Dieter Janecek im Interview: „Richtig teuer wird’s nur, wenn wir die Energiewende in den Sand setzen“

Seit 2008 ist Dieter Janecek Landesvorsitzender der Grünen in Bayern. Für die Bundestagswahl 2013 ist er Direktkandidat der Grünen im Wahlkreis München-West.  Im Interview mit Milk the Sun nimmt der 36-jährige Stellung zur Energiewende, den derzeitigen politischen Wirren um Ihre Zukunft und der Frage nach den richtigen Änderungen für das EEG.

Milk the Sun: Sehr geehrter Herr Janecek, der steigende Strompreis veranlasste Bundesumweltminister Peter Altmaier dazu, eine sogenannte Strompreisbremse zu entwickeln. Was halten Sie von Herr Altmaiers Vorschlag?

Janecek: „Strompreisbremse“ sollte im Zusammenhang mit den Erneuerbaren zum Unwort des Jahres 2013 benannt werden. Die Erneuerbaren Energien sind der einzige Weg, dass wir in Deutschland auf Dauer wettbewerbsfähige und bezahlbare Strompreise sichern und nebenbei auch noch einen wertvollen Beitrag für Umwelt- und Klimaschutz erbringen. Der Weg zu einem erneuerten Energiesystem auf der Basis erneuerbarer Energien verlangt Investitionen, die wir z.B. bei der Modernisierung der Stromnetze ohnehin tätigen müssten. Am Ende des Weges stehen Grenzkosten Null pro erzeugter Einheit Energie, denn Sonne und Wind schicken uns keine Rechnung.

Milk the Sun: Eine Billion Euro nannte Altmaier als möglichen Kostenpunkt für die Energiewende. Wie realistisch ist diese Zahl, was steckt dahinter?

Janecek: Altmaier selber kann diese Zahl bis heute nicht plausibel erklären, was zeigt, dass es ihm vor allem darum ging zu dramatisieren. So hat er einfach den Netzausbau in sein Szenario mit 300 Mrd. Euro zu Lasten der Erneuerbaren gelegt. Dabei ist klar, dass in jedem Fall die Netze umfassend modernisiert werden müssen. Das ist keine glaubwürdige Vorgehensweise und verunsichert Investoren.
Das Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft hat in einer aktuellen Studie dargelegt, dass der Ausbau der Erneuerbaren Energien im von Altmaier zugrunde gelegten Zeitraum gegenüber einem konventionellen Szenario 159 Mrd. Euro einspart. Fazit: Richtig teuer wird’s nur, wenn wir die Energiewende in den Sand setzen.

Milk the Sun: Was muss Ihrer Meinung nach getan werden, um den Strompreis für den privaten Verbrauchern zukünftig auf einem bezahlbaren Level zu halten?

Janecek: Wir Grüne wollen die ausgeuferten Ausnahmen der Industrie bei der EEG-Befreiung reduzieren, ca. eine Milliarde Euro ließen sich so einsparen. Nur noch Unternehmen, die mindestens 10 Gigawattstunden Strom im Jahr verbrauchen und die tatsächlich im internationalen Wettbewerb stehen, soll die EEG-Umlage teilweise erlassen werden. Bei besonders windintensiven Standorten kann man auch um eine Kürzung der Vergütung nachdenken. Zudem wollen wir Eigenstromerzeuger anteilig an der EEG-Umlage beteiligen. Entscheidend bleibt für uns, dass wir das EEG verlässlich weiter führen. Die Verunsicherung der Investoren durch die Politik der Bundesregierung führt jetzt bereits dazu, dass Investitionsentscheidungen für den Ausbau der Erneuerbaren überdacht und zurückgestellt werden.

Milk the Sun: Ein weiterer aktueller Diskussionspunkt ist der Netzausbau. Wie muss dieser gestaltet werden, um den Bedürfnissen und Anforderungen einer dezentralen Energiewende zu entsprechen?

Janecek: Der Ausbau und die Modernisierung der Netze hat für uns erste Priorität, denn nur so verteilen wir den fluktuierenden erneuerbaren Strom optimal und reduzieren gleichzeitig den kostenintensiven Speicherbedarf. Der Bau von „Stromautobahnen“ von Nord nach Süd und von Ost nach West ist dabei grundsätzlich sinnvoll. Denn warum sollte Strom aus Windkraftwerken in der Nordsee nicht in Bayern genutzt werden? Warum sollte Strom aus Photovoltaik-Anlagen in Bayern nicht auch im Ruhrgebiet verbraucht werden können? Gleichzeitig müssen wir dringend die regionalen Verteilernetze auf den neusten Stand bringen. Heute wird im Gegensatz zu früher dezentral in den Regionen Strom produziert, der nicht nur die Region selbst versorgt, sondern auch Regionen weit darüber hinaus.  Deshalb müssen z.B. je nach Bedarf Leitungen verstärkt werden: Dynamische Trafostationen steigern die Stabilität des lokalen Stromnetzes und auch regionale Stromspeicher helfen das Netz stabil zu halten. Aus den reinen Verteilnetzen müssen letztlich intelligente Stromnetze werden, die den wechselnden Stromfluss tatsächlich steuern können und zwar in verschiedene Richtungen, die sog. Smart Grids.

Milk the Sun: Wie ist die aktuelle Situation der Energieversorgung durch Erneuerbare in Bayern? Wo steht der Freistaat besonders gut da, wo besteht noch Handlungsbedarf?

Janecek: Aktuell wird immer noch 50% des bayerischen Stroms durch die fünf AKW-Standorte gedeckt. Im kommenden Jahrzehnt wird dieser Anteil wegfallen, der Energiemix wird sich radikal verändern. Die Windkraft wurde über Jahrzehnte systematisch blockiert und ausgebremst. Hier sehen wir das größte Potential beim Ausbau der Erneuerbaren Energien. Traditionell hat Bayern einen hohen Anteil an Wasserkraft, das Potential ist weitgehend ausgereizt. Kooperationen mit der starken Hydro-Energiewirtschaft in Österreich und der Schweiz sollten intensiviert werden, z.B. für die Erschließung von Speicherpotentialen.
Bei der Photovoltaik ist Bayern bereits heute führend, insbesondere unsere Landwirte haben das EEG sehr konsequent genutzt, so dass Bayern im Saldo heute mit 1,2 Mrd. Euro jährlich aus der EEG-Umlage profitiert. Dieser Ausbau muss bedarfsgerecht weiter gehen.
Stark vernachlässigte Themen in Bayern sind die Kraft-Wärme-Kopplung, gerade die Industrie hat an ihren Standorten oft Wärme an Standort nahe Kommunen abzugeben, doch fehlt es an den entsprechenden Verbundnetzen. Dezentrale Blockheizkraftwerke könnten eine weitere vielversprechende Lösung sein. Auch die Photovoltaik in der Freifläche ist eine unterschätzte Option, sie könnte bei der Netzsteuerung und Speicherbedarf einen wertvollen Beitrag erbringen.

Als Regelergänzungsenergie brauchen wir mindestens bis 2030 Erdgas, perspektivisch Power-To-Gas sowie Biogas. Hier fehlt es an attraktiven Rahmenbedingungen für Investoren. Die Themen Lastmanagement und Energieeinsparung sind in Bayern noch völlig unterentwickelt. Jede eingesparte Kilowattstunde ist ein Gewinn.
Um all diese Handlungsstränge für das Gelingen der Energiewende zusammenzuführen, brauchen wir ein durchsetzungsstarkes Energieministerium in Bayern, das die entsprechenden Kompetenzen bündelt.

Milk the Sun: Bis wann können Sie sich eine hundertprozentige Stromversorgung aus Erneuerbaren vorstellen? Was ist realistisch?

Janecek: Wir liegen heute bereits bei 35% Erneuerbaren Energien in Bayern. In den windreichen Standorten Norddeutschlands liegt der Anteil schon vielerorts nahe 100%. Wenn wir die Energiewende konsequent fortführen, wird 2020 bereits mehr als jede zweite Kilowattstunde aus Erneuerbaren Strom produziert werden. Im darauf folgenden Jahrzehnt kommt ein erneuertes Verteilernetz sowie die nächste Generation an Speichertechnologien zum Tragen. Wenn es uns dann noch gelingt, überschüssigen erneuerbaren Strom aus Wind und Photovoltaik über Methanisierung ins Erdgasnetz einzuspeisen, ist ein vollständiger Umstieg Richtung 100% Erneuerbare bis 2030 möglich. Eine ähnliche Entwicklung erwarte ich bei der Wärme, hier ist der Haupthebel die konsequente Modernisierung des Gebäudebestands mit gewaltigen Arbeitsplatzpotentialen für Handwerk und Mittelstand.

Milk the Sun: Was gibt der Direktkandidat für die Bundestagswahl 2013, Dieter Janecek, den Wählern bezüglich der Energiewende mit auf dem Weg?

Janecek: Die Energiewende ist ein Projekt, das begeistert. Das Energiesystem der Zukunft wird erneuerbar sein, es schafft Wertschöpfung vor Ort, beteiligt die Menschen und ist der Schlüssel für eine umweltverträgliche Lebensweise auf diesem Planeten. Fast täglich erlebe ich vor Ort bei Bürgergenossenschaften, Kommunen, Unternehmen oder auch engagierten Privatpersonen, wie viel Kreativität und Enthusiasmus diese für das Gelingen dieses Jahrhundertprojekts investieren. Auf uns schaut die ganze Welt, dessen sollten wir uns stärker bewusst werden und uns nicht im Klein-Klein von vermeintlichen Risiken der Energiewende und Lobby-gesteuerten Kostendebatten verlieren.

Wir bedanken uns bei Herrn Janecek für das Gespräch.

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