei Begriffe, die nicht mehr von einander wegzudenken sind, stehen sie doch für die Transformation des Energiesystems weg von atomar-fossilen Energien hin zu erneuerbaren Energien. Deutschland ist ein Vorreiter in Sachen Energiewende – das Jahrhundertvorhaben zur Rettung des Weltklimas ist allerdings ein nationenübergreifendes Vorhaben. Insgesamt 195 Staaten haben sich darauf geeinigt, den Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur mit energiesparenden Maßnahmen und dem Ausbau erneuerbarer Energien auf maximal 2 Grad Celsius zu begrenzen.

 

Viele Ziele werden nicht erreicht

Als Initiator des Atomausstieges nimmt Deutschland noch immer eine Vorreiterrolle ein. Doch werden wir dieser Rolle nach wie vor gerecht? Die gesteckten Ziele zur Reduzierung der Treibhausgasemissionen und dem finalisierten Atomausstieg bis 2022 waren hoch. So hoch, dass wir diese zu verfehlen drohen, wenn wir nicht ein paar sprichwörtliche Schippen drauflegen. So stehen wir aktuell vor drei großen Baustellen: Energieeffizienz, Verkehr und CO2-Emissionsreduzierung. Die durchschnittliche Steigerung der Energieeffizienz zwischen 2008 und 2014 lag lediglich bei 1,6 Prozent anstelle des vorgesehenen Wertes von 2,1 Prozent. Darüber hinaus lag der Endenergieverbrauch im Verkehr ca. 1,7 Prozent höher als 2005. Vorgesehen sind Reduzierungen des Endenergieverbrauchs von 10 Prozent.

 

CO2 bleibt das größte Problem

Doch auch das größte Ziel – die Reduzierung der Treibhausgasemissionen bis 2020 um 40 Prozent gegenüber 1990 – liegt in weiter Ferne. Um dieses Ziel erreichen zu können, muss das Tempo der Emissionsminderung in den noch ausstehenden viereinhalb Jahren mindestens verdreifacht werden. Jährlich bedeutet dies eine Senkung des Treibhausgasausstoßes von 28 Millionen Tonnen. Dass auch der Ausbau erneuerbarer Energien immer langsamer und damit unzureichend ausfällt, ist im Rahmen der aktuellen Energiewende längst kein Geheimnis mehr. Die vorgegebenen Ausbaukorridore werden so signifikant verfehlt, dass die Einspeisevergütungen stabil bleiben und wahrscheinlich sogar wieder steigen werden.

 

Deutschland sinkt im Energiewende-Ranking

In einer 2014 veröffentlichten Studie*, die sich dem internationalen energiepolitischen Zieldreieck Umweltverträglichkeit, Wirtschaftlichkeit und Versorgungssicherheit auf dem Weg zu klimafreundlichen Energiesystemen befasst, schneidet Deutschland nur bedingt gut ab.Untersucht wurden die Kriterien „Niveau“ und „Dynamik“. Im Neveau-Ranking stehen reife Industrieländer aufgrund geografischer Bedingungen und Akzeptanz in der Bevölkerung grundsätzlich weit oben. In diesem Ranking schaffte es Deutschland allerdings hinter Frankreich und Spanien – aber noch vor Italien – nur auf Platz acht.

Im Dynamik-Ranking wird es dann erschreckend. Überraschend ist bereits, dass Länder wie USA, Italien, Ungarn und Spanien an der Spitze des Rankings stehen. Dass Deutschland in Sachen Dynamik den letzten Platz belegt, entspricht keinesfalls der deutschen Wahrnehmung als Musterknabe der Energiewende.

 

Die Vorreiterrolle ist in Gefahr

Die Ergebnisse im Dynamik-Ranking sind mau, doch nicht zwangsweise ungerechtfertigt. So sind die Stromkosten für Haushalte zuletzt lediglich in drei Ländern stärker gestiegen als in Deutschland. Stromkosten für Unternehmen sind nur in fünf Ländern stärker gestiegen als bei uns. Die Ergebnisse sind ein überdurchschnittliches Preisniveau und ein außergewöhnlich schneller Anstieg der Stromkosten. Das hat zur Folge, dass Deutschlands Wettbewerbsfähigkeit im internationalen Vergleich enorm gesunken ist.

 

Was muss sich ändern?

Aktuell ist die Energiewende in Deutschland zu teuer und produziert zu wenig Erfolge. Für eine schnellere Energiewende muss sich laut Studie* folgendes ändern:

  • Eine gemeinsame europäische Strategie muss her
  • Förderung möglichst kosteneffizienter Energiesysteme
  • Güterverkehr im Mobilitätssektor von der Straße auf die Schienen verlagern
  • Bessere Anreize für Haushalte und Unternehmen zur Energieeffizienz
  • Kosten nicht allein von privaten Haushalten aus niedrigen Einkommensgruppen tragen lassen

 

Quelle: energie-wissen.de

*Zu Rate gezogene Studien:

„Neue Impulse für die Energiewende. Was die deutsche Energiepolitik aus dem internationalen Vergleich lernen kann“, Handelsblatt Research, 2014

„Die Energiezukunft“, Expertengremium im Auftrag des BMWi, November 2015

Titelbild: artjazz/shutterstock

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