„Deutschland wird als Markt für die Photovoltaik immer unbedeutender“

„Deutschland wird als Markt für die Photovoltaik immer unbedeutender“

Auf den Photovoltaik-Boom der letzten Jahre folgte schnell die Ernüchterung. Der weitere Ausbau von PV-Kapazitäten werde von unterschiedlichen Seiten bekämpft, stellt Dr. Benedikt Ortmann, CEO des Projektentwicklungs- und Beratungsunternehmens BayWa r.e. Solar Projects GmbH, im Interview mit Milk the Sun fest. Der deutsche Markt werde immer unbedeutender, eine schnelle Lösung sei nicht in Sicht. Ist unser Wille überhaupt noch stark genug?

 

Milk the Sun: Herr Dr. Ortmann, wie bewerten Sie den Entwicklungsstand des Photovoltaik-Marktes und der Solarindustrie vor dem Hintergrund des neuen EEG, der verfehlten Zubauziele und der startenden Ausschreibungen für PV-Freiflächenanlagen?

Dr. Ortmann: Grundsätzlich hat sich der Photovoltaik-Markt in Deutschland in den letzten Jahren gut entwickelt und ist zu einer tragenden Säule der Energieversorgung unseres Landes avanciert – entgegen zahlreicher Unkenrufe und vor allem entgegen massiver Versuche der Lobby der klassischen Energiewirtschaft, die Revolution im Energiesektor aufzuhalten.

Umso bedauerlicher ist es festzustellen, dass der weitere Ausbau der Photovoltaik mit verschiedensten Instrumenten von unterschiedlichen Seiten bekämpft wird:

  • Die EU verteuert mit ihrem Mindestpreis auf chinesische Solarmodule den Preis für Solarstrom künstlich und zu Gunsten der chinesischen Hersteller, die inzwischen alle wieder satte Gewinne einfahren.
  • Hierzulande hingegen sinken die Einspeisevergütungen trotzdem, was den Zubau drastisch reduziert und zudem leider nicht verhindert, dass weiteren Solarmodulherstellern das Licht ausgeht, zuletzt der guten alten Solarfabrik aus Freiburg.
  • Anstatt diesem Kostendruck durch eine extensivere Flächenpolitik für Freiflächenanlagen entgegenzuwirken, wurde der mögliche Ausbau von Photovoltaik in der Freifläche auf unbedeutende 400 MW pro Jahr gedeckelt.
  • Der Bauernverband hat verhindert, dass die Flächenkulisse für große Photovoltaik-Anlagen auf zumindest minderwertige Ackerflächen ausgeweitet werden konnte.
  • Die Bundesregierung pönalisiert weiterhin den Eigenverbrauch von Solarstrom vom eigenen Dach, indem sie diesen Strom nicht von Umlagen befreit.

Zusammenfassend muss man sagen, dass wir im Solarbereich gerade in der falschen Richtung unterwegs sind. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt: Im Windsektor haben wir in Deutschland einen jährlichen Zubau von 4 GW. Photovoltaik ist nicht mehr teurer als Wind – warum kann diese Größenordnung nicht auch für PV angesteuert werden?

 

Milk the Sun: Laut „Deutschem Energiekompass“ sinkt die Akzeptanz der Bürger gegenüber der Energiewende immer weiter. Wie erklären Sie sich diesen Trend nach den Jahren des Solarbooms?

Dr. Ortmann: Ich glaube, die Akzeptanz der Bürger schwindet wegen einer wachsenden Verunsicherung, ob das denn alles so funktionieren kann mit dieser Energiewende. Man hört so viel Widersprüchliches und liest so viele Untergangsszenarien. Dann schaut man auf seine Stromrechnung und denkt sich, wie kann das sein, dass Energie immer teurer wird, obwohl das Öl so billig wie lange nicht ist und angeblich die Netze immer instabiler werden? Da können ja nur die Erneuerbaren Schuld sein…

 

Milk the Sun: Aktuell ist die deutsche Solarbranche stark getroffen von den Markteintritten chinesischer Unternehmen mit immer günstigeren Modulpreisen. Deutsche Qualitätshersteller erwirtschaften Verluste und streichen immer mehr Stellen. Kann sich dieser Trend in Zukunft noch einmal zum Positiven wenden – und was müssen deutsche Unternehmen tun, um im internationalen Markt wieder relevant und konkurrenzfähig zu werden?

Dr. Ortmann: Leider müssen wir ja sehen, dass Instrumente wie z.B. der Mindestpreis nicht funktionieren, um europäische – und damit auch deutsche – Modulhersteller zu retten. Ich glaube, da wurden auch Managementfehler in der Vergangenheit begangen. Die Chinesen wurden zu lange ignoriert, nicht ernst genommen und verbal verunglimpft. Tatsache ist aber: Wenn wir die chinesischen Module nicht gehabt hätten, wäre der Preis einer Kilowattstunde Solarstrom heute nicht bei 10 Cent, sondern wahrscheinlich immer noch bei 20-30 Cent. Wettbewerb ist wünschenswert und der Energiewende sehr zuträglich. Was genau deutsche Firmen tun können, um im internationalen Wettbewerb wieder eine Rolle zu spielen, ist eine Frage, die ich so nicht beantworten kann. Was sicherlich nicht hilfreich für eine internationale Wettbewerbsfähigkeit sein kann, ist wenn man um sein Haus einen Schutzzaun von Mindestpreisen für Ausländer zieht.

 

Milk the Sun: Welche Entwicklung(en) sehen Sie für die Photovoltaik in Deutschland? Und wie schätzen Sie die Relevanz von Energiespeichern und dem Zusammenspiel aller erneuerbaren Energien in diesem Kontext ein?

Dr. Ortmann: Deutschland wird als Markt für die Photovoltaik immer unbedeutender. Mit jährlichen 2 GW sind wir allenfalls noch Mittelgewicht. Er reduziert sich auf das Privatkundengeschäft, Großanlagen spielen auf absehbare Zeit keine Rolle mehr. Konsequenterweise sind Großanlagenbauer wie auch die BayWa r.e. fast nur noch im Ausland unterwegs.

Für eine erfolgreiche Energiewende ist dies aber weit zu wenig. Das Gegenteil müsste passieren: Massiver Ausbau von Photovoltaik von ca. 10 GW p.a., damit in ca. 10 Jahren genügend Erzeugungskapazitäten zur Verfügung stehen, um im Zusammenspiel mit Energiespeichern unseren Strombedarf vollständig erneuerbar zu decken und einen großen Schritt in Richtung nachhaltigen Verkehr mit E-Mobility leisten zu können. Dass das machbar ist, ist wissenschaftlich längst erwiesen und unbestritten. Man muss es nur wollen.

Wir danken Herrn Dr. Ortmann für das Interview.

 

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Im Rahmen der Fortsetzung der Interviewreihe „Vier Fragen an …“ stellt der Milk the Sun-Blog führenden Köpfen aus Wirtschaft, Politik und Medien vier Fragen zu den Erwartungen an die nationale und internationale Energiepolitik, die Energiewende und  die Reform des EEGs.

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